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[91] Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Ascona, Dienstag, 14. April 1936

Emil Raas
[1]

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3. Ostertag Abends.

Bitte verzeiht. Blei und Bogen.

Lieber Mill.

Ich schrieb Ihnen gestern einen Brief, den ich heute wieder zerriß; er paßte nur für gestern, konnte ihn nicht absenden wegen Marke. Nun versteh ich nicht, daß Sie das beste Bild fast oder von wenigen das mitbeste erst lernen müssen zu verstehen. Das Fixatif hat vielleicht einen Rand verursacht, der mit Warmwasser vorsichtig mit kleinem Schwamm zu entfernen ist. [2] Das Bild ist direkt Alexandrien Caféhaus und ich hätte es gern selbst behalten denn so was macht man einmal. Hier war die Schreiberin des inl. Briefs, die Nichte Prof. Liebermanns, die die rechte Hand (Handschuh) von Paul Cassirer Salon in Berlin war; heute mit Dr. Feilchenfeld Salon besitzt, das heißt nun im Ausland. Ich ließ nochmal die Bilder bewerten, bevor ich abreiste – lange noch vorher. Das muß man. Sie ist die größte Kennerin. [3] Verzeiht die kleine Eitelkeit, aber ich muß doch immer sehen zu verkaufen. Ich glaube es beginnt wieder. Habe zwei verkauft zu hundert jedes – eins zu 50. (das 2. hundert krieg ich noch. Ich habe viel auf den Schulterblättern [zwei Blätter mit Blüte] und send dann nach Berlin. Ich habe nun 4 Bilder fein gemalt, die verkauft in 8 Tagen sehr reiche Dame in Berlin; sie kauft sie sicher selbst, ihr Vater für Berliner die ich in Berlin angebe für 400 Mk. Nun wenn Sie nicht wissen wie schön mein Bild – so senden Sie [4] es bitte wieder; ich geb dann das fünfte mit und die furchtbar Armen bekommen 500 Mk. Wir haben wenigstens gute Luft und Ruhe vor Nazzilümmel. Wollen Sie die Palästinabilder sehen, so sende ich die 10 oder 11 Stück im Karton, dann senden Sie sie sofort wieder, Mill. Hören Sie, denn sie sollen fortgesandt werden.

1. Verleger gestern ½ 3 Uhr mein Buch 14 Seiten vorgelesen. Er brachte seinen Lektor mit. Ich glaube sehr entzückt – – Pardon! [5] Nahm Manuscript 170 Seiten mit; in 10 Tagen Antwort. Dr. Steinmarder macht die Sache. Sie sagten doch, es müsse ein Anwalt leiten, der diese Sache öfters schon geleitet. Ich kenne ihn schon Jahre. Bitte unter uns. Nur nicht [Landschaft mit Burg] Brunschwig sagen.

2. Was sagen Sie – ich soll noch nichts sagen – habe sogar Ehrenwort gegeben – nächste Saison Sept. November meine Wupper wird doch wahrhaftig aufgeführt. Bitte schweigt darüber.

[6] 3. Das letzte Schauspiel das [Krone mit Edelsteinen] (Simili) preisgekrönte gewiß auch.

7. Nationalrat Grimm hier mit Familie

8) 5 Tage über Ostern ohne Ctm. gewesen. Shampion geworden an Wirtschaftüberlegenheit; erst heute früh kamen Moneten. 5 Tage von Thee, Cacao und Kuchen, den ich bekam und Hasenchokolade.

[7] 9) Am 28. April sprech ich Teatro Materno.

10.) Ein Augenarzt [Gesicht mit Brille] macht Vorträge für mich und Schwester in Antwerpen, Brüssel Amsterdam

11) Verleger welcher hat Läden. Sehr günstig.

12. Ich habe 1 [Flasche] Flasche Cognac 1 Flasche Portwein bekommen.

[8] 12 Eier von Hühnern

1 Chokoladenei

1 Ente mit Eiern aus Chokolade

1 Riesenkuchen

1 Schachtel Cakes

Von Zürich von den Damen aus dem Papiergeschäft Chokoladenhasen

aus Bazar Storchen-Karte und Bonbons. Von den Damen Kaufhaus:

Ein paar weiße Glas Ohringe

[9] Es ist jetzt ½ 10 Uhr. Morgen sende Brief ab – da Post schon zu.

– So hart sind Sie ja gar nicht; nur ich muß immer büßen. Zu den glitzernden Kieselsteinchen sind Sie nicht hart. Aber zum Indianer. Aber bei mir: Missisippi!! Warum hart? Sie haben es doch so gut zu Haus. Denken Sie an uns wunde – Hunde am Hundekarren. Ich [10] glaub nicht mehr! Für die Jahre was soll man immer seine Adern verriegeln und so wichtig bin ich ja gar nicht. Ich wenigstens nicht. Immer das Getue. Ich legt es lange in die Truhe. Auch schreib ich gar nicht so mühelos. Große Mühe gerade beim letzten Buch gegeben. Trug Stein und Stein zusammen wie die lieben Karrawanen zum [11] Bauplatz. Soll ich Ihnen was sagen? Der Schweizer meint bei jedem Wort und bangt es könnt ihm einst zum Dokument werden. Alles Nonsense. Ich will nix von keinem Menschen mehr. Ich mag keinen Menschen mehr leiden. Habe genug vom Sadismus und so weiter. Beinah wäre ich verreckt – fragen Sie Erik, der hat mich vor dem Chaos gerettet. [12] Nun ess ich im Universum meine Suppe. Die Narbe auf der Zunge geheilt, ich sprech wieder viel und verscheuche die Affenleute.

Keine Angst ich pflanz keine Gerste auf Ihren Acker, auch keinen Weizen, auch keine Kornblumen. Vielleicht Josephs Träume.

Ich bin so froh mit der Wupper. Regisseur direkt hingerissen – Was sagen Sie? [13] Die Geschichte mit dem [Mond mit Gesicht]sichtigen Kind Lieschen. Heute kriegt ich 5 Frc.

Morgen 100 schon abgeschickt. Ich bezahl dann die Schulden. Heute habe ich alles wieder gewaschen und Boden aufgewischt; die Ratten kamen schon. Wir geben ein Fest in der Schule für die Kinder alle. Meine Conditorei und der Direktor und Frau und ich hatte die Idee. Lassen Karrossell bauen. [14] Die Kanasch sind wieder fort. Sehr liebe Menschen. Frau und Herr Dr. Bagotzky und Tochter und Sohn noch hier. Der Augenarzt ihr Freund schon abgereist. Nun alles Liebliche für Sie und liebe Grüße von Schnee zu Schnee. Man erfriert hier am See. Er kann sich, ich mich nicht erbarmen; wollte schreiben die Welt sich nicht erbarmen. Ich sprech so gern über Politik. Wir sprechen immer. Blumen Bin immer voll Unruhe. Ihre Dichterin

Ich weiß, auch Ihre Realität spielen Sie nur alles dichterisch aber warum immer gerad bei mir? Sonst tanzen Sie mit den Kieselsteinen herum.

Anmerkungen

Quelle: The National Library of Israel, Jerusalem, Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 67).

Alexandrien Caféhaus • Das Emil Raas geschenkte Bild ist beschriftet: »Egyptische Photographie | (In einem Café aufgenommen.) | Achmed Pascha, Weib, Sohn und Brüder«. Abbildung in: Else Lasker-Schüler 1869–1945. Bearbeitet von Erika Klüsener und Friedrich Pfäfflin. Else Lasker-Schüler in den Tagebüchern von Werner Kraft 1923–1945. Ausgewählt von Volker Kahmen (Marbacher Magazin 71/1995). Marbach am Neckar: Deutsche Schillergesellschaft, 1995. S. 268; Else Lasker-Schüler. Die Bilder. Hg. von Ricarda Dick im Auftrag des Jüdischen Museums Frankfurt am Main. Mit Essays von Ricarda Dick und Astrid Schmetterling. Berlin: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, 2010. S. 106. – Auf einem Blatt mit zwei kleinen Zeichnungen, das Else Lasker-Schüler an Raas schickte, notierte sie am Rand: »Mein egyptisch Bild sofort retour!!« In der Mitte des Blattes zeichnete Else Lasker-Schüler zwei schreitende Männer mit Handstock und Fes, schräg daneben ein Gebäude, beschriftet: »Kloster bei Jerusalem«.

Emil Raas

The National Library of Israel, Jerusalem, Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 79).