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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Sonntag, 18. oder 19. [18.] Dezember 1938

Emil Raas
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18. oder 19. [18.] Dez. 38

Lieber Mill. Ich sitz neben dem Schauspielhaus auf dem Pfauen in einer Conditorei. Warte auf das Ende des Götz von Berlichingen um Dr. Kobler und Frau zu erwarten, sie sind ins Theater gegangen, der Doktor hat Geburtstag. Ich habe ihm aber schon vom Vortrag in Bern gesagt. Gern nimmt er Einladung an. Schreiben Sie ihm sofort, da er in 2 Tagen in ein anderes Zimmer zieht:

Herrn und Frau Justizrat Dr. Kobler

Pension Braun.

Zürich

Englisch Viertelstr. 24

nah vom Pfauen.

Es ist grausig kalt und ich kann nicht auf der Straße stehn. [2] Schreibe hier den Brief in der Conditorei. Ich werde wohl nicht mehr Januar in Zürich sein, wäre sonst mitgekommen. Auch Job hat nicht genug Geld, konnte nichts mitnehmen. Aber, ich glaube es wird ihm hier geholfen von Katholiken. Ich hatte guten Einfall und Dr. Korrodi gab mir dann genaue gute Angaben. Der Job und seine Mama waren stets so lieb zu mir; auch war ich eingeladen bei ihnen länger in Breslau und es war wirklich sehr nett. Wenn ich wieder von Jerusalem komme, möchte ich nach Holland. Dort habe ich viel mehr Aussichten. [3] In London erst in paar Tagen Ausstellung – direkt größter Salon Matthiesen aus Berlin unter den Linden. (übervornehm) oder engl. Bruder. Ich glaube ihm gefallen meine Bilder besonders. Blindes Huhn, hat auch mal Glück. Vielleicht verkauft er welche, da kann ich dann weiter. Oft möcht man aufschrein! Nicht einen Tag fühlte ich mich wohl hier. Immer unter Balken und meine Kraft gelähmt und unsicher. Sie gucken alle so verbissen und bitter im Tram und nur die Bedienerin für 15 ctm Trinkgeld lächelt. Wo ich gewesen, wurde ich beleidigt – mit Willen oder unbewußt. Mir hängen schon [4] die Lumpenhäute vom Körper. Und dann die Zahnstöcher nach Mittagbrot und die Pipserei zwischen den Zähnen. Ich bin wirklich schwer nervös geworden. 6 Jahre habe ich verloren; gerade wurde es viel viel besser für mich. Und – dann noch hierher. 6 Jahre habe ich kein liebes Wort gehört; meinen Namen vergessen. Meinen Nachnahmen auf den stolz wird immer zerschnitten.: »Frau Laaasker. Ich hoffe, daß wenn Sie alle beisammen in Bern, wo ich so gern gewohnt, (ich hätte Sie sicher [5] sicher nicht gestört. Denn zu zweit durch Straßen gehn, fällt meinem zertrampelten Herzen schwer. Ich säum’ gern allein. Auch langweilt mich sprechen. Aber ich hätte doch mal wo 20 Minuten sprechen können.

Ich habe hier nun nette Leute, aber nun zu spät.

Das ist meine arme Beichte.

Ich habe jede, ich schwöre!! Gerade da Sie mich nicht erziehen brauchten.) Schwärmerei verschmerzt, – jede Liebe schaal geworden. Darum kann ich so schreiben. Bitte lassen Sie Dr. Kobler sprechen, großartiger Redner. Wird seine Reise bezahlt etc vom Verein?

[6] Ich habe einen Kuchen gekauft für Koblers. Da gleich sein Geburtstag. Sie würden sich gut verstehen.

Er möchte und Frau nach Jerusalem. Ich will alles versuchen. Er und furchtbar liebe Frau passen hin. Beide so gut. Aber mein Herz kann nichts mehr aufnehmen, ist verlöchert.

Der Job ist doch nett?