Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Mittwoch, 28. November 1934

28. 11. 34.

Verehrtester Mill.

Sie haben im Grunde ganz recht. Sie haben mich endlich, was fast keiner vermochte aufgeweckt aus dem (wenn ich goldblond wäre) – – – Dornröschenschlaf. Die früheren Märchen haben immer recht. Ich muss mich nur gegen verwahren – – ich bin je im Leben berechnet gewesen – ich sage Ihnen im Vertrauen – ich habe mich bis jetzt nur in Primanern und Studenten – – wenn auch selten verliebt und wenn die da Doktoren oder Anwälte oder Ingenieure wurden dann gings Bergab da wurde die Gesellschaft erwachsen und neigten zum Professor. Pfui Teufel! Das ist wahrscheinlich frei nach Dr. Eisenbart und Ziegenbart eine Perversität aber eine geschmackvolle und ich schäm mich darum nicht. Ich bin ja auch kein Madli von der Jungfrau oben die sich jemand zu kapern gedenkt. Oder ein bischen in den B. liegen möchte. Ich ziehe höchstens an den Strand und führe ein Schmucklerleben. Fragen Sie nur mal die Bäume und die Schäume der Gewässer – und niemehr würden Sie von der höheren Liebe reden mit dem grossen Malik und Prinzen von Tiba und blauem Jaguar. Er kommt nie zur Erde darum ja eben versteht er sie nicht und nie. Die Liebe ist eine himmlische Angelegenheit und wenn man den Prinzen von Tiba liebt, der im Grunde genommen die Bescheidenheit liebt sie nie vergisst in der Kleidung, so muss man ihn schon plündern ehe er einen Zweig seines sehr spielerischen Geglitzers neigt. Ich fragte Sie mal ob Sie mich liebten so richtig meinte ich wie in der Schule etwa? Das war bei uns im Cafe direkt natürlich und unsere Antwort hiess: Ewig. Wir waren arme verlassene kindliche Menschen. Hier in Ihrem Lande bin ich verdammt aufgewacht. Die kleinen Schulkinder sind ja schon altliche Cafeschwestern. Lieber wär es für sie sie wären Huren. Ich habe keinen Ärger etwa da Sie mir zu zart

[1b] Aber ich finde keinen Unterschied zwischen Groß u. Klein, da es überhaupt nur gute und schlechte Kinder auf der Welt geben

Stimmt ja! Aber im Gefühl anders gemeint. Man sollte so ein Wort nicht neben (Kinder) schreiben.

Der Straßenjunge im Prinzen Jussuf, streckt Ihnen die Zunge heraus. Sie glaubten selbst meine Empfindungen inscenieren und umschalten zu können.