[109] Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Ascona, Sonntag, 31. Mai 1936
Aktualisiert: 4. November 2025
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31. Mai 36
Lieber Mill
Es regnete gestern nicht, aber Ströme von Wassern kamen den ganzen Tag auf Ascona und die Leute teleph. ob der Abend, da fast alle oben auf den Bergen wohnen, verlegt werden könne. Doch es ging nicht, und es war nicht gerade sehr besetzt, aber die Leute hatten viel Verständniß und Blumen werde ich Ihnen, die ich [2] bekam senden, viele davon. Hier sind herrliche Blumen, viel größer gehen sie auf wie in der Nordschweiz. Eben war Dr. Gaffner hier, der sehr schön fand und ich mußt ihm auch meine Bilder zum 2 Mal zeigen und er wünschte sich eins, das ich ihm nun sende. Nun hab ich wieder von Ihnen erzählt, wie Sie – besorgt sind, ob mirs gut geht und sagte, ich hätte seit länger wieder einen Brief von Ihnen erhalten, der war so freundschaftlich und ich möchte er (Dr G.) soll sie kennen lernen, Mill. Es ist sicher gut, wenn [3] Sie gerade diesen Schweizer kennen, er ist noble und klug genug, (richig), Sie zu erkennen. Ich habe ja nichts dabei oder ich meine, ich denke für mich, Ekel, keinen Nutzen, aber ich möchte, daß es Ihnen gut geht. Ich habe das Gefühl, er ist glücklich, wenn er so einen Anwalt wie Sie um sich haben könnte. Dr. G. ist so jugendlich, gar nicht Spießer – ebenso nett wie Herr Nation. Dr. Grimm. Bitte sagen Sie, falls er fragt, Sie schrieben ab und zu – sonst bin ich Lügner. Wenn man nämlich objektiv von Jemand [4] sehr gut spricht, hat es größeren Schall. Verzeihen Sie die große Weisheit.
Meine Tinte doch umgefallen, 2 Taschentücher dahin, pechschwarz. Ich werde nach unten gerufen. Bitte folgt mir! Wenn ich dann wieder übers Meer fahre, weiß ich, Ihnen geht es gut. Ich habe nichts comprometierendes gesagt. Sie sind mir bös? Ich fühl es!
Ihr Jussuf
Gestern nach dem Vortrag blieb ich bei Bachrachs (Teatro) aber ich war so traurig, daß ich schon seelisch gelähmt war – nichts mehr wußte.
Anmerkungen
Quelle: The National Library of Israel, Jerusalem, Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 27). Druck: Else Lasker-Schüler, Werke und Briefe. Kritische Ausgabe. Im Auftrag des Franz Rosenzweig-Zentrums der Hebräischen Universität Jerusalem, der Bergischen Universität Wuppertal und des Deutschen Literaturarchivs Marbach am Neckar hg. von Andreas B. Kilcher [ab Bd. 9], Norbert Oellers, Heinz Rölleke und Itta Shedletzky. Bd. 9: Briefe. 1933–1936, bearbeitet von Karl Jürgen Skrodzki, Frankfurt am Main: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, 2008, S. 356 f.
der Abend • Else Lasker-Schülers Lesung, die am 30. Mai 1936 in Ascona im Teatro San Materno stattfand. – eins, das ich ihm nun sende • Die Zeichnung »Abschied«. Abbildung in: Else Lasker-Schüler 1869–1945, bearbeitet von Erika Klüsener und Friedrich Pfäfflin. Else Lasker-Schüler in den Tagebüchern von Werner Kraft 1923–1945, ausgewählt von Volker Kahmen (Marbacher Magazin 71/1995), Marbach am Neckar: Deutsche Schillergesellschaft, 1995, S. 275; Else Lasker-Schüler. Die Bilder, hg. von Ricarda Dick im Auftrag des Jüdischen Museums Frankfurt am Main. Mit Essays von Ricarda Dick und Astrid Schmetterling, Berlin: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, 2010, S. 114 (Nr. 178). – Am 6. Juni 1936 schreibt Else Lasker-Schüler an Max Gafner: »[…] Und möchte mich außerdem entschuldigen – da ich mein Wort gerne halte, daß ich – direkt – aufgerieben noch nicht das Ihnen gebührende Bild zeichnen und malen konnte. Aber es kommt.« (Else Lasker-Schüler, Werke und Briefe […]. Bd. 9 […], S. 360). Siehe auch [Brief 112].