Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, wahrscheinlich Dienstag, 24. Juli 1934

Lieber Mill Raas

Es ist bis jetzt gut verlaufen, nur weiß ich nicht der wievielte Juli es ist. Mein Arm sehr gründlich verbunden, gerade der rechte. Auch schon genäht. Er stört mich in jeder Bewegung. Indianer darf nicht krank sein. Sie müssen darum entschuldigen, daß ich immer mehr schreibe mit dem Halter. Sonst würde ich davon überhaupt nicht schreiben. – Ich habe viel gedacht und darf ich Ihnen schreiben was ich dachte und möchte? Sie sollen ungestört Ihr Examen machen. Kleine Sorgen sind im Gefühl vielleicht eben so lästig wie große. Ich finde [2] es gut wenn Sie Ihr Examen machen. Und Sie werden es glänzend machen. Das fühl ich. Daß ich Ihnen das sofort schreiben muß!! Und bin ungehorsam dem Doktor, und bewege den Arm. (Bald reiß ich die Binden ab!!) Warum glauben Sie, Sie dürfen nicht: Liebe Dichterin – schreiben? Man kann gewiß meine Schrift nicht mehr lesen! Nun dank ich Ihnen für Ihren lieben Brief; ich kenne Sie – besser wie mich selbst. Ich bitte Sie mir zu glauben, daß ich es sehr sehr sehr gut meine, wenn wir nicht mehr schreiben wollen zueinander – (leider manchmal) gegeneinander. Aber wenn dann eine Zeitlang verflossen ist und Sie erinnern Sich meiner – freue mich dann wenn Sie mir schreiben. Immer hierher, da mir nachgesandt. oder ich weiß schon wie Sie wissen werden wo ich bin. Vielleicht wegen Examen: Vielleicht können hier Juristen wie Dr. Farbstein etc. Ihnen helfen beschleunigen?

[1] Sie schreiben mir dann. Ich weiß Sie gönnen mir nicht, daß ich auch mal für Sie indianisch handele. Ich weiß wie gut und gentle und lieb Sie sind. Ich wünsche Ihnen alles alles alles Schöne. Ich gehe wieder in Gedanken einsam am Waldrand vorbei und Wiesen und Wasserrand. Suche doch nur Bäche. Ich bin so müde

Abigail