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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Mittwoch, 1. November [Dezember] 1937

Emil Raas
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1. Nov. [Dezember] 37

¼ nach 12 [Kette mit Uhr]

Lieber Mill

Sie glauben wirklich, daß man erst was werden muß, um sich zu – erlauben einen Besuch zu machen. Ich war mit 6 Jahren dasselbe wie heute, genau so, nicht eine Spur wertvoller bin ich geworden. Glaube sogar fast, ich bin viel weniger geworden. J. G. will heute noch nicht anders wie Jakob Goldsch. genannt werden, verbittet [2] sich den Doktor etc. Aber lassen Sie nur. Ich will ihm nochmals schreiben und sehen, er ladet Sie ein. ihn zu besuchen zu Thee und [Kuchen]

Am 5. Dez. hab ich zugesagt dem Zionistischen Verein zur Makkabaerfeier aus meinem Hebräerland zu lesen. Hôtel Savoy – Bahnhofstr. 25. Frc. Im Jan. will ich hier Vortrag halten, wahrscheinlich Matinée Nord-Süd Cinema. Ich muß doch immer sehen – verdienen. Ich will doch auch mein früheres liebes Mädchen: Hedwig einladen 6 Tage. Sie soll dann auch abends Kino mit mir und Café Selektbar sehen etc. [3] Ich freu mich mal wieder nach 5 Jahren mit einem Menschen zu sprechen.

– Der Göbbels ist nach Egypten gereist, genau wie ich prophezeihete. Der kommt gewiß nicht wieder, denn der neue Wirtschaftsminister Funk, ein Freund von Göhring, von seinem Feind. Ich versteh ja Politik, treib ich sie auch nicht. Monumentaler Klatsch ist Politik meist – das ist schade. Selten versteht Jemand politisch zu dichten.

Sagen Sie mir doch, warum soll ich immer schreiben, da Sie eigentlich nie antworten oder nur Wetterprognosen stellen.

Morgen muß ich früh aufstehen.

[4] I. Ins Kunsthaus

II. Oprecht

III. Cape anprobieren

IV. Etwas kaufen für mich

V. Zu Wyckihalder.

Ich habs so satt.

Bitte unter uns. [Frauenkopf im Halbprofil mit Fes, rauchend]

Silvain Guggenheim (bitte unter uns) gab mir wieder 75 und verhandelt mit Gerusalemme und Herrn Reiff, der angeklingelt werden will.

Meine Räuberhöhle macht sich; es wurde mir klar: Stolz dem Bürger gegenüber

Ist Luxus, er darbe lieber

Für unsersgleichen

Ich schreite ruhig über seine Teiche-n.

»Den See kann – den Landvogt kann ich nicht erweichen!«

[5] Ich kann ja nicht mehr anders wie cynisch sein. Haben Sie das noch nicht gemerkt? Cynismus schwächt, Cynismus stärkt.

5 Jahre Herumgetrieben und Schmach und Ehrverlust

einen Orden an der Gänseleberbrust

Ich hab nichts mehr über für Hass und Liebe – und wuchs empor nun fast 5 Jahr ohne ein gutes Wort und so Jahr und Jahr, da wird man dann so wie ich bin. Meine Sehnsucht: wieder Gerusalemme! So warm und man schläft hin, schlummert her und die Omnibusse so süß fuhr ich bis zur Post [6] dann zurück etwas durch Araberstadt wieder aufwärts, – oft sofort nach Rehavia! Manchmal sangen wir mit dem spanischen Chameur: Carmen im Omnibus, waren wir zu dritt oder viert. Habe dort liebe Menschen – hier auch ein paar, aber alle irgend verkommen hier. Dort stärker.

Nun was von Südamerika wo ich als Kind mal war. Peru! Tolle Sache!

[Kopf en face mit Feder] So sähe ich gern aus.

Sehe ich etwas ähnlich?

Mein Herz kloppt schrecklich wieder.

Ich muß jetzt schlafen,

Da morgen wieder in der Frühe,

Ich aufstehn muß und viele Mühe.

Jussuf

[7] Früh am Morgen. Muß gleich fort. Vorher, da Geld, trinke ich alkoholfreies (Karl den Großen) wegen Vollkornbrot u. Honig.

Ich möchte Dir noch sagen, Mill, und zwar bei meinem Glück, damit Ihre Unsicherheit nun endlich aufhört. Ich würde doch nie im Leben wieder heiraten. Größere: nüchterne Schweinerei giebts nicht. (Pardon) Danke für Obst! Ich wäre auch noch eine Verbrecherin. Glauben Sie darum nicht, daß ich mich unterschätze – [8] aber, auch Sie hoch beurteile und nie eine Geschmacklosigkeit riskiere. Meine frühere Hedwig sagte immer: Die Jugend muß sich amüsieren. (Hier keine zu finden, da Balkan.) Jedesmal bekam sie einen Tritt von mir, da ich diese ältlichen Worte nicht hören kann. Auch wollte sie nie von mir Blumen an momentane Schönheiten bringen, aber ein nett Mädchen ist sie doch für das ich Sorge habe. Lieber Mill, bitte glauben Sie mir und keine Angst am Telephon ich weiß ja schon und dämpf’ den Ton und sprech wovon Sie wollen.

Ich bin ewig ein freier Vogel [als V ein fliegender Vogel]

[7] Es sagte mal ein verwildeter Kerl in der Texasbar: Berlin: Heiraten wolln mir viele, aber eck will lieben.

[Käseglocke] Schweizerin unter der Glocke Schauernamen!

[Schwurhand] Eid!

Ich habe immer nur von Liebe geträumt die nie verblüht.