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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, zwischen September 1936 und Juli 1938

Emil Raas
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Dear Mill.

Ich habe mich sehr gefreut, wie ich Ihre Stimme hörte, noch dazu aus Zürich. Erst dacht ich ein Möw wär es vom See, dem ich morgens Krumen bringe, gehe ich zur Post. Ich [2] fand mich nur ungastlich, aber aus Unsicherheit nur. Ich fand Sie nicht gut aussehend, (nicht krank) aber Sie müssen Sich erholen. Ich würde in Ihrer Stelle auf einen Berg fahren wo Sonne ist. Nach St. Moriz vielleicht. [3] Tun Sie es bitte doch. Pulver sind nicht gesund. Sie müssen im Zimmer warm haben und nachts kleinen Spalt auflassen. Bitte nehmen Sie doch mal abends einen Monat Validol: 7 Tropfen in einem Liqueurglas Wasser [Glas] Validol ist ein Mittel vom größten Arzt, [4] mit der größte Arzt Prof. Senator. Es besteht aus der Wurzel des Baldrian und – Mentol. Beides gemischt macht irgendwie Schläfrigkeit und beruhigt die Nerven. Und schmeckt herrlich. Wie Seide betäubt es etwas und ungefährlich. Tun Sie es!! Auch die Medizinmänner [5] verschreiben es. Sie müssen am Tage was schlafen dann ist Ihr Gehirn beruhigter. Man schläft meist nicht, da man zu müde ist. Sind Sie gekommen, da Sie glaubten nur mir Freude zu machen? So wäre es Schande für mich und Tiba [Mondsichel mit Stern] Ich wußte nicht, ob ich Sie noch bitten sollte, morgen zu [6] bleiben. Darum? Oder träumten Sie ich sterbe? Es war mir nämlich sehr schlimm zu Mute von paar Träumen. Ich war wie zerschnitten. Nun etwas besser. Lieber Mill, bitte bemitleiden Sie mich nicht. Es geben noch schlimmer leidende Emigranten. Im Selekt sind alle lieb zu mir.

Ihre Dichterin

[7] Ich schrieb den Brief so ungefähr um 5 Uhr. Dann kam ein Gewitter heran – und ich saß vor dem kleinen Messingleuchter mit den vielen kleinen bunten Kerzen – (aus Jerusalem) und betete auch für die armen Gefangenen in Deutschland. [Davidstern] [8] Wie schlimm ist doch die Welt geworden. Die Bekannten im Haus sind Abendessen gegangen, lassen sich immer von untergeordneten Automenschen einladen. Wie kann man das. Aber heute Mittag hab ich auch fein gegessen bei Jelmoly [9] Kaufhaus: Geflügelsuppe was gewiß Sünde ist. Und Fischfilet und Salat mit Citrone und schöne Kartoffeln. Den Selektteller hab ich bald satt mit den Spätzli. Morgens die Spätzchen am Fenster sind mir lieber. [fliegender Vogel] Um 5 Uhr wecken sie mich.

Ich dacht gar nicht mehr daran, da wir doch eigentlich uneinig geworden

In Jerusalem nur so liebe Menschen.

Ich habe Angst vor der Welt.

[10] Nun regnet es so und ich bin zu matt den Brief heute noch (8 Uhr zwar erst) in den Kasten zu werfen. Auch nahm ich Kamillendampfbad (Gesicht.)

Ich liege nun im Zelt und denke traurig oder denke wie Musik traurig dahinfließend.

[11] [Frauenkopf im Profil] So seh ich aus momentan so trübe