Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Montag, 28. Januar 1935
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Fraumünsterpost. postlagernd. Zürich.
28. 1. 35.
Der Medizinmann an Master Mill.
Mill!
Als Jussuf Pampa heute früh Ihren Brief beim Sherif abholte hat er sehr geweint. Ich fragte ihn als er wieder im Craal angelangt war: »Warum weint Pampa so sehr«? Da sagte er er habe Euch sein Herz ausgeschüttet, gerade als es sehr sehr finster in seinem Herzen gewesen war genau wie die unheilankündende Wolke über Peru. Und er hätte nie diesen Brief geschrieben, wenn er Euren Brief schon in Händen getragen, denn er freue sich über Eure schöne interessante neue Arbeit, die Euch sicher immense Freude mache und nun sei dazu sein schwarzer Brief gekommen der wohl jedes Wort wahr sei aber gewiss sehr bitter schmecke wie trauriges Blut. Gestern Sonntag in der Früh habe Pampa nach Briefen und Karten beim Sherif gefragt aber da wäre der Brief noch nicht dagewesen trotzdem 26. 1. auf dem Bogen gestanden habe. Auch die eingesandten Briefe habe Pampa nur – – – – gesandt, damit Ihr ihn nicht von aller Welt vereinsamt glaubet. Aber eins lässt der Sohn des grossen Häuptlings Euch bestellen, es ginge ihm viel viel besser auf Indianereid. Und er habe nun 4 Bilderbest. im Monat und Tabbak und allerlei Spezereien und Maiswein. Und bald käm das versprochene Bild. Im Februar vorträgt der Pampa hier vor Zionisten und in einer Loge. Und was unseren ganzen Indianerstamm aufs tiefste überraschte und erfreute, dass aus Tel-Aviv eine glänzende [2] Botschaft kam oder vielmehr sich total bestätigte. Wir gingen mit Pampa sofort in die Stadt, verliessen die Zelte und der Sherif und seine police empfingen uns mit gebührenden Ceremonieen. Der Pampa ist fest versichert dass Ihr eine glänzende Arbeit wieder vollbringt, ja, er hat schon darauf aus der Cocosschaale Feuerwasser getrunken, Euch zum Wohle, Sir. Auch ehrt ihn und beglückt ihn Ihr lieb Verständniss seiner Gedanken und Handlungen. Aber er stimmt Ihnen ganz und gar bei mit den Affenbildern der geschminckten Wiesenlandschaften und meint er habe sogar nur ein annehmbares gefunden das Noah mit seiner Arche transportierte. Und die Lieblingstiere gemeinsam mit Kameelen Elephanten und Pferden seien die Bison die in unserem Urwalde einherschreiten und Pampa kennt sie alle schon von weiten. Diese Bison sind die Götter der Ochsen und Kühe vom selben Stamm nur grösser und tiefer und gewaltiger. Darum Götter. Dass Pampa so Schnickschnack dichtete von Heia popeia ist so eine Wildniss Art von Menschen, die so oft in die Städte geholt werden. Auch eine Verlegenheit und plötzliche Verblödung. Erregung paart sich immer bei ihm mit Reimen immerzu. Die Lieder aber vom Brunnen vor dem Tore und einem kühlen Grund sind schöne Lieder das finden wir Indianer alle und singen sie öfters Pampa zu unterhalten der oft schwermütig ist. Er trägt sie wunderbar vor. Sie würden weinen wie wir. Nun ist es 8 Uhr und wir müssen noch Blätter vom Anisbaum braten und Eier aus den Nestern holen die verlassen sind von den Vögeln denen das lange Sitzen in der Gluthitze noch dazu zu langweilig wurde. Die Wawaweis ihre Kukucks in Europäischen Wäldern gleichen diesen Vögeln. Wir werden Mill gedenken beim Mahle und beim Gesang.
Der Medizinmann
[3] Die Psychoanalise ist noch viel viel schlimmer. Und was Bauern anbetrifft so kennt Pampa nur von früher die Westfälischen aus dem Lande der Schugangs und die Rheinischen und die Himmlischsingenden der Wüste und und die wir Korn und Tabbak pflanzen. Er meinte das nicht so ernst und so abweisend aber Gemüt ohne heiligen – – – – oder Süssigkeit und Weite im Sinn erträgt der Indianer nicht lange. Und so meint er die Primitivität. Die schwere Einsamkeit die die Menschen fast alle hinterlassen. Ich kenne Pampa sehr gut und muss beistimmen. Aber überall sind ja ärmliche Menschen, diejenigen die schales Brot reichen an denen man verarmt in der Unterhaltung mit denen man noch weniger schweigen kann. Nun habe ich für Pampa alles beantwortet. Er hat heute im Fluss mit den anderen Indianern gewaschen und dann mit den grossen Steinen Feuer entfacht und momentan bratet das Mahl. Ich kann meine Leute nicht warten lassen länger, dearest Mill. Ich belehre täglich den Pampa wer Ihr seid und wie lieb Ihr seid. Und heute hat er mir gelobet ein besseres Leben zu führen oder es fortzusetzen wie er schon einsichtig die Tage und Nächte seit einiger Zeit verbringt. Seid nicht bös zu ihm.
Anmerkungen
Quelle: The National Library of Israel, Jerusalem, Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 14).