[187] Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Donnerstag und Freitag, 18. und 19. November 1937
18. Nov. 37
Lieber Mill
Den Anfang meines neuen Buchs: Tiberias muß ich wohl die drei von Dr. Weltsch gesandten Exemplare verschenkt haben. Ich bekomme aber noch 3. Werde morgen Oprecht Laden fragen, ob sie noch eine Zeitung haben. Ich hoffe. Würden Sie mir alle die letzten Besprechungen retour senden? Auch meine – Arbeit. – Gestern lernte ich Nachum Goldmann kennen. Wir lachten fast immer die halbe Stunde. Ich war angenehm überrascht, da er gar nicht häßlich ist. Morgen Freitag sprech ich unerhört feinen lieben Dr. Jacob Zucker der jetzt der Präsident von Zionloge hier ist. Der ist wirklich mein Freund, meint es sehr sehr gut. Bitte seien Sie nicht böse wenn ich morgen von Ihnen spreche – falls sie Anwalt nötig haben. Ich sprech schon reserviert. Keine Angst! Ich halt die Unruhe bald nicht mehr aus; maschinel wurde mein Leben und eine Welle so wo im Winkel phantasiert. Ich tu das was mir nicht liegt, ich sprech das was ich nicht hören kann, ich blick an, was ich nicht sehen kann und so geht das den Tag über. Und immer zittere ich wie Laub an mir und in der Nacht hab ich Angst. So wird man. 100 Menschen um mich und bin allein auch im Gedanken.
[Frau mit gebeugtem Kopf, an einem Tisch mit Kerze sitzend, darüber eine Wanduhr, die 12 Uhr anzeigt] 12 schlägt es
[19. November 1937]
Hab ich Ihnen erzählt, daß ich schon mit 5 Jahren dichtete mit 12 Jahren gedruckt wurde? niedlich? nicht? Bei Oprecht 97 herrlich Kritiken, doch nützen nichts.
Kirschkarte für in ein Buch zu legen
Jetzt ist es ½ 10 Uhr. Schon draußen Post, Verlag etc.
Ich halt es nicht mehr aus. Bis 11 ½ gewaschen.
Zeitschrift von Berlin kommt noch. Oprecht hatte nicht.