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[204] Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Mittwoch, 23. März 1938

23. III 38

[drei Köpfe en face mit Burnus]

Bergbeduinen

genau so!

Lieber Mill

Ich kann nur glauben, Sie sind überanstrengt. Gehen Sie doch mal ordentlich auf Ferien wo es Ihnen gefällt. Oder machen Sie Sich Sorgen? Ich nehme an Sie denken ganz falsch. Ich würde mich sogar freuen, falls Sie Jemand gefunden, die Ihnen richtig gefällt, die Sie wirklich lieben. Glauben Sie es mir doch. Wenn ein Mensch, schon da er da ist, freudig den Anderen macht, den liebt er. Und ich vermute Sie glauben ich wäre darum irgend in die Ecke gedrückt. Ich sitz immer auf dem Thron zu Theben, selbst mitten in einer Wiese. [das W als Herz] Darum ganz ruhig. Ich wünsche Ihnen wirklich Freude und soweit müssen Sie mich doch kennen? Oder nicht? Ich bin nicht eitel – mehr – vielleicht. Oder haben Sie ein Kind oder Kinder zu ernähren? Sie haben doch Kinder gern und was geht Sie die zurückgebliebene Welt an. Ich war sehr krank. Grippe, aber sehr. Mußte auftreten vis à vis. Aber glaube großen Erfolg. Ein Mann kam und auch Frauen, denken Sie – küßten mich. Wir blieben zu 20 ungefähr zusammen. Hatte keinen Ctm. in der Tasche, aber ich mußte essen. Es war nicht sehr voll, da Wahltag, aber famose Menschen. Mir macht mein Träumen bei Tag Sorge. Z. B. momentan träum ich in einer Schläfe, die andere ganz wach. Ich träume wie nachts im Traum, denken Sie. Ob das Blutarmut ist? Ich möchte große Ärztin Frau Dr. Bagotzky fragen. Die Leute sagen, ich werde ganz weiß und mir macht das Sorge. Noch was: Aber unter uns. Man darf sich jetzt nicht vortun. Denken Sie – ich schrieb von hoher Gewalt getrieben, an den Duce – vor etwa 8 Tagen. Sandte ihm Blumen von Gethsemane und Steinchen vom Toten Meer. Bat ihn das alte Volk Israël zu schonen. So schön klang der Brief. Ich schrieb, er sei doch der Oberoberoberprimaner der Welt. Er hat mir heute wiederschreiben lassen – ich glaube schön, so weit ich übersetzen kann. Ein fremder Beamter auf einer anderen Post: Rämistr. soll mir gleich übersetzen. Ich schrieb wie ich fühle. Bitte unter uns. Er kann Aujust I. in Berlin nicht ausstehen, hörte ich. Hoffe, er verständigt sich mit den Engländern. Schuggnic hier etc. viele Östreicher. Schrecklich alle Selbstmorde. Wir sind entsetzt. Ich träume zu sehr und will in die Luft. Tino den Namen gab mir St. Petron: Grün und rot ist er – wie ich sei.

Tino.

Seien Sie froh. Denken Sie an uns Emigranten immer irgend gejagt.

Wenn ich Ihr Leiden nicht weiß, wie soll ich Medizin verschreiben?