Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Freitag, 26. März 1937

26. III. 37

Lieber Mill

Ich schreibe Ihnen mit einem der Stifte, damit ich colloriere. Ihnen hat stets wie so vielen vielen vielen, mehr an meinen »Begriff« gelegen wie an mir. Das weiß ich – schon 2 Jahre und ich hab Sie doch nie – ausgenützt. Die angeborene Vornehmheit stört wieder. Darum weiß ich noch nicht, ob ich kommen werde; nun können Sie aber glauben, ich [2] bin beleidigt oder an die oder der? Krone gegriffen wie ein Backfisch oder alte Jungfer. Beides nicht. Auch bin ich nicht aufgeregt – aber Sie wirken nun wie ein rot Tuch, ich Stier vertrag die Farbe nicht. Ich möcht Ihnen immer eine Backpfeife runterhauen, hör ich Ihre Stimme und kanns Ihnen nicht verhehlen und selbst dann nicht, tun Sie nichts mehr für den Monat Mai, daß ich diesen Monat noch bleiben kann, der – Hühner wegen. Sonst seh ich keins!!! [3] Gleich klingele ich Herr Heider an, ob er Geld für Reise gekriegt. Netter Mensch, aber alle stehn wir im Selekt sehr objektiv, da vertragen wir uns auch. Entzückende Menschen aus Rheinland und Süddeutschland; wir sind Soldaten und treu im Marsch. Wehe, der dem anderen ins [Herz] sieht. Das fühlt man. W. Heider sehr entzückt, da seine Mutter Deutsche, er oft in Berlin war. Das schönste an ihm, [4] er liebt ein Mädchen unerhört. Er erinnert mich an mich, da ich vor 6 Jahren einmal mich vom Felsen stürzen wollte wegen eines Nachkommen einer Indianerin. Ein Mexikaner, dessen Frau ich dann kennen lernte. Ich habe Achtung vor solchem Ausbruch des Herzens nun auch bei anderen, vor solchem Herzbeben. Bitte aber, überlegen Sie speziell von meiner Person, meinen Privatmenschen nichts bei ihm. So intim – bin ich mit Niemand. Höchstens mit Elfrieda und Kete und Ella und Maria. [fliegender Vogel] Aribert Sigismund Bernardo Alfonso etc.

[1] Marken retour morgen und die netten 20 bald mit liebem Dank!

[3] Habe schon 28 Bilder colloriert. Heute müssen 12 fertig werden. Dann noch 40.

Ich male Ihnen alle 8 und 2 Vignetten

Großartig Geschenk!!

Verzeihung! Ich wollte mit dem Essen nicht beleidigen. Aber ich sag überall ab. Macht mich rabiad zusammen essen. Da ich Krippe gewohnt. Und Sie gönnen mirs doch nicht!