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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Jerusalem, Freitag, 7. April 1939

Emil Raas
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Meine Adresse Jerusalem Hôtel Vienna

7. April 39

Lieber Mill.

Ich bin nun 3 Tage hier, wohne wo ich letztes Mal wohnte und da ich ja wenig esse, wohn ich lieber wo mirs gefällt. Ich hab schreckenerregend auf dem Schiff durchgemacht. Schon in Bern fror ich ja so und ich mußte abreisen mit Unterleibsentzündung und in Marseille angelangt war ich wirklich fertig. Dann morgens aufs Schiff, ganz hohe wackelnde Treppe herauf und in der Kabine 6 Frauen – entsetzlich fast alle. [2] Ich wurde immer kränker, da ich noch dazu andere Dinge bekam, und nun auf dem Wege der Besserung. Wenn nicht der Doktor Nothmann und seine Frau mit mir gefahren, ich wäre direkt noch mehr verzweifelt. Als ob ich das noch durchmachen sollte. Der Mund, die Hände vereitert. Aber daß ich von mir schreibe!! Wie komisch fast. Hier am Tag sehr warm – so 22–23 Grad, abends noch kühl. 800 Meter hoch liegt Jerusalem die unerklärliche Stadt [über dem S ein Heiligenschein] und noch herrlicher geworden. Die Menschen alle mutig, und leider kann man sich nur in der oberen Stadt aufhalten, abends früh alle zu Hause. Die Cinemas gehen. Ich wohne 1 Minute vom größten Cinema: Zion. Im Café Europe tanzen die Damen Geweretts und Herren Adons aus den Geschäften: Jazz. [3] Meine Freundin schrie ganz laut wie ich sie rief in Rehavia. Dr. Krakauer der große Baumeister und seine Malerin sorgen sehr und heute früh zu Osterschluß brachte er mir ein goldenes Bäumchen. Und Andreas ist hier der Anwalt aus Görlitz, der mit mir früher immer als 2 Appachen auf Maskenbälle ging; und immer wieder andere frühere Freunde. Und aus Amerika sandte mir ein Professor 10 Dollars. Noch ist es kühl abends im Zimmer. Aber ich gehe um 8 Uhr zu Feldbett, das heißt: schöner Cautsch. Weißporzellan die Wände, Boden schwarzweiß Mosaikstein und süße Möbel. Eben brachte mir meine Wirtin, Matzen ins Zimmer zum Geschenk. Ich hab es gut wegen meines Buchs: Ich bin aber noch wie vergiftet und kann [4] nur mühsam gehen und sprechen. Aber ich sollte hierher.

Denken Sie H. schwer krank; ich weiß es genau von Zürich schon her. Er spricht gar nicht selbst. Niemandem sagen. Aber ich weiß es. – Auf dem Jaffa Road enorm bunt, Juden aus Jemen und Bucharan Herrliche Nubierkinder (Prinzessinnen) auf dem Schiff. Wir fuhren mit Weizmann. Er I. Classe, sehr erschöpft. Große große Reise. Hier in Tel-Aviv unerhörter Hafen, vorher wurden wir mit Motorboot ausgeladen mitten im Meer, die Frauen schrieen, ich glaubte Gemälde und hielt es aus. Großartige jüdische Seefahrer und jüdische Arbeiter begrüßten unser Riesenschiff. Das war geradezu wie früher Ithaka. Sie sangen herrlich geradezu: Ich mußte weinen. Jussuf.

Chinesenbedienung – Verwilderung letzter Tag auf dem Schiff – wie betäubt alle. 4 Stunden oder 5 mußte ich in Tel-Aviv Controlle der Koffer stehen und fiel zusammen.

Ich grüße Renée die mir sehr glücklich schien.

[3] Interessant was ein Mensch erträgt. 7 Schiffe kamen an da Ostern begann.

Mit Albanien halte ich nicht für so wichtig.

Anmerkungen

Quelle: The National Library of Israel, Jerusalem, Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 57), S. 1–2, und Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 76), S. 3–4.