Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Freitag, 22. Januar 1937
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22. Jan. 37
Lieber Mill.
Ich hörte mal, man braucht einen Eid nicht einhalten, betrifft es eine gute Sache, löst man ihn. Ich habe Ihre Briefe beide bekommen, danke Ihnen sehr. Ich habe grauenhafte Wochen vier hinter [2] mir. Ich konnte gar nichts selbst gegen Besprechung N. Z. Z. machen, viele wollten es Redakteure, die aber sich zuletzt doch nicht mit College verfeinden wollten. Es ist kein damaliges Berlin, kein Paris und London. Nun aber sind so viele Menschen von selbst aufgetreten, namentlich Herr Reiff, einer der angesehendsten [3] Fabrikanten hier und mehrere Künstler, daß ich was schreiben soll N. Z. Z. und dann wird es weiter gespielt. Der Schlag traf, wie mir Riesers sagten – Riesers, denn der Dr W. weiß ich noch mein Stück ist nicht politisch – zumal 32 gedichtet, aber nicht polit. zusammengefügt. Noch in 3 Journalen kam herrliche Besprechung – jede eine Dichtung über m. Dichtung. Es war [4] mir ja zunächst die Freude meine kleine Welt steigen zu sehen und dann hoffte ich mich etwas zu erholen. Heute war ich bei Dr. Korrodis eingeladen, seine Mutter war Première und ganz erfüllt und Dr. K. geht jetzt so wie aufgeführt hin. Ich bin sicher nicht all zu eitel sagen die Leute wie selbst immer mein ältester Bruder zu mir sagte, als ich noch ein Kind war und gedruckt und mir Bonbon [5] in mein Gedicht einwickelte oder Chokolade, aber ich habe schrecklich durchgemacht, war wie Asche. Ich freue mich, da nun von selbst alles so kommt. Ein Herr (Schweizer sehr noble) (bitte unter uns) sprach mich gestern auf der Straße an; kannte ich nicht) er sagte, »ich (also er) habe die Macht den Redakteur herauszuwerfen. Ich werde ihn stürzen. Denn ich habe 1. Reihe gesessen, Ihr schönes Schauspiel gesehen. selbst. [6] Vorhin nannte sicher ein Redakteur seinen Namen – der wäre überall hier beteiligt als erster. Es ist doch auch schändlich von Dr. W.? Selbst Dr. Korrodi sagte, es muß wieder aufgeführt werden! Bitte alles unter uns! Mein Buch im Druck Bin sehr gespannt. Aber ich kriege nur 100 Frc. im Monat, halbe Jahr Abrechnung. Die 2 Familien senden nun nichts mehr und nur: [7] Ich hab aber doch neue Jacke. Sonntag holt mich Marianne Rieser nach Rüschlikon, abends eingeladen Theater. Ich sehe jetzt mehr die Schauspieler; alle lieb zu mir. Sandten ihre Bilder. Schade, sie haben enorm zu tun, sonst würde ich oft mit ihnen sein. Ich hätte Sie so viel fragen mögen, Mill, aber ich war zu erschöpft und voll Spannung – wie am Abend Theater. [8] Ich war gewiß sehr frech, aber ehrlich. So ehrlich werd ich niemehr zu Jemand sein; ich bin ja auch so abgespannt – aber wie ein Tiger abgespannt. Ich hatte 14 Tage Grippe im Rücken und saß gelehnt an der Heizung. Im Selekt-Café mir Niemand nah; langweilig fast alle.
Laufen Sie ja Sky paar Tage wenn Sie Freude daran haben. [9] Ich mag ja keinen Schnee und sehne mich stets nach Blumenwiesen und Bächen, darin zu plätschern; nicht etwa mein Bild zu sehen. Hier ein herrlicher Indianerfilm gewesen – ich war entzückt: nur knarren und zirpen die Leute so in den Zähnen und das reizt mich so. Sie zirpen immer. Ich geh immer alleine und bin dann wie in Trance. Es war lieb, da Sie schrieben an die traurige Dichterin.
[4] Lasen Sie von C. S. glaube: Carl Seelig aus der Schweizer luzerner Sportfamilie die Besprechung Basler National Zeitung. Er erwähnte nur wieder alle die Jahre und nicht genau.
Eine Marke aus Jerusalem. inl. [Stadt an einem Hügel, darüber Mondsichel mit Stern]
Pardon Bleistift
[6] [ausgestreckte Hand] Changer les dames! (Richtig geschrieben?
Anmerkungen
Quelle: The National Library of Israel, Jerusalem, Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 34).