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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Montag, 12. Februar 1934

Emil Raas
[1]

[1][2][3][4][Kuvert]

12. II 34

noch auf der Post

Lieber Dichter.

Ihr Brief ist wirklich eine Dichtung; so ohne Spießerei und Bürgerlichkeit, – aber groß Mißverständniß denn Jussuf will nie in Wirklichkeit ein Herz einnehmen! Parole d’honneur. Ich schreibe Ihnen sofort, da ich weiß, Sie machen sich Herzzerbrechen darüber, wie ich Ihres Briefes Inhalt auffassen werde. Genau wie er lieb geschrieben ist. Nur überschätzen Sie den Wert meiner Dichtung und Stimme des Vortrags wie so viele Menschen es taten und vielleicht noch tun und tun werden. Ich will ja in Palästina die Heerden hüten und mit ihnen weiden auf den Wiesen wo menschenhohe Gräser wachsen und man sich zwischen den Stengeln und Rauschen verstecken kann. In Egypten, wo ich Kornverweser werden soll – durchaus! werde ich in Brokat und [2] Seide gehen müssen, da hilft nichts und ich werde einen ganzen Hof voll Schmeichlern und Getreuen haben. Wie Joseph damals, den ich von Kind an liebte. Im Lexicon sind oft falsche Angaben. ich bin nicht 45 aber 1000 u. 1 Jahr dem Märchen überschritten längst den Rubikon. Damals in Berlin kündete zunächst Fred Hildenbrandt an, ich habe Geburtstag; – eine famose Erfindung – da er hoffte, daß ich endlich meine plagenden Schulden bezahlen könne. Aber immer noch zu wenig. Da kündete er an, es war ein Irrtum, man müsse eine Dichterin entschädigen – die weder Zeit noch Raum an sich hängen habe wie der erdgebundene Bürger. (Er hatte mich und meine Verse besonders gern. [3] So wurde ich wie ein Papier, ein Curs – der steigt und fällt. Aber das sollte gewiß so sein. Leid tut es nur mir bei meiner Ehre, wenn Sie mich falsch verstanden haben. Man sollte sich nie in Wolken hüllen, da verliert man die Aussicht und eine Absicht wird dem Wolkenverhüllten leicht unterschoben.

Darf ich ehrlich weiter sprechen? In Berlin (damals) wenn wir so alle im Romanischen Cafe – (Chicago) saßen, im kleinen Raum der zwei Räume, ein Gymnasium (ein kl. Dorf) ausmachten, liebten wir uns alle sterblich in Grauen der Geschehnisse. Das heißt von Tisch zu Tisch. Wir warfen uns Küsse zu und lächelten. [4] Und waren alle egale alt und jung. Nur eine kleine aufgegangene Frau drängte sich zwischen uns, die glaubte mit Scheinen uns zu kaufen und erniedrigen, sich einzukaufen in Elysium der großen Aula. Sie waren für mich das Gymnasium hier in dieses kalte Land verlegt mit den Bergculissen aus Stein ohne Seele. – Ich schrieb Ihnen ohne auch nur an Liebestatsachen zu denken. Ich bin ja froh nicht gefesselt zu sein und in Ihrer Stelle – hätte ich gelogen. Sehen Sie man leiht doch oft Jemand einen Frank; ich bin doch darum wenn ich mir einen Frank leihe kein Schuldner. Im Gegenteil, (wie heißt es doch: Seid umarmt Millionen der Welt. –

Noch eine Karte kam: Man habe in Deutschland mein Vermögen beschlagnahmt? Ich habe keins. Dann kam noch ein Brief von [3] Freunden aus Tel Aviv. Sie haben einen noch von mir lebenden Onkel, Onkel Karl Heinrich Schüler der in Freuden über meine Erzählung Aronymus – mir sein Californisches Vermögen (enorm) vermacht hat. Notar unterschrieben. Ich werde mir Lämmerheerden kaufen Ich gehe gleich zu Herrn Dr. Steinmarder hier, der antworten soll, da ich keine Ahnung habe.

3. Nachrichten – die welche von Ihnen kam, schmerzte mich, da Sie mich mißverstanden

Lieber Gruß

Prinz Jussuf

[1] Nun ist der Onkel nach Abbessinien gereist – Weltreise mit seinem Diener. Ich treff ihn in Cairo. Ich saß früher auf seinen Knieen

So les ich eben wieder. Ich geh jetzt zu Dr. Steinmarder

Ich mach mir ja aus Geld nix – aber ich werde Dr. Steinm. fragen

[Kuvert:]

Herrn

Emil Raas

Bern

Balmweg 7

Anmerkungen

Poststempel: Zürich, 12. 2. 34.

Quelle: The National Library of Israel, Jerusalem, Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 5).