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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Donnerstag, 7. Dezember 1933

Emil Raas
[1]

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Fraumünsterpost postlagernd Zürich

Auf der Post, da es so schön warm hier ist.

Postpapier

Die [Blume] lag auf dem Marmor meines Pults hier.

7. XII 33

Ich möchte Sie so gern anreden mit einem wunderschönen Indianernamen. Wenn man ihn aber aufschreiben will, muß man dazu – Tinte – haben aus Meer und Himmel und aus der Melancholie des Nebels zweier blauer Augen, der bläulich so oft in der Dämmerung hier über dem Thal liegt. Wie soll ich ihn also niederschreiben? In der ersten Zeit hier in der Schweiz, – habe ich mit einer Halbindianerfamilie, die wieder nach London heimgekehrt ist, viele Briefe gewechselt; [2] immer eine Möwen oder Taubenfeder, die ich am See oder in den Gassen fand, beigelegt. Die retteten mich, – ich meine die Indianerengländer. Ich suchte dann am Abend Rinde von gewissen Bäumen, die gebraten in Öl, vorher eingeweicht in Cocosmilch, überraschend herrlich schmeckt. Und Blätter von der Râsah (Linde), – die auch hier ganz hoch und breit wächst, – fand ich und ließ sie in der Glut ganz braun werden. Von Backsteinen [fünf fliegende Vögel, einer mit dicken Strichen gezeichnet] und Ziegelsteinen baute ich mir einen kleinen Ofen wie die Stämme in Mexico am Urwald und Wasser holte ich mir aus See. Wirklich alles wahr! Niemand sah es am Abend spät im April und Mai, nur manchmal ein Schrei – vom wilden Vogel wie da oben der starkgezeichnete. So lebte ich doch sehr gut und ähnlich, – diesem Lande gleich – in dem kleinen Raum zwischen den elfenbeinfarbenen Holzwänden, wo ich Sie wiedersah.

[3] [Frauenkopf im Profil mit Federschmuck] Manchmal glaub ich, Sie ärgern Sich, da Sie mich kennen? Und das dürfen Sie nicht, ich bringe Sie nicht – von keinem Paragraphen ab; verstehe Sie auch sehr und Unwirklichkeit will ja im Grunde nie ablenken. Warum aber Indianerspielen wegen Studium verlernen? Irgendwo – geheim wo – auf den Böden des Hauses oder unter dem Leinzelt des Dachs oder in einer Gasse, die zugenäht ist. Oder im Winkel des Herzens, der aber immer von der Sonne beschienen ist, eine Oase ist mit Bäumen voll wachsenden Spielsachen. Verstehen Sie mich? Wenn ich die Augen nun weit aufhebe, bin ich so erstaunt, daß mich alle Menschen im Vorbeigehen fragen möchten, über was ich erstaunt bin und warum ich etwas glitzere? Aber wenn ich so zu den Steinen der Straße sehe, bin ich voll Säumerei – und Wehmut. Ihre Dichterin

[4] Die Pulte wackeln und rutschen

[Blumen] Der Federhalter fällt noch aus meiner überstandenen Grippehand.

Aber es geht mir wirklich in jeder Beziehung seit Wochen sehr gut.

Bücher gehen auch gleich ab – nur Theben folgt gemalt.

Geschlossen sind die Schalter nun