Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Donnerstag, 7. Juli 1938
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7. Juli. 38.
Lieber Mill, gestatten Sie mir folgendes Ihnen zu schreiben, Sie dieses zu fragen etc.:
Gestern hatte ich zwei sehr wichtige Unterredungen. In der ersten oben auf der Alm gelang mir wahrscheinlich zwei Frauen nach Jahren schrecklichster Feindschaft zu versöhnen dass endlich die Klagen vor Gericht aufhören und sie sich beide an einen Tisch setzen ihr ferneres Leben und das ihrer Kinder zu besprechen. (Eine Probe.) Ich sehe nun auch das Meer kann trotz seiner Wellen und Riffe Ruhe schaffen. Das zweite Gespräch betraf Jerusalem und die Juden hier. Und das führte ich mit dem jetzigen Präsidenten von zion Vereinigung der Schweiz: Dr. Zucker. Er war früher vor acht Jahren mit Schacht Minister. Trat nicht (mit Absicht) in den Vordergrund, genau wie Ihr Verhältniss mit den Viehhändler. Excuse! Streng unter uns! Auch was ich jetzt schreibe. Ich rechne darauf! Dr. Zucker gentleman durch und durch. Mein einziger Freund eigentlich in Zürich. Unter Engstringen. Gestern hatten wir famoses Gespräch. Auf einmal erzählte er mir von dem Dorf, von dem Sie mir erzählten: Lengau?? Oder so ähnlich heisst es. bei Baden? oder über Baden. Von dort wären alle Juden in die Städte gezogen der Schweiz schliesslich. Und er sagte er möchte es mir zeigen. Nun möchte ich so gern Sie lernten ihn kennen. Ich kann so schreiben, da doch alle Schwärmerei verschwunden und ich Ihnen indianisch Spielgefährtenhaft gewogen. Kommen Sie mit? Unerhörte Dinge können sich ereignen für Sie beide, falls Sie Sich kennen lernen. Gefallen werden Sie Sich sicher. Den Viehhändler [2] kann er nicht ertragen! Er sagte mir von selbst wie er den gesehen und paar Worte gesprochen, hätte er ihn am liebsten geohrfeigt. Wörtlich! Aber Sie müssen Sich vor ihm Viehhändler nichts merken lassen, damit Sie keine unnötigen Scherereien haben. Ich werd ihn noch ohrfeigen. Eck kann mir nich beherrschen! Es geben manche so Ekels hier gerade in der Schweiz. Auch der Nachum Goldmann. Ein Kriecher. Auch habe ich eine gute Idee Dr. Zucker betreffs der Juden vorgeschlagen. Er ist entzückt. Aber verraten Sie nicht, dass ich Ihnen das erzählt. Ich sagte Ihm wir wären zusammen sehr gut bekannt und Sie wären der Einzige (log ich), der sich manchmal um mein Wohl kümmere. Sie würden ihm überhaupt enorm gefallen. Er würde Vertrauen haben. (Unter uns: Er reist nach London sehr bald zum Kriegsminister. Das weiss ich nur!!! Nun ging ich am liebsten morgen nach Jerusalem. Ich kann meine lieben Menschen, die paar so 10 Menschen nicht allein jetzt in Gefahr wissen. Das finde ich unfair und treulos. Auch bin ich Indianer, und das müsste ich Ihnen erst erklären. Aber ich bin noch schwer verwundet im Mund und am Herzen, im Herzen und um Herzen oft so unmotivierte Angst und Schwäche. Auch noch nicht das Reisegeld. Aber das erkämpf ich. Schreiben Sie mir ob Sie mitkommen? Lengau? Wann können Sie? Welche Tage können Sie reisen? Ich weiss Ihr Glück. Da halten Sie dann ein gutes Andenken wo ich auch bin. Sonst kann ich Sie nie mehr bitten mir einen Gefallen zu tun. Dr. Zucker wird mir sicher das Dörfchen zeigen und die alte Synagoge. Sagen Sie nein?? so erklär’ ich Sie für den langweiligsten phlegmatischsten Menschen den ich kenne. Ich habe die Ansicht, dass sich aus dieser Begegnung glänzendes für Sie beide begiebt.
Ich muss aufhören zu schreiben das Handgelenk und der Oberarm und draussen warm und noch so allerlei. Wie es auch werden wird habt einmal auch mit Euch Erbarm – und keine Reu.
Jussuf
Ich grüße Herbertchen.
[3] I k. m. alle! Pardon schreit der Geyer.
[fliegender Vogel über Hügellandschaft]
Dr. Zucker großartiger Gentleman und kein Spießer noch wie die Leute hier fast alle.
Anmerkungen
Quelle: The National Library of Israel, Jerusalem, Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 49).