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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Anfang März 1937

Emil Raas
[1]

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Lieber Mill

Danke für die Bonbonnière,

Sie ist so schön, auch anzusehn,

Als käme sie aus einer anderen Sphäre,

Mir gerade in die Quere.

Ich sitz so gern im Cinema

Und ess die Plalinesen da.

Ich sitz’ so gerne ganz allein

Bei Taltzahn IV im Urwaldhain.

Ein wunderbares wildes Stück

Ach bitte gehn Sie mir zum Glück,

Falls es in Bern im Kino: Stern?

Gespielet wird ja mit einem Herrn

hinein.

[2] Ich fass gar nicht, daß Sie kommen, um zu gehen! Es wirkt wirklich sadistisch. Auch essen Sie nie bei mir. Warum: Ich versteh das nicht. Sie kommen aus Gewissenhaftigkeit wie zum Armen. Andere Menschen kamen einst zum Fest zu mir. Sie reißen immer etwas auf in mir. Was bin ich Ihnen? – Ein Mündel, eine Waise (oder mit e?) oder ein Lied? Ich meine Augenlid. Keine Angst nie im Leben, schwöre Doppeleid würde der Prinz von Theben, [unter dem Wort Mondsichel mit Stern] ich erlauben, daß Sie mich etwa küßen. Sie meinen, oder Sie meinen doch, ich denk daran? Nie im Leben würde ich es erlauben, [3] weder aus Liebe noch aus Haß. Im Grunde kämpft immer Haß und Liebe bei Ihnen und streuen Sie doch lieber Mäusegift. Ich reise nicht nach London. Auch ist Stenz lange seit 28. II. fort; vielleicht New-Jork. Ich werde schon Nachricht erhalten. Sie können mich nicht verkuppeln. Ich such mir allein, wenn ich will, aus. Ich wollte wieder schreiben: Sie können mir! Aber ich bezwing mich und schreib nit. Was machen Sie Sich Sorgen um meine nassen Plattfüße um meine Erkältungen. Sind Sie mein Adoptivpfleger. Telephonieren [4] tun Sie doch nicht. Ich werd nach meinem Abend telephonieren, wieviel ich eingenommen. Soll ich mal dann 2 Tage nach Bern heimlich kommen: Hôtel Wächter. Ich geh dann allein durch die Straßen, seh was anderes mal wieder. Besuche Frau Dr. Bagotzky und Frau Dr. Baumgarten. Ich hab noch paar Berliner Leute dort, muß erst Adr. nachsehen. Ich esse alleine, da ich mich stets geniere. Auch mit Ihnen nicht im Restaurant bei den Schwarzen und den Blonden

Zwischen Menschen oder abgesonden.

Ich ess alleine, denn ich bin ein Kanibale

Und bezahle, weil ich hier bezahle.

Zwischen Sitten in der Mitten

Tellern Gläsern und dergleichen,

[5] Was soll ich, der Menschenfresser, mit Gabel Löffel u. mit Messer?

Ich der heimatlose Paraguayer,

Passe nicht zu Schulz und Müller, Maier

Ich passe auch nicht zur Ottilie,

Der feldgewachsenen weißen Lilie,

Auch nicht zu Ihrer Liebfamilie.

Ich passe wo in eine Kneipe oder auf einem Schiff oder wo in einem Sumpflokal Lakol, Alkohol, Lebt wohl, Monopol. Verzeiht den Kohl.

[Kopf im Profil mit Federschmuck] Erzählen Sie Renée von meiner Indianertasche.

[6] Ich malte Ihnen eine Cigarettenschachtel im Selekt. Soll ich senden? Und Weltys Brief senden u. meinen Essay?

[Frauenkopf im Profil mit Fes, weinend, davor Glas mit Strohhalm] Im Selekt

Was ich besaß an Liebgeschmeide, liebte ich sehr bald nicht mehr.

Kann ich deutlicher, ehrlicher sprechen.

Erklären Sie mir nur nie wieder was durch die Blume vom Alterswert und Unwert!

[Ansatz zu einer erhobenen Schwurhand] Eid

Kann plötzlich nicht zeichnen.

Ich eide daß ich nie erlaubte, daß Sie auch nur mein Gesicht streiften. (zu krank)

Also keinen falschen Kampf.

Keine falschen Gedanken.