»Ein Lied an Gott.
Es schneien weiße Rosen auf die Erde,
Warmer Schnee schmückt milde unsere Welt;
Die weiß es, ob ich wieder lieben werde,
Wenn Frühling sonnenseiden niederfällt.
Zwischen Winternächten liegen meine Träume
Aufbewahrt im Mond, der mich betreut –
Und mir gut ist, wenn ich hier versäume,
Dieses Leben, das mich nur verstreut.
Ich suchte Gott auf innerlichsten Wegen
Und kräuselte die Lippe nie zum Spott.
In meinem Herzen fällt ein Thränenregen –
Wie soll ich dich erkennen lieber Gott .......
Da ich dein Kind bin, schäme ich mich nicht,
Dir ganz mein Herz vertrauend zu entfalten.
Schenk mir ein Lichtchen von dem Ewigen [Davidstern] Licht! –
Zwei Hände, die mich lieben, sollen es mir halten.
So dunkel ist es fern von deinem Reich –
O Gott, wie kann ich weiter hier bestehen.
Ich weiß, du formtest Menschen, hart und weich,
Und weintetest gotteigen, wolltest du wie Menschen sehen.
Mein Angesicht barg ich so oft in deinen Schoß –
Ganz unverhüllt: du möchtest es erkennen.
– Ich und die Erde wurden wie zwei Spielgefährten groß!
Und dürfen – du – dich beide, Gott der Welten, nennen.
So trübe aber scheint mir gerade heut die Zeit
Von meines Herzens Warte aus gesehen.
Es trägt die Spuren einer Meereseinsamkeit
Und aller Stürme sterbendes Verwehen.
Else Lasker-Schüler«