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[51] Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Dienstag, 29. Januar 1935

29. I. 35

[Blumen]

In 4 Minuten 12 Uhr

Mill

ist nicht braun aber blau. Ich habe mir heute, (da ich wieder wie immer einsam im Kino saß, für die anderen nicht gebildet genug wo in einer Gegend am Canal, ich habe mir da im Dunkeln vor einer schlichten Wiesenlandschaft gelobt, niemehr Absonderlichkeiten an Mill zu schreiben. Es ist mir zu schade, auch zu schade für irgend eine Antwort auf meine Briefe an mich. Aber ich kann auch wohl beteuern, daß ich selbst nicht genau weiß, warum ich die Briefe von meinen Brüdern sandte und den eines früheren Mädchen, die ich später noch immer einlud, die mich dann öfters im letzten Jahr in Berlin, (wissend, ich kein Geld hatte, aber so gern ins Kino gehe,) mich einlud mich abholte. Ich brenne nicht auf Huldigungen meiner Verse, freute mich aber immer wenn mich dear Mill lobte. Ich glaubte auch immer, daß meine Verse einfach seien, da kein Geschnörkel, daran. Darum eben verstehen sie Spießbürger nicht da kein Schmalz. Ist das nicht so?? Denn Ich habe Mill geglaubt.

Ich habe viel zu große Rührung für Mill, ihn beleidigen zu wollen. Mitleid wäre Schande. Und diese Schande, da ich mir wenigstens einbilde, Mitleid zu erregen, ist die Triebfeder vieler Taten, Untaten u. s. w. Und dann erst verdirbt die sogenannte Cultur den Indianer wenn er statt der bunten [xxxxxx] Feder eine Triebfeder auf dem Hut trägt oder im Haar. Grüßen Sie den kleinen Spielgefährten mit den entzückenden »Murmelaugen«. Immer liegt eine gestreifte Murmel oder so eine mit einem Kalb im Glas zum Spielen in meiner Schale. Der Medizinmann schreibt weiter:

Master Mill. Ich erklärte Pampa auch heute, daß seine Briefe uns Indianer große Schande bereiten und ich mich für ihn äußern möchte. Er saß sein Lebelang im Craal und wenn wir in die City ritten, so beschäftigten wir uns mit Tauschhandel und am Abend saßen wir in Bars oder in wilden Caféshops. Und das ging immer geräuschvoll her. Aber zu Pampas Rechtfertigung muß ich betonen, er saß meist traurig wo allein in einem Winkel oder mit mir am Tisch und nichts und Niemand interessierte ihn. Er ist gerade keine schlichte Natur, aber auch keine Unnatur. Und nur wenn seine Flut nach oben steigt und zum Sturm wird, reißt er namentlich Kastanienbäume um, aber nur die südamerikanischen Urwaldkastanien. Aber zu seiner Ehre kann ich bezeugen, daß er voll von schwerem Schmerz ist und wunder Wehmut [im W ein Herz] und nicht fertig werden kann mit dem Tag mit der Nacht und die Träume sich schon über ihn lustig machen. Und sein schönste Eigenschaft ist die Treue. Wie wir Indianer die Treue so lieben wie die Weißgesichter die Untreue. (im allgemeinen gesprochen.) Von Mittags bis zum anderen Morgen üben wir Indianer größte Askese – und darum freuen wir uns schon voraus für den Morgen, da kochen wir uns auf kleine Scheiterschaufen – gebrannte Malzmais und essen Brote die wir kaufen in der City.

Daß sich alles so löste, atmeten Sie sicher auf?? Medizinmann

Many Greetings!

Der Wahrsager hörte Sie Aufatmen, daß Sie endlich Grund haben, wieder »schlichte« Menschen zu suchen. Wir lieben Sie alle und möchten Ihr Glück immerdar.

[zwei Indianer, die einander gegenübersitzen] Pampa Medizinmann