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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Ascona, Freitag, 13. September 1935

Emil Raas
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Postfach 49 Hauptpost Ascona

13. Sept 35

Lieber Mill.

Ich mußte immer einschlafen – noch eben.

Ging ich über die Straße, saß ich wo in der Verbano oder Centrale oder am Lago oder in meinem Zimmer, schlief ich ein. Selbst wenn ich über den Garten – gegenüber Signorelli Berger [2] von meinem Fenster blickte. Manchmal stand neben mir Jemand, sah ich auf – waren Sie es. Der Abend [über dem A ein Stern] vom guten Stern beschienen, verlief sehr schön. Ich wurde geplündert, da alle meine Zweige voll goldenen Apfeln und Nüssen hingen und Spekulatius und Chokoladentieren und Lichtern. – Am anderen Tag, brannte ich noch mal, man zündete mich an. Nun steh ich wieder im Keller. So gehts immer. [3] Der [Vollmond mit Ohrgehänge an einer Seite] weiß das nur. Ich sende Ihnen das Plakat; alle sind hier mit einem Bild geschmückt, da zeichnete ich schnell vorher im Teatro das Bild. Ich hab nun die Miete für nächste vier Wochen und noch was. Ich bekam 79 Fr. da die andere Hälfte für Plakate, Bilets und Prozente Teatro abgingen, wie Usus. Ich habe mir eine Flasche Himbeersaft eine Flasche Cianti und noch viele große Eier und so was gekauft, [4] da komm ich wieder zur Kraft. und – Häßlichkeit. Am 1. alle Monat bekomme ich immer hundert Frc. für zwei Bilder und darum denken Sie nicht, mir gehts schlecht. Ich kauf mir noch eine carrierte Decke mit Fransen, da jetzt zu kühl.

Hier geht es so seltsam zu; bis nachts Tanz und Lärmen – aber das macht die kleine Straße lebendig. Ich geh nicht zum Tanz, da ich es heute, angesichts der Leiden, blasphemisch (?) halte. Nur Café Centrale, da tanzen alle so kindlich – auch Tessiner und Tessinerin in Tracht, seh ich oft zu. [5] Ich habe mich sehr über Ihren lieben Brief gefreut. Ich will auch gar nicht mehr an die einigen trüben Stunden denken in Bern. Sie wollten mich gewiß mit Venedig nur etwas ärgern, da ich es liebe und mal sagte, wir wollen nach Venedig. Aber ich sag nichts mehr. Die Berge vor mir tragen heute Schleier, lauter Donnas. Ganz andere Berge wie in Asien. Die asiatischen Berge sind keine Frauen.

[6] – Ich habe wieder ein Luxusbuch: Theben, das ich malen muß. Soll ich es Ihnen zur Ansicht vorher mal senden. Ich hab in Berlin noch 40. Sowie ich die Bücher habe, male ich Ihnen eins. Zum Geschenk. Daß Sie wieder glücklich waren den Sonntag – (wenn es wahr?) macht mich auch glücklich. Viele viele viele liebe Grüße, lieber Mill.

Ihre Dichterin

[7] [zwei Büsten, Mann und Frau]

Auf der Fahne war das Bild in Theben einst.