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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Ascona, Samstag, 9. Mai 1936

Emil Raas
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9. Mai 36

Lieber Mill.

Ich hatte Ihnen gestern Abend geschrieben um 12 Uhr wars, der Mond schien so wie ein Kraalfeuer aus den Wolken; oben feierten die Sternenindianer sicher ein Skalpfest. Aber noch ehe ich einschlafen wollte, zerriß ich meinen Brief. Sie wären sicher betroffen gewesen – vielleicht so ungezogen war er. Nun kann ich Ihnen sagen, der Flieger im Grunde schon frei [2] Er kommt nicht nach Deutschland. Das war ja unsere Sorge. Aber über Basel, (da kann er wählen,) und sicher nach Italien vorerst, dann nach Südafrika wo sein Onkel eine große Straße gräbt oder die Leitung hat sie graben zu lassen durch die Wüste. Wir, der Sohn vom Maler Kohler und ich waren abwechselnd im Polizeigebäude und die Leute waren wirklich sehr nett und brachten ihm unsere – Gaben. Der Sohn von Kohlers wird dem Flieger später folgen und zwar [3] mit dem größten Vertrauen, die seine Eltern zu dem Flieger haben; der hat ihn nämlich die Wochen zu einem Menschen gemacht; den größten Taugenichts im unangenehmen Sinn, den ich kannte dazumal hier im Lagotal. Ich danke Ihnen für die lieben [Blumen] Ich liebe sie so – die ganzen Wiesen, aber auch alle die kleinsten Blümchen, die blauen und gelben, die lilaen zwischen den Zittergräsern und Schachtelhalmen. Und es ist direkt mystisch, daß ich Ihnen ein kleines Inselbuch kaufte hier im bunten Laden mit lauter kleinen Blumen, die Sie auch so am Waldrand oder im Moos oder zwischen dem Heidekraut lieben. [4] Sie können dort anfragen. Es war gestern – vielleicht in derselben Minute, da Sie pflückten die blauen Seidensternchen für mich. Ich wußte nicht, wie Sie das Buch erfreuen würde und sandte es einer netten Schwester; Hermine Mohr heißt sie und wohnt in Waldenburg bei L(?)iertal. Wir sprachen so oft zusammen. Auch ihr Bruder war hier ein Arzt dem sie als Krankenschwester hilft: Sie schrieb mir so lieb. Und ich bekam heute wieder Brief von einem Maler aus Düsseldorf und seiner Frau, ich soll in Warschau Herbst Vorträge halten. Hier am 30. Mai. Da sind mehr Leute hier. Ich send Ihnen morgen das Buch zur Ansicht, das ich M. schicken will, damit er [5] weiter allen Juden helfen möchte. Lesen Sie auch was ich unter den Bildern schrieb. Wenn ich mich nicht revanchiere dann meint er es ist taktlos – sagte Franz Werfel; und ich helfe dem Judentum. Er will auch für mich in Wien Vortrag arrangieren, wo ich früher so oft vortrug. Hier im Teatro Materno zwischen Palmen und lilarosa Büschen. – Nun wohnen wieder neue Mieter rechts und links, sehr höfliche Leute und ich schenkte dem kleinen Jungen gestern eine meiner Glasmurmeln. Herrlich sind doch Murmeln, so wundervolle ganz kleine durchsichtige Welten bewohnt von Farben. [6] Ich danke Ihnen auch für Ihre letzten 3 schönen Briefe. Ich bin im Grunde ein viel zu rauher Indianer für Sie. Aber in Mexico an seinem Rand der Urwälder sind wir noch alle so rauh und wild und der Riverspiegel spiegelt wild unser Gesicht wieder. Gestern fanden wir Goldkörner und ich legte sie in eine Doppelmuschel zwischen ihren zwei Perlmutterhälften und klappere damit fortwährend. Mehr kann ich nicht schreiben, ich muß doch immer arbeiten, noch ein Bild kollorieren für Zürich zur Revanche für meinen netten Anwalt, der den Kontrakt meines Buchs führt beim Verlag. Ich glaube fest Genommen! Ich hoffe! Es ist wieder kühl. [7] Aber hoffentlich morgen besser. Mir geht es gar nicht gut. Hier werden alle Leute kränker.

[Kopf im Profil mit Federschmuck, Stern an der Schläfe und Ohrgehänge]

Ich hab doch wahrhaftig einen Bach zwischen hohen Bäumen und Waldkräutern gefunden, an ihn denk ich doch wahrhaftig wie an einen Menschen. Er ist mir lieber wie der Lago und alle Berge hier. Ich bin entzückt. So 10 Min. zu Fuß von mir, am Fuß des Teatros.

[1] Verzeiht, Papier aus dem Heft.

[5] Wollen Sie mir die Gedichte Ihres Freundes senden?

Kennen Sie Jemand (Amateur) Freund der kleinen Apparat hat, mir die Bilder eben photographiert? Ich bezahle Ausgabe.