www.kj-skrodzki.de

Copyright © 2003–2024 by Karl Jürgen Skrodzki, Lohmar

Dr. Karl Jürgen Skrodzki, Am alten Sägewerk 5a, 53797 Lohmar, Deutschland

Tel.: +49 2241 942981

E-Mail: web (bei) kj-skrodzki.de

Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Ascona, Montag, 25. November 1935

Emil Raas
[1]

[1][2]

Postfach 49. Ascona. Hauptpost.

25. Nov. 35.

Lieber Mill.

Ich schreibe auf diesen Bogen, Ihnen zu beweisen, dass Ich gerade die 70. Seite abschreiben wollte, in 2–3 Tagen fertig bin. Ich will Ihnen sofort antworten, noch heute Abend. War in Benunzola mit einer Cousine, die in Brisago wohnt mit ihrem Kind. Mein Vetter ihr Mann ist in London. Sind völlig arm oder sehr mittellos geworden haben nun Gelegenheit begreifen zu lernen die Not der so vielen Mitmenschen. Früher gehörte ihm die Frankfurterzeitung in Frankfurt a, Main. Es schadet ja fast allen Leuten nichts, nur bin ich überzeugt, menschlicher wird keiner von allen. Ich habe noch keinen Bericht bekommen, ich werd morgen mal nebenan fragen. Alles liegt hier nebenan. Oder soll ich nicht fragen? dann müssten Sie Sich die Mühe machen bitte mir sofort schreiben; dann wart ich noch so lange. Es ist hier nun einsam u oft melancholisch. Erik ist in Paris. Er erwartete dort die welche. Hoffe ich. Er sagte noch vor der Abreise, er müsse Ihnen widerschreiben. Noch mal er hat sie sehr gern. Ich bitte Sie aber wenn Sie ihm schreiben nichts von mir zu erwähnen. Das Band ist neu, das Maschinenband und kleckst noch. In Belinzola wohnt Dr. med. Tormakin, geb. Russe. Er ist Kantonalarzt und alles unter sich alle Bewilligungen und Abschiebungen. Soll ich ihm schreiben? Was?? Ich schrieb ihm bevor ich Ihnen schrieb, soll aber verreist gewesen sein. Ich kann ihm auch telephonieren. Er sagte mal als er früher mal hier zu einem Strassenfest war, ich ihn kennen lernte, ich soll mich in allen Dingen an ihn wenden. falls nötig. Ich bin schon so stumpf und müde, ich kann kaum mehr. Danke Ihnen aber für Ihre liebe Hilfe. Vielleicht liegt Bewilligung schon hier auf der Polizei. Wenn Buch fort, werde ich wieder für Zeitungen was arbeiten, mir dazu verdienen. Es ist noch niemand gekommen aber es kann ja noch sein. Manchmal wünsch ich das nur von meinen Bekannten und dann gehts nicht. Gestern tanzte Lotte Bara bei den Patern im Kloster. Manche Tänze wunderschön.

[2] Ich hatte das Band falsch herum.

Am Morgen und nachmittag ist schön allein am Abend in der Dämmerung schwermütig. (Nun seh ich das Band ist nicht neu. Wieder so matt. Entschuldigen Sie bitte.

Der Cirkus ist längst fort. Aber es war ein Film: Freundschaft unter Tieren. Herrlich. Ich wollte ich wäre in Jerusalem. Dort verstehen mich paar Leute gut holen mich um die Dämmerung. Was sagen Sie von der Zuchthausstrafe vom Erzbischof? Und überhaupt. Ich möchte Ihnen was merkwürdiges erzählen, aber glauben Sie dass ichs Ihnen schreiben kann? Ich brauch nur noch eine Antwort. von Jemand. Sie müssen auch darüber denken, wenn ich Antwort habe. Bin sehr gespannt. Abends bin ich so traurig, ich weiss nichts anderes zu denken, als mich umzubringen. Aber ich bin wahrhaftig zu feige. Aber um 10 Uhr wieder alles weg. Auch geh ich öfters nebenan in die Bar. Dort spielt süsse Musik beständig auch holt mich öfters Carla Vitellechi ab oder ich geh zum Direktor und Direktorin viss a Vis der Schule. Aber was kann man so richtig sprechen und beantwortet bekommen? Sowie die Anhöhe kommt, oder das Gewässer, stockt alle Antwort. Es wird zu schwer, sie machen sich die Füsse nass. Nun wächst eine neue Birne an meiner Zimmerdecke und es ist heller. Herr Arthur Holitscher reiste gestern nach Basel oder Zürich er spricht grossartig. Hält Vorträge. Ich hab ihm 2 Stück Chokolade mitgegeben zum Essen im Zug. Er war in China und Japan. Ascona ist der nettste Ort in Tessin. Alle andern schrecklich kahl und kalt jetzt. Ich kann nicht mehr schreiben, ich kann vor Traurigkeit nicht mehr denken. Noch mal vielen vielen Dank und ich grüsse Ihren Papa und liebe Rene. Und Sie viele liebe Male! Ihre

Dichterin.