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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Ascona, Sonntag, 9. Februar 1936

Emil Raas
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9. II. 36

Verehrter Mill.

Ich wäre so gern heute mal nach Locarno gefahren, mal Kino gesehen, anderen Ort mal, aber ich bebte direkt heute morgen noch vor Entsetzen; die Zeitungen? welche? nannte man mir nicht, haben wieder wie einst, durch ein gehässigen Wicht und rachsüchtige Dichterin falsch colportiert und Hildenbrandt, Berliner Tageblatt konnte es nicht mehr ändern, der mir sehr gut gesinnt, ja er hätte gestohlen für mich. Jetzt haben [2] sie angezeigt ich sei 60 Jahre geworden. Gewiß keine Schande so alt zu sein, im Gegenteil! Aber taktlos das Alter einer Dichterin einer Lyrikerin zu berühren und zu erfahren suchen, vor allem darüber zu schreiben. Ich habe mit zwischen 16–17 Jahre geheiratet, einen Arzt, den Bruder des großen Schachspielers: Mein Papa wollte es nicht; ich aber ein Springinsfeld. Mein Mann (Arzt) wurde paar Mal angehalten vom Polizisten in Berlin, er stehe im Verhältniß mit unmündigem Mädchen, zumal ich figürlich 12 Jahre aussahe. Ich bin erschüttert von der sich wiederholenden taktlosen Gemeinheit. [3] Was will man von mir? Ich habe vorhin heiß daran gedacht, wie Sie mir mal laut: Conversationslexikon,? gratulierten. Das hatte mich damals schon erschlagen. Ich schwöre Ihnen, ich hatte nie die Absicht, Sie irgend – einzufangen, gar an mein Schicksal. Wer 2 × gebunden, kennt den Rummel, nichts unmoralischer. Ich schreibe im allergrößten Ernst! Ich bitte Sie sofort welche Zeitungen es brachten, damit ich dementieren kann, ja beweisen: Schon kamen Geschenke und Pumpbriefe etc. Auch eine Photographie. Man soll mich in Ruh lassen, man soll mir in Ruh lassen, sagt der Berliner. [4] Wirklich lieb hier sind oder waren zu mir ein Pilot und Frau oder Braut und ein Holländer. Ja direkt besorgt.

Mein Buch fort seit vorvorvorgestern ich atmete auf, aber hatte meine Bleibe verloren, meinen Bauplatz – als ich in die Stube kam. Ich male jetzt wieder, denn die Holländer suchen in Amsterdam: Salon. Für David Frankfurter der sich opferte für die Juden muß größter Verteidiger Jude und Christ gesucht werden! Reisen Sie nach Chur mit Herrn Rechtsanwalt Brunschwig. Grüßen Sie ihn von mir, meine schmerzlichen Grüße. Sein Bild ist ein großer Idealist und starke Leidenschaften: Kinngegend. Ein armer Mensch am Kreuz jetzt. Man verhinderte mich, ihm Blumen zu senden, aber ich betete für ihn.

Dieser Brief zugleich ein Abschied. Ich möchte in mir einsam wandern.

Prinz Jussuf