Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Bern, wahrscheinlich Samstag, 11. März 1939
[1] [2]
Lieber Mill.
Ich weiß wirklich nicht, warum ich durchaus kommen sollte, Sie mir sogar das Bild sozusagen sandten? Zumal ich Ihnen nur Mißstimmung bringe, Sie mir Enttäuschung. Ich kann und darf nicht annehmen, daß ich ein Papier, (nicht Börsenpapier) aber vielleicht ein diplomatisches Papier für Sie bedeute, Aktie mit der man event. gewinnt.
[2] Ich, die ich Welt durchstreifte, innerlich noch die Sterne dazu, habe doch nicht eingebüßt an Glaubensmöglichkeit am zweiten Menschen, trage keine graue Brille. Glaube an meine Freunde, möchte glauben an meine Freunde und an die Liebe. Mein Herz ist nicht zu trüben, aber nach 6 Jahren mal durch himmelblaues Fenster zu sehen, statt durch Butzenscheiben, sehne ich mich fast. Ich glaube, daß mich noch manche feine Menschen lieben und ich den oder den wiederlieben könnte. Zwei Dinge sind mir ernst: Die Kunst und die Liebe und die Indianertreue. Denn ich bin Indianer mein Lebtag gewesen und ich suche die unverfälschte [1] Liebe der Indianer. Ich bitte Sie mir nicht mehr zu schreiben. Wir sind zu ungleich. Ich liebe keinen Sadismus noch dazu an Menschen wie wir armen verscheuchten verarmten Menschen, aber, das ist es eben ich bin doch immerhin ein Prinz u. eine Dichterin.
Else Lasker-Schüler.
Anmerkungen
Briefbogen des Hotel-Restaurants Wächter, Bern.
Quelle: The National Library of Israel, Jerusalem, Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 69).