[110] Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Ascona, Donnerstag, 4. Juni 1936
4. Juni 36
Lieber Mill.
Die wunderbaren Rosen habe ich sofort gebadet in Lauwarmwasser. Dann gebraust, dann in einen [Krug] gestellt an mein Fenster daß sie Luft und Licht haben. Schon nach 10 Min. waren sie aufgeflattert und ganz frisch. Aber ich wollte Ihnen doch meine Blumen senden und verteilte sie doch an Frauen, die hier im Dorf und wenig Freude haben. Und – ich bekam weder im kleinen Blumengeschäft noch bei Pencalli zufällig keinen Karton. Nun hatte ich, glaube ich, im vorigen Brief von Blumengeschenken geschrieben? Und wirklich ich wollte keine von Ihnen; darum schrieb ich nicht. Ich sitze hier wieder momentan in unserer Cafékneipe, bei dem ewigen Regen wo soll man hin. Aber ich zeichne hier, gerade im Lärm, da bleiben einem nur die Hände und ein Bild erreicht sein gutes Ende. Gestern kamen am Abend Menschen aus Zürich, vom Theater, der die Decorationen macht, großartige und noch ein Schweizer Maler. Ich glaube, sie führen eher in Zürich meine Wupper auf, weil wenige Menschen und Herr Otto ist auch aus dem Wuppertal und er liebt die Wupper, die er kennt und sah und die Dekoration würde ihn sehr erfreuen zu machen. Bis zum Spätherbst habe ich mich dreimal mindestens um den [Mondgesicht mit herabgezogenen Mundwinkeln und Stift über sternförmigem Ohr] gedreht, der ist nicht beglückt wie Sie Selbst auf dem Bild sehen. Füllfederhalter hinterm Sternohr. Vom Verlag noch keine Antwort; gestern telephonierte ich den Damen im Bureau, Herr Doktor war nicht da. Ich habs hier so satt. Nur Klatsch Ratsch. Die Lotte Bara Tochter von Bachrachs Teatro war so gehässig zu mir; tatsächlich ich habe noch Herzkrampf immerwährend. – Lieber Mill, bitte besuchen Sie ja den Nazion. Dr. Gafner, wenn er anklingelt. Er würde Sie gern kennen lernen. Ich habe versprochen binnen acht oder 10 Tagen ihm ein Bild zu senden. Manchmal kann ich nicht, zu traurig darf man nicht sein, dann kann die Hand nicht tanzen. Lieber Mill, warum machen Sie Sich stets so Sorgen. Um wen? Warum? Wenn ich noch so schrieb. Seit Vortrag, trotzdem alle mir allerschönsten auf der Straße sagten, auch mir Fremde, habe ich lauter Unglück und so unangenehme Dinge kommen an mich heran. Auch regnet es fortwährend, eben vor 10 Min. etwas besserer Himmel. Am Sonnabend kommen Ernst Ginsberg mit seiner Ruth (Theater Zürich) für einen Tag. Die kenne ich sehr gut schon von Berlin her. Ich freue mich aber nur wenn ich weiß auch Sie sind sehr froh und – tanzen auch öfters. Ich geh dafür manchmal Cinema – Locarno. verte.
[männliche Figur in orientalischer Kleidung, in einer Tasse rührend] rechter Arm mit Löffel in der Hand zu kurz gebogen
So sitzen Egypter in Alexandrien in der großen Conditorei. Ich konnte nicht zeichnen, da Leute reinguckten