[218] Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Mittwoch, 12. Oktober 1938

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Auf der Post
12. Okt. 38
Lieber Mill.
Ich bitte Sie Sich mit Roland zu befreunden. Aussergewöhnlich liebevoller Mensch – viel lieber wie ich auch nur sein könnte. Er hat ein trauriges Kinderleben gehabt. Erzogen Kadettenhaus. Oder ähnlich.
Er sehnt sich nach wirklich lieben Freund. Ich habe gesagt wir sind auch Freunde und nie, daß wir so viel geschrieben uns. Letzteres etwas Lüge. Ich wollte – Sie nicht compromettieren. Etwas Ironie flechte ich hier ein. Pardon! Ich glaube Sie Roland und Dr. Goldscheider, nun London ehemals vor 1. Jahr Wien können die Menschen einreißen schließlich. Und [2] Sie laufen nicht Gefahr zu verknoten mit einer einzigen Stadt. Ich warte täglich auf Bernerpass – (oder wie man den Aufhaltungsschein nennt) und engl. Erlaubniß von Jerusalem. Dann [fliegender Vogel] flieg ich wieder fort allein, enttäuscht, Verzweiflung im Auge – aber – David u. Jonathans Spielgefährte, Streitgefährte über den Ozean. Ich möchte Ihnen, da Sie zu mir hielten im Grunde wirklich mit der Bekanntschaft Rolands Gutes tun. Seine lady muß kommen, sind schon 13 Jahre zusammen, sie ist gewiß wie eine Mutter zu ihm; das hat er nötig. Ich wünsche Ihren lieben Papa und lieben Renée Gesundheit wieder. Zu beneiden – sie werden gepflegt. Jussuf
Anmerkungen
Quelle: The National Library of Israel, Jerusalem, Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 51). Druck: Else Lasker-Schüler, Werke und Briefe. Kritische Ausgabe. Im Auftrag des Franz Rosenzweig-Zentrums der Hebräischen Universität Jerusalem, der Bergischen Universität Wuppertal und des Deutschen Literaturarchivs Marbach am Neckar hg. von Andreas B. Kilcher [ab Bd. 9], Norbert Oellers, Heinz Rölleke und Itta Shedletzky. Bd. 10: Briefe. 1937–1940, bearbeitet von Karl Jürgen Skrodzki und Andreas B. Kilcher, Frankfurt am Main: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, 2009, S. 173.