Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Samstag, 1. Mai 1937

1. Mai 37.

Schreiben Sie Zeit wann Sie teleph. wie Sie schrieben.

Lieber Mill

Mit Blei und nicht mit Tintenklecks

Ich gehe heut ins Kino: Rex

Ich danke für Ihren lieben Brief; immer schreiben Sie Essays – warum? Was scheert mich, was in Bern für Wetter,

ein Brief an mich gefiel mir better.

Ich bin ja in der Zwischenzeit

Von Poésieren meterweit – Kilometer

Noch weiter. Ich weiß auch nicht warum Sie bei der letzten Seite meines [2] vorrigen Briefs ungehalten? Ich schrieb doch keine Beleidigungen? Oder doch? Pardon denn!!

Es war sehr liebreich bei Ihnen; wir saßen so nett beisammen drei und sprachen und dachten mancherlei. Ich fahr sehr bald weg – erwarte täglich genauen Bescheid vom Lloyd, der nach Palästina schrieb. Vorher will ich nach Rom. Sie wissen ja. Mein Buch riesig gekauft, große – Begeisterung – tatsächlich. Bitten mich tatsächlich manche Hähne und Hühner um Pardon, da sie nicht für mich sorgten. Auf einmal!! [3] Frau Dr. Bagotzky schrieb gerade heute unerhörten – ententzückten Brief. Nun täten Sie mir Gefallen? Ja? Ich habe entzündete Handgelenkscheibe, Gramophonscheibe, kann ihr noch nicht wiederschreiben. Wollen Sie sie anklingeln und sagen, ich bin entzückt über ihren lieben Brief – ich schrieb bald! Ja? Herr Heider hab ich auf dem Damm gebracht, er machte schon – faule Dinge irgendwie (entre nous) streicht aus bitte. Nun war ich bei seiner Mama und nun studiert er Theater bei Kalser. Da Sie doch Stämpfli für mich schrieben. Er [4] wird ihm schreiben, er muß Sie mal einladen. Sie wissen nichts davon. Ich bin blöde geworden. Heute aß ich 4 Brödchen mit Butter 2 Tassen Haag und dann nach einer halben Stunde, Mittagessen, dann nach 1 ½ Stunde wieder Mittagessen, gleich Chokolade mit Gebäck. Was hat das Dasein, meines sonst wohl Zweck. Ich bin und bleib genau gepustet: Dreck.

[Frauenkopf im Profil mit Fes und fliegender Vogel] Ich

Sie schreiben doch deutlich. Was soll das heißen? Ich kann alles lesen genau.