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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Donnerstag, 21. April 1938

Emil Raas
[1]

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21. 4. 38.

Herr Fürsprech oder Mill.

Ich muss doch alles tun – nun musst ich mehr wie alles tun seit Oestreich. Ueberall hinschreiben. Ich bin ja fähig mir Vorstellungen zu machen und wünsche zu helfen. Wenn auch nicht gerade gern aber ich bin ja weder real geizig noch seelisch. Sie?

Ich hatte Ihnen den letzten Brief vor den 20. März gekritzelt, seitdem hört ich nichts. Am liebsten möchte ich schreiben Sie Ekel. Sie sehen ich kann nicht lügen und für was? Sie machten so, als ob ich nicht mehr schreibe als ob Sie geantwortet hätten. Bei uns war ja immer Frage und Antwortspiel. Kommen Sie nur nicht, ich könnt mich vergessen, Ihnen eine Backpfeife geben für all die lyrischen Verstellungen. Fünf Jahre haben Sie mir gestohlen. Ich bin nämlich, auch ohne poetisch vom Wetter zu quasseln, eine Indianernatur von besonderer Treue. Blättern Sie nur in Ihren »verstaubten« Akten. Bestellen Sie eine Putzfrau, die staubt ab. Ich möchte noch sagen Sie eckelhafter Mensch und Asket, der mir mein Schnitzel aufass. Es war in Bern in einem Restauranttt

Ein Zündholz steckte mir mein Herz in Brand.

Es lohte bis zur Decke übermannt

Und dann zurück auf meinem Tellerrand

Pause

(Die Spatzen kommen zum Café (4 Uhr) Meine einzige Freude.

[2] Ich bin ja nur ein armer Emigrant

Und Schnitzel ess ich gern von lieber Hand.

Und Oranjat dazu mit Zuckerkant.

Mehr weiss ich nichts von Ihnen mehr. Der Haase gute Chokolade schon zwei Morgen kocht ich mir zwei Tassen und ass dabei Schnecken. Ich meine nicht wirkliche Schnecken. Ich hatte trotz Gabe (monatlich) Ostern kein Geld. Ich hab noch erfrorene Hände vor Hungersnot. Nun hab wieder. Ich koch mir gleich wieder Haase, letztes Viertel. Und ess dazu in aller Ruh. Hier wird man real. Ich bitte Sie wenn auch »lieben« Ettingers nichts vom Bundesrat zu sagen, verstehen Sie? – Meine Bilder neue 6 Stück stehen aus bei Oprecht. Ich arbeit fortwährend oder les Zeitung Zweites Buch fliesst wie der Jordan daher. Herrlich.

Ich bin verliebt in mich und mein Talent

Und hab mich so in mir verrennt

Als ob sich gegenüber ständen

Ich und mir – mit ungewaschnen Händen.

Sie haben gewiss so was Geistreiches erwartet zum Endreim? Aber ich hasse Sie und nur ein neuer Haase Kann Hass in Haas verwandeln, Schnupfen hab ich und ich putze meine Aktennase. staubige.

Es ist carriert kalt auf dem Berg vis à vis steht aber blauer Mensch in gestreiften Buxen. Ich!

[3] Menschen nun und der ewigen Vermutung.

Damit Sie aber wieder lachen ein kleinen Reim aus meiner ARBEIT von heute. Man erstickt daran: (Vorsicht!)

In Bautsch und Bogen ungelogen,

Muss ich aus meinem Cautsch herautsch;

Es kommt ein Spatz wohl angeflogen,

Doch nie ein Frühstück an mein Cautsch.

So leb ich seit ich rautschgezogen

Vor fünf ein halbes Jahr o Grautsch!

Schau auf den Zürchersee, auf seine Wogen, ....

Führwahr so schlecht war nicht der Tautsch.

Und alles Gute. Ihr Jussuf

Verzeiht die Bögen

[4] Überlegen Sie ja genau, daß Sie klug doppelsinnig wiederschreiben. Ich könnt sonst – Sie – nun ich will schweigen. Ich bin sonst zu gereizt. Weder spekulierte ich, (»Er ist nicht verheirat, Herr Meyer«) auf Bundesräte noch auf Fürsprecher, Laut noch Leisesprecher. (Ich will Champagner.)