Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Samstag, 8. Januar 1938

8. Jan. 38

Lieber Mill.

Können Sie mir unter Ehrenwort sagen, wer gestern oder vorgestern: Freitag am Telephon mit Ihnen sprach als Sie mit mir redeten? Es sagte Jemand leise was zu Ihnen. Das Gespräch war auch so anders wie sonst. Sprachen Sie von Ihrem Bureau aus? War es Ihre Gehilfin oder wer? Auch, da Sie so grundlos von Viehhändlern sprachen in Bern etc. Warum? Taten Sie einem Mithörenden einen Gefallen damit, da es mich schädigte außerdem. Sie waren so aufgeräumt, wie ich Sie und lebhaft wie ich Sie nie sprechen hörte. Sprachen Sie im Zimmer wo mehrere Leute waren? Ich bin nicht ehrgeizig in Bern zu sprechen, auch viel zu [2] gebrochen und wenn ich spreche – dann in Jerusalem, Haifa Tel Aviv und London. So gern ich mir verdiene. Aber es geht auch so. Ich war heute gar nicht draußen, morgen nur zur Post. Auch bin ich noch zu gebrochen. Die Seele muß wohl auch Adern und Knochen haben, die alle gebrochen. Nie werde ich je mehr an Z. denken, bin ich endgültig mal fort. Nichts was mich heftet. Alles alles mißlang oder ging übel aus. Auch kann ich nicht mehr schreiben, nicht spielen, kaum mehr denken. Versuchen Sie nicht etwa mich zu trösten, ich kann Lauheit nicht ertragen. Ich bekam Ihren polit. Brief, er fiel über mich gehetzten Menschen her. [3] Wenn Sie das auch nicht wollten noch daran dachten. Habe eine Sache von 30 Seiten geschrieben, aber zum ersten Mal total mißlungen. hier in der Jammerkammer. Ich kann mich kaum mehr ankleiden, geschweige den Tag leben in seiner Lauheit, in seiner Bettelei und noch allerlei und allerhand.

Mir war Freitag am Telephon, als ob einige oder zwei Menschen ein Experiment mit mir Emigrantin machten. Vielleicht wollte mich eine Liebste sprechen hören etc. Die Gemeinheit hört ja nicht auf. Oder Sie wollten sich rechtfertigen. Also wie war das?

[Kuvert:]

Herrn Fürsprech

Emil Raas

Bern

Balmweg 7.