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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Ascona, vielleicht Frühjahr 1936

Emil Raas
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Verehrter Emil Raas.

(auch will ich Sie mit dem Namen: Mill nicht länger an die – – – Nazi erinnern)

Als der Wolf wirklich die Lämmer verschlungen – nachdem immer nur die Rede davon war, hat es Niemand geglaubt. Diesmal aber war es wahr. Ist es wahr. Ich schreibe niemehr und sende Ihnen, falls es Ihnen mal wieder einfallen sollte, mir paar Zeilen etwa auf die Murmeln, die ich sandte, vor etwa 10 Tagen – (ich brauchte stets Trost, nicht künstlerische schönklingende Worte,) mir zukommen zu lassen, so laß ich den Brief oder die Karte ungelesen wieder abgehen zurück in Ihre Hände. [2] Wie wenig Sie mich kannten und kennen, beweist unsere Entfremdung. Ja vielleicht lag das Gegenteil stets nur täuschend in meinen Wünschen. Ohne diesen Schein, der um mich gaukelte, wäre ich vielleicht total verreckt. Meine Schuld liegt darin, ich zu wenig – nachdenke, eine Eigenschaft, die der Schweiz völlig fremd. Aber dieser Umstand macht Sie zum eigenen Sklaven und brechen Ihnen immer wieder die Flügel. [3] Ich weiß und wußte nicht, ob Sie reich oder arm sind, oder was und ob Sie an Sich Selbst gefesselt oder an einen anderen Menschen sind oder zum Verdienen verurteilt. Ich dachte auch nicht darüber nach. Ich bin und war Ihnen immer so fremd, mir eine Sorge nicht zu sagen. Ich ließ stets in mein Herz sehen, in ein armseliges aber »glitzerndes« Osterei, (wie mal Jemand meinte) aber Sie blickten hinein wie in einen Keller, darin man Ordnung zu machen sich immer wieder anschickt. Und doch möchte ich Ihnen nichts Böses sagen, auch bin ich wie immer [4] immer ganz Ihres reinen Herzens bewußt. [vier Zeilen gestr.] Pardon!

Else Lasker-Schüler