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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Sonntag, 9. Dezember 1934

Emil Raas
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9. XII. 34

Verzeihen Sie die Bleistift.

Lieber Mill Raas

Man kann sein Wort mit allem Schönen füllen, getrunken wird es nach dem Geschmack des Lesenden. Ich will nicht Ihren angekündeten Brief abwarten, ich will mich nicht stimmen noch beeinflussen lassen zum Guten oder nicht Guten. Ich bitte Sie sogar, falls Sie den Brief noch nicht an mich geschrieben haben, ihn nicht mehr zu schreiben, zumal dieser Brief entgültig mein letzter Brief ist oder Karte oder wie. Ich trag Ihnen nichts nach, habe ja auch [2] nichts nachzutragen. Können Sie zu meiner Situation, die ich mit so vielen teile, die aber vielleicht nicht umnebelt durchs Leben gehen. Meine Augen trugen einen Schleier, mein Ohr war wie die Muschel am Meer, die nur das Rauschen hörte. Da können Sie doch gewiß nicht für. Immer zog ich auch gegen mich auf dem weißen Feld des Papiers. Nur einmal stieg mir die Röte ins Gesicht, als Sie schrieben: Eine Lüge (Ihrerseits) hätte mich ja nur auf Stunden? oder Wochen? geblendet. Geblendet? Wer kann mich blenden? Das war unkindlich [3] von Ihnen gesagt und zu selbstherrlich oder weil zu selbstherrlich gefühlt. – Der Satz mit den Kindern – weiß ich nicht mehr wie ich ihn schrieb. Jedenfalls sehe ich das Kind, ist noch eins in seinem Gemüte, im großgewachsenen ebenso wie im Kind, noch unschuldiger, und verlangt noch größere Obhut. Ich bitte Sie Ihre Briefe, Karten zurückzunehmen. Ich, die ich immer auf Wanderschaft [das W als Herz] bin, selbst wenn ich wo länger weile, kann Ihre schönen Briefe nicht sicher verwahren. Nur, wie ich feststellen [4] kann fehlt ein Brief oder zwei: Der Brief enthielt eine Antwort – Ich sei der Stein durch den Sie die Welt sehen. Ich habe diese Antwort schon für eine Ausweichung, für eine unbedingt noble Ausweichung auf eine Frage gehalten, noch heute und zerriß den Brief andächtig und voller Ehren für Sie. So wie es Sitte im Stamm ist am Urwald. Ich habe ihn also nicht mehr. Damals war es nicht allein die Frage, die aus meinem vereinsamten wunden dunklen Herzen zu Ihnen schüchtern kam, es war noch etwas darum. Ich wollte Ihnen einen Brief [5] an Dr. Heinz Kahn (Rechtsanwalt) in Elberfeld-Wuppertal Schlieperstr. 15. zum Aufheben geben, bevor ich abreiste. Der Herr Dr. Kahn, der ehrliche feine Anwalt in Berlin zur Zeit – der event. eines Unglücks auf dem Meer, meinen Brief erhalten sollte. Ich wollte Sie darum bitten, da ich Vertrauen zu Ihnen wie immer haben werde. Mein Brief ist also keine Bewertung, aber eine Klärung. Ein sicheres Aufwachen nach einer Träumerie. [6] Ich bedaure sie nicht, denn Wolken in sich oder nicht haben, ist ein gewaltiger Unterschied. Nun waren plötzlich die Wolken die hingleitenden Schwäne plötzlich verschwunden am Horizont meiner Seele und ich konnte es selbst nicht fassen. Stattdess steht groß geschrieben in den Höhen, versinke nicht wieder – Du fällst jetzt schwer auf Gestein zur Erde. Ich habe schon vor kurzer Zeit Ihnen denselben Inhalt mit leidenschaftlichen Worten geschrieben, den Brief, den ich ungelesen zurückerbat. [7] Damals erschütterte mich sehr, als mir Ihre Worte aufgingen: Ich kann nur selten schreiben, (Dem Sinne wiedergegeben) aber Sie dürfen mir das nicht entgelten. Also ich (denken Sie doch nach) ein Schreibkaninchen?! – Daß meine Wenigkeit (aber groß geschrieben) Sie nicht nach Ihrer Einstellung mit paar Worten Antwort aus dem Geleise der Paragraphen zu bringen vermag, das habe ich mir nie geträumt. Darum erschrak mich der plötzliche erwachte Satz. Daß Sie nie etwas böse mir antun wollten, [8] Das weiß ich. Ich sage ja, ich bin die welche sich so verschwärmen kann, daß vieles um mich erlischt. Aber nun stehen die harten Fackeln des Tags und der traumlosen Dunkelheiten um mich. Ich will gegen Ïrsahab ziehen der unkindlichen Menschen der Vater meiner II. Stadt im Buch: Der Malik. Daß ich Ihnen nur Liebes wünsche, seien Sie gewiß. Ich sende morgen Ihre lieben Schreiben zurück. Die meinen verbrennen Sie am besten. Ich kann das hier nicht ohne Mißtrauen zu erregen im Hospiz.

Ihr Prinz Jussuf von Theben der blaue Jaguar [Davidstern]

Auch da ich noch nicht nach Jerusalem wieder reise – seien Sie versichert, ich halte mein nun schweigendes Wort.