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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Ascona, Samstag, 30. November 1935

Emil Raas
[1a]

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Postfach 49. Ascona Hauptpost. (Südschweiz)

30. Nov. 35.

[Blumenstrauß] Lieber Mill.

Ich danke Ihnen wirklich sehr auch für Telephongespräch. Sie schienen mir etwas böse oder was? oder müde? Eher zu sein. Ich konnte die Tage nicht schreiben oder ich zerriß den Brief wieder, da ich nicht schreiben konnte, zu flach und leer war. Ich habe nun (nur 20 Seiten noch Abschrift (neuer Bleistift) dann alles da. Nun lese ich gestern: Großer Verlag eröffnet in Tel-Aviv. Rektor Hugo Bergmann, der bis jetzt Bibliokar in Jerusalemer Universität war, mir sehr gut, soll doch mal anfragen in Tel-Aviv – dann laß ich mir alles Manuscript retournieren aus Berlin. [2] aber werde mich erst erkundigen – denn es kommen auch in Betracht die gesammelten Bücher. Und vor allem wer mehr giebt denn es muß mal Sommer werden. Denken Sie nur mein Schwager ist geisteskrank geworden, (manchmal länger klar.) das heißt er bekommt blöde Anfälle da er nicht aushält wie man die Juden beleidigt. Er ist Christ und war großer Sänger, Hofopernsänger in Dresden. Mein Papa hat sich zuerst in ihn verliebt und half meiner Schwester vor den Spießern. Ich besorgte immer die Correspondenz heimlich auf Umwegen durch den Wald. Wir wohnten am Fuß des Waldes vor der Stadt mit einem [Turm mit zwei Fahnenstangen und wehenden Fahnen] Turm am Haus und zwei Fahnen immer wehend. [3] Nun im Kafferzimmer, aber geräumig und seh in einem Garten, aber schlafe so eckelhaft zwischen Zimmern von Wirtin und Wirt und manchmal wohnt ein unmotivierter Mensch neben mir, den ich dann abreisen sehe oder nicht. Sie wissen doch ich traue primitiven Leuten nie, sie verkaufen einen. Nicht einfache wie ich die nette liebe Hedwig in Berlin habe, mir immer so besorgt schreibt. eine Schaafgarbe eine Marienblume, eine gelbe Butterblume zwischen Zittergräsern. So wie ich das Geld, die Prozente habe, lade ich sie ein 14 Tage sich erholen. Ich habe ihr immer 8 Mal gegeben in Berlin, im Sommer nach [4] Kolberg zu fahren ans Meer, wo ich auch hinfuhr. Aber sie sollte ganz selbstständig sein, und wohnte und aß für sich, aber am Meer [Wellen, am Horizont ein Stern] trafen wir uns. Und einmal haben wir in einem solchen Sturm gebadet, so was können Sie Sich gar nütt denke’ ebbe!!! Es ist sonst noch niemand gekommen, nur die Frau vom Maler Egon Adler eine Tessinerin war hier. Wir weinten fast. Schrecklich in Berlin, aber die Leute erwacht! Ich möchte 8 Tage General sein. [5] Nun darf ich Sie noch was fragen. Ist Prof. Frobenius der berühmte Afrikaforscher in Bern? oder Wo in der Schweiz? Vielleicht durch mein Begegnen mit ihm große Sache. Wir tun große Sache. Ich kann nicht schreiben darüber. Ich bin so froh, daß ich so flach und leer geworden, so toll sich das anhört, da ich nun nicht gehemmt bin, Ihnen zu schreiben. Wie toll muß ich gewirkt haben und wie nett Sie alles aufnahmen. Nur in Bern II. Tag nicht, da fiel Theben [6] von Trojas Hand. Ich streife nun einsam am Rand meines Herzens oft ganz ruhig oder melancholisch und denke dann verschleiert wie in einer Wolke. – Nun bitte kleben Sie Bildchen, im Augenblick von Marianne von Wereffkin gemacht in ein Buch von mir zum Andenken. Sie und ich können uns verständigen über Malerei und Dichtung. Haben Sie wieder Gedichte gedichtet? Ich kann nicht mehr. Lebt wohl, Mill, ich bin nur immer sehr traurig und gejagt wie Wild.

Eure Dichterin.

[7] [Indianerbüste mit Federschmuck]

In Galla!

Bild kommt sowie alles in Berlin.

Ich bitte Sie nur inständig, meine Bücher und Bilder und nichts was ich besitze noch die Bilder meines Jungen, nichts was ich von ihm habe darf in die Hände nach Hamburg kommen in die Hände meines ältesten Bruders, er ist großer Maler, aber scheußliche Frauen um sich. Das heißt erste Frau und die zweite die ihn sehr direkt bearbeitet.

Ist das nicht abenteuerlich?

Sie schrieb vor Jahren an mich, sie »bearbeite« ihn. Haben Sie solch einen Ausdruck je gehört in der Liebe. Mein Bruder mochte mich, ich ihn nie! Und das ist oft meine Sorge, daß die Frau, eine frühere Krankenschwester, die ihn fortführte, meine Bücher kriegt. Ich habe alles vor Jahren 3 Jahren ungefähr gesagt und ihn gebeten: Rechtsanwalt Dr. Heinz Kahn. Elberfeld sehr fein. er praktisierte in Berlin. Bitte ihm jetzt nicht schreiben. nicht wahr? alles Durcheinander schreib ich.

Der Vater von Marianne war Verweser von Rußland zur Zeit Alexander.

[1b] Lieben Dank, liebe Grüße

Ihre Dichterin

[Haus mit qualmendem Schornstein]

Hier giebt es einen Erdbeerbaum denken Sie!