Georg Trakl erlag im Krieg von eigener Hand gefällt.
So einsam war es in der Welt. Ich hatt ihn lieb.
[9] Georg Trakl
Seine Augen standen ganz fern.
Er war als Knabe einmal schon im Himmel.
Darum kamen seine Worte hervor
Auf blauen und auf weißen Wolken.
Wir stritten über Religion,
Aber immer wie zwei Spielgefährten,
Und bereiteten Gott von Mund zu Mund.
Im Anfang war das Wort.
Des Dichters Herz, eine feste Burg,
Seine Gedichte: Singende Thesen.
Er war wohl Martin Luther.
Seine dreifaltige Seele trug er in der Hand,
Als er in den heiligen Krieg zog.
– Dann wußte ich, er war gestorben –
Sein Schatten weilte unbegreiflich
Auf dem Abend meines Zimmers.
[10] Paul Leppin
Der König von Böhmen
Schenkte mir seine Dichtung Daniel Jesus.
Ich schlug sie auf und las: Der lieben, lieben, lieben, lieben Prinzessin.
Ich schrieb ihm auf einen himmelblauen
Bogen: Süßer Daniel Jesus Paul.
[11] Dem Daniel Jesus Paul
Du es ist Nacht –
Wir wollen unsere Sehnsucht teilen,
Und in die Goldgebilde blicken.
Vor meinem Herzen sitzt immer eine Tote
Und bettelt um Almosen.
Und summt meine Lieder
Schon einen weißgewordenen Sommer lang.
Über den Grabweg hinweg
Wollen wir uns lieben,
Tollkühne Knaben,
Könige, die sich nur mit dem Szepter berühren!
Frage nicht – ich lausche
Deiner Augen Rauschehonig.
Die Nacht ist eine weiche Rose
Wir wollen uns in ihren Kelch legen,
Immer ferner versinken,
Ich bin müde vom Tod!
[12] Dem König von Böhmen
Ich frage nicht mehr –
Ich weiß wer auf den Sternen wohnt ......
Mein Herz sinkt tief in die Nacht.
So sterben Liebende
Immer an zärtlichen Himmeln vorbei;
Und atmen wieder dem Morgen entgegen
Auf frühleisen Schweben.
Ich aber wandele mit den heimkehrenden Sternen.
Und ich habe viele schlafende Knospen ausgelöscht,
Will ihr Sterben nicht sehn,
Wenn die Rosenhimmel tanzen.
Aus dem Gold meiner Stirne leuchtet der Smaragd,
Der den Sommer färbt.
Ich bin eine Prinzessin.
Mein Herz sinkt tief in die Nacht
An Liebende vorbei.
[13] Winternacht
(Cellolied)
Ich schlafe tief in starrer Winternacht,
Mir ist, ich lieg in Grabesnacht,
Als ob ich spät um Mitternacht gestorben sei
Und schon ein Sternenleben tot.
Zu meinem Kinde zog mein Glück
Und alles Leiden in das Leid zurück.
Nur meine Sehnsucht sucht sich heim
Und zuckt wie zähes Leben
Und stirbt.
Ich schlafe tief in starrer Winternacht,
Mir ist, ich lieg in Grabesnacht.
[14] Frühling
Wir wollen wie der Mondenschein
Die stille Frühlingsnacht durchwachen,
Wir wollen wie zwei Kinder sein.
Du hüllst mich in dein Leben ein
Und lehrst mich so wie du zu lachen.
Ich sehnte mich nach Mutterlieb
Und Vaterwort und Frühlingsspielen,
Den Fluch, der mich durchs Leben trieb,
Begann ich, da er bei mir blieb,
Wie einen treuen Feind zu lieben.
Nun blühn die Bäume seidenfein
Und Liebe duftet von den Zweigen.
Du mußt mir Mutter und Vater sein
Und Frühlingsspiel und Schätzelein
Und ganz mein eigen.
[15] Abend
Es riß mein Lachen sich aus mir,
Mein Lachen mit den Kinderaugen,
Mein junges, springendes Lachen
Singt Tag der dunklen Nacht vor deiner Tür.
Es kehrte aus mir ein in dir
Zur Lust dein Trübstes zu entfachen –
Nun lächelt es wie Greisenlachen
Und leidet Jugendnot.
[16] Sein Blut
Am liebsten pflückte er meines Glückes
Letzte Rose im Maien
Und würfe sie in den Rinnstein.
Sein Blut plagt ihn.
Am liebsten lockte er meiner Seele
Zitternden Sonnenstrahl
In seine düstre Nächtequal.
Am liebsten griff er mein spielendes Herz
Aus wiegendem Lenzhauch
Und hing es auf wo an einem Dornstrauch
.... Sein Blut plagt ihn.
[17] Selbstmord
Wilde Fratzen schneidet der Mond in den Sumpf
Es kreisen alle Welten dumpf;
Hätt ich erst diese überstanden!
Mein Herz, ein Skarabäenstein;
Blüht bunter Mai aus meinem Gebein
Und Meere rauschen durch Guirlanden.
Ich wollt, ich wär eine Katz geworden;
Der Kater schleicht sie lustzumorden
Im vollmondblutenden Abendschein.
Wie die Nacht voll grausamer Sehnsucht keimt –
Sie hat in mir oft zart geträumt
Und ist entstellt zur Fratze.
Der Tod selbst fürchtet sich zu zwein
Und kriecht in seinen Erdenschrein,
– Aber ich pack ihn mit meiner Tatze.
[18] Mein stilles Lied
Mein Herz ist eine traurige Zeit,
Die tonlos tickt.
Meine Mutter hatte goldene Flügel,
Die keine Welt fanden.
Horcht, mich sucht meine Mutter,
Lichte sind ihre Finger und ihre Füße wandernde Träume.
Und süße Wetter mit blauen Wehen
Wärmen meine Schlummer
Immer in den Nächten,
Deren Tage meiner Mutter Krone tragen.
Und ich trinke aus dem Monde stillen Wein,
Wenn die Nacht einsam kommt.
Meine Lieder trugen des Sommers Bläue
Und kehrten düster heim.
– Ihr verhöhntet meine Lippe
Und redet mit ihr. –
Doch ich griff nach euren Händen,
Denn meine Liebe ist ein Kind und wollte spielen.
[19] Und ich artete mich nach euch,
Weil ich mich nach dem Menschen sehnte.
Arm bin ich geworden
An eurer bettelnden Wohltat.
Und das Meer wird es wehklagen
Gott.
Ich bin der Hieroglyph,
Der unter der Schöpfung steht
Und mein Auge
Ist der Gipfel der Zeit;
Sein Leuchten küßt Gottes Saum.
[20] Ballade
(Aus den sauerländischen Bergen)
Er hat sich
In ein verteufeltes Weib vergafft,
In sing Schwester!
Wie ein lauerndes Katzentier
Kauerte sie vor seiner Tür
Und leckte am Geld seiner Schwielen.
Im Wirtshaus bei wildem Zechgelag
Saß er und sie und zechten am Tag
Mit rohen Gesellen.
Und aus dem roten, lodernden Saft
Stieg er ein Riese aus zwergenhaft
Verkümmerten Gesellen.
Und ihm war, als blickte er weltenweit,
Und sie schürte den Wahn seiner Trunkenheit
Und lachte!
Und eine Krone von Felsgestein,
Von golddurchädertem Felsgestein
Wuchs ihm aus seinem Kopf.
Und die Säufer kreischten über den Spaß.
»Gott verdamm mich, ich bin der Satanas!«
Und der Wein sprühte Feuer der Hölle.
[21] Und die Stürme sausten wie Weltuntergang
Und die Bäume brannten am Bergeshang,
Es sang die Blutschande ........
Sie holten ihn um die Dämmerzeit,
Und die Gassenkinder schrien vor Freud
Und bewarfen ihn mit Unrat.
Seitdem spukt es in dieser Nacht,
Und Geister erscheinen in dieser Nacht,
Und die frommen Leute beten.
Sie schmückte mit Trauer ihren Leib,
Und der reiche Schankwirt nahm sie zum Weib,
Gelockt vom Sumpf ihrer Tränen.
– Und der mit der schweren Rotsucht im Blut
Wankt um die stöhnende Dämmerglut
Gespenstisch durch die Gassen.
Wie leidender Frevel
Wie das frevelnde Leid,
Überaltert dem lässigen Leben.
Und er sieht die Weiber so eigen an,
Und sie fürchten sich vor dem stillen Mann
Mit dem Totenkopf.
[22] »Täubchen, das in seinem eignen Blute schwimmt«
Als ich also diese Worte an mich las,
Erinnerte ich mich
Tausend Jahre meiner.
Eisige Zeiten verschollen – Leben vom Leben,
Wo liegt mein Leben –
Und träumt nach meinem Leben.
Ich lag allen Tälern im Schoß,
Umklammerte alle Berge,
Aber nie meine Seele wärmte mich.
Mein Herz ist die tote Mutter,
Und meine Augen sind traurige Kinder,
Die über die Lande gehen.
»Täubchen, das in seinem eigenen Blute schwimmt«.
Ja, diese Worte an mich sind heiße Tropfen,
Sind mein stilles Aufsterben
»Täubchen, das in seinem eigenen Blute schwimmt«.
In den Nächten sitzen sieben weinende Stimmen
Auf der Stufe des dunklen Tors
Und harren.
[23] Auf den Hecken sitzen sie
Um meine Träume
Und tönen.
Und mein braunes Auge blüht
Halberschlossen vor meinem Fenster
Und zirpt. –
»Täubchen, das in seinem eigenen Blute schwimmt«.
[24] Nun schlummert meine Seele –
Der Sturm hat ihre Stämme gefällt,
O, meine Seele war ein Wald.
Hast du mich weinen gehört?
Weil deine Augen bang geöffnet stehn.
Sterne streuen Nacht
In mein vergossenes Blut.
Nun schlummert meine Seele
Zagend auf Zehen.
O, meine Seele war ein Wald;
Palmen schatteten,
An den Ästen hing die Liebe.
Tröste meine Seele im Schlummer.
[25] Vergeltung
Hab hinter deinem trüben Grimm geschmachtet,
Und der Tod hat in meiner Seele genachtet
Und fraß meine Lenze.
Da kam ein Augenblick,
Ein spielender, jauchzender Augenblick
Und tanzte mit mir ins Leben zurück
Bis zur Grenze.
Aber das Netz meiner Augen zerriß
Vom plötzlichen Lichtglanz.
Wie soll ich nun die Goldzeiten auffangen!
Meine Seele die Goldlüfte einsaugen!
Der Tod hat sich fest an mein Leben gehangen,
Ich fühle immer stilleres Vergessen .....
Himmelszeichen künden Unheil an im Westen,
In der Sackgasse brütet Frucht ein Nebelbaum
Und winkt mir heimlich mit den Schattenästen –
Ja! Meine Seele soll Beklemmnis von ihm essen!
Und ein Alp auf dir liegen nachts im Traum.
[26] Liebessterne
Deine Augen harren vor meinem Leben
Wie Nächte, die sich nach Tagen sehnen,
Und der schwüle Traum liegt auf ihnen unergründet.
Seltsame Sterne starren zur Erde,
Eisenfarbene mit Sehnsuchtsschweifen,
Mit brennenden Armen die Liebe suchen
Und in die Kühle der Lüfte greifen.
[27] Schwarze Sterne
Warum suchst du mich in unseren Nächten,
In Wolken des Hasses auf bösen Sternen!
Laß mich allein mit den Geistern fechten.
Sie schnellen vorbei auf Geyerschwingen
Aus längst vergessenen Wildlandfernen.
Eiswinde durch Lenzessingen.
Und du vergißt die Gärten der Sonne
Und blickst gebannt in die Todestrübe.
Ach was irrst du hinter meiner Not.
[28] Mein Drama
Mit allen duftsüßen Scharlachblumen
Hat er mich gelockt,
Keine Nacht mehr hielt ich es im engen Zimmer aus,
Liebeskrumen stahl ich mir vor seinem Haus
Und sog mein Leben ihn ersehnend aus.
Es weint ein bleicher Engel leis in mir versteckt,
Ich glaube tief in meiner Seele;
Er fürchtet sich vor mir.
Im wilden Wetter sah ich mein Gesicht!
Ich weiß nicht wo, vielleicht im dunklen Blitz,
Mein Auge stand wie Winternacht im Antlitz,
Nie sah ich grimmigeres Leid.
.... Mit allen duftsüßen Scharlachblumen
Hat er mich gelockt,
Es regt sich wieder weh in meiner Seele
Und leitet mich durch all Erinnern weit.
Sei still mein wilder Engel mein,
Gott weine nicht
Und schweige von dem Leid,
Mein Schmerzen soll sich nicht entladen,
Den Faden, der mich hielt mit allen Leben,
Hab ich der Welt zurückgegeben
Freiwillig.
Auf allen Denkgesteinen wird mein Leiden brennen,
[29] Um alles Blühen lohen, wie ein dunkler Bann.
Ich sehne mich nach meiner blindverstoßenen Einsamkeit,
Trostsuchend wie mein Kind sie zu umarmen.
[30] Leise sagen –
Du nahmst dir alle Sterne
Über meinem Herzen.
Meine Gedanken kräuseln sich,
Ich muß tanzen.
Immer tust du das, was mich aufschauen läßt,
Mein Leben zu müden.
Ich kann den Abend nicht mehr
Über die Hecken tragen.
Im Spiegel der Bäche
Finde ich mein Bild nicht mehr.
Dem Erzengel hast du
Die schwebenden Augen gestohlen;
Aber ich nasche vom Seim
Ihrer Bläue.
Mein Herz geht langsam unter
Ich weiß nicht wo –
Vielleicht in deiner Hand.
Überall greift sie an mein Gewebe.
[31] Nachklänge
Auf den harten Linien
Meiner Siege
Laß ich meine späte Liebe tanzen.
Herzauf, seelehin,
Tanze, tanze meine späte Liebe,
Und ich lächle schwervergessene Lieder.
Und mein Blut beginnt zu wittern
Sich zu sehnen
Und zu flattern.
Schon vor Sternzeiten
Wünschte ich mir diese blaue,
Helle, leuchteblaue Liebe.
Deine Augen singen
Schönheit,
Duftende ....
Auf den harten Linien
Meiner Siege
Laß ich meine späte Liebe tanzen.
Und ich schwinge sie –
»Fangt auf ihr Rosenhimmel,
Auf und nieder!«
[32] Tanze, tanze meine späte Liebe,
Herzab, seelehin –
Arglos über stille Tiefen ....
Über mein bezwungenes Leben.
[33] Streiter
Und deine hellen Augen heben sich im Zorn,
Schwarz, wie die lange Nacht, und morgenlose.
Des Eitlen Stimme brüllt in toter Pose,
Wie durch ein enggebogenes Horn.
Und zwischen übermütigem Tausendlachen
Der Einen und der Zweiten und der Vielen
Zerbersten Wort an Worten sich aus Wetterschwielen
Wie reife Härten auf den lauten Schwachen.
Und Abendwinde, die von her und dort sich trafen
Und schrill in Kreiseleile sich beschielen,
Aufpfiffen fröstelnd über die gebohnten Dielen –
Ich konnte nachts vor Träumerei nicht schlafen.
Und meine Seele liegt wie eine bleiche Weite
Und hört das Leben mahlen in der Mühle,
Es löst sich auf in schwere Kühle,
Und ballt sich wieder heiß zum Streite.
[34] An zwei Freunde
Ich blicke nachts in euren stillen Stern.
Es schwimmen Tränen braun um meinen Mandelkern
Und meine Schellen spielen süß am Kleiderrand.
Ich trage einen wilden Kork im Ohrlapp,
Und Monde tätowiert auf meiner Hand.
Versteinte Käfer fallen von der Schnur ab.
Ich liebe euer glitzernd Zackenland,
Und sehne mich nach goldnem Edelpunsche,
Aufglimme unsichtbar in eurem Wunsche.
[35] Laurencis
Ich gab dir einen Namen
Wie eine fromme Guirlande.
Darum will ich ihn
Nur immer liebend rufen.
Du siehst mich golden schimmern
Durch mein Abendherz.
Und nicht so trübe
Wie der Nebel es staubfällig färbt.
Meine Seele spielte Auferstehn,
Wenn Augen wie schlafende Täler lagen.
Und ich kenne alle Engel,
Denen habe ich von dir erzählt.
Es blüht die Aster meines Mundes
Mit deiner Lippen Rittersporn.
Und ich wache vor unserer Liebe
Denn ihre Küsse sollen Knospen bleiben.
[36] Chaos
Die Sterne fliehen schreckensbleich
Vom Himmel meiner Einsamkeit,
Und das schwarze Auge der Mitternacht
Starrt näher und näher.
Ich finde mich nicht wieder
In dieser Todverlassenheit,
Mir ist, ich lieg von mir weltenweit
Zwischen grauer Nacht der Urangst.
Ich wollte, ein Schmerzen rege sich
Und stürze mich grausam nieder
Und riß mich jäh an mich!
Und es lege eine Schöpferlust
Mich wieder in meine Heimat
Unter der Mutterbrust.
Meine Mutterheimat ist seeleleer,
Es blühen dort keine Rosen
Im warmen Odem mehr. –
.... Möcht einen Herzallerliebsten haben,
Und mich in seinem Fleisch vergraben.
[37] Scheidung
Hab in einer sternlodernden Nacht
Den Mann neben mir ums Leben gebracht.
Und als sein girrendes Blut gen Morgen rann,
Blickte mich düster sein Schicksal an.
[38] Die Liebe
Es rauscht durch unseren Schlaf
Ein feines Wehen, Seide,
Wie pochendes Erblühen
Über uns beide.
Und ich werde heimwärts
Von deinem Atem getragen,
Durch verzauberte Märchen,
Durch verschüttete Sagen.
Und mein Dornenlächeln spielt
Mit deinen urtiefen Zügen,
Und es kommen die Erden
Sich an uns zu schmiegen.
Es rauscht durch unseren Schlaf
Ein feines Wehen, Seide –
Der weltalte Traum
Segnet uns beide.
[39] Der letzte Stern
Mein silbernes Blicken rieselt durch die Leere,
Nie ahnte ich, daß das Leben hohl sei.
Auf meinem leichtesten Strahl
Gleite ich wie über Gewebe von Luft
Die Zeit rundauf, kugelab,
Unermüdlicher tanzte nie der Tanz.
Schlangenkühl schnellt der Atem der Winde,
Säulen aus blassen Ringen sich auf
Und zerfallen wieder.
Was soll das klanglose Luftgelüste,
Dieses Schwanken unter mir,
Wenn ich über die Lende der Zeit mich drehe.
Eine sanfte Farbe ist mein Bewegen
Und doch küßte nie das frische Auftagen,
Nicht das jubelnde Blühen eines Morgen mich.
Es naht der siebente Tag –
Und noch ist das Ende nicht erschaffen.
Tropfen an Tropfen erlöschen
Und reiben sich wieder,
In den Tiefen taumeln die Wasser
Und drängen hin und stürzen erdenab.
Wilde schimmernde Rauscharme
Schäumen auf und verlieren sich,
Und wie alles drängt und sich engt
Ins letzte Bewegen.
[40] Kürzer atmet die Zeit
Im Schoß der Zeitlosen.
Hohle Lüfte schleichen
Und erreichen das Ende nicht
Und ein Punkt wird mein Tanz
In der Blindnis.
[41] Hans Heinrich von Twardowsky
Ein Flamingo holte sich als Spielzeug
Den Hans Heinrich aus dem Teich.
Der Mondmann tanzt im goldenen Frack
Mit seinen Sternen Zick und Zack
Wenn Heinrich reimt im Chapeau Claque
In unserer Tacktick.
Er dichtet bis in Herrgottsfrüh
Liebenswürdige Parodie
Wolkenleicht und voll Esprit.
Glücklich schlägt seine Zuckeruhr;
Seine Augen lassen blaue Spur,
Adelige Vergißmeinnie.
[42] Mein Wanderlied
Zwölf Morgenhellen weit
Verschallt der Geist der Mitternacht,
Und meine Lippen haben ausgedacht
In stolzer Linie mit der Ewigkeit.
Torabwärts schreitet das Verflossene,
Indes sich meine Seele in dem Glanz der Lösung bricht,
Ihr tausendheißes, weißes Licht
Scheint mir voran ins Ungegossene.
Und ich wachse über all Erinnern weit –
So ferne Musik – und zwischen Kampf und Frieden
Steigen meine Blicke, Pyramiden,
Und sind die Ziele hinter aller Zeit.
[43] Richard Dehmel
Aderlaß und Transfusion zugleich;
Blutgabe deinem Herzen geschenkt.
Ein finsterer Pflanzer ist er,
Dunkel fällt sein Korn und brüllt auf.
Immer Zickzack durch sein Gesicht,
Schwarzer Blitz.
Über ihm steht der Mond doppelt vergrößert.
[44] Peter Baum
Er war des Tannenbaums Urenkel,
Unter dem die Herren zu Elberfeld Gericht hielten.
Und freute sich an jedes glitzernd Wort
Und ließ sich feierlich plündern.
Dann leuchteten die beiden Saphire
In seinem fürstlichen Gesicht.
Immer drängte ich, wenn ich krank lag,
»Peter Baum soll kommen!!«
Kam er, war Weihnachten –
Ein Honigkuchen wurde dann mein Herz.
Wie konnten wir uns freuen!
Beide ganz egal.
Und oft bewachte er
Im Sessel schmausend meinen Schlummer.
Rote und gelbe Cyllaxbonbons aß er so gern;
Oft eine ganze Schüssel leer.
Nun schlummert unser lieber Pitter
Schon ewige Nächte lang.
[45] »Wenn ich Euch alle glücklich erst
Im Himmel hätte –«
Sagte einmal gläubig zu den Söhnen
Seine Mutter.
Nun ist der Peter fern bewahrt
Im Himmel.
Und um des Dichters Riesenleib auf dem Soldatenkirchhof
Wächst sanft die Erde pietätvoll.
[46] Paul Zech
Sing Groatvatter woar dat verwunschene Bäuerlein
Aus Grimm sinne Märchens.
Der Enkelsonn ist ein Dichter.
Paul Zech schreibt mit der Axt seine Verse.
Man kann sie in die Hand nehmen,
So hart sind die.
Sein Vers wird zum Geschick
Und zum murrenden Volk.
Er läßt Qualm durch sein Herz dringen;
Ein düsterer Beter.
Aber seine Kristallaugen blicken
Unzählige Male den Morgen der Welt.
[47] Karl Vogt
Der ist aus Gold –
Wenn er auf die Bühne tritt,
Leuchtet sie.
Seine Hand ist ein Szepter,
Wenn sie Regie führt.
Den Trauerspielen Strindbergs
Setzt er Kronen auf,
Aus den Dichtungen Ibsens
Holt er die schwarzen Perlen all.
Er kann nur selbst den König spielen
Im Spiel.
Morgen wird er König sein –
Ich freu mich.
[48] Franz Werfel
Ein entzückender Schuljunge ist er;
Lauter Lehrer spuken in seinem Lockenkopf.
Sein Name ist so mutwillig:
Franz Werfel.
Immer schreib ich ihm Briefe,
Die er mit Klecksen beantwortet.
Aber wir lieben ihn alle
Seines zarten, zärtlichen Herzens wegen.
Sein Herz hat Echo,
Pocht verwundert.
Und fromm werden seine Lippen
Im Gedicht.
Manches trägt einen staubigen Turban.
Er ist der Enkel seiner eigenen Verse.
Doch auf seiner Lippe
Ist eine Nachtigall gemalt.
Mein Garten singt,
Wenn er ihn verläßt.
Freude streut seine Stimme
Über den Weg.
[49] Herodes. V. Aufzug
Hinter deiner stolzen ewigen Wimper gingen wir unter.
Schwermütige Sterne brannten auf deinem Lide.
Deine große Hand beugte das Meer
Und brach ihm die Perlen vom Grund.
Die Wüste war dein Schild
In der Schlacht.
An dich dürfen nur Dichter und Dichterinnen denken,
Mit dir nur Könige und Königinnen trauern.
Alle Leiber der Stadt ringeln sich
Giftig um deinen Leib.
Deine Schwester bespie den Traumstein deiner Liebe.
Du, ein beraubter Palast,
Judas schwankende Säule,
Völker bedrohend.
So arg mag nur ein Schöpfer lichtmitten
Seiner Reiche zerbersten.
[51]
Meinem reinen Liebesfreund
Hans Ehrenbaum-Degele
Tristan kämpfte in Feindesland;
Viel Lieder hatte er heimgesandt
Bis der Feind brach seinen Leib.
[53] Hans Ehrenbaum-Degele
Er war der Ritter in Goldrüstung.
Sein Herz ging auf sieben Rubinen.
Darum trugen seine Tage
Den lauteren Sonntagsglanz.
Sein Leben war ein lyrisches Gedicht,
Die Kriegsballade sein Tod.
Er sang den Frauen Lieder
In süßerlei Abendfarben.
Goldnelken waren seine Augen,
Manchmal stand Tau in ihnen.
Einmal sagte er zu mir:
»Ich muß früh sterben.«
Da weinten wir beide
Wie nach seinem Begräbnis.
Seitdem lagen seine Hände
Oft in den meinen.
Immer hab ich sie gestreichelt,
Bis sie die Waffe ergriffen.
[54] Als ich Tristan kennen lernte –
O,
Du mein Engel,
Wir schweben nur noch
In holden Wolken.
Ich weiß nicht, ob ich lebe
Oder süß gestorben bin
In deinem Herzen.
Immer feiern wir Himmelfahrt
Und viel, viel Schimmer.
Goldene Heiligenbilder
Sind deine Augen.
Sage – wie ich bin?
Überall wollen Blumen aus mir.
[55] An den Gralprinzen
Wenn wir uns ansehn,
Blühn unsere Augen.
Und wie wir staunen
Vor unseren Wundern – nicht?
Und alles wird so süß.
Von Sternen sind wir eingerahmt
Und flüchten aus der Welt.
Ich glaube wir sind Engel.
[56] An den Prinzen Tristan
Auf deiner blauen Seele
Setzen sich die Sterne zur Nacht.
Man muß leise mit dir sein,
O, du mein Tempel,
Meine Gebete erschrecken dich;
Meine Perlen werden wach
Von meinem heiligen Tanz.
Es ist nicht Tag und nicht Stern,
Ich kenne die Welt nicht mehr,
Nur dich – alles ist Himmel.
[57] An den Ritter aus Gold
Du bist alles was aus Gold ist
In der großen Welt.
Ich suche deine Sterne
Und will nicht schlafen.
Wir wollen uns hinter Hecken legen
Uns niemehr aufrichten.
Aus unseren Händen
Süße Träumerei küssen.
Mein Herz holt sich
Von deinem Munde Rosen.
Meine Augen lieben dich an,
Du haschst nach ihren Faltern.
Was soll ich tun,
Wenn du nicht da bist.
Von meinen Lidern
Tropft schwarzer Schnee;
Wenn ich tot bin,
Spiele du mit meiner Seele.
[58] An den Ritter
Gar keine Sonne ist mehr
Aber dein Angesicht scheint.
Und die Nacht ohne Wunder,
Du bist mein Schlummer.
Dein Auge zuckt wie Sternschnuppe –
Immer wünsche ich mir etwas.
Lauter Gold ist dein Lachen,
Mein Herz tanzt in den Himmel.
Wenn eine Wolke kommt –
Sterbe ich.
[59] An Tristan
Ich kann nicht schlafen mehr,
Immer schüttelst du Gold über mich.
Und eine Glocke ist mein Ohr,
Wem vertraust du dich?
So hell wie du,
Blühen die Sträucher im Himmel.
Engeln pflücken sich dein Lächeln
Und schenken es den Kindern.
Die spielen Sonne damit
Ja ..
[60] Heinrich Maria Davringhausen
– Wie er daherkommt –
Trojanischer junger Priester
Auf grabaltem Holzgefäß.
Zwei Nachtschatten schlaftrinken
In seinem Mahagonikopf,
Seine Lippen küßte ein Gottmädchen hold.
– Wie er gefalten aufstrebt –
Immer tragen seine Schultern
Ehrfürchtigen Samt.
Seine Füße schreiten
Nur über gepflegte Wege,
Stolperten nie über Gestrüpp.
– Wie er gottverhalten ist –
Aus jedem Bild, das er malt,
Blickt allfarbig der Schöpfer.
[61] Savary Le Duc
Wie Perlen hängen seine Bilder
Schaumleicht an seidenen Wänden aufgereiht.
Mit goldenem Harz der Hagebutten
Und Rosenseime,
Malt er der Prinzen Liebeskleid.
Um ihre zarten Schultern tragen sie
An Ketten – souvenir – im Medaillon,
Verzückt des Freundes Paradeis.
Und ihre Hände spielen mit den Bächen
Und feinen Blumenstengeln
Und dem jungen Reis.
Und necken gern den Ziegenbock.
Glasäugig lauscht die graue Geis.
Und ihre Leiber lieben sich
Wie süßgeblühte Bohnenstöcke,
Die sich bewegen kaum in ihrer Adeligkeit.
[62] George Grosz
Manchmal spielen bunte Tränen
In seinen äschernen Augen.
Aber immer begegnen ihm Totenwagen,
Die verscheuchen seine Libellen.
Er ist abergläubig –
– Ward unter einem großen Stern geboren –
Seine Schrift regnet,
Seine Zeichnung: Trüber Buchstabe.
Wie lange im Fluß gelegen,
Blähen seine Menschen sich auf.
Mysteriöse Verlorene mit Quappenmäulern
Und verfaulten Seelen.
Fünf träumende Totenfahrer
Sind seine silbernen Finger
Aber nirgendwo ein Licht im verirrten Märchen
Und doch ist er ein Kind,
Der Held aus dem Lederstrumpf
Mit dem Indianerstamm auf Duzfuß.
[63] Sonst haßt er alle Menschen,
Sie bringen ihm Unglück.
Aber George Grosz liebt sein Mißgeschick
Wie einen anhänglichen Feind.
Und seine Traurigkeit ist dionysisch,
Schwarzer Champagner seine Klage.
Er ist ein Meer mit verhängtem Mond,
Sein Gott ist nur scheintot.
[64] Theodor Däubler
Zwischen dem Spalt seiner Augen
Fließt dunkeler Golf.
Auf seinen Schultern trägt er den Mond
Durch die Wolken der Nacht.
Die Menschen werden Sterne um ihn
Und beginnen zu lauschen.
Er ist ungetrübt vom Ursprung,
Klar spiegelt sich das blaue Eden.
Er ist Adam und weiß alle Wesen
Zu rufen in der Welt.
Beschwört Geist und Getier
Und sehnt sich nach Söhnen.
Schwer prangen an ihm Granatäpfel
Und spätes Geflüster der Bäume und Sträucher,
Aber auch das Gestöhn gefällter Stämme
Und die wilde Anklage der Wasser.
Es sammeln sich Werwolf und weißer Lawin,
Sonne und süßes Gehänge, viel, viel Wildweinbäume.
Evviva dir, Fürst von Triest!!
[65]
Gottfried Benn
Der hehre König Giselheer
Stieß mit seinem Lanzenspeer
Mitten in mein Herz.
[67] O, deine Hände
Sind meine Kinder.
Alle meine Spielsachen
Liegen in ihren Gruben.
Immer spiel ich Soldaten
Mit deinen Fingern, kleine Reiter,
Bis sie umfallen.
Wie ich sie liebe
Deine Bubenhände, die zwei.
[68] Giselheer dem Heiden
Ich weine –
Meine Träume fallen in die Welt.
In meine Dunkelheit
Wagt sich kein Hirte.
Meine Augen zeigen nicht den Weg
Wie die Sterne.
Immer bettle ich vor deiner Seele;
Weißt du das?
Wär ich doch blind –
Dächte dann, ich läg in deinem Leib.
Alle Blüten täte ich
Zu deinem Blut.
Ich bin vielreich,
Niemandwer kann mich pflücken;
Oder meine Gaben tragen
Heim.
Ich will dich ganz zart mich lehren;
Schon weißt du mich zu nennen.
[69] Sieh meine Farben,
Schwarz und stern
Und mag den kühlen Tag nicht,
Der hat ein Glasauge.
Alles ist tot,
Nur du und ich nicht.
[70] Giselheer dem Knaben
An meiner Wimper hängt ein Stern,
Es ist so hell
Wie soll ich schlafen –
Und möchte mit dir spielen.
– Ich habe keine Heimat –
Wir spielen König und Prinz.
[71] Giselheer dem König
Ich bin so allein
Fänd ich den Schatten
Eines süßen Herzens.
– Oder mir jemand
Einen Stern schenkte –
Immer fingen ihn
Die Engel auf
So hin und her.
Ich fürchte mich
Vor der schwarzen Erde.
Wie soll ich fort?
Möchte in den Wolken
Begraben sein,
Überall wo Sonne wächst,
Liebe dich so!
Du mich auch?
Sag es doch – – –
[72] Lauter Diamant
Ich hab in deinem Antlitz
Meinen Sternenhimmel ausgeträumt.
Alle meine bunten Kosenamen
Gab ich dir,
Und legte die Hand
Unter deinen Schritt,
Als ob ich dafür
Ins Jenseits käme.
Immer weint nun
Vom Himmel deine Mutter,
Da ich mich schnitzte
Aus deinem Herzfleische,
Und du so viel Liebe
Launig verstießest.
Dunkel ist es –
Es flackert nur noch
Das Licht meiner Seele.
[73] Das Lied des Spielprinzen
Wie kann ich dich mehr noch lieben?
Ich sehe den Tieren und Blumen
Bei der Liebe zu.
Küssen sich zwei Sterne,
Oder bilden Wolken ein Bild –
Wir spielten es schon zarter.
Und deine harte Stirne,
Ich kann mich so recht an sie lehnen,
Sitz drauf wie auf einem Giebel.
Und in deines Kinnes Grube
Bau ich mir ein Raubnest –
Bis – du mich aufgefressen hast.
Find dann einmal morgens
Nur noch meine Kniee,
Zwei gelbe Skarabäen für eines Kaisers Ring.
[74] Hinter Bäumen berg ich mich
Bis meine Augen ausgeregnet haben,
Und halte sie tief verschlossen,
Daß niemand dein Bild schaut.
Ich schlang meine Arme um dich
Wie Gerank.
Bin doch mit dir verwachsen,
Warum reißt du mich von dir?
Ich schenkte dir die Blüte
Meines Leibes,
Alle meine Schmetterlinge
Scheuchte ich in deinen Garten.
Immer ging ich durch Granaten,
Sah durch dein Blut
Die Welt überall brennen
Vor Liebe.
Nun aber schlage ich mit meiner Stirn
Meine Tempelwände düster.
[75] O du falscher Gaukler,
Du spanntest ein loses Seil.
Wie kalt mir alle Grüße sind,
Mein Herz liegt bloß,
Mein rot Fahrzeug
Pocht grausig.
Bin immer auf See
Und lande nicht mehr.
[76] Giselheer dem Tiger
Über dein Gesicht schleichen die Dschungeln.
O, wie du bist!
Deine Tigeraugen sind süß geworden
In der Sonne.
Ich trag dich immer herum
Zwischen meinen Zähnen.
Du mein Indianerbuch,
Wild West,
Siouxhäuptling!
Im Zwielicht schmachte ich
Gebunden am Buxbaumstamm –
Ich kann nicht mehr sein
Ohne das Skalpspiel.
Rote Küsse malen deine Messer
Auf meine Brust –
Bis mein Haar an deinem Gürtel flattert.
[77] Klein Sterbelied
So still ich bin,
All Blut rinnt hin.
Wie weich umher.
Nichts weiß ich mehr.
Mein Herz noch klein,
Starb leis an Pein.
War blau und fromm!
O Himmel, komm.
Ein tiefer Schall –
Nacht überall.
[78] O Gott
Überall nur kurzer Schlaf
Im Mensch, im Grün, im Kelch der Winde.
Jeder kehrt in sein totes Herz heim.
– Ich wollt die Welt wär’ noch ein Kind –
Und wüßte mir vom ersten Atem zu erzählen.
Früher war eine große Frömmigkeit am Himmel,
Gaben sich die Sterne die Bibel zu lesen.
Könnte ich einmal Gottes Hand fassen
Oder den Mond an seinem Finger sehn.
O Gott, o Gott, wie weit bin ich von dir!
[79] Höre
Ich raube in den Nächten
Die Rosen deines Mundes,
Daß keine Weibin Trinken findet.
Die dich umarmt,
Stiehlt mir von meinen Schauern,
Die ich um deine Glieder malte.
Ich bin dein Wegrand.
Die dich streift,
Stürzt ab.
Fühlst du mein Lebtum
Überall
Wie ferner Saum?
[80] Wo mag der Tod mein Herz lassen?
Immer tragen wir Herz vom Herzen uns zu.
Pochende Nacht
Hält unsere Schwellen vereint.
Wo mag der Tod mein Herz lassen?
In einem Brunnen, der fremd rauscht –
In einem Garten, der steinern steht –
Er wird es in einen reißenden Fluß werfen.
Mir bangt vor der Nacht,
Daran kein Stern hängt.
Denn unzählige Sterne meines Herzens
Vergolden deinen Blutspiegel.
Liebe ist aus unserer Liebe vielfältig erblüht.
Wo mag der Tod mein Herz lassen?
[81] Ich bin traurig
Deine Küsse dunkeln, auf meinem Mund.
Du hast mich nicht mehr lieb.
Und wie du kamst –!
Blau vor Paradies;
Um deinen süßesten Brunnen
Gaukelte mein Herz.
Nun will ich es schminken,
Wie die Freudenmädchen
Die welke Rose ihrer Lende röten.
Unsere Augen sind halb geschlossen,
Wie sterbende Himmel –
Alt ist der Mond geworden.
Die Nacht wird nicht mehr wach.
Du erinnerst dich meiner kaum.
Wo soll ich mit meinem Herzen hin?
[82] Palmenlied
O du Süßgeliebter,
Dein Angesicht ist mein Palmengarten,
Deine Augen sind schimmernde Nile
Lässig um meinen Tanz.
In deinem Angesicht sind verzaubert
Alle die Bilder meines Blutes,
Alle die Nächte, die sich in mir gespiegelt haben.
Wenn deine Lippen sich öffnen
Verraten sie meine Seligkeiten.
Immer dieses Pochen nach dir –
Und hatte schon geopfert meine Seele.
Du mußt mich inbrünstig küssen,
Süßerlei Herzspiel;
Wir wollen uns im Himmel verstecken.
O du Süßgeliebter.
[83] Von weit
Dein Herz ist wie die Nacht so hell,
Ich kann es sehn
– Du denkst an mich – es bleiben alle Sterne stehn.
Und wie der Mond von Gold dein Leib
Dahin so schnell
Von weit er scheint.
[84] Alice Trübner
Ihr Angesicht war aus Mondstein
Darum mußte sie immer träumen.
Durch die Seide ihrer Ebenholzhaare
Schimmerte Tausendundeinenacht.
Ihre Augen weihsagten.
Ein goldenes Bibelblatt war ihr Herz.
Sie thronte einen Himmel hoch
Über die Freunde.
O sie war eine Sternin –
Schimmer streute sie von sich.
Eine Herzogin war sie
Und krönte den armseligsten Gast.
Manchmal aber kam sie vom West:
Ein Wetter in Blitzfarben;
Die sind gefangen über Burgzacken
Im harten Rahmen.
Ihre Bilder viele,
Pietätvolle, bunte Briefe;
[85] Manche aufbewahrt unter Glas
An den Wänden.
Aber auch Gläser und Gräser
Malte Alice Trübner.
Irgendwo zwischen sitzt ein Schelm,
Ein altmodisch dicker Puppenporzellankopf.
Oder sie malte huldvoll die Köchin
Als Frau Lucullus gelassen im Lehnstuhl.
Verwandelte strotzende Früchte in Rosen
Auf weißem Damast.
O, sie war eine Zauberin.
[86] Dem Barbaren
Deine rauhen Blutstropfen
Süßen auf meiner Haut.
Nenne meine Augen nicht Verräterinnen,
Da sie deine Himmel umschweben;
Ich lehne lächelnd an deiner Nacht
Und lehre deine Sterne spielen.
Und trete singend durch das rostige Tor
Deiner Seligkeit.
Ich liebe dich und nahe weiß
Und verklärt auf Wallfahrtzehen.
Trage dein hochmütiges Herz,
Den reinen Kelch den Engeln entgegen.
Ich liebe dich wie nach dem Tode
Und meine Seele liegt über dich gebreitet –
Meine Seele fing alle Leiden auf,
Dich erschüttern ihre schmerzlichen Bilder.
Aber so viele Rosen blühen
Die ich dir schenken will;
[87] O, ich möchte dir alle Gärten bringen
In einem Kranz.
Immer denke ich an dich
Bis die Wolken sinken;
Wir wollen uns küssen –
Nicht?
[88] Dem Barbaren
Ich liege in den Nächten
Auf deinem Angesicht.
Auf deines Leibes Steppe
Pflanze ich Zedern und Mandelbäume.
Ich wühle in deiner Brust unermüdlich
Nach den goldenen Freuden Pharaos.
Aber deine Lippen sind schwer,
Meine Wunder erlösen sie nicht.
Hebe doch deine Schneehimmel
Von meiner Seele –
Deine diamantnen Träume
Schneiden meine Adern auf.
Ich bin Joseph und trage einen süßen Gürtel
Um meine bunte Haut.
Dich beglückt das erschrockene Rauschen
Meiner Muscheln.
Aber dein Herz läßt keine Meere mehr ein.
O du!
[89] Wilhelm Schmidtbonn
Er ist der Dichter, dem der Schlüssel
Zur Steinzeit vermacht wurde.
Adam den Urkäfer trägt er,
Ein Skarabäus im Ring.
Wilhelm Schmidtbonn erzählt vom Paradies;
Reißt den verlogenen Nebel vom Baum:
Stolz blüht die Dolde der Erkenntnis.
Sein markisches Gesicht strömt immer
Zwei dämmerblaue Kräfte aus.
Er ist aus Laub und Rinde,
Morgenfrühe und Kentauerblut.
Wie oft schon ließ er sich zur Ader
Seine Werke zu tränken.
Sein neustes Versspiel stiert aus Einauge.
[90] Milly Steger
Milly Steger ist eine Bändigerin,
Haut Löwen und Panther in Stein.
Vor dem Spielhaus in Elberfeld
Stehen ihre Großgestalten;
Böse Tolpatsche, ernste Hännesken,
Clowne, die mit blutenden Seelen wehen.
Aber auch Brunnen, verschwiegene Weibsmopse
Zwingt Milly rätselhaft nieder.
Manchmal schnitzt die Gulliverin
Aus Zündhölzchen Adam und hinterrücks sein Weib.
Dann lacht sie wie ein Apfel;
Im stahlblauen Auge sitzt der Schalk.
Milly Steger ist eine Büffelin an Wurfkraft;
Freut sie sich auch an dem blühenden Kern der Büsche.
[91]
Hans Adalbert von Maltzahn
Der Freiherr mußte Vicemalik sein
In meiner bunten Thebenstadt,
Als ich nach Rußland zog,
Prinz Sascha zu befrein.
[93] An Hans Adalbert
Wenn du sprichst
Blühen deine Worte auf in meinem Herzen.
Über deine hellen Haare
Schweben meine Gedanken schwarzhin.
Du bist ganz aus Süderde und Liebe
Und Stern und Taumel.
Ich aber bin lange schon gestorben.
O, du meine Himmelsstätte …
[94] Dem Herzog von Leipzig
Deine Augen sind gestorben;
Du warst so lange auf dem Meer.
Aber auch ich bin
Ohne Strand.
Meine Stirne ist aus Muschel.
Tang und Seestern hängen an mir.
Einmal möchte ich mit meiner ziellosen Hand
Über dein Gesicht fassen,
Oder eine Eidechse über deine Lippen
Liebentlang mich kräuseln.
Weihrauch strömt aus deiner Haut
Und ich will dich feiern,
Dir bringen meine Gärten,
Überall blüht mein Herz bunt auf.
[95] Aber deine Brauen sind Unwetter …
In der Nacht schweb ich ruhlos am Himmel
Und werde nicht dunkel vom Schlaf.
Um mein Herz schwirren Träume
Und wollen Süßigkeit.
Ich habe lauter Zacken an den Randen,
Nur du trinkst Gold unversehrt.
Ich bin ein Stern
In der blauen Wolke deines Angesichts.
Wenn mein Glanz in deinem Auge spielt,
Sind wir eine Welt.
Und würden entschlummern verzückt –
Aber deine Brauen sind Unwetter.
[96] Leo Kestenberg
Seine Hände zaubern Musik durch stille Zimmer.
Zwischen uns sitzt dann der ehrwürdige Mond
Goldbehäbig im Lehnstuhl
Und versöhnt uns mit der Welt.
Wenn Leo Kestenberg Flügel spielt,
Ist er ein heiliger Mann;
Erweckt Liszt aus steinernem Schlaf,
Bach feiert Himmelfahrt.
Mit Schumann wird Leo ein Kind
Und Schwärmer am Süßfeuer Chopins.
Der dunkle Flügel verwandelt sich aber zur Orgel
Wenn Kestenberg eigene Rosen spielt.
Sein schweres Ebenholzherz frommütig aufhebt
Und weicher Musikregen uns durchrieselt.
[97] Traum
Der Schlaf entführte mich in deine Gärten,
In deinen Traum – die Nacht war wolkenschwarz umwunden –
Wie düstere Erden starrten deine Augenrunden,
Und deine Blicke waren Härten –
Und zwischen uns lag eine weite, steife
Tonlose Ebene …
Und meine Sehnsucht, hingegebene,
Küßt deinen Mund, die blassen Lippenstreife.
[98] Weltschmerz
Ich, der brennende Wüstenwind,
Erkaltete und nahm Gestalt an.
Wo ist die Sonne, die mich auflösen kann,
Oder der Blitz, der mich zerschmettern kann!
Blick nun, ein steinernes Sphinxhaupt,
Zürnend zu allen Himmeln auf.
[99] Syrinxliedchen
Die Palmenblätter schnellen wie Viperzungen
In die Kelche der roten Gladiolen,
Und die Mondsichel lacht
Wie ein Faunsaug verstohlen.
Die Welt hält das Leben umschlungen
Im Strahl des Saturn.
Und durch das Träumen der Nacht
Sprüht es purpurn.
Jüx! Wollen uns im Schilfrohr
Mit Binsen aneinanderbinden
Und mit der Morgenröte Frühlicht
Den Süden unserer Liebe ergründen.
[100] Unser Liebeslied
Unter der Wehmut der Esche
Lächeln die Augen meiner Freundin.
Und ich muß weinen
Überall wo Rosen aufblühn.
Wir hören beide unseren Namen nicht –
Immer Nachtwandlerinnen zwischen den bunten Jünglingen.
Meine Freundin gaukelt mit dem Mond,
Unserm Sternenspiel folgen Erschrockene nach.
O, unsere Schwärmerei berauscht
Die Straßen und Plätze der Stadt.
Alle Träume lauschen gebannt hinter den Hecken
Kann nicht Morgen werden –
Und die seidige Nacht uns beiden
Tausendmalimmer um den Hals geschlungen.
Wie ich mich drehen muß!
Und meine Freundin küßt taumelnd den Rosigtau
Unter dem Düster des Trauerbaums.
[101] Du machst mich traurig – hör
Bin so müde.
Alle Nächte trag ich auf dem Rücken
Auch deine Nacht,
Die du so schwer umträumst.
Hast du mich lieb?
Ich blies dir arge Wolken von der Stirn
Und tat ihr blau.
Was tust du mir in meiner Todesstunde?
[102] Mein Sterbelied
Die Nacht ist weich von Rosensanftmut;
Komm, gib mir deine beiden Hände her,
Mein Herz pocht spät
Und durch mein Blut
Wandert die letzte Nacht und geht
Und naht so weit und ewig wie ein Meer.
Und hast du mich so sehr geliebt,
So nimm das Jubelndste von deinem Tag,
Gib mir das Gold, das keine Wolke trübt.
Es wallen Harmonien aus der Nachtlandferne –
Ich ziehe ein
Und werde Leben sein
Und Leben mich an Leben schmiegen,
Wenn über mir Paradiessterne
Ihre ersten Menschen wiegen.
[103] Lenzleid
Daß du Lenz gefühlt hast
In meiner Winterhülle,
Daß du den Lenz erkannt hast
In meiner Todstille –
Nicht wahr, das ist Gram
Winter sein, eh der Sommer kam,
Eh der Lenz sich ausgejauchzt hat.
O, du! schenk mir deinen goldenen Tag
Von deines Blutes blühendem Rot.
Meine Seele friert vor Hunger,
Ist satt vom Reif –
O, du! Gieße dein Lenzblut
Durch meine Starre,
Durch meinen Scheintod.
Sieh, ich harre
Schon Ewigkeiten auf dich.
[104] Weltflucht
Ich will in das Grenzenlose
Zu mir zurück,
Schon blüht die Herbstzeitlose
Meiner Seele,
Vielleicht ist’s schon zu spät zurück.
O, ich sterbe unter euch!
Da ihr mich erstickt mit euch.
Fäden möchte ich um mich ziehen
Wirrwarr endend!
Beirrend,
Euch verwirrend,
Zu entfliehn
Meinwärts.
[105] Abschied
Aber du kamst nie mit dem Abend –
Ich saß im Sternenmantel.
… Wenn es an mein Haus pochte,
War es mein eigenes Herz.
Das hängt nun an jedem Türpfosten,
Auch an deiner Tür;
Zwischen Farren verlöschende Feuerrose
Im Braun der Guirlande.
Ich färbte dir den Himmel brombeer
Mit meinem Herzblut.
Aber du kamst nie mit dem Abend –
… Ich stand in goldenen Schuhen.
[106] Ludwig Hardt
Seiner Heimat Erde ruht
An keiner Bergwand aus;
Ein weiter, weiter Schemel –
Friesland.
Ungehemmt wettern die Wetter
Und die stürmenden Gemüter dort.
Im lüttchen Städtchen Weener
Hockt Ludwigs zottigsteinern Elternnest.
Da einmal flog er mit den Herbstvögeln
Fort über die Ems.
Von hoher Vogelreinheit inbrünstig
Ohne Makel klopft sein Herz.
Und geharnischt ist seine Nase,
Seidene Spenderinnen die feinen Lippen,
Wenn sie die Verse Maria
Rainer Rilkes gastlich reichen.
Werden Rittersporn
In Liliencrons Balladengesängen;
[107] Flattern wie Möwen auf,
Lauter »Emmas«, wenn er entzückend
Uns mit Morgensterns
– frei nach Hardt – »kosmischer Meschuggas« beschenkt
O, Ludwig Hardt liebt seine Dichter,
Die er spricht.
Und vermählt sich mit den Gedichten,
Die er schlicht zu sagen versteht.
Nie deklamiert er!
Das ist es eben.
[108] O ich möcht aus der Welt
Dann weinst du um mich.
Blutbuchen schüren
Meine Träume kriegerisch.
Durch finster Gestrüpp
Muß ich
Und Gräben und Wasser.
Immer schlägt wilde Welle
An mein Herz;
Innerer Feind.
O ich möchte aus der Welt!
Aber auch fern von ihr
Irr ich ein Flackerlicht
Um Gottes Grab.
[109] Franz Marc
Der blaue Reiter ist gefallen, ein Großbiblischer, an dem der Duft Edens hing. Über die Landschaft warf er einen blauen Schatten. Er war der, welcher die Tiere noch reden hörte; und er verklärte ihre unverstandenen Seelen. Immer erinnerte mich der blaue Reiter aus dem Kriege daran: es genügt nicht alleine, zu den Menschen gütig zu sein und was du namentlich an den Pferden, da sie unbeschreiblich auf dem Schlachtfeld leiden müssen, gutes tust, tust du mir.
Er ist gefallen. Seinen Riesenkörper tragen große Engel zu Gott, der hält seine blaue Seele, eine leuchtende Fahne, in seiner Hand. Ich denke an eine Geschichte im Talmud, die mir ein Priester erzählte: wie Gott mit den Menschen vor dem zerstörten Tempel stand und weinte. Denn wo der blaue Reiter ging, schenkte er Himmel. So viele Vögel fliegen durch die Nacht, sie können noch Wind und Atem spielen, aber wir wissen nichts mehr hier unten davon, wir können uns nur noch zerhacken oder gleichgültig aneinander vorbeigehen. In dieser Nüchternheit erhebt sich drohend eine unermeßliche Blutmühle, und wir Völker alle werden bald zermahlen sein. Schreiten immerfort über wartende Erde. Der blaue Reiter ist angelangt; er war noch zu jung zu sterben.
[110] Nie sah ich irgendeinen Maler gotternster und sanfter malen wie ihn. »Zitronenochsen« und »Feuerbüffel« nannte er seine Tiere, und auf seiner Schläfe ging ein Stern auf. Aber auch die Tiere der Wildnis begannen pflanzlich zu werden in seiner tropischen Hand. Tigerinnen verzauberte er zu Anemonen, Leoparden legte er das Geschmeide der Levkoje um; er sprach vom reinen Totschlag, wenn auf seinem Bild sich der Panther die Gazell vom Fels holte. Er fühlte wie der junge Erzvater in der Bibelzeit, ein herrlicher Jakob er, der Fürst von Kana. Um seine Schultern schlug er wild das Dickicht; sein schönes Angesicht spiegelte er im Quell und sein Wunderherz trug er oftmals in Fell gehüllt, wie ein schlafendes Knäblein heim, über die Wiesen, wenn es müde war.
Das war alles vor dem Krieg.
Franz Marc, der blaue Reiter vom Ried,
Stieg auf sein Kriegspferd.
Ritt über Benediktbeuern herab nach Unterbayern,
Neben ihm sein besonnener, treuer Nubier
Hält ihm die Waffe.
Aber um seinen Hals trägt er mein silbergeprägtes Bild
Und den todverhütenden Stein seines teuren Weibes
[111] Durch die Straßen von München hebt er sein biblisches Haupt