Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Samstag, 23. April 1938
23. 4. 38.
Lieber Mill. Ich habe wirklich nicht telephoniert aus anderen Gründen wie aus Gründen – eigentlich aus gar keinen. Ich bitte Sie nur nicht zu kommen. Ich bin so für mich im Gedanken und wüsste gar nichts mehr zu sagen. Ich reis sobald ich kann, etwa schon vor 1. Juni nach Jerusalem. Wenn Sie mal dorthin zur Ferienerholung, wenn man das sagen kann angesichts Gerusalemme, so viel besser. Ich zeig Ihnen dann alle die seltsamen Dinge dort. – Es würde mich wirklich beschämen, kämen Sie hierher und das wollen Sie doch nicht? Nie im Leben war ich so müde von einer Zeit wie nun und ich verfolge alles verzweifelnd. Wie wird es werden! Eine Zeitung schreibt dies, die andere das und was soll man glauben? Heute schrieb mir ein spanischer Dichter, der in Wien wohnte, er ist geflohen nach Ungarn. Von dort kam sein Brief. Er war mal hier und sprach mich auf der Strasse an. sandte mir dann sein Buch in spanischer Sprache. Die Hore Belissha (gespr. Belissa) so hiessen meine Ahnen, mein Urgrossvater, der schon nach England ging englischen Namen annahm, So erbt man, war immer drum verliebt in englischer Sprache und kann sprechen. Ich muss noch viel arbeiten, mein neues Buch. Viele Grüsse und alles Schöne!
Anmerkungen
Quelle: The National Library of Israel, Jerusalem, Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 47).