Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Ascona, Mittwoch, 18. März 1936
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18. III 36
Lieber Mill
Ich finde es sehr lieb, daß Sie mir die lieben Schneegrölkchen senden, namentlich nach dieser direkt erfundenen Begebenheit, die mir geschadet schon damals unaussprechlich. Elberfeld liegt ja nicht so weit um Erkundigungen einzuziehen. Aber selbst wenn Thatsache, was gehört da eine Entschuldigung hin nach plumper Taktlosigkeit. Ich bin so herunter und nervös geworden, auch in der Erfahrung und Überzeugung wie böse die Menschen sind, daß mir meine Spielgefährten und Gefährtinnen in Berlin wie Engel vorkommen in ihrer Duldsamkeit, ihrer Opferung und der »Lehmann« (wie wir ihn hier nennen, der Teufel immer schwärzer wird. Vielleicht interessiert es Sie – ich habe vor Jahren alles geträumt 2 × hintereinander [1b] und war dann 5 Stunden etwas gelähmt. Merkwürdig auch, daß gerade gestern ich um 3–4 Uhr ungefähr einen (es fing um 2 Uhr an sehr schweren Herzanfall bekam – dann im fremden Haus auf dem Chaiselongue gelegt wurde. Ich bin noch so schwach davon, daß ich nur langsam gehen kann etwas und sprechen. Vielleicht Grippe, aber nur mit Kälteempfinden, Schneeempfinden auf der Haut. Aber besser. Ich erwähne das nur, da Sie vielleicht in der Stunde Ihren lieben Brief schrieben, mir die Blümelein kauften im Verband. So wie ich mal wieder mein Handgelenk verbinden muß, nehme ich es sicher. Ich finde es im Winter hier sehr kalt, da Heizevorrichtungen nicht gut, aber nun scheint von 9 Uhr an die Sonne warm, aber die Luft noch kalt.
[2a] Ich muß vielleicht diesen Sonnabend nach Zürich – dem Verleger vorlesen. – Verleger wieder da. Schocken kann mir aus Berlin keine Devisen senden für ersten Tausendauflage. Ich sollte doch ihm Buch lassen. Aber das kann ich nicht. Der II. kann erst Spätherbst drucken.
Verzeiht die Bogen bitte. [Blume] Das ölige ist Fixativ der Bogen lag unter einem Bild.
Nun hab ich nur Original, keine Abschriften und niemehr sende ich das Original fort: 170 Seiten. Ich zeige dann sofort die Illustrationen, die hier gelobt werden. So macht noch nebenbei durch. Meine 9 tausend 500 Bücher die gesammelte Ausgabe von Paul Cassirer [2b] ist in Berlin gestohlen worden. Denken Sie ein fremder Mann, der sagte in meinem Auftrag zu kommen (Spediteur sei er, holte die Kiste. Ich bin direkt vor Schreck zusammengefallen. Ich kann ja auch nur mit Vorsicht correspondieren mit der Sekretärin des Intendanten. Herr Dir. Delsen schrieb liebenswürdig, aber er kann die Stücke der vielen Mitspielenden nicht aufführen. Es war mir keine Überraschung. Ich dachte es: Bitte sagen Sie ihm, daß ich ihm danke, wenn Sie ihn sehen. und es wollen.
Wollen Sie nicht mal Professorin Bagotzky von mir grüßen und Frau Dr. Franziska Baumgarten-Tramer Solothurn (Dozentin) und Herrn Professor? Sie sollen Ihnen ja das Journal zeigen. Es ist herrlich!
[1a] Bitte verzeiht die unordentlichen Bogen.
Dank für lieben Blumen
Anmerkungen
Quelle: The National Library of Israel, Jerusalem, Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 25).