Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, wahrscheinlich Sonntag, 7. März 1937
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Habe eben umsonst gegessen von einer Kellnerin serviert mit Appelmost 2 × Desert heimlich in einem kleinen Saal darin die Gesangvereine proben: Kommt ein [fliegender Vogel] geflogen.
Ich habe gewartet auf Fütterung 2 Tage 2 Nächte. nun einigermaßen miserables dinner hinter dem Zuckerrohr
Ich koch mir sonst selbst. oder ess im Selekt
Ihr seid eben keine Soldaten gewesen wie wir in Berlin darum kein System, alle bequem und keine Schneid!
Ich wollte Sie mit dem Besuch bei dem Menschen (Namen vergessen) nicht bestechen.
Alle Bücher schenkt ich, was bekam ich? Tritt!
»Ich bin empört über die langsame Gangart«!!
Für Tulpen großen Blumentopf und einen kleinen Spitzenkragen
[2] Den Zettel bekam ich auch. Den Kragen hatte ich selbst gemacht. Ich krieg morgen Geld von Dr. Ittmann, den ich anfiel im Telephon. Ihr langweiligen Überleger! Ich will nicht wissen, ob blau oder lila Frühlingswetter; ich mag nichts Dichterisches. Das mach ich selbst schon überaus. Ihr langweiligen Geschöpfe alle, daran bin ich – der Kaiser von Tiba kaput gegangen bin in 4 Jahren. Vor Furcht und – kommt Ihr alle um oder im Gegenteil steigt nach 10000000 Jahren [3] die verbrämte goldvergrämte Street auf und ab mit arabisch marrokanischer Musik aus vielen Läden. Doch ich bin so überarbeitet. Auch Berlin bricht mir das [Herz], die Schicksale alle! Gestern war mein Hôtelbesitzer aus Berlin hier, er ist auch im Wuppertal geboren, liebte meinen Papa kannte ihn gut. und entzückt von meinem Bruder; er war so ein echter hellblauäugiger Rheinländer. Und er erzählte mir so viel, aber immer so halb – ob mit Absicht,? da er zurück. Er sagte, alles so festgelegt, es dauere ewig noch. Aber hier die Leute aus Deutschl. lachen darüber. Ich darf nur nicht sagte der Hôtelbesitzer zurück. [4] Käme sofort in ein Lager, da ich noch außerdem in der Zeitung als staatsfeindlich erklärt. Denken Sie, wenn ich hier nicht ausknobele mit den Direktoren bei Brann, wie man meine herrlichen Sachen 62 Koffer Handkoffer Kisten lauter – viele Spielsachen von frühstem Leben etc orient. Waffen etc. herüber bringen kann, muß er alles verbrennen. Er ist sehr ehrlich, sehr reich. Er sagte, er erlasse mir die Schuld von den 379 Mk. aber ich werde sie doch bezahlen, sowie ich kann. Er reiste abends schon wieder ab nach Genua von dort – denken Sie – nach Jerusalem 10 Tage zu seinen jüd. Freunden. Doch sehr nett.? Dann nach Meran. Er meint es gut mit mir! Ich muß nun bei Brann wegen der Sachen sprechen. Mache mir dann in Ascona in drei Monaten Laden auf, verkaufe alles. Bezahle dann die Schuld. Und behalte die mir ans Herz gewachsenen Dinge. Dr. Oprecht verwahrt hier alle meine Koffer, sendet sie später Ascona.
[3] Es war doch holder in Ascona. In aller Eile und Dank für lieben Anruf. Ihre Dichterin.
am 10. doch Vortrag Kramsaal (Hugh) 150 Plätze
[Karaffe und Weinglas] auf Glück meines Buchs.
Pardon: Bleistift
[2] Essen war das Wenigste!!!
Jeder kostet mich Geld!
Sie sollen alle für mich ihre Kleider verkaufen. Donnerwetter!
Nur kein sentimentales Mitleid!
W. Heider schreibt noch dazu.
Anmerkungen
Der Anfang des Briefs auf einer Menükarte des Hotel-Restaurants Seehof-Bollerei, Zürich, Schifflände 28.
Quelle: The National Library of Israel, Jerusalem, Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 51), S. [1] bis [2], und Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 76), S. [3] bis [4].