www.kj-skrodzki.de

Copyright © 2003–2024 by Karl Jürgen Skrodzki, Lohmar

Dr. Karl Jürgen Skrodzki, Am alten Sägewerk 5a, 53797 Lohmar, Deutschland

Tel.: +49 2241 942981

E-Mail: web (bei) kj-skrodzki.de

Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Mittwoch, 17. November 1937

Emil Raas
[1]

[1][2][3][4][5][6][7]

Mittwoch

Lieber Mill.

Es ist schon so lange her – da wir uns ein Lebenszeichen sandten, als ob eine Partie Schach abgebrochen. Genau so, denn bevor der eine nicht einen Zug tat, fing der andere nicht an. Aber ich freute mich heute früh, daß Sie mich nicht vergessen haben und auch, daß ich noch vor 11 Uhr wie verabredet bei Hermann Reiffs sein konnte. Herrn Reiff zeigte ich die Abrechnung. Er sagte, bestätigte, daß der deutsche (Gemüse)markt ja schon 5 Jahre ausfällt und Oprecht mindestens nach Amerika mein Buch übersetzt schaffen müßte. Ich hatte von ihm [2] etwa von Februar an monatlich 100 Frc. bekommen Vorschuß nun der Schreckschuß. Für die verkauften Luxusbücher bekam ich die Prozente, glaube 300 Frc. vor meiner Asienreise. Ich hatte hier noch zu bezahlen und fuhr II. nach Triest, da ich so müde war und dann noch Stärke haben mußte für 6 Nächte 5 Tage Meerfahrt etc. die Strapazen. Ich hätte Ihnen sicher sonst die 20 Frc zurückgesandt und noch 2 × 20 Leuten und Eric 30 und einem Arzt 30. Ich ließ mir darüber graue Haare wachsen, die ich orangen färbte. Ich fasse nicht, da Kritiken alle enorm geradezu. Inl. die aus der großen Zeitung in Paris. Gestern kam serbisch Journal, immerzu. [3] Aber der Dichter soll mal nichts gewinnen und ich beruhigte mich mit dem Citat und doch ist es jammerschad. Nun bin ich wieder Räuber geworden. Muß noch beweisen, daß Oprecht mir nichts nach Jerusalem sandte. Ich glaube ja nicht er ist unehrlich. Am besten man schläft den Winter und tut gar nichts mehr. Heute regnet es Eis. Ich brachte eine Hand voll aus ökonomischen Gründen zum Conditor. Herr Reiff lachte darüber so und wollte mir Geld geben, aber ich hab noch. Und warum sollte ich mich erkälten am kühlen nassen Wetter. Eher von der Kälte meines Herzens bekomm ich Rippenfellentzündung, [4] so kalt ist es in mir geworden! Auch wird man schaal von den vielen Realitäten, die ich durchmache. Mein Zimmer besonders warm; noch Röhren steigen auf zur Seite meiner Wände, ich wärme mir, indem ich sie umschlinge, meine Hände. Um 6 Uhr in 1 ½ Stunden spreche ich Nachum Goldmann (14 karrätig) aus Genf. Er spielt große Rolle im Zionismus. Ein Mensch soll schon Nachum heißen. Dafür muß er büßen. Er kommt ins Selekt wir alle lange schon defekt. Es sind diese Leute wirklich Juden die uns nichts angehn, aber paar Menschen in Jerusalem – großartig. Wenn Sie nicht wiedersagen, wir stürzen die [5] sogenannte Regierung. sehr bald. Sie werden dann auch großartige Sache bekommen. Sie glauben ja nicht wie abenteuerlich in Asien. Ich hab auch jetzt keine Angst, schrieb Elfrieda, wenn sie beruhigt ist komme ich, denn ich bin Indianer. Hier will nun (unter uns) S. Guggenheim er selbst und noch paar Freunde bald sehen für mich zu sorgen. 100 mach ich nicht mehr mit. Herr Reiff sagte auch, 200 – ich muß doch auch mal Strümpfe kaufen und nicht abends waschen und sie trocknen an der Leine oder sie noch feucht anschmoren an – die Beine. Bitte verzeiht – so spricht der Berliner Straßenjunge. [6] Hab ich recht? Herr Reiff gab mir recht, er ist, glaube ich 80 Jahre, aber doch 40 kaum an seinem Kinne wächst ein Bart von Flaum zu Pflaum. Bitte nicht wiedersagen er ist großartig gut. Vor dem haben sie Respekt. Die Juden hier sind betonte Schweizer – sie wollen so gern ganz schweizerisch sein. In Berlin weilande, war ein Judentum wo es auch herkam aus mittleren Lande, von der See am Strande.

Und nun freue ich mich, da Sie so aufgesucht werden. Ich weiß, Sie werden bald sehr berühmt als Advokat sein. Und da freue ich mich für Sie mächtig.

Strengen Sie Sich nur nicht [7] zu sehr an. Die Leute immer aus der Patsche ziehen, sind die nicht wert.

Ich möchte, es geht Ihnen sehr gut. Ich habe nichts mehr zu verlieren, darum sollen alle gewinnen und Sie doch sicherlich.

Inl. Gedicht erscheint bald, schreib es Ihnen dann. So recht wie mir war. Ich sehe schon so spät – ich muß herüber. Morgen sende ich Gedicht und Zeitung.

[Frauenkopf im Profil]

Ihre Dichterin