www.kj-skrodzki.de

Copyright © 2003–2024 by Karl Jürgen Skrodzki, Lohmar

Dr. Karl Jürgen Skrodzki, Am alten Sägewerk 5a, 53797 Lohmar, Deutschland

Tel.: +49 2241 942981

E-Mail: web (bei) kj-skrodzki.de

Else Lasker-Schüler – Daten zu Leben und Werk

Aktualisiert: 31. August 2024

INHALTSÜBERSICHT

Else Lasker-Schüler – Daten zu Leben und Werk [*]

Literatur [*]

Else Lasker-Schüler – Daten zu Leben und Werk

1855

August • Der aus dem westfälischen Geseke gebürtige Kaufmann und spätere Privatbankier Aron Schüler (1825–1897) lässt sich in Elberfeld nieder. Zusammen mit einem Geschäftspartner meldet er als Gewerbe einen Manufakturwarenhandel an. Wenig später dehnen beide ihre geschäftlichen Aktivitäten auf die Einwechslung ausländischer Kassenanweisungen aus.

1857

17. Oktober (Samstag) • Aron Schüler heiratet in Frankfurt am Main Jeanette Kissing (1838–1890). Sie war die Tochter des Weinhändlers Jakob Kissing (1795–1845) aus Kissingen und seiner Ehefrau Johanna (geb. Kopp) (1806–1838) aus Höchberg. Johanna Kissing starb einen Monat nach der Geburt Jeanettes: Jakob Kissing heiratete schon bald wieder, die Tochter Jeanette wuchs in Frankfurt im Hause ihres Onkels Meyer Sonnemann (gest. 1853) auf, des Vaters von Leopold Sonnemann (1831–1909), dem Gründer der »Frankfurter Zeitung«.

1858

21. Oktober (Donnerstag) • Geburt von Alfred Jacob Schüler, dem ersten Sohn Jeanette und Aron Schülers.

1859

1. Dezember (Donnerstag) • Geburt von Maximilian Moritz Schüler, dem zweiten Sohn Jeanette und Aron Schülers.

1861

23. Februar (Samstag) • Geburt von Paul Carl Schüler, dem jüngsten Sohn Jeanette und Aron Schülers und späteren Lieblingsbruder von Else Schüler.

1862

24. Mai (Samstag) • Geburt von Martha Theresia Schüler, der ersten Tochter Jeanette und Aron Schülers.

1863

3. August (Montag) • Geburt von Annemarie (Anna) Schüler, der zweiten Tochter Jeanette und Aron Schülers.

1869

11. Februar (Donnerstag) • Elisabeth Schüler, genannt Else Schüler, wird in der elterlichen Wohnung in Elberfeld, Herzogstraße 29, geboren. Else ist das sechste Kind, die dritte Tochter, Jeanette und Aron Schülers. Faksimile der Geburtsurkunde: Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 10. – Schon bald nach Elses Geburt beziehen die Schülers ein eigenes Haus in der Sadowastraße 7.

1875

Ostern 1875 (?) – Ostern 1882 (?) • Else Schüler besucht die Städtische Höhere Töchterschule »Lyzeum West« in Elberfeld. Das Hauptgebäude befindet sich an der Aue (Auerstraße 57/59), etwa 500 m vom Elternhaus in der Sadowastraße entfernt gelegen. Im Volksmund wird das Lyzeum »Schornsteinschule« genannt – nach seinem langjährigen Direktor Richard Schornstein (1817–1893). – Literatur: Johannes Abresch: Schülerin Else. In: Romerike Berge. Jg. 45 (1995), H. 1, S. 12–17.

1882

2. Februar (Donnerstag) • Tod von Paul Carl Schüler. Die Beisetzung erfolgt auf dem Jüdischen Friedhof an der Weißenburgstraße in Elberfeld.

1883

16. Februar (Freitag) • Martha Theresia Schüler (1862–1917) heiratet den in Karlsruhe lebenden Kaufmann Leopold Wormser (1852–1921). Beide leben später in Chicago.

6. November (Dienstag) • Geburt von Alice Wormser, der älteren Tochter von Martha Theresia und Leopold Wormser. Sie heiratet in Chicago den Geschäftsmann Louis E. Asher (1877–1948).

1885

10. August (Montag) • Geburt von Margret Wormser, der jüngeren Tochter von Martha Theresia und Leopold Wormser. Sie stirbt 1902 in Chicago.

1890

27. Juli (Sonntag) • Tod der Mutter Jeanette Schüler. Die Beisetzung erfolgt auf dem Jüdischen Friedhof an der Weißenburgstraße in Elberfeld.

1893

5. September (Dienstag) • Annemarie (Anna) (1863–1912) Schüler heiratet den Opernsänger Franz Lindner (1857–1937), der zu Beginn der Spielzeit 1889/90 an das Stadttheater Elberfeld (»Stadttheater am Brausenwerth«) gekommen und dort bis zum Juni 1893 engagiert war. – Die Lindners ziehen zunächst nach Straßburg, wo Franz Lindner ein Engagement erhält.

3. Dezember (Sonntag) • Aron Schüler zeigt die Verlobung seiner Tochter Else mit dem Arzt Jonathan Berthold Barnett Lasker (1860–1928) an (Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 22). – Berthold Lasker hatte sich im Mai in Elberfeld, Klotzbahn 17, als Arzt niedergelassen.

1894

15. Januar (Montag) • Heirat von Else Schüler und Berthold Lasker. Faksimile der Heiratsurkunde (mit dem späteren Eintrag der Scheidung am 11. April 1903): Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 25 f. – Das junge Paar wohnt zunächst in der Herzogstraße 42, einem Haus, das Aron Schüler gehört.

Etwa Mitte August • Else Lasker-Schüler und Berthold Lasker ziehen nach Berlin. – Das »Berliner Adreß-Buch für das Jahr 1895« (Unter Benutzung amtlicher Quellen hg. von W. & S. Loewenthal. Mit dem neuesten Plan von Berlin. Jg. 27. Berlin: W. & S. Loewenthal [1895]. Bd. 1, S. 761) verzeichnet für Dr. med. Berthold Lasker: »NW Brücken Allee 16. III.« und »Instit. f. chronische Hautleiden, C Alexanderstr. 67a.«

1895

9. Oktober (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler schreibt an Hermann Struck (1876–1944): »Ich bin nur morgens im Atelier. Nachmittags bin ich manchmal nur zu Hause.« (KA, Bd. 6, S. 11.) Else Lasker-Schüler hatte ein Atelier in der Brückenallee 22 angemietet. Sie erhielt dort Zeichenunterricht bei dem Maler Simson Goldberg (1855–1948). Erhalten sind zwei Fotografien, die Else Lasker-Schüler in ihrem Atelier zeigen (Faksimiles: Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 28 f.), eine Fotografie mit der Beischrift: »Else Lasker seiner lieben Schwester Anna zur freundlichen Erinnerung im Jahre des Heils 1896.« – Die Berliner Adressbücher der Jahre 1896–1898 verzeichnen als gemeinsame Wohnadresse von Else Lasker-Schüler und Berthold Lasker die Anschrift Brückenallee 22: »Lasker, B., Dr. med., pr. Arzt, Instit. f. Hautkrankheiten, C Alexanderstr. 67a. Wohn. NW Brücken Allee 22, Gartenh« (Neues Adreßbuch für Berlin und seine Vororte. 1896. Berlin: August Scherl [1896], S. 598), »Lasker, B., Dr. med., pr. Arzt, Instit. f. Hautkrankheiten, C Alexanderstr. 42 I. Wohn. NW Brücken-Allee 22, Gartenh. 9–12, 3–6. auß. Freit., Sonnt. 9–3« (Adreßbuch für Berlin und seine Vororte. 1897. Unter Benutzung amtlicher Quellen. Mit der Beigabe: Plan von Berlin und Umgebung. Berlin: August Scherl [1897]. Bd. 1, S. 723). Ab 1899 ist dann nur noch die Anschrift der Praxis angegeben.

1897

3. März (Mittwoch) • Tod des Vaters Aron Schüler. Die Beisetzung erfolgt auf dem Jüdischen Friedhof an der Weißenburgstraße in Elberfeld. – Das väterliche Bankgeschäft übernimmt der zweite Sohn Maximilian Moritz Schüler (1859–1907).

1899

August • Ludwig Jacobowski (1868–1900) veröffentlicht in der Zeitschrift »Die Gesellschaft« (Minden i. W. und Leipzig) die ersten Gedichte von Else Lasker-Schüler: »Vorahnung«, »Ahnung«, »Verwelkte Myrten« und »Sinnenrausch« (Jg. 15, Bd. 3, H. 4, S. 243 f.).

24. August (Donnerstag) • Geburt von Else Lasker-Schülers Sohn Paul in der Universitäts-Frauenklinik, Artilleriestraße 18 (ab 1951: Tucholskystraße 2). – Als gemeinsame Wohnung von Else Lasker-Schüler und Berthold Lasker ist auf der Geburtsurkunde (Deutsches Literaturarchiv Marbach [Zugangsnummer: 92.112.3]; Faksimile: Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 36 f.) »Charlottenburg bei Berlin, Schlüterstraße 58« angegeben. Vermutlich wohnte Else Lasker-Schüler zu diesem Zeitpunkt aber bereits nicht mehr bei Berthold Lasker: Am 11. Juli schreibt sie an die Schwester Annemarie (Anna) Lindner, dass sie auf »dem Weg in die Pension« (KA, Bd. 6, S. 13) sei.

Oktober • Else Lasker-Schüler wohnt – von Berthold Lasker getrennt – in der Schlüterstraße 62 (Quelle: KA, Bd. 6, Nr. 15). Diese Adresse notiert sie zuletzt auf dem Brief an Richard Scheid (1879–1962) vom 24. September 1901 (KA, Bd. 6, Nr. 41). – Auf einem Nachtrag zur Geburtsurkunde von Paul Lasker-Schüler, datiert vom 13. Oktober 1899, ist die Adresse Alexanderstraße 42 als Wohnung von Berthold Lasker angegeben.

1900

27. April (Freitag) • »Die lÿrische Mißgeburt« (Deutsches Literaturarchiv Marbach [Inventarnummer: B 1984.0001]; Faksimile: Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 33), die älteste bekannte Zeichnung Else Lasker-Schüler, ist eigenhändig datiert: »27. IV. 1900«.

6. Juni (Mittwoch) • Ausflug der »Neuen Gemeinschaft« nach Friedrichshagen mit einer Bootsrundfahrt auf dem Müggelsee. Am 8. Juni berichtet Gustav Landauer (1870–1919) im Brief an Hedwig Lachmann (1865–1918): »Mittwoch nach Pfingsten schliesslich fand ein Ausflug der Hartgemeinschaft, etwa 70 Personen nahmen teil, nach Friedrichshagen statt. Ein schöner Moment voll religiöser Stimmung war es, als wir uns an einer schönen Stelle am Seeufer gelagert hatten; ein wundervolles Abendlicht auf dem See und den Kiefern, Gewitterwolken am Himmel und fernes Donnern, während eine Prologdichtung Heinrich Harts vorgetragen wurde, der ein längerer ernster und aus der Tiefe schöpfender Vortrag Julius Harts folgte. Leben, Leben! klang aus diesen Worten der beiden Brüder, und die Natur rief uns dasselbe zu.« (Gustav Landauer: Briefe 1899–1919. Bd. 1: 1899–1909. Hg. und kommentiert von Hanna Delf von Wolzogen. Unter Mitwirkung von Jürgen Stenzel und Inga Wiedemann. Redaktionelle Bearbeitung durch Christine Hehle. Göttingen: V&R unipress, 2023, S. 108.) Wohl auf diesen Ausflug bezieht sich Else Lasker-Schülers Bemerkung im Brief an Julius Hart vom 23. Mai 1901: »Die Maizeiten der Gemeinschaft werde ich nie vergessen – die schöne Kahnfahrt in’s Elysium.« (KA, Bd. 6, S. 28.) – Faksimile einer Einladungskarte: Rolf Kauffeldt und Gertrude Cepl-Kaufmann: Berlin-Friedrichshagen. Literaturhauptstadt um die Jahrhundertwende. Der Friedrichshagener Dichterkreis. [München:] Klaus Boer Verlag, 1994, S. 322.

20. September (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler liest beim 27. Abend der Künstlervereinigung »Die Kommenden«. Quelle: Handbuch literarisch-kultureller Vereine, Gruppen und Bünde 1825–1933. Hg. von Wulf Wülfing, Karin Bruns und Rolf Parr (Repertorien zur Deutschen Literaturgeschichte. Hg. von Paul Raabe. Bd. 18). Stuttgart und Weimar: Verlag J. B. Metzler, 1998, S. 242.

4. Oktober (Donnerstag) • Besuch des 29. Abends der Künstlervereinigung »Die Kommenden«. – Ludwig Jacobowski (1868–1900), der sich wegen einer Augenoperation in Halberstadt aufhielt, hatte die Leitung des Klubs an Heinrich Hubert Houben (1875–1935) übertragen, der in seinem Brief an Jacobowski vom 5. Oktober über den Verlauf des Abends berichtet: »Ich muß Ihnen schnell einen kurzen Bericht über den sensationellen Verlauf des gestrigen Abends geben. Wir waren unten in unserem alten Lokal, Reißner las eine kroatische Novelle, die sehr unterhielt, dann Gregori – Abendlieder. Es lag eine warme Stimmung über der Gesellschaft. Da trat plötzlich Frau Lasker-Schüler in den Frieden, natürlich mit einer Vorlesung, die ich nur ungern gestattete, mir aber von drei Seiten immer dringender, sagen wir besser, aufdringlicher nahe gelegt wurde. Eine Äußerung von mir veranlaßte jedoch Frau E[lse] L[asker] Sch[üler], vor der Lektüre das Lokal zu verlassen; ihr schlossen sich an Peter Baum und Steiner; letzterer fühlte sich bemüßigt, eine Beleidigung auszustoßen, die ihm Ohrfeigen eintragen müßte, wenn er es wagte, nochmals in eine Gesellschaft zu kommen, der ich angehöre. Gestern hielt ich an mich, schrieb aber heute an beide, Dr. St[einer] und Fr[au] L[asker]-Sch[üler], daß sie sich bis auf Weiteres, d. h. bis nach einer nächsten geschäftlichen Sitzung von unseren Abenden fernhalten sollen.« An Else Lasker-Schüler hatte Houben geschrieben: »Die unterzeichnete Gesellschaft erwartet, daß sich Frau Lasker-Schüler bis auf Weiteres von ihren abendlichen Veranstaltungen fernhält.« Auf Houbens Brief antwortete Jacobowski am 7. Dezember: »Die Besorgnis, mit der ich Ihnen die Geschäfte des Präsidiums der ›Kom[menden]‹ übertragen [habe], hat sich als begründet erwiesen. Ich kenne Ihre Art und Ihr Temperament genügend, um zu wissen, daß Sie für die Leitung eines solchen Klubs nicht qualifiziert sind. Es war Ihre Pflicht, eine solche Szene zu vermeiden, nicht aber Ihr Recht, eine solche zu provozieren. Mir liegt bisher nur Ihr Brief vor. Und gerade dieser sagt mir, daß Sie sich schwer ins Unrecht gesetzt haben, ein Unrecht, dem Sie noch ein zweites hinzugefügt haben, indem Sie im Namen der ›Kom[menden]‹ – wozu Sie kein Recht haben – jene Leute schriftlich hinausgewiesen haben. […] Meiner Auffassung nach kann ich mit Ihnen im Rahmen dieses Klubs nicht zusammenarbeiten, und es ist daher das Beste, wenn Sie bei mir Ihren Austritt erklären.« (Auftakt zur Literatur des 20. Jahrhunderts. Briefe aus dem Nachlaß von Ludwig Jacobowski. Bd. 1: Die Briefe. Hg. von Fred B. Stern. Bd. 2: Einführung, Kommentar und Bibliographie von Fred B. Stern [Veröffentlichungen der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt. 47. Veröffentlichung]. Heidelberg: Lambert Schneider, 1974. Bd. 1, S. 530 f.)

28. November (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler liest beim 37. Abend der Künstlervereinigung »Die Kommenden«. Quelle: Handbuch literarisch-kultureller Vereine, Gruppen und Bünde 1825–1933. Hg. von Wulf Wülfing, Karin Bruns und Rolf Parr (Repertorien zur Deutschen Literaturgeschichte. Hg. von Paul Raabe. Bd. 18). Stuttgart und Weimar: Verlag J. B. Metzler, 1998, S. 242.

1901

16. März (Samstag) • Else Lasker-Schüler liest bei der »Neuen Gemeinschaft«. Quelle: Handbuch literarisch-kultureller Vereine, Gruppen und Bünde 1825–1933. Hg. von Wulf Wülfing, Karin Bruns und Rolf Parr (Repertorien zur Deutschen Literaturgeschichte. Hg. von Paul Raabe. Bd. 18). Stuttgart und Weimar: Verlag J. B. Metzler, 1998, S. 365.

27. September (Freitag) • Erster Abend (»Tragische Kunst«) des von Herwarth Walden (urspr. Georg Lewin) (1878–1941) gegründeten »Cabarets für Höhenkunst«: »Teloplasma«. Von Else Lasker-Schüler gelangen das Gedicht »Ballade« (»Er hat sich«) sowie wahrscheinlich die drei Gedichte »Mutter« (»Ein weisser Stern singt ein Totenlied«), »Die schwarze Bhowanéh« und »Mein Drama« (nach einem Durchschlag des Typoskripts von »Styx«) zum Vortrag. Der Abend fand (wie der folgende) im Künstlerhaus, Bellevuestraße 3, statt. – Literatur: Peter Sprengel: Institutionalisierung der Moderne: Herwarth Walden und »Der Sturm«. In: P. S.: Literatur im Kaiserreich. Studien zur Moderne (Philologische Studien und Quellen. H. 125). Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1993, S. 147–178 (S. 151–156 über »Teloplasma«; nach den Zensurakten der Berliner Polizei im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam: »Acta des Königlichen Polizei-Präsidii zu Berlin, betreffend Teloplasma ›Tragische Kunst‹«).

12. Oktober (Samstag) • Brief an Richard Scheid (KA, Bd. 6, Nr. 42). Else Lasker-Schüler notiert als Absender: »Wielandstr. 3. Charlottenb. bei Berlin.« Diese Adresse gibt sie zuletzt im Brief an Elsa Asenijeff (1867–1941) vom 2. Juli 1902 (KA, Bd. 6, Nr. 67) an.

31. Oktober (Donnerstag) • Zweiter (und letzter) Abend (»Erotische Kunst«) des Kabaretts »Teloplasma«. Von Else Lasker-Schüler trägt Richard Vallentin aus »Styx« die drei Gedichte »Lenzleid«, »Fortissimo« und »Elegie« vor. Der Vortrag der beiden Gedichte »Nervus Erotis« und »Orgie« war von der Zensurbehörde untersagt worden.

1902

Januar – März • Else Lasker-Schüler hält sich im Sanatorium Birkenwerder bei Berlin auf.

4. Mai (Sonntag) • »Frühlingsfest« der »Neuen Gemeinschaft« zur Einweihung ihres Hauses in Schlachtensee. Bei dieser Gelegenheit dürfte ein Gruppenfoto (Faksimile: Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 42 f.) entstanden sein, auf dem unter anderem Else Lasker-Schüler abgebildet ist. Das Foto ist beschriftet: »Mitglieder der ›Neuen Gemeinschaft‹ feiern ›Frühlingsfest‹«, unten rechts die Jahreszahl »1902«.

Ende September • Else Lasker-Schüler zieht von der Wielandstraße 3 in die Uhlandstraße 173/174. Am 29. September schreibt sie an ihre Schwester Annemarie (Anna) Lindner: »Die Möbel sind schon in der neuen Wohnung.« (KA, Bd. 6, S. 41.)

18. Dezember (Donnerstag) • Brief an Axel Juncker (1870–1952) (KA, Bd. 6, Nr. 71). Else Lasker-Schüler notiert als Absender: »Uhlandstr. | 173-174. | Berlin. Garten. pt.« Diese Adresse gibt sie zuletzt im Brief an Axel Juncker vom 9. Mai 1903 (KA, Bd. 6, Nr. 90) an. Das Berliner Adressbuch von 1903 verzeichnet Else Lasker-Schüler als alleinige Mieterin der Wohnung: »Lasker-Schüler, Else, Frau, W Uhlandstr. 173.174.« (Berliner Adreßbuch 1903. Unter Benutzung amtlicher Quellen. Mit der Beigabe: Großer Verkehrs-Plan von Berlin und Vororten. Berlin: Berliner Adreßbuch-Gesellschaft August Scherl [1903]. Bd. 1, S. 996.)

1903

11. April (Samstag) • Scheidung der Ehe mit Berthold Lasker.

5. September (Samstag) • Else Lasker-Schüler zieht zu Herwarth Walden in die Ludwigkirchstraße 1. Diese Adresse gibt Else Lasker-Schüler zuletzt im Oktober 1904 an, ab Oktober 1905 notiert sie dann Ludwigskirchstraße 12. Quelle: KA, Bd. 6, Nr. 93, 118 und 121. – Ludwigkirchstraße 1 ist als Anschrift Herwarth Waldens in den Berliner Adressbüchern für die Jahre 1903–1905 angegeben, Ludwigskirchstraße 12 in den Adressbüchern von 1906 und 1907.

30. November (Montag) • Heirat mit Herwarth Walden.

1904

18. Februar (Donnerstag) • Gustav Landauer schreibt an Else Lasker-Schüler: »Ich kann Ihnen leider in dieser Sache gar nicht dienen. Von der Veranstaltung, die Sie meinen, habe ich nur durch die Zeitung erfahren; da steht, daß R. Dehmel und C. Ansorge die Sache machen. Ich meine also, daß man, wenn es sich um Musik handelt, Herrn Ansorge nicht umgehen darf. Nun ist es doch aber völlig unmöglich, daß ich einem Musiker Kompositionen zur Aufführung empfehle, die ich gar nicht kenne. Ich halte Herrn Walden für einen ungewöhnlich begabten Komponisten; aber was will das sagen, da ich nichts bin als ein geniessender Laie und nur ganz wenige Proben der Kunst Ihres Mannes kenne?« (Gustav Landauer: Briefe 1899–1919. Bd. 1: 1899–1909. Hg. und kommentiert von Hanna Delf von Wolzogen. Unter Mitwirkung von Jürgen Stenzel und Inga Wiedemann. Redaktionelle Bearbeitung durch Christine Hehle. Göttingen: V&R unipress, 2023, S. 361.) Am 3. März fand in Berlin ein »Dehmel-Abend« statt: »Ein Dehmel-Abend, veranstaltet von der Berliner Freien Studentenschaft, hatte gestern den großen Saal des Architektenhauses dicht mit Zuhörern gefüllt. […] | Den Abend eröffneten und schlossen musikalische Vorträge. Toni Bendix sang, begleitet von Conrad Ansorge, Lieder mit Dehmelschen Texten […]. | Den Höhepunkt des Abends aber bildeten die Rezitationen Dehmelscher Dichtungen durch ihren Verfasser.« (Berliner Tageblatt. Jg. 33, Nr. 116 [Morgen-Ausgabe] vom 4. März 1904.)

25. Februar (Donnerstag) • Alfred Döblin (1878–1957) schreibt an Herwarth Walden: »Wollen Sie mich bitte Ihrer Frau Gemahlin empfehlen; ich hatte übrigens eine neuerliche Einladung Ihrer Frau Gemahlin zu Sonnabend mißverstanden: ›morgen‹ hielt ich für Sonntag, da ich den Brief erst Sonnabend nachmittag bekam.« (Alfred Döblin: Briefe [Ausgewählte Werke in Einzelbänden. In Verbindung mit den Söhnen des Dichters hg. von Walter Muschg. Weitergeführt von Heinz Graber]. Olten und Freiburg im Breisgau: Walter-Verlag, 1970, S. 22.) – Am 22. Februar hatte Else Lasker-Schüler an Ida Dehmel (1870–1942), die zweite Frau Richard Dehmels, geschrieben: »Ich weiß schon lange, daß Herr Dehmel nach Berlin kommt. Der Urgedanke entsprang auf dem Gipfel unserer Wohnung. Auch Herr Döblin war zugegen, der ein sehr, sehr feiner Empfinder ist.« (KA, Bd. 6, S. 57.)

7. Mai (Samstag) • Peter Hille stirbt in Groß-Lichterfelde.

21. Mai (Samstag) • Else Lasker-Schüler und Herwarth Walden besuchen Detlev von Liliencron (1844–1909) in Alt-Rahlstedt bei Hamburg. Am 22. Mai schreibt Liliencron an Richard Dehmel (1863–1920): »Ich las ›Dich‹ übriegens gestern Nachm. mal wieder serrrrrrr gut vor: Ein mir bisher unbekannter Herr Walden, ein Musiker aus Berlin, war nämlich bei mir mit seiner Frau – – früher Else Lasker. Ein klein Jüdenweiblein, elend, mager, mit großen braunen Augen: Else, die Tichterin! Übriegens das Prototyp einer echten ›Berliner Schriftstellerin‹. Aber gestern war sie sanft und lieb. Vor Dir schien sie etwas Scheu zu haben. Denn sie wollte heut (Sonntag) nicht mit Herrn Herwarth Walden, ihrem Ehgemahl, hinaus nach Blankenese. Übriegens schien mir der starkbebrillte Musiker ein starkes, vielleicht großes Talent zu sein. […] Herr Walden hatte große Projecte (›Die Kunst‹) vor; wollte Millionen Mark Geld einnehmen.« (Faksimile: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg: DA : Br : L : 1051.)

26. Mai (Donnerstag) • Abend zu Ehren Peter Hilles: »Der Peter Hille-Ehrung, die am nächsten Donnerstag Abends 8 Uhr im Architektenhause stattfindet, haben sich bisher angeschlossen: […] Else Lasker-Schüler […].« (Berliner Tageblatt. Jg. 33, Nr. 252 [Abend-Ausgabe] vom 19. Mai 1904 [»Kleine Mitteilungen«].)

3. Oktober (Montag) • Erster Vortragsabend im von Herwarth Walden gegründeten »Verein für Kunst«: »Ein Liliencron-Abend fand gestern im Künstlerhaus statt. Er war von dem neuen Verein für Kunst veranstaltet als erster einer Reihe von Dichterabenden, an denen deutsche Poeten aus ihren Werken vorlesen sollen.« (Berliner Tageblatt. Jg. 33, Nr. 505 [Morgen-Ausgabe] vom 4. Oktober 1904.)

1905

9. Februar (Donnerstag) • Vortragsabend im »Verein für Kunst«: »Am achten Abend des Vereins für Kunst (9. Februar, Abends 8 Uhr, Architektenhaus) ›Lyrische Dichtung in Wort und Ton‹ gelangen […] in Vertonung von […] Herwarth Walden Dichtungen von […] Else Lasker-Schüler […]« zum Vortrag (Berliner Tageblatt. Jg. 34, Nr. 68 [Abend-Ausgabe] vom 6. Februar 1905 [»Kleine Mitteilungen«]).

28. Oktober (Samstag) • Aufenthalt in Weimar: Friedrich-Nietzsche-Abend des »Vereins für Kunst«. Quelle: KA, Bd. 6, Nr. 121. – Zuvor hatte der »Verein für Kunst« am 12. Januar 1905 in Berlin einen Nietzsche-Abend ausgerichtet, an dem Herwarth Walden am Klavier begleitet hat. Über die Veranstaltung erschien anonym ein Bericht (»Nietzsche als Komponist«) im »Berliner Tageblatt« vom 13. Januar 1905 (Jg. 34, Nr. 23 [Morgen-Ausgabe] [»Feuilleton«]).

1906

8. Januar (Montag) • Alfred Döblin schreibt aus Regensburg an Herwarth Walden: »Von den Abenden, die Sie jetzt vorhaben, interessiert mich am meisten der Ihrer Frau Gemahlin; es kommt doch auch die Geschichte des Ached Bey zur Vorlesung? Wie beim ersten Male, wo ich dies Stück hörte, finde ich die Erzählung, sobald sie mir einfällt, zum Sterben schön; es liegt ein lyrischer Schmelz ohnegleichen über ihr; wer hier nicht begreift, was Lyrik ist, dem ist nicht zu helfen. Die Leute fanden in dem Wildeschen Machwerk ›Salome‹ orientalische Glut gezeichnet, wo tatsächlich ein ungemein schlechtes Drama mit embryonaler Charakteristik, vielen Similibrillanten und bengalischer Beleuchtung, ein dramatischer Rohstoff vorlag. Ich glaube, wenn die Verfasserin des Ached dramatischen Ehrgeiz hätte, könnte sie eine Salome schreiben, ein Stoff, mit zischenden Schlangen, großem menschlichen Tiefblick, schwerem Gesang. Wollen Sie Ihrer Frau Gemahl[in] wieder einmal meine große Verehrung übermitteln.« (Alfred Döblin: Briefe [Ausgewählte Werke in Einzelbänden. In Verbindung mit den Söhnen des Dichters hg. von Walter Muschg. Weitergeführt von Heinz Graber]. Olten und Freiburg im Breisgau: Walter-Verlag, 1970, S. 37.)

26. Januar (Freitag) • Erster Vortragsabend von Else Lasker-Schüler im »Verein für Kunst«: »Else Lasker-Schüler liest am achten Abend des Vereins für Kunst (26. Januar im Architektenhause) aus ihren Dichtungen: Verse, ungedruckte arabische Novellen und eine Auswahl aus ihrem ›Peter Hille-Buch‹. Vertonungen von Herwarth Walden zu ihren Dichtungen werden von Betsy Schot vorgetragen.« (Berliner Tageblatt. Jg. 35, Nr. 40 [Morgen-Ausgabe] vom 23. Januar 1906 [»Kleine Mitteilungen«].)

31. Januar (Mittwoch) • Alfred Döblin schreibt aus Regensburg an Herwarth Walden: »Von dem Abend Ihrer Frau Gemahlin las ich leider nichts; die Zeitung (Tageblatt) ging mir rätselhaft verloren. Wars Tücke oder Vernunft? Es scheint, als ob d[as] Tageblatt doch nichts rechtes über diesen Abend hätte sagen können.« (Alfred Döblin: Briefe [Ausgewählte Werke in Einzelbänden. In Verbindung mit den Söhnen des Dichters hg. von Walter Muschg. Weitergeführt von Heinz Graber]. Olten und Freiburg im Breisgau: Walter-Verlag, 1970, S. 39.)

9. Februar (Freitag) • Lesung im »Verein für Kunst«: »Der neunte Abend des Vereins für Kunst ist den Dichtern Peter Hille und Peter Baum gewidmet. Er findet am 9. Februar im Salon Cassirer statt. Zuerst liest Else Lasker-Schüler einige Kapitel aus ihrem Peter Hille-Buch.« (Berliner Tageblatt. Jg. 35, Nr. 59 [Morgen-Ausgabe] vom 2. Februar 1906 [»Kleine Mitteilungen«].)

17. Juni (Sonntag) • Erich Mühsam (1878–1934) an Axel Juncker: »Sehr geehrter Herr Juncker, bitte schicken Sie mir doch ein Rezensionsexemplar des Lasker-Schülerschen Peter Hille-Buchs. Mein Interesse für die Dichterin und meine persönliche Freundschaft zu dem verstorbenen Dichter lassen es mir sehr wahrscheinlich erscheinen, daß ich eine Besprechung des Buches unterbringen werde (evtl. im ›Blaubuch‹, wenn dort noch kein andrer dafür bestimmt ist). Frau Else L.-Sch. schrieb mir, ich möge Sie um das Buch bitten.« (Erich Mühsam: In meiner Posaune muß ein Sandkorn sein. Briefe 1900–1934. Hg. von Gerd W. Jungblut. Bd. 1–2. Vaduz: Topos Verlag, 1984. Bd. 1, S. 71 f.)

Mitte Juli • Else Lasker-Schüler und Herwarth Walden reisen für einige Tage in das Seebad Ahlbeck auf Usedom. Der erste Aufenthalt an der Ostsee verläuft für Else Lasker-Schüler enttäuschend. Sie schreibt am 19. Juli an Axel Juncker: »Ich bin immer nervöser, habe keine Freude mehr – Stallleben furchtbar, Flunderschmaus überdrüssig – Waschung an der grünen Pumpe im Hof – Stiefel versalzen vom Meerwasser – Haut angeräuchert. Das Meer ist mit mir beleidigt.« (KA, Bd. 6, S. 73.)

13. November (Dienstag) • Gedenkfeier für Peter Hille in Dortmund, an der unter anderem Else Lasker-Schüler und Herwarth Walden teilnehmen. Quelle: Dortmunder Zeitung. Jg. 79, Nr. 557 (Abend-Ausgabe) vom 1. November 1906 (»Kunst, Wissenschaft und Leben«).

23. November (Freitag) • Lesung beim Kaufmännischen Verein Iserlohn: »Am nächsten Freitag wird Frau Else Lasker-Schüler aus Berlin eigene Dichtungen vortragen und unter anderm aus ihrem Peter Hille-Buch vorlesen.« (Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung. Jg. 65, Nr. 271 vom 17. November 1906, 2. Blatt [»Westfalen – Rheinland«].)

29. November (Donnerstag) • Der Münchner Schriftsteller Oscar A. H. Schmitz (1873–1931) notiert im Tagebuch: »Bei Axel Juncker, den ich zum ersten Mal zu sehen bekomme. Liebenswürdige Schlafmütze. Ziemlich reduzierte Einrichtung. Ich begreife nicht, wie man ihn mir empfehlen konnte. Er erzählt viel von meinem hiesigen Ruhm und schlägt eine Vorlesung meiner Werke durch mich im ›Verein für Kunst‹ vor, wo allerdings die besten Namen auf dem Programme stehen. Zu diesem Zwecke gehe ich gleich zu dem Leiter Herwarth Walden und finde dessen Frau Else Lasker-Schüler, der furchtbarste Blaustrumpf, allerdings durch unfreiwillige Komik gemildert, waschechtes Berlinisch. ›Ick verdiene nischt mit meinen Jedichten‹, sagt sie, ›wie kommt det nur?‹ Erzählt dann, wie wunderschön ihre Bücher sind, in denen sie mit Peter Hille Wotansfeste feiert.« (Oscar A. H. Schmitz: Das wilde Leben der Boheme. Tagebücher. Bd. 1. 1896–1906. Hg. von Wolfgang Martynkewicz. Berlin 2006, S. 318.)

20. Dezember (Donnerstag) • In den Zeitungen wird die Liquidierung des väterlichen Bankgeschäftes angekündigt: »Elberfeld. Das Bankgeschäft A. Schüler beabsichtigt, zu liquidieren. Der Inhaber Moritz Schüler ist geistesgestört geworden. Soweit sich bis jetzt übersehen läßt, werden die Gläubiger mit 90 % befriedigt.« (Kölnische Zeitung. Nr. 1362 [Abend-Ausgabe] vom 20. Dezember 1906.)

1907

3. Januar (Donnerstag) • Einladung in die Galerie Jaffé. Am 5. Januar schreibt Else Lasker-Schüler an die Schwester Annemarie (Anna) Lindner: »Vorgestern waren Herwarth und ich mit Prinzessin Feodora der Schwester der Kaiserin eingeladen. es stand in der Voss.« (KA, Bd. 6, S. 76.) Am 4. Januar 1907 hatte die »Vossische Zeitung« (Nr. 6 [Abend-Ausgabe]) berichtet: »In der Galerie Jaffé fand gestern einer jener intim gerahmten Abende statt, wie sie neuerdings in Aufnahme kommen. Ein erlesener kleiner Kreis hatte sich da eingefunden: man sah die Schwester der Kaiserin, Prinzessin Feodora, […] den Direktor des ›Vereins für Kunst‹ Herrn Walden, […] u. a. m. Das stille Patrizierheim in der Margaretenstraße (einer jener Alt-Berliner Salons, wie ihn Fontane geschildert haben könnte) war vom greisen Herrn des Hauses den Damen Frau Direktor Klee und Helene v. Wolicka abgetreten worden, die musikalisch-literarische Gaben zum Besten bedürftiger Künstler reichten. […] Es waren feine und stille Freuden, die man bei einer Schale Tee inmitten alter Bilder und schöner Frauen gleichsam avant la lettre schlürfte: ein ›singender Tee‹, der auch Maler und Dichter zu Worte kommen ließ.«

13. Januar (Sonntag) • Maximilian Moritz Schüler stirbt in Godesberg.

21. Februar (Donnerstag) • Lesung im »Verein für Kunst«: »Else Lasker-Schüler wird an dem ihr gewidmeten zwölften Abend des Vereins für Kunst, am Donnerstag, 21. Februar (Salon Cassirer), aus eigenen Dichtungen, zum Teil Ungedrucktes lesen.« (Berliner Volks-Zeitung. Jg. 55, Nr. 79 [Morgen-Ausgabe] vom 16. Februar 1907 [»Kleine Mitteilungen«].)

1908

16. Februar (Sonntag) • Auf dem Brief an Max Martersteig (KA, Bd. 6, Nr. 155) notiert Else Lasker-Schüler als Absender: »Berlin W. Spichernstr. 19«. Diese Anschrift ist auch im Berliner Adressbuch von 1908 angegeben. Der Eintrag für Herwarth Walden lautet: »Tonkünstler, Direkt. e. Konservatoriums d. Musik, W 50, Spichernstr. 19 Gh. hpt. T. VI. 12787, wochent. 4–5« (Berliner Adreßbuch 1908. Unter Benutzung amtlicher Quellen. Mit der Beigabe: Großer Verkehrs-Plan von Berlin und Vororten. Berlin: August Scherl, Deutsche Adreßbuch-Gesellschaft [1908]. Bd. 1, S. 2727).

5. März (Donnerstag) • Lesung im »Verein für Kunst«: »Im Verein für Kunst wird am Donnerstag, den 5. März (Salon Cassirer), Else Lasker-Schüler aus eigenen Dichtungen vorlesen.« (Berliner Tageblatt. Jg. 37, Nr. 114 [Morgen-Ausgabe] vom 3. März 1908 [»Kleine Mitteilungen«].)

17. März (Dienstag) • »Beardsley-Ball« im Künstlerhaus, Bellevuestraße 3, veranstaltet vom »Verein für Kunst«: »Kostüme: Nach Zeichnungen Beardleys, Rokoko, Dominos und excentrische Kostüme jeder Art« (Anzeige: Berliner Tageblatt. Jg. 37, Nr. 124 [Sonntags-Ausgabe] vom 8. März 1908, 6. Beiblatt). Am 9. Oktober 1909 schreibt Else Lasker-Schüler an Jethro Bithell (1878–1962): »Ich sende Ihnen bald Blumen und mein Bild als Affenjunge vom letzten Beardsleyfest vom Verein für Kunst. Mein Affe war als Beardsleydame angezogen – ich selbst kann nicht so gehn, das wäre für mich geschmacklos. Beardsley ist die Valencienspitze der erotischen Malerei – hab ich nicht recht? Der Ball war im vorrigen Winter.« (KA, Bd. 6, S. 108.)

Etwa August • Else Lasker-Schüler und Herwarth Walden ziehen in die Katharinenstraße 5 im Ortsteil Halensee. Else Lasker-Schüler wohnt dort bis zur Trennung von Herwarth Walden im Sommer 1912. – 1991 wurde eine Gedenktafel an einem später errichteten Neubau angebracht.

1909

25. Februar (Donnerstag) • Achtzehnter Abend des »Vereins für Kunst« im Scharwenka-Saal, Lützowstraße 76: »Else Lasker-Schüler | Vorlesung eigener Dichtungen« (Anzeige in einem Programmheft des »Vereins für Kunst«; Faksimile: Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 61).

Mitte Juni • Herwarth Walden hält sich für einige Tage in Wien auf: Bei dieser Gelegenheit dürfte es – wahrscheinlich durch Vermittlung Peter Altenbergs (1859–1919) – zu einer ersten persönlichen Begegnung mit Karl Kraus (1874–1936) gekommen sein. – Walden reist über München, wo er sich am 18. Juni aufhält, und Bayreuth nach Berlin zurück. Dort trifft er am 22. Juni ein. Quelle: Feinde in Scharen, Nr. 1 und 2.

10. August (Dienstag) • Karl Kraus hält sich – auf der Reise von Wien nach Scheveningen – für einen Tag in Berlin auf: erste Begegnung mit Else Lasker-Schüler.

14. August (Samstag) • Herwarth Walden übersendet »Das Peter Hille-Buch« an Karl Kraus in Scheveningen. Quelle: Feinde in Scharen, Nr. 31.

September • Herwarth Walden wirbt in einem Prospekt des »Vereins für Kunst« (Faksimile: Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 63–66) für Lesungen Else Lasker-Schülers: »Sehr geehrter Vorstand! | Wir teilen Ihnen ergebenst mit, dass Frau Else Lasker-Schüler im kommenden Winter bereit ist, zum ersten Male ausserhalb Berlins aus ihren Dichtungen vorzutragen. Untenstehend finden Sie einige Kritiken aus der Fülle der erschienenen abgedruckt. Honorar nach Vereinbarung. | Korrespondenzen und Anfragen erbitten wir an unsere Adresse. | Hochachtungsvoll | Verein für Kunst zu Berlin | Berlin-Halensee, im September 1909 | Katharinenstrasse 5«.

11. November (Donnerstag) • Adolf Loos (1870–1933) spricht im »Verein für Kunst« über das Thema »Kritik der angewandten Kunst«. Auf seiner Reise nach Berlin wird Adolf Loos von Karl Kraus begleitet.

Herbst • Paul Lasker-Schüler besucht für kurze Zeit das Landerziehungsheim Buschgarten bei Fürstenwalde. Kurz vor dem 20. November schreibt Else Lasker-Schüler an den Lehrer Konrad Dummler (1885–1967): »Ich bin wahnsinnig traurig über die Vorkommnisse – Sie sahen wie entsetzt ich bei meinem letzten Besuch war, Sie trösteten mich – und das fand ich sehr fein von Ihnen. Ich mußte Paul fortnehmen – er ist zu nervös und zart um lange derartige Behandlungen während des Unterricht auszuhalten. Er sagte mir nach einer Woche schon, Sie wären gut zu ihm, allerdings auch Herr Dr. Ostrowsky, der aber grauenhaft die Jungens, die anderen mit Fäusten schlage. Ich hatte drei Wochen keine Rast und Ruhe.« (KA, Bd. 11, S. 375.)

22. November (Montag) • Lesung in Dresden: »In der Literarischen Gesellschaft werden Montag den 22. November abends 8 Uhr im Künstlerhaus Else Lasker-Schüler aus Berlin und Hanns Heinz Ewers eigene Dichtungen vortragen.« (Dresdner Anzeiger. Jg. 180, Nr. 323 vom 21. November 1909, S. 4 [»Aus Dresden«].) – Herwarth Walden schreibt an Karl Kraus: »Meine Frau las hier soeben in der ›literarischen‹ Gesellschaft.« (Feinde in Scharen, S. 97.)

27. November (Samstag) Else Lasker-Schüler fährt nach Schloss Drebkau, bei Cottbus in Brandenburg gelegen. Sie schreibt an Paul Zech (1881–1946): »Ich bin auf der Bahn um nach Schloß Drebkau zu fahren 2 Stunden von Berlin.« (KA, Bd. 6, S. 114.) Ab Dezember besucht Paul Lasker-Schüler das dortige Landerziehungsheim, das von Frida Winckelmann (1873–1943) geleitet wird. Die Kosten für die Pension Pauls übernimmt Herwarth Walden. Quelle: Feinde in Scharen, Nr. 228, 312, 340 und 355. – Über das Internat veröffentlichte Else Lasker-Schüler am 1. Juli 1910 den Essay »Die rotbäckige Schule« (Vossische Zeitung [Berlin]. Nr. 303 [Morgen-Ausgabe]).

5. Dezember (Sonntag) • Herwarth Walden besucht Paul Lasker-Schüler in Drebkau. Quelle: Feinde in Scharen, Nr. 153.

13. Dezember (Montag) • Gustav Landauer schreibt an Ludwig Berndl (1878–1946): »Eigentlich wollte ich Ihnen die beiliegende Karte senden, weil ich morgen Abend verhindert bin. Diese Else Lasker-Schüler ist eine dichterische Person mit viel Urmenschlichem; sie passt nirgends hin und gewiß nicht in das Milieu, in dem Sie sie sehen werden. Aber gerade darum werden Sie vielleicht mit Interesse dabei sein. Haben Sie jemanden, der sich Ihnen anschließt? Sie sehen, die Karte gilt für mehrere.« (Gustav Landauer: Briefe 1899–1919. Bd. 1: 1899–1909. Hg. und kommentiert von Hanna Delf von Wolzogen. Unter Mitwirkung von Jürgen Stenzel und Inga Wiedemann. Redaktionelle Bearbeitung durch Christine Hehle. Göttingen: V&R unipress, 2023, S. 812.)

14. Dezember (Dienstag) • Lesung bei der Berliner Finkenschaft. Quelle: KA, Bd. 6, Nr. 192, 197, 202 und 203.

25. und 26. Dezember (Samstag und Sonntag) • Else Lasker-Schüler und Herwarth Walden besuchen Paul Lasker-Schüler in Drebkau. Quelle: Feinde in Scharen, Nr. 182 und 184.

1910

13. Januar (Donnerstag) • Im »Verein für Kunst« findet die erste öffentliche Vorlesung von Karl Kraus statt.

14. Februar (Montag) • Premiere des Schwanks »Der Eisenbahnräuber« von Fritz Gräbert (1854–1931) im Berliner Rose-Theater. Else Lasker-Schüler bespricht die Inszenierung im »Sturm« vom 17. März 1910 (Jg. 1, Nr. 3, S. 21 f. [»Der Eisenbahnräuber«]).

3. März (Donnerstag) • Die erste Ausgabe der von Herwarth Walden gegründeten Zeitschrift »Der Sturm« erscheint in Berlin: »Redaktion und Verlag: Berlin-Halensee, Katharinenstrasse 5«.

• Adolf Loos hält seinen zweiten Vortrag im »Verein für Kunst«. Eine Anzeige Herwarth Waldens erscheint im »Sturm« vom 3. März 1910 (Jg. 1, Nr. 1, S. 8): »Verein für Kunst | Salon Cassirer Viktoriastr. 35 | Donnerstag, den 3. März | abends 8 Uhr | Adolf Loos | Ornament und Verbrechen | Vortrag«. Karl Kraus begleitet Adolf Loos auf seiner Reise nach Berlin.

27. März (Sonntag) • Herwarth Walden besucht Paul Lasker-Schüler in Drebkau. Quelle: Feinde in Scharen, Nr. 275.

3. Juni (Freitag) • Herwarth Walden an Karl Kraus: »[…] Zu alledem liegt meine Frau noch seit Sonntag krank zu Bett.« (Feinde in Scharen, S. 234.)

6. Juni (Montag) • Herwarth Walden an Karl Kraus: »[…] Dazu liegt meine Frau jetzt schon 10 Tage krank zu Bett.« (Feinde in Scharen, S. 238.)

13. Juni (Montag) • Herwarth Walden an Karl Kraus: »Meiner Frau geht es etwas gesundheitlich besser, sie braucht aber noch viel Schonung.« (Freinde in Scharen, S. 240.)

21. Juni (Dienstag) • Im Salon Cassirer wird die erste Ausstellung von Werken Oskar Kokoschkas (1886–1980) in Deutschland eröffnet. Gezeigt wird unter anderem ein Porträt Herwarth Waldens, das am 18. Juni unmittelbar vor Eröffnung der Ausstellung in Berlin entstanden ist. Am 21. Juni schreibt Herwarth Walden an Karl Kraus: »Kokoschka ist hier, wie ich Ihnen schrieb. Dienstag (heute) wird die Ausstellung bei Cassirer eröffnet. K. malte mich noch am Sonnabend. Sehr gut gelungen.« (Feinde in Scharen, S. 242.) Das Porträt befindet sich im Besitz der Staatsgalerie Stuttgart. – Else Lasker-Schülers Besprechung der Ausstellung erscheint im »Sturm« vom 21. Juli 1910 (Jg. 1, Nr. 21, S. 166 [»Oskar Kokoschka«]). – Herwarth Walden teilt Karl Kraus ferner mit: »Meiner Frau geht es besser.« (Feinde in Scharen, S. 243.)

Mitte August • Else Lasker-Schüler, Oskar Kokoschka und Herwarth Walden reisen ins Rheinland, um dort für den »Sturm« zu werben. Sie besuchen unter anderem Elberfeld. Am 22. August schreibt Else Lasker-Schüler an Friedrich Andreas Meyer (1888–1978): »Ich bin wieder in Berlin. Ich war überhaupt nur 3 Tage fort.« (KA, Bd. 6, S. 169.)

10. Oktober (Montag) • Herwarth Walden an Karl Kaus: »Ich sandte Ihnen heute den Gedichtband ›Der siebente Tag‹. Im Inhalt sind einige Gedichte angestrichen.« (Feinde in Scharen, S. 271.) Aus »Der siebente Tag« nahm Karl Kraus die beiden Gedichte »Weltende« und »Streiter« in die »Fackel« vom 31. Oktober 1910 (Jg. 12, Nr. 309/310, S. 4 und 6) auf.

9. November (Mittwoch) • »Der neue Club« veranstaltet das dritte »Neopathetische Cabaret für Abenteurer des Geistes«. Else Lasker-Schüler bespricht den Abend im »Sturm« vom 17. November 1910 (Jg. 1, Nr. 38, S. 304 [»Im neopathetischen Cabaret«]).

19. November (Samstag) • Else Lasker-Schüler besucht eine Lesung von Max Brod (1884–1968) im Salon Cassirer. Brod liest auf Einladung des »Neuen Clubs«. Ihre »Max Brod« betitelte Besprechung erschien am 1. Dezember 1910 im »Sturm« (Jg. 1, Nr. 40, S. 319 f.). Die Veranstaltung war am 17. November 1910 im »Sturm« (Jg. 1, Nr. 38, S. 306) angezeigt worden.

9. Dezember (Freitag) • Else Lasker-Schüler liest im »Neopathetischen Cabaret für Abenteurer des Geistes«. Anzeige: Der Sturm. Jg. 1, Nr. 41 vom 8. Dezember 1910, S. 330.

1911

1. Januar (Sonntag) • Herwarth Walden an Karl Kraus: »Die ›Fackel‹ ist wieder wundervoll, soeben trifft sie ein. […] Meine Frau hat sich sehr gefreut. Ihr neuer Gedichtband ›Meine Wunder‹ ist soeben vom Dreililien-Verlag, Karlsruhe angenommen worden. Er erscheint in einem Monat.« (Feinde in Scharen, S. 285.) In der »Fackel« vom 31. Dezember 1910 war Else Lasker-Schülers Gedicht »Ein alter Tibetteppich« (Jg. 12, Nr. 313/314, S. 36) mit einer Anmerkung von Karl Kraus erschienen.

18. Januar (Mittwoch) • Lesung im »Neopathetischen Cabaret für Abenteurer des Geistes«. Else Lasker-Schüler schreibt am 5. oder 12. Januar an Karl Kraus: »Am 18. spreche ich wieder bei den Neopathetischen. Meine Wupper auf Elwerfelder-Plattdütsch.« (KA, Bd. 6, S. 182.) Anzeige: Der Sturm. Jg. 1, Nr. 46 vom 14. Januar 1911, S. 370.

26. Januar (Donnerstag) • »Der neue Club« veranstaltet im Salon Cassirer einen Liederabend mit Kompositionen Herwarth Waldens, der selbst am Klavier begleitet. Quelle: KA, Bd. 6, Nr. 272.

21. Februar (Dienstag) • Walther Rathenau (1867–1922) an Else Lasker-Schüler: »Sehr verehrte gnädige Frau, | gestatten Sie mir, Ihnen kurzerhand die beiliegende Banknote zu überreichen, in der Hoffnung, daß dieser kleine Betrag, den ich nicht als ein Geschenk sondern als den Ausdruck meiner Ratlosigkeit, Ihnen anders zu helfen, anzusehen bitte, Ihnen die Sorgen der nächsten Wochen zu verkleinern hilft.« (Walther Rathenau: Briefe. Teilband 1: 1871–1913. Hg. von Alexander Jaser, Clemens Picht und Ernst Schulin [Walther Rathenau Gesamtausgabe V 1; Schriften des Bundesarchivs 63 / V 1]. Düsseldorf: Droste Verlag, 2006, S. 985.)

7. März (Dienstag) • Herwarth Waldens Konzert im »Neuen Club« wird als Wohltätigkeitsveranstaltung zum »Besten des Mutterschutzhauses in Pankow« wiederholt. Anzeige: Der Sturm. Jg. 1, Nr. 53 vom 4. März 1911, S. 426. – Das Mutterschutzhaus wurde von Franziska Schultz geleitet, die Else Lasker-Schüler im »Sturm« vom 18. Februar 1911 (Jg. 1, Nr. 51, S. 407 [»Franziska Schultz«]) porträtiert hatte.

16. März (Donnerstag) • Lesung bei einer privaten Gesellschaft in Berlin. Am 13. März schreibt Else Lasker-Schüler an Karl Kraus: »Heute Abend kommen wahrscheinlich zwei sehr wichtige Personen ins Café (Kaisercafé) Baron von Reibnitz und seine Frau. Sie tun furchtbar viel literarisch für mich. Ich spreche am 16. März im Hôtel Esplanade auf ihrer Gesellschaft meine arabischen Dichtungen im Costume auf einer arabisch ausgeschlagenen Bühne vor 160 Personen Hofgesellschaft, große Reclame für mich.« (KA, Bd. 6, S. 189.)

29. März (Mittwoch) • Herwarth Walden an Karl Kraus: »An Dr. Weiß gehen die Bücher ab, das heißt, ich habe beide Verleger darum ersucht.« (Feinde in Scharen, S. 307.) In einem undatierten Brief hatte Karl Kraus an Herwarth Walden geschrieben: »[…] lassen Sie so bald als möglich ›Meine Wunder‹ und die ›Wupper‹ an Herrn Dr. Richard Weiß | Wien I. Herrengasse | Café Central | (zur Besprechung) senden.« (Feinde in Scharen, S. 305.) Richard Weiß (geb. 1884) veröffentlichte in der »Fackel« vom 29. April 1911 den Essay »Else Lasker-Schüler« (Jg. 13, Nr. 321/322, S. 42–50).

1. April (Samstag) • Über »Meine Wunder« schreibt Herwarth Walden an Karl Kraus: »›Der siebente Tag‹ ist eingezogen, weil ein größerer Teil der Gedichte im neuen Buch Aufnahme fand. Hat Ihnen übrigens der Dreililienverlag ein Exemplar für die ›Fackel‹ gesandt? Ich habe es angegeben.« (Feinde in Scharen, S. 308.)

5. Mai (Freitag) • Herwarth Walden übersendet ein Exemplar von »Styx« an Karl Kraus. Am 6. Mai schreibt Walden an Kraus: »Das Gedicht ›Ich will in das Grenzenlose‹ steht im ›Styx‹. Ich ließ Ihnen gestern das Buch zugehen.« (Feinde in Scharen, S. 319.) Für seine Vorbereitungen zur Lesung am 15. Mai (s. d.) hatte Kraus in einem undatierten Brief (vgl. Feinde in Scharen, S. 318) um eine Abschrift des Gedichts gebeten.

6. Mai (Samstag) • Else Lasker-Schüler reist nach München. Sie wohnt dort in der Pension Modern, Theresienstraße 80. – Herwarth Walden teilt Karl Kraus am 6. Mai mit: »Meine Frau ist heute nach München zu einer Freundin gefahren.« (Feinde in Scharen, S. 318.) Mit der »Freundin« ist die Malerin Auguste (Guste) Ichenhäuser (1883–1943) gemeint. – Erste Begegnung mit Karl Wolfskehl (1869–1948).

8. Mai (Montag) • Über eine Begegnung von Else Lasker-Schüler und Emmy Hennings (1885–1948) in München notiert Erich Mühsam im Tagebuch: »Eine peinliche Überraschung wurde uns dadurch zuteil, daß die Ichenhäuser plötzlich mit Else Lasker-Schüler das Lokal betrat. Die eifersüchtige Megäre, die komplett wahnsinnig ist, hat Emmy in Berlin mit Schimpfreden und Drohungen nachgestellt. Nun war das arme Kind ganz verängstigt. Ich hoffe, sie fährt bald wieder ab. Es wäre recht widerwärtig, wenn Emmy wieder keine Ruhe vor ihr hätte. Ich bin aber entschlossen, trotz aller Freundlichkeiten der törichten Frau gegen mich und trotz meiner Verehrung für manche ihrer Gedichte, Emmy sehr energisch gegen sie zu verteidigen.« – Else Lasker-Schüler war eifersüchtig, weil Herwarth Walden sich für Emmy Hennings interessierte, die damals mit Ferdinand Hardekopf (1876–1954) liiert war und Letzteren 1910 auf einer Reise nach Frankreich begleitet hatte. Am 24./25. März 1910 schreibt Walden an Karl Kraus: »Der Herr Hardekopf entführt mir den blonden Stern nach Paris« (Feinde in Scharen, S. 190 f.).

9. Mai (Dienstag) • Erich Mühsam notiert im Tagebuch: »Emmy war sehr aufgeregt, da gleichzeitig mit der Ichenhäuser die Else Lasker-Schüler in einer Ecke des Lokals saß. Das verängstigte Kind fürchtete Revolver und Vitriol. Mir fiel mal wieder die angenehme Aufgabe zu, zu parlamentieren. So setzte ich mich zu der Lasker und kam auf Umwegen zu dem Thema Emmy. Ich erreichte das Versprechen, sie werde während der Zeit ihres Münchner Aufenthalts nicht mehr den ›Simpl‹ betreten, noch Emmy im mindesten nahetreten. Als ich zu Emmys Tisch zurückkam, war sie grade dabei, einen Zustand zu kriegen. Ich begleitete sie mit Keller zusammen nach Hause und sie stieß schreckliche Drohungen gegen Elschen aus.«

10. Mai (Mittwoch) • Erich Mühsam notiert im Tagebuch: »Die Angelegenheit Else Lasker-Schüler – Emmy spitzt sich dramatisch zu. Ich erhielt einen langen Brief von Elschen, in dem sie Emmy als ›geiles kleines Nähmädchen‹ beschimpft, in deren Mund ihr ›erlauchter‹ Name (an einer andern Stelle ›die Majestät meines Namens‹ – immer dick unterstrichen) nichts zu tun habe, und worin sie schließlich erklärt, sie lasse sich das Betreten öffentlicher Lokale nicht verbieten. Ich hielt es für ratsam, diplomatisch zu sein und schrieb einen langen vorsichtigen Antwortbrief, von dem ich auch noch eine Abschrift nahm, sodaß mir wieder die Zeit, wo ich hätte arbeiten mögen, zum Teufel ging. Ich bat die Lasker, mir persönlich den Gefallen zu tun, den Simpl. zu meiden. Abends im Café kriegte ich dann einen weiteren albernen Brief, in dem u. a. stand, sie (Tino von Bagdad) habe in Berlin nur Emmy aus dem Café entfernt wissen wollen, um den einzigen Ort, wo man sich aufhalten könne, nicht verflachen und verhuren zu lassen.«

14. Mai (Sonntag) • Erich Mühsam notiert im Tagebuch: »Die Lasker-Schüler-Geschichte nimmt allmählich die Formen einer komischen Groteske an. […] Und nun beteiligt sich auch die Ichenhäuser – Emmy nennt sie unhöflich Frl. Siechenhäuser – an der Korrespondenz. Gestern bekam ich einen total verstiegenen Brief von ihr. Wenn ihr Diener Jehovah ermittle, daß ich ein Hurerich sei, so müsse ich Millionen Meilen weit von ihrem Lande fortgehn. Scheißtrommel! – Inzwischen hat Emmy selbständig Schritte unternommen, um die Dichterin Tino loszuwerden. Sie hat veranlaßt, daß ihr von Berlin aus ein Telegramm ins Café Bauer geschickt wurde, wonach sie sofort nachhause zurückkommen möge. Natürlich ist sie darauf nicht hereingefallen und hat angeblich das ganze Material der Polizei übergeben.«

15. Mai (Montag) • Bei einer Lesung in Wien trägt Karl Kraus erstmals Texte von Else Lasker-Schüler vor: den Essay »Sterndeuterei« sowie die Gedichte »Unser Kriegslied«, »Weltende«, »Die Stimme Edens«, »Meine Mutter« (»War sie der große Engel«), »Ein alter Tibetteppich« und »Streiter« aus dem Buch »Meine Wunder«.

Wahrscheinlich 16. Mai (Dienstag) • In einem Münchner Café begegnet Else Lasker-Schüler dem Maler Max Oppenheimer (1885–1954), dessen Werke stilistisch unter anderem von Oskar Kokoschka beeinflusst sind. Am 17. Mai schreibt sie an Oskar Kokoschka: »Ollet Rind, wat schecken Se’ meck ens däm fisen, schwaten Caplan no hier? Sie han ömm gescheckt, dat hä meck beobachten dut, dat Se’ wat tu Klatschen han. Hä seit, Se löten (ließen) meck größen on eck söll öwer sing Utstellung hier schriewen. Wat gon meck sinne Kleckserieen on! Ewwer kömmen Se’ bitte wacker no hier, Se ollet Rind, dat eck eene Fröde han denn wir beleedigen uss so nett.« (KA, Bd. 6, S. 197.) – Am 19. Mai wurde in München in der Galerie Thannhauser die erste Einzelausstellung mit Bildern Max Oppenheimers eröffnet: Kokoschka – und mit ihm Karl Kraus, Else Lasker-Schüler und Herwarth Walden – vertrat die Ansicht, dass Oppenheimer ihn plagiiere.

22. Mai (Montag) • Über eine Begegnung mit Heinrich Mann (1871–1950) im Café Stefanie notiert Erich Mühsam im Tagebuch: »Er erzählte, daß die Lasker-Schüler – sie treibt sich immer noch in München herum – ihm aus heiler Haut Krach gemacht habe, weil er angeblich ihren Mann – Herwarth Walden ausgerechnet! – einmal nicht ehrerbietig genug gegrüßt habe. Sie beschimpfte ihn ganz unglaublich: Das Bild, das Oppenheimer von ihm gemalt habe, sei viel zu bedeutend. Er sei nur der Text zu Oppenheimers Musik etc. Mann sagte, er habe sie dabei die ganze Zeit freundlich angelächelt, denn er glaube, sie sei irrsinnig. Das glaube ich auch.«

23. Mai (Dienstag) • Über ein Gespräch mit dem Münchner Rechtsanwalt Ludwig Strauß im Weinlokal Torgellstube notiert Erich Mühsam im Tagebuch: »Dr. Strauß bat mich zu einer privaten Unterredung an einen andern Tisch. Die Lasker-Schüler war bei ihm, um evtl. Emmy zu verklagen. Sie hat natürlich alles entstellt und stellt die empörende Behauptung auf, Emmy laufe ihr nach.«

29. Mai (Montag) • Kete Parsenow (1880–1960) schreibt aus Berlin an Karl Kraus, dass sie »Sonntag […] am Abend mit dem 10.2 U[hr] Zug nach München« fahren werde: »Ich werde in derselben Pension wohnen wie Else Lasker Schüler Pension Modern 80 Theresienstr.« (Du bist dunkel vor Gold, S. 66.)

5. Juni (Montag) • Aus München schreibt Kete Parsenow an Karl Kraus: »Bin vor einigen Stunden totmüde hier angekommen. […] | Wir wohnen hier alle Zimmer an Zimmer, Frau Walden Vera van Schoten [?] meine holländische Freundin und ich.« (Du bist dunkel vor Gold, S. 67.)

13. Juni (Dienstag) • Kete Parsenow an Karl Kraus: »Frau Walden ist fort sie hat sich sehr gewundert warum Du ihr nicht auf ihren Brief geantwortet hast u. Kokoschka auch nicht.« (Du bist dunkel vor Gold, S. 68.) Else Lasker-Schüler hatte am 4. Juni an Karl Kraus einen Brief für Oskar Kokoschka geschickt: »Auf Minuten kommt es an – seien Sie, mir dem Egypter nicht böse – daß ich Sie bitte sofort O. K. inl. Brief übergeben zu lassen.« (KA, Bd. 6, S. 197.) Der »inl. Brief« ist nicht bekannt.

15. Juni (Donnerstag) • »Die vier Toten der Fiametta«, Pantomime von William Wauer (1866–1962) mit der Musik von Herwarth Walden, wird im »Kleinen Theater« in Berlin uraufgeführt. – Aus diesem Anlass ist Else Lasker-Schüler von ihrem Aufenthalt in München nach Berlin zurückgekehrt. Sie schreibt am Schluss ihres Essays »Wauer via München, weiter und so weiter«, der im August 1911 im »Sturm« (Jg. 2, Nr. 72, S. 575  f.) erscheint: »Morgen ist die Première der Vier Toten der Fiametta, ich werde Jacobsohn wiedersehen –, ich werde den kleinen Jacobsohn wiedersehen!«

24. Juni (Samstag) • »Einen Vortragsabend veranstaltet Armin Wassermann (Lessingtheater) am 24. d. M. im Hotel Atlas (Weidendammer Brücke) (Beginn 8 ¼ Uhr). Er wird Lyrisches von George, Hofmannsthal, Rilke, Baudelaire, Else Lasker-Schüler, und Episches von Jakob Wassermann und Heinrich Eduard Jakob vorlesen.« (Die Aktion. Jg. 1, Nr. 18 vom 19. Juni 1911, Spalte 570.) – Rudolf Kayser lobt in seiner Besprechung des Abends Wassermanns Vortrag »der ganz auf Rhythmus gestellten Kunst der Lasker-Schüler« (Rudolf Kayser: Der Rezitator Armin Wassermann. In: Die Aktion. Jg. 1, Nr. 20 vom 3. Juli 1911, Spalte 625 f.).

25. Juni (Sonntag) • Kete Parsenow an Karl Kraus: »Morgen seh ich Max Reinh[ardt] u. will versuchen ihn zu bewegen sich für die ›Wupper‹ zu interessieren.« (Du bist dunkel vor Gold, S. 72.)

27. August (Sonntag) • Zusammen mit dem Berliner Rechtsanwalt Kurt Neimann (1877–1944) bricht Herwarth Walden zu einer Reise nach Dänemark, Schweden und Norwegen auf. Beide kehren am 10. oder 11. September nach Berlin zurück. Auf der Reise lernt Herwarth Walden die schwedische Musikerin und Malerin Nell Roslund (1887–1975) kennen.

16. September (Samstag) • Im »Sturm« (Jg. 2, Nr. 77, S. 615 f.) erscheint die erste Folge der »Briefe nach Norwegen«.

10. Oktober (Dienstag) • Herwarth Walden an Karl Kraus: »Heute erhielt meine Frau ihren Essayband vom 14. Verleger zurück. Diesmal von Georg Müller. Ihm sind die behandelten Persönlichkeiten nicht ›groß‹ genug.« (Feinde in Scharen, S. 370 f.) »Gesichte. Essays und andere Geschichten« erscheint 1913 bei Kurt Wolff in Leipzig.

17. November (Freitag) • Herwarth Walden an Karl Kraus: »Meine Frau ist seit vierzehn Tagen bettlägerig krank.« (Feinde in Scharen, S. 384.)

1912

Wahrscheinlich 15. Januar (Montag) • Besuch einer Vorstellung von Hugo von Hofmannsthals (1874–1929) Theaterstück »Jedermann«, das am 1. Dezember 1911 in Berlin im Zirkus Schumann unter der Regie von Max Reinhardt (1873–1943) uraufgeführt worden war. – In den »Briefen nach Norwegen« (Der Sturm. Jg. 2, Nr. 97 vom [10.] Februar 1912, S. 773 f.) schreibt Else Lasker-Schüler: »Draußen tobten die Sozialdemokraten, es war am Tag der Wahl […].« Am 12. Januar, dem Tag der Reichstagswahl, wurde der »Jedermann« nicht aufgeführt. Die Sozialdemokraten bildeten nach dieser Wahl erstmals die stärkste Fraktion im Reichstag. – In einem undatierten Brief schreibt Kete Parsenow an Karl Kraus: »Neulich war ich mit Frau Walden in Reinhardts Komödie im Zirkus in ›Jedermann‹ Strofen von Herrn v. Hoffmannsthal. Es ist der niedrigste pretentiöseste verlogenste Kitsch den es auf der Welt gibt. Wir haben getobt. Frau Walden raste nach der Vorstellung auf Kahane zu u. sagte zu ihm: Sagen Sie Direktor Reinhardt es ist eine Frechheit von ihm dies Stück aufzuführen.« (Du bist dunkel vor Gold, S. 84.)

17. Januar (Mittwoch) • »Verein für Kunst | Achtes Jahr | Fünfter Abend | Mittwoch, den 17. Januar | abends 8 Uhr | Architektenhaus | Wilhelmstrasse 92/93 | Else Lasker-Schüler | Vorlesung | aus eigenen Dichtungen« (Der Sturm. Jg. 2, Nr. 93 vom [13.] Januar 1912, S. 745). – In einem undatierten Brief schreibt Kete Parsenow an Karl Kraus: »Ihre Vorlesung war ganz wundervoll!« (Du bist dunkel vor Gold, S. 85.)

21. Januar (Sonntag) • »Vortragsabend Resi Langer. Sonntag, 21. Januar 1912, abends 8 Uhr, Architektenhaus, Kleiner Saal, Wilhelmstr. 92/93. Dichtungen von Hugo von Hofmannsthal | Richard Dehmel | Rainer Maria Rilke | Frank Wedekind | Eduard Stucken | Heinrich Lautensack | Alfred Richard Meyer | Victor Hadwiger | Anselm Ruest | S. Friedlaender | Alfred Kerr | René Schickele u. a.« (Die Aktion. Jg. 2, Nr. 3 vom 15. Januar 1912, Spalte 88.) – Rudolf Kurtz (1884–1960) weist in seiner Besprechung des Abends darauf hin, dass Resi Langer auch »das einsamkeitswilde Weltende Else Lasker-Schülers« vorgetragen habe (R[udolf] K[urtz]: Vortragsabend Resi Langer. In: Die Aktion. Jg. 2, Nr. 6 vom 5. Februar 1912, Spalte 176 f.).

27. Januar (Samstag) • Else Lasker-Schülers zweite Schwester Annemarie (Anna) Lindner stirbt in Berlin.

11. März (Montag) • Erste Lesung im Wien: »Akademischer Verband für Literatur und Musik, ½ 8 Uhr, Hörsaal 3 des elektrotechnischen Instituts, 4. Bezirk, Gußhausstraße 25, Else Lasker-Schüler: ›Aus eigenen Werken.‹« (Neue Freie Presse [Wien]. Nr. 17080 [Nachmittagblatt] vom 11. März 1912, S. 10 [»Vorträge und Versammlungen«].)

10. August (Samstag) • Paul Lasker-Schüler reist von Berlin nach Ober-Hambach bei Heppenheim: Er besucht dort bis zum Juli 1913 die Odenwaldschule, die Paul (1870–1961) und Edith Geheeb (1885–1982) 1910 gegründet hatten. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. *21. – Über das Internat veröffentlichte Else Lasker-Schüler am 17. Dezember 1912 im »Berliner Tageblatt« (Jg. 41, Nr. 641 [Morgen-Ausgabe], 1. Beiblatt) den Essay »Die Odenwaldschule«.

Mitte August • Else Lasker-Schüler reist – nach der Trennung von Herwarth Walden – zunächst nach Brunshaupten an die Ostsee. – Am 30. August schreibt sie von dort an Paul Geheeb: »Ich reise Sonntag nach Berlin: Meine Adresse einstweilen: Else Lasker-Schüler (Walden) Halensee-Berlin. Postamt Halensee Postlagernd.« (KA, Bd. 11, S. 386.)

23. August (Freitag) • Franz Marc (1880–1916) übersendet den Holzschnitt »Versöhnung« an Herwarth Walden: Im Begleitbrief charakterisiert er die Grafik als Versuch, Else Lasker-Schülers gleichnamiges Gedicht aus dem Buch »Meine Wunder« zu illustrieren. Vgl. Else Lasker-Schüler – Franz Marc, S. 7. Franz Marcs Brief befindet sich im Besitz der Staatsbibliothek zu Berlin (Sturm-Archiv I).

September • Else Lasker-Schüler zieht in die Humboldtstraße 13, in der damals selbständigen Landgemeinde Grunewald gelegen. Sie wohnt dort bis Mitte Juli 1914.

7. September (Samstag) • Im »Sturm« (Jg. 3, Nr. 125/126, S. 133) erscheint Franz Marcs Holzschnitt »Versöhnung«. Auf S. 134 ist Else Lasker-Schülers gleichnamiges Gedicht abgedruckt.

12. September (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler fährt für einige Tage nach Ober-Hambach. Quelle: KA, Bd. 6, Nr. 383.

22. Oktober (Dienstag) • Auf Einladung der »Literarischen Gesellschaft Elberfeld« liest Else Lasker-Schüler in der Elberfelder Stadthalle.

1. November (Freitag) • Scheidung der Ehe mit Herwarth Walden. – Am 4. November schreibt Herwarth Walden einen kurzen Brief an Karl Kraus, in dem er unter anderem mitteilt: »Meine Ehe mit Else Lasker-Schüler ist rechtskräftig geschieden.« (Feinde in Scharen, S. 415.) Mit diesem Brief endet die Korrespondenz von Herwarth Walden und Karl Kraus.

9. November (Samstag) • Erster Brief Else Lasker-Schülers an Franz Marc. Sie fragt: »Wenn ich nach München komme, (ich bin Jussuf der Prinz von Theben) soll ich Franz Marc besuchen?« (KA, Bd. 6, S. 266.)

23. November (Samstag) • Herwarth Walden und Nell Roslund heiraten in London.

1. Dezember (Sonntag) • Maria Marc (1876–1955) an Elisabeth Macke (1888–1978): »Walden ist von Else Lasker-Schüler geschieden und mit einer Schwedin bereits wieder verheiratet. Ich bin neugierig; wir werden sie ja kennen lernen.« (August Macke und Franz Marc, S. 142.)

8. Dezember (Sonntag) • Franz und Maria Marc besuchen Maria Marcs Eltern Philipp (1848–1913) und Helene Franck (1856–1921) in Berlin. Unmittelbar nach der Ankunft schreibt Franz Marc an Else Lasker-Schüler: »Der blaue Reiter präsentirt Eurer Hoheit sein blaues Pferd.« (Else Lasker-Schüler – Franz Marc, S. 23.)

10. Dezember (Dienstag) • Erste Begegnung Else Lasker-Schülers mit Franz und Maria Marc. Im Rückblick schreibt Maria Marc 1954: »Als wir dann im Winter nach Berlin kamen, war wohl beiderseits die Neugierde gleich groß, sich von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Wir trauten uns anfangs gar nicht, den Besuch gleich zu machen. Wir sahen Else Lasker-Schüler zum erstenmal, als wir, nach einem Vortragsabend von Mombert, mit Walden und seiner Frau Nell im Café Josty am Potsdamer Platz saßen. Sie war Walden und Nell damals sehr feindlich gesinnt und blieb mit ihren Bekannten an ihrem Tisch sitzen. Man schaute und blinzelte von einem Tisch zum andern, ohne sich bekannt machen zu können.« (Franz Marc: Botschaften an den Prinzen Jussuff. Mit einem Geleitwort von Maria Marc und einem Essay von Georg Schmidt »Über das Poetische in der Kunst Franz Marcs« [Piper Galerie]. Neuausgabe. München und Zürich: R. Piper & Co. Verlag, 1974, S. 6.) Vorgetragen hatte allerdings nicht Alfred Mombert (1872–1942), sondern Karl Kraus.

23. Dezember (Montag) • Franz Marc schreibt aus Berlin an Wassily Kandinsky (1866–1944): »Wir erleben hier viel, auch Erlebnisse, die uns glücklich machen. Wir haben hier einen prachtvollen Menschen gefunden: Else Lasker-Schüler; sie wird wahrscheinlich für ein paar Wochen im Januar nach Sindelsdorf kommen, worauf wir uns riesig freuen.« (Wassily Kandinsky – Franz Marc, S. 204 f.)

1913

6. Januar (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler begleitet Franz und Maria Marc nach Sindelsdorf. Sie schreibt am 5. Januar an Franz Marc: »Bin morgen pünktlich da zur Bahn.« (KA, Bd. 6, S. 283.)

11. Januar (Samstag) • Karl Kraus veröffentlicht in der »Fackel« (Jg. 14, Nr. 366/367) auf der Innenseite des hinteren Umschlags einen Spendenaufruf für Else Lasker-Schüler.

Mitte Januar • Else Lasker-Schüler reist von Sindelsdorf nach München. Sie wohnt dort bis zum 6. Februar in der Pension Modern, Theresienstraße 80, und kehrt am Tag darauf nach Berlin zurück.

17. Januar (Freitag) • Eröffnung der vierten Einzelausstellung von Werken Franz Marcs in der Galerie Thannhauser in München.

19. Januar (Sonntag) • Maria Marc an Wassily Kandinsky: »Heute habe ich mich auch über die tragische Scene etwas beruhigt – ich nehme sie nicht mehr tragisch und hoffe, dass auch Münter sich nicht darüber beunruhigt hat. Es tut uns wirklich leid, dass Frau Lasker-Schüler diese plötzliche Scene verursachte und es ist uns schmerzlich, dass Münter die Betroffene war. Wir bedauern die Geschichte um so mehr, als wir gehofft hatten, zwischen Ihnen Beiden und Frau Lasker-Schüler ein künstlerisches Verstehen und freundschaftlichen Verkehr herbeizuführen. Wenn auch Frau Lasker-Schüler viel von der Pose der weltschmerzlichen Literaten an sich hat, so tut man ihr vielleicht Unrecht, sie ganz unter eine Kappe mit diesen zu stecken. Abgesehen von ihrer Kunst, die wir sehr schätzen, denke ich an das wirklich schwere merkwürdige Schicksal das sie als Frau durchlebte – sie hat ein solches hinter sich im Gegensatz zu diesen jungen Weltschmerzlern, von denen wir ja auch einige in Berlin sahen und die kaum ihre Nase in die Welt steckten. Aber dies soll nicht etwa eine Entschuldigung sein – denn es giebt nichts was solche Scenen entschuldigen könnte. Ich schreib es nur, weil ich Frau Lasker-Schüler auch von einer anderen Seite kenne. Auf Unberechenbarkeit war ich bei ihr nicht gefasst. Aber es ist nun nichts daran zu ändern – wir werden tun was wir können um eine Wiederholung zu vermeiden. Wir sahen Frau Lasker-Schüler nicht mehr vor unserer Abreise.« (Wassily Kandinsky – Franz Marc, S. 209.)

21. Januar (Dienstag) • Maria Marc an Elisabeth und August Macke (1887–1914): »Berlin brachte uns mancherlei Überraschungen. Wir waren ja schon gespannt, den Literaturkreis vom ›Sturm‹ kennenzulernen – recht viel Freude hatten wir nicht, unsere Erwartungen waren zu hoch gespannt. Wir wurden im Laufe der Zeit immer mehr deprimiert, wir glaubten bei den meisten Menschen das Verderben der Großstadt zu sehen, fast alle schienen verdorben zu sein. Zwischen allen stehen Eifersucht, Neid und Lüge; es traut keiner dem anderen – die Luft ist unrein. Interessant war natürlich die Geschichte dadurch, dass wir in zwei feindlichen Lagern verkehrten – auf einer Seite Else Lasker-Schüler, Waldens geschiedene Frau – auf der anderen Seite Walden selbst mit seiner jetzigen Frau, einer kompletten Gans. Die Lasker-Schüler (wir kannten sie durch Korrespondenz, ehe wir nach Berlin kamen, und wir glaubten, dass Walden und sie in Freundschaft geschieden wären; Walden schrieb das nämlich) ist eine merkwürdige Persönlichkeit – wir hatten sie gleich sehr gerne. Wenn man sie kennt, versteht man ihre Dichtungen leicht. Sie passt nicht zu den Menschen, unter denen sie lebte und lebt, auch sie ist verdorben. Sie ist jetzt sehr leidend. Infolge der Scheidungsaffäre, die nicht so glatt ging, wie Walden es hinstellte, in Geldnot – haben ihre Nerven einen Schock gekriegt, und wir haben sie mit uns nach Sindelsdorf genommen, damit sie sich hier erholen sollte. Sie hielt aber die Einsamkeit und die Stille in der Natur nicht aus; Jahre hindurch hat sie nur in Berlin zwischen Mauern und in Kaffeehäusern gelebt, und so war diese plötzliche Veränderung keine Wohltat, sondern eine Beunruhigung für ihre kranken Nerven. Wir brachten sie wieder nach München, wo sie Freunde hat und eine Kur durchmacht, die ihr scheinbar besser hilft. Wir aber sind wieder in Sindelsdorf und haben Verlangen nach Ruhe – Ruhe. Versteht Ihr dies? | Ehe ich von Berlin, dem anderen Kreis, spreche, bleibe ich noch in München und erzähle Euch eine Geschichte – der August hat etwas versäumt, ich hätte ihm wirklich gegönnt, dabei zu sein. Wir hatten natürlich Freude, unsere kranke Freundin in München unter gleichgesinnte Menschen zu bringen, und nahmen sie mit zu Kandinsky-Münter. Ein etwas kühler Ton klang in den Zimmern. Lasker-Schüler sträubt sich gegen Kandinskys Kunst. ›Professor‹, sagt sie, nicht Künstler. Auch die Glasbilder, Heiligenbilder, fielen ihr auf die Nerven, und da Kandinsky sie – Lasker-Schüler – nicht sehr kennt, gewann er etwas den Eindruck einer ›Weltschmerzlerin‹ aus dem ›Café des Westens‹ in Berlin. Aber sie verbargen diese gegenseitigen Eindrücke unter höflichem kühlem Ton. Münter wirkte wie immer etwas mottenhaft. Nach drei Tagen trafen Münter und ich uns in der Ausstellung von Franz bei Thannhauser; wir sprachen sehr nett. Münter beschäftigte sich eingehend mit den Bildern, und sie und ich sassen über eine Stunde ruhig und harmonisch zusammen, um auf die anderen zu warten. Münter ist seit dem Krach sehr nett. Über das Gefühl der innerlichen Verschiedenheit kommt keiner von uns hinaus, aber gesellschaftlich haben wir alle eine Form gefunden, miteinander nett und angenehm zu verkehren, um derjenigen Dinge willen, die uns gemeinsam interessieren und verbinden. Münter gibt sich wirklich Mühe, und wir auch, und wir sind alle froh deswegen. Wir saßen also bei Thannhauser – Münter und ich –, da kam Lasker-Schüler. Nach ganz liebenswürdiger Begrüssung und gemeinsamem Herumgehen sagt Lasker-Schüler etwas schwärmerisch und pathetisch: ›Dies Bild hat mich am tiefsten berührt.‹ Münter fragt: ›Welches? Der Tiger oder der Affe?‹ Lasker-Schüler: ›Der Tiger.‹ Münter: ›Was berührt sie so an dem Bild?‹ Lasker-Schüler: ›Das Gefährliche in dem Bild.‹ Dann geht man auseinander, ganz harmlos, sieht andere Bilder an etc. Plötzlich kommt Lasker-Schüler festen Schrittes auf Münter zu und fängt an: ›Gnädige Frau, wie kommen sie dazu, mich zu beleidigen? Ich bin Künstlerin durch und durch‹, und in dem Sinne redet sie weiter auf Münter ein. Ich lege mich furchtbar aufgeregt dazwischen und will vermitteln, aber Lasker-Schüler fährt fort, über die Grösse und Schönheit der Bilder zu reden – aber immer wütend gegen Münter und sagt plötzlich noch: ›Ich bin Künstlerin, ich bin ganz stark, ein ganz starker Mensch und lasse mir das nicht bieten von solch einer Null!‹ Ja was sagt Ihr nun? August? Du hättest Dich ›kapot‹ gelacht. Aber mir kam nicht das Lachen – ich ging vor Aufregung ganz ›kapot‹. Es war eine Szene wie in einem bösen Traum, oder wie man sie sich manchmal vorstellt oder auf dem Theater sieht. Aber in Wirklichkeit habe ich sowas noch nicht erlebt. Es war Dein Brief von damals an Kandinsky in die Tat umgesetzt. Und ich stehe dabei, und es wird mir grüner und blauer vor Augen, als es auf den Bildern vom Franz ist. Lasker-Schüler hat einen fabelhaften Instinkt, und Münters Seele lag vom ersten Moment an offen vor ihr; sie kann unheimlich die Menschen beurteilen. Aber – – – der Anlass, Münter die Wahrheit in’s Gesicht zu schleudern, war nicht da. Ich war so verdonnert, dass Münter mich beruhigen musste, später kamen dann die ahnungslosen Männer zu den drei kämpfenden Frauen usw. usw. Nun lach Dich ›kapot‹. Das war doch wirklich eine schöne Geschichte, die ich Euch da erzählt habe. Alles andere verblasst daneben, z. B. Franz Unzufriedenheit über den Kunstkramladen von Goltz und Franz’s Zurückschwanken zu Thannhauser und auch Schmidt als kleineres Übel. Nett und interessant wäre es auch, über die Leute in Berlin zu reden – Walden und Frau –, die Erlebnisse in diesem Kreise; aber das ist doch langweilig zu schreiben, man muss davon mündlich reden können. […] | Nun noch einmal Lasker-Schüler, sie ist in schrecklicher Geldnot, hat einen Sohn von 13 Jahren – ist selbst momentan so krank, dass sie nicht arbeiten kann. Ihre Freunde Karl Kraus, Dehmel, Fürstin Wied, Adolf Loos, Lagerlöf usw. haben einen Aufruf ergehen lassen für Lasker-Schüler. Der Kreis vom Blauen Reiter hat ja kein Geld – ausserdem würde Lasker-Schüler von unbemittelten Künstlern nichts nehmen – und darum soll bei Schmidt eine Versteigerung gemacht werden. Möchtest Du auch ein paar Sachen geben? Bild oder Zeichnung – es tun auch Berliner mit; Schmidt gibt auch aus seinem Bestand etwas. Wenn Du etwas geben willst, schicke es möglichst bald an Schmidt, Königinstr. 44 ›Neuer Kunstsalon‹ mit der Bemerkung ›Zur Versteigerung für Lasker-Schüler‹.« (August Macke und Franz Marc, S. 146–149.)

23. Januar (Donnerstag) • Franz Marc schreibt an Alfred Kubin (1877–1959): »Heute schreibe ich Ihnen aus einem besonderen Anlass. Sie werden vielleicht schon von dem Aufruf gelesen haben, den ein Kreis von Freunden der Dichterin E. Lasker-Schüler (Richard Dehmel, Karl Kraus, Selma Lagerlöf, Pauline Fürstin zu Wied, Adolf Loos, Arnold Schönberg u. a.) erlässt, um eine Geldsammlung für L.-Sch einzuleiten deren materielle Lage ein solches Unternehmen wirklich rechtfertigt. Ich weiss ja nun nicht, wie sie zu den Dichtungen u. der künstlerischen Persönlichkeit von Frau L.-Schüler stehen, jedenfalls erlauben Sie mir, Ihnen einen Plan von uns zu erzählen: wir möchten unseren Teil an dem Werke für L. Sch. beitragen u. planen eine Versteigerung von freiwillig zu diesem Zwecke gespendeten Arbeiten, deren Reinerlös dem Fond des Aufrufes überwiesen werden soll. Dr. P. F. Schmidt v. ›neuen Kunstsalon‹ in München. Königinstrasse 44 hat mit Freuden das geschäftliche der Versteigerung übernommen, eine Reihe von Werken sind auch schon gesichert, – wollen sie sich nicht daran beteiligen? Wenn ja, senden Sie doch (mit Berufung auf den Zweck der Sendung) etwas an die obige Adresse des Herrn Dr. P. F. Schmidt, – möglichst bald, da die Versteigerung schon bald geplant ist. Frau Lasker-Schüler darf von dem Plane keinesfalls voraus was erfahren; sie ist sehr krank.« (Phantastisch! Alfred Kubin und der Blaue Reiter. Hg. von Annegret Hoberg und Matthias Mühling – Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München. Köln: Wienand Verlag, 2018, S. 255.)

9. Februar (Sonntag) • In Berlin veranstaltet das Konzertbüro Emil Gutmann eine Matinee zugunsten Else Lasker-Schülers: »Frau Else Lasker-Schüler wird eigene Dichtungen zum Vortrag bringen.« (Berliner Volks-Zeitung. Jg. 61, Nr. 54 [Abend-Ausgabe] vom 1. Februar 1913 [»Kunst und Wissenschaft«].)

12./13. Februar (Mittwoch/Donnerstag) • Aus Prag schreibt Franz Kafka (1883–1924) an Felice Bauer (1887–1960) in Berlin. Über Else Lasker-Schüler notiert er: »Ich kann ihre Gedichte nicht leiden, ich fühle bei ihnen nichts als Langweile über ihre Leere und Widerwillen wegen des künstlichen Aufwandes. Auch ihre Prosa ist mir lästig aus den gleichen Gründen, es arbeitet darin das wahllos zuckende Gehirn einer sich überspannenden Großstädterin. Aber vielleicht irre ich da gründlich, es gibt viele, die sie lieben, Werfel z. B. spricht von ihr nur mit Begeisterung. Ja, es geht ihr schlecht, ihr zweiter Mann hat sie verlassen, soviel ich weiß, auch bei uns sammelt man für sie; ich habe 5 K hergeben müssen, ohne das geringste Mitgefühl für sie zu haben; ich weiß den eigentlichen Grund nicht, aber ich stelle mir sie immer nur als eine Säuferin vor, die sich in der Nacht durch die Kaffeehäuser schleppt.« (Franz Kafka: Briefe 1913 – März 1914. Hg. von Hans-Gerd Koch. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1999, S. 88.)

15. Februar (Samstag) • Else Lasker-Schüler schließt einen Vertrag (Deutsches Literaturarchiv Marbach [Zugangsnummer: 93.65.33]; Faksimile: Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 103–105) mit dem Kurt Wolff Verlag über ihre Essaysammlung »Gesichte«.

17. Februar (Montag) • In München findet im »Neuen Kunstsalon«, Königinstraße 44, den Max Dietzel (1883–1916) und Paul Ferdinand Schmidt (1878–1955) im Sommer 1912 gegründet hatten, eine Versteigerung von Gemälden, Zeichnungen und Grafiken zugunsten Else Lasker-Schülers statt. Gestiftet haben unter anderem Paul Klee (1879–1940), Alfred Kubin, Franz Marc und Marianne Werefkin (1860–1938). Ankündigung: Münchner Neueste Nachrichten. Jg. 66, Nr. 82 (Morgen-Blatt) vom 14. Februar 1913, S. 2. – Am 12. März 1913 schreibt Franz Marc an August Macke: »Die Lasker-Versteigerung ergab 1600 Mk. Es waren keine rechten Käufer da, sonst hätte vielmehr erzielt werden können. Danke für Deine Sachen.« (August Macke und Franz Marc, S. 153.)

14. März (Freitag) • Else Lasker-Schüler reist von Berlin nach Hagen. Quelle: KA, Bd. 6, Nr. 493.

16. März (Sonntag) • Lesung im Hagener Folkwang-Museum: »Eine der eigenartigsten Erscheinungen der modernen Frauenlyrik, die Berliner Dichterin Frau Else Lasker-Schüler, las gestern vor einer nur mäßig zahlreichen Zuhörerschar im Folkwang-Museum einige ihrer Gedichte vor. […] Es ist eine Poesie, deren Geheimnisse sich nur wenigen Auserwählten entschleiern, und diesen Auserwählten sei diese Poesie neidlos gegönnt, die ›Provinz‹ ist ›nicht reif‹ für sie und wird es hoffentlich niemals werden.« (C. H.: Vortrag von Else Lasker-Schüler im Folkwang-Museum. In: Hagener Zeitung. Nr. 64 vom 17. März 1913 [»Kunst, Wissenschaft, Leben«].)

18. oder 19. März (Dienstag oder Mittwoch) • Rückkehr nach Berlin. Am 19. März schreibt Else Lasker-Schüler an Kurt Wolff: »Der Prinz von Theben Kornverweser aller Landschaft Arabiens ist in seine Hauptstadt zurückgekehrt.« (KA, Bd. 6, S. 312.)

24. März (Montag) • Postkarte aus Charlottenburg an Kurt Wolff (1887–1963) in Leipzig. Otto Pick (1887–1940) notiert: »Von einer Vollversammlung Ihrer Verlagsautoren die besten Grüße« (KA, Bd. 6, S. 312). Die Postkarte ist von Otto Pick und Else Lasker-Schüler sowie von Albert (1886–1950) und Carl (1892–1971) Ehrenstein, Franz Kafka und Paul Zech unterzeichnet.

28. März (Freitag) • Else Lasker-Schüler verlässt abends Berlin und reist nach München. Sie wohnt dort – wie zuvor – in der Pension Modern, Theresienstraße 80. Quelle: KA, Bd. 6, Nr. 501.

29. März (Samstag) • Karl Kraus liest in München bei einem von der Zeitschrift »Der Brenner« (Innsbruck) veranstalteten Vortragsabend. – Frank Wedekind (1864–1918) notiert im Tagebuch (Münchner Stadtbibliothek – Monacensia, Nachlass Frank Wedekind): »Karl Kraus Vortrag | Mit Kraus Else Lasker, Frau Parsenow in der | Odeonbar.« (Transkription auf der Homepage der Frank Wedekind-Gesellschaft.)

2. April (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler reist von München nach Prag. Sie wohnt dort am Altstädter Ring bei Berta Fanta (1865–1918), der Schwester der Prager Publizistin Ida Freund (1868–1931) und Schwiegermutter von Schmuel Hugo Bergmann (Bergman) (1883–1975).

4. April (Freitag) • Am Vorabend von Else Lasker-Schülers Lesung in Prag ereignet sich folgender Vorfall, über den Leopold B. Kreitner (1892–1969) berichtet: »Ich glaube, daß es an einem Abend im Jahre 1913 war, daß die deutsche Dichterin Else Lasker-Schüler einmal der Ehrengast war. Sie hatte ein sehr affektiertes und übertriebenes Wesen. Gegen Mitternacht verließen wir alle (ich erinnere mich, daß Franz Werfel und Egon Erwin Kisch ebenfalls anwesend waren) die Veranstaltung, und unsere Besucherin – sie nannte sich ›Prinz von Theben‹ und versuchte angestrengt, auch so auszusehen – sank angesichts des wunderschönen Platzes, der mit seinen gotischen Türmen rechts und links in nahezu überirdisches Mondlicht getaucht war, auf ihre Knie nieder und begann, eine improvisierte Ode zu rezitieren. Ein Polizist griff ein und fragte sie, wer sie sei. Stolz erwiderte sie: ›Ich bin der Prinz von Theben‹, worauf Kafka korrigierte: ›Sie ist nicht der Prinz von Theben, sondern eine Kuh vom Kurfürstendamm.‹« (Leopold B. Kreitner: Der junge Kafka. In: »Als Kafka mir entgegenkam …«. Erinnerungen an Franz Kafka. Hg. von Hans-Gerd Koch. Berlin: Klaus Wagenbach, 1995, S. 45–54, Zitat S. 52 f.)

5. April (Samstag) • Lesung in Prag auf Einladung des »Klubs deutscher Künstlerinnen«, der 1906 unter anderem von Ida Freund gegründet worden war: »Am 5. April findet ein Vortragsabend statt, innerhalb dessen Frau Else Lasker-Schüler eine Reihe eigener Dichtungen zum Vortrage bringen wird. […] In ihrer Begleitung kommt der Lyriker und Kritiker Paul Zech […]. Herr Zech wird am Sonntag den 6. April um 11 Uhr vormittags in einer Matinee unveröffentlichte Gedichte und Novellen zur Vorlesung bringen.« (Prager Tagblatt. Jg. 38, Nr. 86 [Morgen-Ausgabe] vom 30. März 1913, S. 11 [»Kunst«].)

10. April (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler ist zurück in Berlin. Quelle: KA, Bd. 6, Nr. 507 und 508.

26. Mai (Montag) • Im Brief an Kurt Wolff berichtet Walter Hasenclever (1890–1940), dass er eingeladen sei, zusammen mit Franz Werfel (1890–1945) und Else Lasker-Schüler in dem von Kurt Hiller (1885–1972) geleiteten literarischen Kabarett »Gnu« vorzutragen: »Hiller hat uns eingeladen, Anfang Juli mit E. Lasker-Schüler im ›Gnu‹ zu lesen.« (Walter Hasenclever: Briefe in zwei Bänden. 1907–1940. In Zusammenarbeit mit Dieter Breuer bearbeitet und hg. von Bert Kasties [Die Mainzer Reihe 77/I–II]. Mainz: von Hase & Koehler, 1994. Bd. 1, S. 94.) Gleichfalls am 26. Mai an Kurt Hiller: »Mit Else Lasker-Schüler vorzulesen ist sehr schön und wir freuen uns sehr darauf.« (S. 95.) Erst im Februar 1914 las Hasenclever auf Einladung Kurt Hillers sein Schauspiel »Der Sohn«. Eine Lesung Else Lasker-Schülers oder Franz Werfels im »Gnu« ist nicht belegt.

21. Juni (Samstag) • Ida Dehmel, die zweite Frau Richard Dehmels, schreibt an Else Lasker-Schüler: »Es gibt etwas, das nennt sich ›Frauenbund zur Ehrung rheinländischer Dichter‹. Dessen Vorsitzende, eine sehr reiche Frau und Büchersammlerin, ist uns bekannt, und sie fragte uns neulich, ob wir ihr einen Vorschlag machen könnten, welches Buch der Bund in diesem Jahr drucken lassen könnte. Damit verhielt es sich folgender Massen: Der Bund lässt jedes Jahr für seine Mitglieder ein Buch drucken; er kauft dafür das Erstdruckrecht von einem in den Ländern am Rhein geborenen Dichter (oder Dichterin). Das Honorar darf statutengemäss nicht unter 1800 M. betragen. Das Buch kommt nicht in den Handel, sondern wird nur für die Mitglieder des Verbandes gedruckt. | Nun schlug Dehmel dieser Dame vor, ich solle eine Auswahl aus Ihren Gedichten treffen (selbstverständlich mit seiner Hülfe und ehrenamtlich), und zwar aus Ihren sämtlichen bisher erschienenen Büchern und mit Zuziehung eventueller ungedruckter, die Sie dann die Freundlichkeit haben müssten, mir zuzuschicken (in Maschinenschrift). Dass eine solche Auswahl stattfinden muss, kommt daher, dass die Damen, die diesen Bund bilden, natürlich nicht eben zu den Fortschrittlichen gehören, sodass man ihnen die sanfteste Else Laska-Schüler presentieren müsste und nicht die revolutionärste. Diese Auswahl ist ferner nötig, weil damit eine Lesekommission und eine Vorschlagskommission zu überzeugen sind.« (Faksimile: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Signatur: DA : Br : L : 181.) Der Plan zerschlug sich.

Ende Juli • Zusammen mit ihrem Sohn Paul reist Else Lasker-Schüler nach München. Sie schreibt am 25. Juli an Franz und Maria Marc: »Ich komme übermorgen ungefähr nach München.« (KA, Bd. 6, S. 353.) Beide wohnen in der Pension Fürmann in Schwabing, Belgradstraße 57. Sie bleiben in München bis zum 25. August.

25. August (Montag) • Fahrt nach Hellerau. Paul Lasker-Schüler besucht vom Herbst 1913 bis zum Frühjahr 1915 das Landschulheim in der bei Dresden gelegenen Gartenstadt Hellerau. – Über Hellerau veröffentlichte Else Lasker-Schüler im »Berliner Tageblatt« die beiden Essays »Ein ›Schulheim‹« (Jg. 42, Nr. 541 [Morgen-Ausgabe] vom 24. Oktober 1913 [mit der Verfasserangabe »E. L.«]) und »Kleine Skizze« (Jg. 43, Nr. 362 [Montags-Ausgabe] vom 20. Juli 1914, Beiblatt: Der Zeitgeist Nr. 29).

6. September (Samstag) • Die erste Folge von Else Lasker-Schülers »Briefen und Bildern« erscheint in der von Franz Pfemfert (1879–1954) herausgegebenen Zeitschrift »Die Aktion« (Jg. 3, Nr. 36, Spalte 854–859). Für die Veröffentlichung erhält Else Lasker-Schüler kein Honorar. Im Februar 1914 schreibt sie an Franz Marc: »Ich krieg bei Gott keinen Pfennig für meine Briefe von Pfemfert. Er kann nicht.« (KA, Bd. 7, S. 18.)

5. Oktober (Sonntag) • Im Hellerauer Festspielhaus findet die deutsche Uraufführung von Paul Claudels (1868–1955) Mysterienspiel »L’annonce faite à Marie« statt. Else Lasker-Schüler besucht die Aufführung auf Einladung von Heinrich Simon (1880–1941), dem Enkel ihres Onkels Leopold Sonnemann und Feuilletonredakteur der »Frankfurter Zeitung«. Quelle: KA, Bd. 6, Nr. 599, 602 und 606.

13. Oktober (Montag) • Rainer Maria Rilke (1875–1926) schreibt an Sidonie Nádherný von Borutin (1885–1950): »Liebe Sidie, | danke für die Balladen der Lasker-Schüler: nein, nein, – ich möchte bellen wie sie’s neulich that: ›schlecht, schlecht‹, aber ich habe nicht ganz die Stimme dafür.« (Rainer Maria Rilke und Sidonie Nádherný von Borutin: Briefwechsel 1906–1926. Hg. und kommentiert von Joachim W. Storck unter Mitarbeit von Waltraud und Friedrich Pfäfflin [Bibliothek Janowitz. Hg. von Friedrich Pfäfflin (Bd. 7)]. Göttingen: Wallstein Verlag, 2007, S. 187.) Else Lasker-Schüler und Rilke dürften sich am 5. Oktober in Hellerau begegnet sein.

23. Oktober (Donnerstag) • Besuch eines Vortragsabend im literarischen Kabarett »Gnu«: »Else Lasker-Schüler protestierte als erste – mit einer weiblich prachtvollen Notwendigkeit – gegen Hillers Ausspruch: ›Blass … (der Dichter Ernst Blass) goethisch‹. – Ich sah, wie von diesem Moment ab sämtliche Köpfe und Gesten nach denen der Lasker sich orientierten. Wobei ein Herr von der Presse ein unterdrücktes Nießen und die damit verbundene Kopfbewegung der Lasker mißverstand, geräuschvoll zu protestieren begann. Als die Lasker unvermutet im selben Augenblick ›Bravo‹ rief … verfiel der Herr in ein – wenn schon! – skeptisches Klatschen. Mit dem Pech, es auf Stellen auszudehnen, wo … | Nach der nächsten Pause saß er näher bei der Lasker.« (Egmont Seyerlen: »Gnu«. In: Der Merker [Wien]. Jg. 5, H. 103/4 vom Januar 1914, S. 65–67 [»Rundschau. Berlin«].)

31. Oktober (Freitag) • Ludwig von Ficker (1880–1967) schreibt an Carl Dallago (1869–1949): »Aus Else-Lasker-Schüler werde ich den kl. Beiträgen in ›Aktion‹ nach, nicht recht klug …« (Ludwig von Ficker: Gesamtbriefwechsel. Kommentierte Online-Edition; Nachlass Ludwig von Ficker, Signatur: 041-006-039-004). Die Briefstelle bezieht sich auf Else Lasker-Schülers Veröffentlichung der »Briefe und Bilder« in der »Aktion«.

1. November (Samstag) • In Nr. 2 der Zeitschrift »Revolution« (München), die im Verlag von Heinrich F. S. Bachmair (1889–1960) erscheint, wird Else Lasker-Schüler im Verzeichnis der Mitarbeiter aufgeführt.

Zweite Novemberhälfte • Reise nach Moskau und Sankt Petersburg. Else Lasker-Schüler besucht Senna Hoy (urspr. Johannes Holzmann) (1882–1914) im Gefängnis und bemüht sich – vergeblich – um dessen Freilassung.

18. November (Dienstag) • Aus Moskau schreibt Else Lasker-Schüler an ihren Sohn Paul: »Viele Küsse! mein Kind. | Bald retour. | Mutter | Wohne: Moskau. | Pokrowka. Haus Titoff. | Quartier 20. || Deutschland | Herrn Paul | Walden | Adr: Dr. med. Jollowicz | Hellerau bei Dresden | Tännischtweg. 8 | Waldhaus«.

Moskau
Moskau
The National Library of Israel (Jerusalem), Arc. Ms. Var. 501 (Else Lasker-Schüler Archive), File 4:37. – Dem Datum des Poststempels »5. XI. 1913« entspricht im gregorianischen Kalender der 18. November.

30. November (Sonntag) • Wieland Herzfelde (1896–1988) wendet sich in einem Brief an Else Lasker-Schüler, dessen Wortlaut er im Tagebuch festhält. Der Anfang lautet: »Liebe Else Lasker-Schüler, | zuerst will ich mich vorstellen. Ich bin siebzehneinhalb Jahre alt, Unterprimaner, Freund der Künste und der Kultur, hoffe, ein Dichter zu werden, wohne in Wiesbaden, Oranienstraße 43, II, in Pension. Ich bin 1,65 groß, habe dunkelbraune Haare, blaue, runde Augen mit großen schwarzen Pupillen, braune Haut und einen länglichen Kopf. Ich bin auf die Zeitschriften ›Sturm‹, ›Aktion‹, ›Anfang‹, ›Revolution‹ und auf die ›Weißen Blätter‹ abonniert. Mit mir bin ich zufrieden, ausgenommen meine Primanerwürde, deretwegen ich mich fast an keinem Morgen richtig ausschlafen kann.« (Wieland Herzfelde: Kürzlich vor 60 Jahren. In: Sinn und Form. Jg. 27 [1975], H. 2, S. 371–384.)

28. Dezember (Sonntag) • Erich Mühsam an Margarethe Faas-Hardegger (1882–1963): »Inzwischen hat Else Lasker-Schüler mir mal wegen Senna Hoy geschrieben. Sie war bei ihm, und will eine Aktion zu seiner Befreiung unternehmen. Ich glaube nicht dran. Sie hat eine prachtvolle seelenhafte Intensität, – aber als reale Kraft versagt sie.« (Erich Mühsam: In meiner Posaune muß ein Sandkorn sein. Briefe 1900–1934. Hg. von Gerd W. Jungblut. Bd. 1–2. Vaduz: Topos Verlag, 1984. Bd. 1, S. 158.)

1914

11. Januar (Sonntag) • Else Lasker-Schüler besucht Martin Buber (1878–1965). Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 6. – Im Gespräch kommt es zu einem Missverständnis über Stefan George (1868–1933), den Else Lasker-Schüler für einen Juden hält. Im Anschluss an ihren Besuch schreibt sie in einem undatierten Brief an Martin Buber: »Ein Wolf war bei Ihnen – ein Oberpriester mit gepfeilten Zähnen, ein Basileus mit einem Wildherzen, eine Faust die betet, ein Meer ohne Strand, ein Bett, das sich auftrank – und – Sie sprachen von Literatur – Sie lasen Gedichte und ich mag das nicht. Sie schämen sich, daß George Jude ist – und sind der Herr von Zion? Ich hasse die Juden, da ich David war oder Joseph – ich hasse die Juden, weil sie meine Sprache mißachten, weil ihre Ohren verwachsen sind und sie nach Zwergerei horchen und Gemauschel.« Buber antwortet am 17. Januar: »Ich bin also gar nicht ›bös‹, auch nicht über die Absurdität, die Sie mir George gegenüber andichten. Können Sie wirklich nicht begreifen, dass jemand, der das Judentum mit Zorn und Sehnsucht liebt, die Methode nicht mitmacht, Leute zu Juden zu ernennen, die es nicht sind? George ist doch nicht mehr als ein Jude, sondern nur anders als ein Jude.« (KA, Bd. 7, S. 11 f. und 328.)

16. Januar (Freitag) Frank Wedekind notiert im Tagebuch (Münchner Stadtbibliothek – Monacensia, Nachlass Frank Wedekind): »Im Café des Westens Else Lasker Schüler | getroffen.« (Transkription auf der Homepage der Frank Wedekind-Gesellschaft.)

19. Januar (Montag) • »Else Lasker-Schüler veranstaltet einen Vortragsabend mit Vorlesung neuer Dichtungen am 19. Januar im Salon Paul Cassirer.« (Berliner Tageblatt. Jg. 43, Nr. 9 [Abend-Ausgabe] vom 6. Januar 1914 [»Kleine Mitteilungen«].)

20. Januar (Dienstag) • Else Lasker-Schüler schließt mit dem »Verlag der Weißen Bücher« einen Vertrag (Deutsches Literaturarchiv Marbach [Zugangsnummer: 93.65.32]) über ihre »im Laufe der nächsten 3 Jahre verfassten Bücher«. Der Vertrag sichert ihr »auf ein Jahr vom 1. Januar 1914 bis 31. Dezember 1914 monatlich M 100,–« zu, »die als Vorschuss auf die einzelnen Bücher, über die je ein besonderer Vertrag zu machen ist, verrechnet werden.« Der »Verlag der Weißen Bücher« war 1913 von Erik-Ernst Schwabach (1891–1938) zusammen mit Kurt Wolff in Leipzig gegründet worden.

25. Februar (Mittwoch) • Im Brief an Kurt Wolff erwähnt Else Lasker-Schüler erstmalig das Manuskript ihrer »Gesammelten Gedichte«, die kriegsbedingt allerdings erst 1917 im »Verlag der Weißen Bücher« erscheinen. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 22.

9. März (Montag) • »Karl Vogt vom Königlichen Schauspielhause veranstaltet am 9. März im Meistersaal, Köthenerstraße einen Balladenabend, an dem Gedichte von Herder bis Else Lasker-Schüler zum Vortrag kommen.« (Die Aktion. Jg. 4, Nr. 6 vom 7. Februar 1914, Spalte 132 [»Balladenabend«].)

12. März (Donnerstag) • Aus Berlin schreibt Johannes R. Becher (1891–1958) an Heinrich F. S. Bachmair: »Hast Du von der Schlacht im C. d. W. [Café des Westens] in der Zeitung gelesen. Es war mein Debut. Ich bin hier mit Frau Jung [d. i. Cläre M. Jung] zusammen. E. [d. i. Emmy Hennings] und Frau Jung prügelten sich, Hardekopf [d. i. Ferdinand Hardekopf] und Else L. mischten sich drein, später das ganze Café. Ich und fünf andere Teilnehmer wurden auf kurze Zeit verhaftet. Gestern Frieden und Versöhnung bei Sekt und Kurtz [d. i. Rudolf Kurtz].« (Johannes R. Becher und Heinrich F. S. Bachmair: Briefwechsel 1914–1920. Briefe und Dokumente zur Verlagsgeschichte des Expressionismus. Hg. von Maria Kühn-Ludewig [Regensburger Beiträge zur deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft. Bd. 3]. Frankfurt am Main, Bern, New York: Peter Lang, 1987, S. 38 f.)

24. März (Dienstag) • Else Lasker-Schüler und Franz Werfel lesen in der »Frankfurter Loge«. Den Verlauf des Abends hält der junge Wieland Herzfelde im Tagebuch fest: »Plötzlich wurde es dunkel und Frau Lasker-Schüler trat vor die Bühne. Der erste Eindruck übertraf weitaus meine Erwartungen. Sie hatte ein blaues Seidengewand an. Weite Hosen, silberne Schuhe, eine Art weite Jacke, die Haare wie Seide, tiefschwarz, wild zuweilen, dann wieder sinnlich sanft.« Weiter heißt es: »Ich dachte immer, sie spräche sanft, traurig, träumend. Hart, gläsern waren ihre Worte. Wie Metall glühten sie. Niemals bebten sie. Und ganz plötzlich brachen die Gedichte immer ab. Man erschrak jedesmal. Ich mußte mich erst gewöhnen. Das war kein Sprechen, das war Singen, ekstatisch, ewig tönend, wie das Zaubergebet eines orientalischen Propheten.« (Wieland Herzfelde: Else Lasker-Schüler. Begegnungen mit der Dichterin und ihrem Werk. In: Sinn und Form. Jg. 21 [1969], H. 6, S. 1294–1325, Zitate S. 1307.)

1. April (Mittwoch) • Karl Kraus liest in Berlin im Großen Saal des Architektenhauses aus eigenen Schriften. Am 31. März schreibt Else Lasker-Schüler aus Frankfurt am Main an Karl Kraus: »Ich bin am 1. zur Vorlesung in Berlin und komme selbstredend.« (KA, Bd. 7, S. 26.)

11. April (Samstag) • Erster Brief an Georg Trakl (1887–1914): »Ich schreibe morgen einen Brief, aber ich muß Ihnen nun schon viele, viele [Stern] Male danken für Ihr schön, tief Buch.« (KA, Bd. 7, S. 28.) 1913 war von Georg Trakl bei Kurt Wolff in Leipzig das Buch »Gedichte« (Bücherei »Der Jüngste Tag« Bd. 7/8) erschienen. – Trakl hatte in der zweiten Märzhälfte 1914 seine Schwester Margarethe (Grete) Langen (1891–1917) in Berlin besucht und dürfte bei dieser Gelegenheit Else Lasker-Schüler getroffen haben.

25. April (Samstag) • »8. Autorenabend der Aktion. Sonnabend, den 25. April, im Vortragssaal Austria, Potsdamer Straße 28. Programm: Else Lasker-Schüler: Neue Novellen. Jakob van Hoddis: Verse. Alfred Lichtenstein: Aus neuen Manuskripten. Adolf Knoblauch: Übertragungen aus William Blake. Mynona: Polare Grotesken.« (Die Aktion. Jg. 4, Nr. 17 vom 25. April 1914, Spalte 376.)

28. April (Dienstag) • Senna Hoy stirbt in einem Gefängniskrankenhaus in der Nähe von Moskau.

1. Mai (Freitag) • In der Zeitschrift »Der Brenner« (Innsbruck) (Jg. 4, H. 14/15, S. 636–641) erscheint Georg Trakls Gedicht »Abendland« mit der Widmung: »Else Lasker-Schüler in Verehrung«.

8. Mai (Freitag) • Aufenthalt in Leipzig. Else Lasker-Schüler besucht Walter Hasenclevers Lesung seines Schauspiels »Der Sohn«. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 47 und 54.

11. Mai (Montag) • Senna Hoy wird – in Anwesenheit Else Lasker-Schülers – auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee beigesetzt. – Am 10. Mai war im »Berliner Tageblatt« (Jg. 43, Nr. 235 [Morgen-Ausgabe], 2. Beiblatt) folgende Anzeige erschienen: »Die Bestattung meines geliebten Sohnes | Johannes Holzmann | findet am Montag, den 11. Mai nachmittags 3 Uhr von der neuen Trauerhalle des jüdischen Friedhofes in Weissensee aus statt. | Frau Jeanette Holzmann geb. Herzog.«

16. Mai (Samstag) • Gedenkfeier für Senna Hoy: »Zum Gedächtnis Senna Hoys findet Sonnabend, den 16. Mai in Berlin eine öffentliche Versammlung statt, in der Else Lasker-Schüler und Franz Pfemfert sprechen werden. Das Lokal wird durch Anschlagssäulen noch bekannt gegeben.« (Die Aktion. Jg. 4, Nr. 20 vom 16. Mai 1914, Spalte 444.)

30. Mai (Samstag) • Else Lasker-Schüler schreibt an den Bildhauer Fritz Huf (1888–1970) und den mit ihm befreundeten Architekten Hanns Hirt: »Sowie ich kann, kauf ich mir einen Abguß. Bin überzeugt, daß viele Leute sich einen Abguß kaufen wenn ausgestellt. Ich werde mal Karl Kraus die Photographie zur Ansicht senden und noch Leuten.« In einer Nachschrift merkt Paul Lasker-Schüler an: »Ich habe noch niemals einen so kollosalen Kopf wie den meiner Mutter gesehen. Es ist so etwas Orientalisch-Kaiserliches, Kraftvolles drin und ich bitte Sie, mir eine Pfotographie von dem Kopf nach Berlin zu schicken.« (KA, Bd. 7, S. 49.) Nach Else Lasker-Schülers eigener Darstellung in dem Essay »Fritz Huf« hatte sie im März bei ihrem Aufenthalt in Frankfurt am Main Fritz Huf Modell gesessen. Die von ihm geschaffene Büste ist verschollen. Kasimir Edschmid (1890–1966) erwähnt die Büste in seinem Aufsatz »Der Bildhauer Fritz Huf« (Die Rheinlande. Jg. 16 [Bd. 26], H. 5 vom Mai 1916, S. 157–164, Zitat S. 160): »Huf hat sehr viele Porträts geschaffen; es vereinigen sich hier zwei Fähigkeiten, die oft nur getrennt zu finden sind. Er benutzt den Sujetkopf nicht als Anlaß zu irgendwelchen plastischen Kapriolen, hinter denen vielleicht noch eine undefinierbare Spur des Modells dämmert, er begnügt sich anderseits auch keineswegs mit Ähnlichkeit. Er schafft eine Synthese, ein Untrennbares aus beidem: eine eigenwillige Schöpfung aus den charakteristischsten Formen des Sujets, einen glänzenden Niederschlag von Seele und Linien. So unter anderem die Köpfe Spittlers, des Malers Soldenhoffs, Ottomar Starkes, der Lasker-Schüler.«

27. Juni (Samstag) • Else Lasker-Schüler reist für einige Tage nach Leipzig. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 72.

30. Juni (Dienstag) • Gespräch mit Franz Werfel, damals Lektor beim Verlag Kurt Wolff in Leipzig. Franz Kafka notiert im Tagebuch: »Lasker-Schüler belegt Werfel« (Franz Kafka: Tagebücher. Bd. 2: 1912–1914. In der Fassung der Handschrift [Gesammelte Werke in zwölf Bänden. Nach der Kritischen Ausgabe hg. von Hans-Gerd Koch. Bd. 10]. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1994, S. 164).

6./7. Juli (Montag/Dienstag) • Walter Benjamin (1892–1940) schreibt an Herbert Blumenthal (später Belmore) (1893–1978): »Ich war im Café des Westens um Bekannte zu treffen und saß dort lange und traf sie nicht. […] Dann sah mich Else Lasker-Schüler und bat mich an ihren Tisch; da saß ich ¼ Stunde zwischen zwei jungen Leuten wortlos. Man trieb etwas irrsinnige Späße, die Frau Lasker sehr freuten. Sie kennt mich von einem einstündigen Gespräch, das wir neulich halb aus Zufall führten. Sie ist im Umgang leer und krank – hysterisch.« (Walter Benjamin: Gesammelte Briefe. [Hg. vom Theodor W. Adorno Archiv.] Bd. 1. 1910–1918. Hg. von Christoph Gödde und Henri Lonitz. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1995, S. 241.)

Mitte Juli – Ende September • Aufenthalt in München. Else Lasker-Schüler wohnt in der Pension Modern, Theresienstraße 80.

14. Juli (Dienstag) • Ludwig Wittgenstein (1889–1951) schreibt an Ludwig von Ficker: »Verzeihen Sie, daß ich Sie mit einer großen Bitte belästige. Ich möchte Ihnen eine Summe von 100,000. Kronen überweisen und Sie bitten, dieselbe an unbemittelte österreichische Künstler nach Ihrem Gutdünken zu verteilen. Ich wende mich in dieser Sache an Sie, da ich annehme, daß Sie viele unserer besten Talente kennen, und wissen, welche von ihnen der Unterstützung am bedürftigsten sind. Sollten Sie geneigt sein mir meine Bitte zu erfüllen, so bitte ich Sie, mir an die obige Adresse zu schreiben, in jedem Falle aber die Sache bis auf weiteres geheim halten zu wollen.« (Ludwig von Ficker: Gesamtbriefwechsel. Kommentierte Online-Edition; Nachlass Ludwig von Ficker, Signatur: 041-053-051-001.) Aus Wittgensteins Spende erhält Else Lasker-Schüler 5.000 Kronen.

15. Juli (Mittwoch) • Unmittelbar nach ihrer Ankunft in München besucht Else Lasker-Schüler Ludwig von Ficker in Innsbruck. Sie schreibt am 13. Juli an Ludwig von Ficker: »Mein Paul und ich kommen Mittwoch«, und dankt am 18. Juli »für den netten Abend« (KA, Bd. 7, S. 57).

28. Juli (Dienstag) • Österreich-Ungarn erklärt Serbien den Krieg: Beginn des Ersten Weltkriegs.

29. Juli (Mittwoch) • Hugo Ball (1886–1927) an die Schwester Maria Hildebrand (1881–1952): »Else Lasker ist hier (meine Freundin, der Prinz von Theben). Wir gehen heute abend in ›Franziska‹.« (Briefe 1904–1927. Bd. 1, S. 59.) Aus Anlass von Frank Wedekinds 50. Geburtstag veranstalteten die Münchner Kammerspiele einen Wedekindzyklus.

21. August (Freitag) • Ludwig von Ficker schreibt an Ludwig Wittgenstein: »Eminent bedürftig jedoch ist, wie ich zur Beruhigung meines Gewissens nicht nachdrücklich genug betonen kann, die Lasker-Schüler. Sie ist lediglich auf ihren geringen schriftstellerischen Erwerb und gelegentliche Unterstützungen mildtätiger Freunde angewiesen und hat dabei für einen dreizehnjährigen Sohn zu sorgen, für den sie von ihrem geschiedenen Gatten, der selbst nicht viel erübrigen kann, nur einen Unterhaltsbeitrag von monatlich 50 Mark erhält. Hier also glaube ich wäre vor allem ein gutes Werk zu tun. | […] | Mein Vorschlag geht also dahin: Zunächst 30000 Kronen zu reservieren zur Aufteilung zwischen Rilke, Lasker-Schüler, Kokoschka. Und zwar wäre Rilke, falls seine Bedürftigkeit feststeht, mit einem Mindestteilbetrag von 15000 Kronen zu bedenken, während der übrige Betrag in der gleichen Höhe zwischen Frau Lasker-Schüler und Kokoschka entsprechend dem Grad ihrer Bedürftigkeit zu verteilen wäre.« (Ludwig von Ficker: Gesamtbriefwechsel. Kommentierte Online-Edition; Sammlung Ludwig Wittgenstein, Signatur: 11/11.3.)

Ende September • Else Lasker-Schüler bezieht ein Zimmer in Wilmersdorf in der Pension Margarethe, Schaperstraße 4.

4. Oktober (Sonntag) • Ludwig von Ficker schreibt an Ludwig Wittgenstein: »Sonst konnte ich bis heute nur noch Else Lasker-Schüler verständigen, daß sie einige Tausend Kronen zu erwarten hat. Ihr Dank-Telegramm (sie unterzeichnet immer als ›Prinz von Theben‹) lege ich ebenfalls bei.« (Ludwig von Ficker: Gesamtbriefwechsel. Kommentierte Online-Edition; Sammlung Ludwig Wittgenstein, Signatur: 11/11.5.) Überliefert ist lediglich ein undatierter Brief Else Lasker-Schülers an Ludwig von Ficker (KA, Bd. 7, Nr. 93).

13. Oktober (Dienstag) • Die Österreichische Credit-Anstalt, Innsbruck, teilt Ludwig von Ficker mit, dass sie »an die Deutsche Bank, Berlin, zu Gunsten der Frau Else Lasker-Schüler« 5.000,10 Kronen (3.846,15 Reichsmark) überwiesen habe (Ludwig von Ficker: Gesamtbriefwechsel. Kommentierte Online-Edition; Nachlass Ludwig von Ficker, Signatur: 041-035-035-001). Das Geld stammt aus der Spende Ludwig Wittgensteins.

20. und 21. Oktober (Dienstag und Mittwoch) • Else Lasker-Schüler dankt Ludwig von Ficker – zunächst telegrafisch, dann brieflich – für die Übersendung ihres Anteils aus der Spende Ludwig Wittgensteins. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 95 und 96.

Anfang November • Else Lasker-Schüler wechselt in die Pension Benecke, Nürnberger Straße 46, ebenfalls in Wilmersdorf gelegen.

3. November (Dienstag) • Georg Trakl stirbt in einem Krakauer Militärhospital.

17. Dezember (Donnerstag) • Franz an Maria Marc: »Nun, brennt Ihr Euch ein paar Lichtchen; ich zünd die meinen auch an u. das kl. Bäumchen von Lasker.« (Briefe aus dem Feld, S. 49.)

1915

21. Februar (Sonntag) • Franz an Maria Marc: »Von Lasker bekam ich einen hübschen Brief; sie beklagt sich, daß ihr die Menschen immer ›Kartoffeln auf die Zacken ihrer Krone stecken‹.« (Briefe aus dem Feld, S. 61 f.)

März • Else Lasker-Schüler wohnt vorübergehend zur Untermiete (»Bei Frau Kroll«) in Charlottenburg in der Nürnberger Straße 26. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 128.

April – Mitte Juni • Else Lasker-Schüler wohnt in Schöneberg in der Pension Bayreuth, Kleiststraße 22.

Mitte Juni – September • Aufenthalt in Kolberg. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 141–151. – Else und Paul Lasker-Schüler wohnen in »Sanitätsrat Dr. Hirschfeld’s Familienpension«, Promenade 23, die von Agnes Hirschfeld, einer Schwester des Sexualwissenschaftlers Magnus Hirschfeld (1868–1935), geleitet wird. Nach deren Tod übernimmt Jenny Hauck (1875–1937), die jüngste Schwester von Magnus Hirschfeld, die Leitung der Pension und benennt sie zu Ehren ihrer Schwester in »Villa Agnes« um.

28. Juli (Mittwoch) • Tod Hans Ehrenbaum-Degeles an der Ostfront.

30. Juli (Freitag) • Franz an Maria Marc: »Lasker kann man nicht nur hysterisch od. neurotisch nehmen, – dazu ist sie zu edel begabt; aber sie ist schon längst tot, überwuchert u. verwildert, ›entartet‹.« (Briefe aus dem Feld, S. 100.)

Herbst • Paul Lasker-Schüler erhält in München Privatunterricht zur Förderung seiner künstlerischen Begabung. Sein Lehrer ist Hermann Groeber (1865–1935), Maler und Professor an der dortigen Kunstakademie. Paul wohnt in der Pension Fürmann in Schwabing, Belgradstraße 57. Am 1. Oktober schreibt Else Lasker-Schüler an Maria Marc: »Mein Paulchen ist bei Führmann in München – studiert Malen.« (KA, Bd. 7, S. 99.)

1. Oktober (Freitag) • Im Brief an Maria Marc (KA, Bd. 7, Nr. 153) ist als Korrespondenzanschrift das Postamt Marburger Straße (Berlin W 50) angegeben. Bis zu ihrem Einzug in das Hotel »Koschel« Ende 1918 verzichtet Else Lasker-Schüler meist auf die Angabe einer Wohnadresse und lässt sich ihre Post in die Marburger Straße schicken.

13. Oktober (Mittwoch) • Franz an Maria Marc: »Liebste, wie schön ist das kurze Gedicht von Lasker-Sch. auf Senna Hoy’s Tod; sie ist doch eine große Künstlerin, deren Stärke immer wieder über ihre großen Schwächen triumphirt.« (Briefe aus dem Feld, S. 114.)

26. Oktober (Dienstag) • Die ersten Korrekturen der »Gesammelten Gedichte« liegen vor. Ein Korrekturbogen im Nachlass Else Lasker-Schülers trägt den Stempel: »W. DRUGULIN | 26 OKT. 1915« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 2:134).

5. Dezember (Sonntag) • Franz an Maria Marc: »Beiliegend Brief von Lasker. Sie interessirt mich nicht mehr. Vielleicht freut sie mich wieder mehr, wenn ich sie sehe; meinen Brief hat sie natürlich nicht verstanden od. verstehen wollen; das thut mir um Paulchens willen leid, den ich eigentlich sehr gern habe; ich seh merkwürdig stark mich in seinem Gesicht. Ich war auch so altklug, menschenkennerhaft und ›langweilte‹ mich überall. Meine Zeichnungen waren auch unkünstlerisch, wenn sie auch steifer waren, – ich machte im Gegensatz zu P. höchstens eine kleine Zeichnung pro Monat! Aber es ist etwas in Pauls Gesicht, was mich u. meine Knabenerinnerungen u. Heimlichkeiten sehr berührt u. das ich an ihm liebe. Ich hatte meinen Vater u. was war mir dieser merkwürdige, philosophische Mensch! Und Paul hat gar keinen Vater!!« (Briefe aus dem Feld, S. 137.)

Mitte Dezember • Eröffnung einer Ausstellung von Zeichnungen Else Lasker-Schülers. Diese findet in den Berliner Räumen des Graphik-Verlags am Pariser Platz statt und wird bis zum 26. Januar 1916 gezeigt.

1916

Mitte Januar • Lesung in den Räumen des Graphik-Verlags: Else Lasker-Schüler »las im Graphik-Verlag, in dem sich jetzt eine Ausstellung ihrer kleinen, anspruchslosen, aber sehr persönlichen Zeichnungen befindet, in einem verdunkelten Raume aus ihren Gedicht- und Prosabüchern vor. […] Wie eine Klage sprach sie zuerst Gedichte auf tote Freunde und hierauf hebräische Balladen, vollkommene Stücke wie den ›Tibetteppich‹ und Prosa, in der sie mit einem melancholischen Witz sich mit ihrer eigenen Existenz voll Not und Sehnsucht zu versöhnen sucht.« (F. St.: Else Lasker-Schüler. In: Vossische Zeitung [Berlin]. Nr. 38 [Abend-Ausgabe] vom 21. Januar 1916.)

6. Februar (Sonntag) • Cabaret Voltaire, Zürich: »Verse von Kandinsky und Else Lasker.« (Hugo Ball: Die Flucht aus der Zeit. Unter Verwendung umfangreicher Vorarbeiten von Ernst Teubner hg. und kommentiert von Eckhard Faul und Bernd Wacker [Sämtliche Werke und Briefe. Hg. von der Hugo-Ball-Gesellschaft, Pirmasens. Bd. 3]. Göttingen: Wallstein Verlag, 2018, S. 67.)

4. März (Samstag) • Tod Franz Marcs bei Verdun. Am 9. März erscheint im »Berliner Tageblatt« (Jg. 45, Nr. 126 [Morgen-Ausgabe]) von Else Lasker-Schüler der Nachruf »An Franz Marc« (später »Franz Marc«).

20. März (Montag) • Else Lasker-Schüler liest in München in der Wohnung Alfred Richard Meyers (1882–1956). Thea Sternheim (1883–1971) notiert im Tagebuch: »Man stelle sich vor: Eine in den Dreissigern stehende Frau mit kurzen Haaren und auffallend stumpfen Fingern, zerzaust, wie durch Betten gerollt, liest in verdunkeltem Raum beim Schein zweier Kerzen vor einer Kalas [?] einigen zwanzig Leuten, die erschüttert scheinen ihre jüdischen Balladen vor. Ich hörte da ich erst zum Schlusse der Vorlesung kam nur noch zwei. Sie beeindruckten mich ebenfalls, aber die Aufmachung der Frau ist nicht geeignet mich anzuziehen.« (Thea Sternheim: Tagebücher 1903–1971. Hg. und ausgewählt von Thomas Ehrsam und Regula Wyss im Auftrag der Heinrich Enrique Beck-Stiftung. Bd. 1: 1903–1925. Göttingen: Wallstein Verlag, 2002, S. 329.)

22. März (Mittwoch) • Lesung in München im »Kunstsaal Steinicke«.

April – Mai • Das Hagener Folkwang-Museum übernimmt die zuvor in Berlin gezeigte Ausstellung von Zeichnungen Else Lasker-Schülers.

Mai • Else Lasker-Schüler gibt als Wohnadresse die Pension Bayreuth, Nürnberger Straße 62, an. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 173–175.

9. Mai (Dienstag) • Karl Ernst Osthaus (1874–1921), der Gründer und Leiter des Folkwang-Museums, teilt Else Lasker-Schüler mit, dass er die beiden Zeichnungen »Karl Kraus« und »Jussufs Häuptlinge« an seine Kusine Elisabeth Harkort verkauft habe. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 174.

13. Mai (Samstag) • Else Lasker-Schüler wendet sich an die Deutsche Schillerstiftung in Weimar: »Nun bin ich noch dazu so erschöpft und möchte mich zwei Monate mal erholen und ich wende mich an Sie, liebe, gute Stiftung und freute mich wenn Sie mir helfen wollen.« (KA, Bd. 7, S. 111.) – Die Akte Else Lasker-Schüler ist im Goethe- und Schiller-Archiv nicht vorhanden, sie wurde in den dreißiger Jahren von der Schillerstiftung zur Vernichtung ausgesondert.

• »Die neuen Literarischen Vortragsabende der Berliner Sezession finden im Rahmen der Frühjahrs-Ausstellung unter künstlerischer Leitung von Felix Stössinger wochentags abends zu niedrigen Eintrittspreisen statt und sind moderner Dichtung gewidmet. Am ersten Abend, Sonnabend, 13. d. M., um ¾ 9 Uhr, lesen aus eigenen Werken Else Lasker-Schüler, Theodor Däubler und Albert Ehrenstein.« (Berliner Börsen-Zeitung. Jg. 61, Nr. 219 [Morgen-Ausgabe] vom 11. Mai 1916, 1. Beilage, S. 8.)

6. Juni (Dienstag) • Der aus Elberfeld gebürtige Schriftsteller Peter Baum stirbt als Soldat im Baltikum.

Mitte Juli – Mitte August • Aufenthalt in Warnemünde.

Mitte August • Else Lasker-Schüler gibt als Wohnadresse die Pension Bayreuth, Nürnberger Straße 62, an. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 195 und 196.

22. September (Freitag) • »Zweiter Autorenabend der ›Neuen Jugend‹, Berlin, 22. September 1916, im Graphischen Kabinett Neumann, Kurfürstendamm 232 | Es lasen: Johannes R. Becher, Else Lasker-Schüler, Theodor Däubler, Wieland Herzfelde, George Grosz.« (Der Almanach der Neuen Jugend auf das Jahr 1917. Hg. von Heinz Barger. Berlin: Verlag Neue Jugend [1916], S. [185].) – Im Septemberheft der »Neuen Jugend« war folgende Ankündigung erschienen: »Autorenabend der ›Neuen Jugend‹. Es werden im kommenden Herbst und Winter eine Anzahl Vortragsabende von den Autoren der ›Neuen Jugend‹ veranstaltet. Es sollen aus eigenen Arbeiten lesen: Theodor Däubler, Johannes R. Becher, Albert Ehrenstein, Georg Grosz, Else Lasker-Schüler, Ferdinand Hardekopf, Wieland Herzfelde usw., sowie namhafte Führer der Jugendbewegung, unter ihnen Gustav Landauer, Ernst Joël, Hans Blüher und einige Mitarbeiter des ›Anfangs‹ und des ›Aufbruchs‹. Die Abende werden in Berlin und in München stattfinden und von Wieland Herzfelde geleitet.« (Neue Jugend. Monatsschrift [Berlin]. Jg. 1, H. 9 vom September 1916, S. [186].)

26. September (Dienstag) • Lesung in München im »Salon für Neue Kunst« Hans Goltz: »Der zweite der Abende für Neue Literatur im Kunstsalon Hans Goltz, Briennerstraße 8, an dem Else Lasker-Schüler aus ihren Dichtungen vorliest, beginnt pünktlich abends 8 Uhr.« (Münchner Neueste Nachrichten. Jg. 69, Nr. 490 [Morgen-Ausgabe] vom 26. September 1916, S. 3 [»Literatur und Kunst«].) Die Lesung findet aus Anlass einer Ausstellung von Zeichnungen Else Lasker-Schülers statt.

23. Oktober (Montag) • Lesung in München im »Musiksaal Alfred Schmid Nachf.«

2. November (Donnerstag) • Über Theodor Däubler (1876–1934), der am 27. Oktober in München gelesen hatte, schreibt Rainer Maria Rilke an Katharina Kippenberg (1876–1947): »Denken Sie, daß er mir nichts gegeben hat, als noch einmal, nun vom Persönlichen aus, die erschütternde Verschüttung mit der seine Gedichte, je mehr ich davon lese, mich überstürzen, bis ich unter ihnen, wie unter Gerölle, verschwunden bin. Genau die gleiche Pein bereitete mir sein unaufhaltsam hereinbrechendes Lesen, erst Aschenregen, und dann Schutt und schließlich ein Untergegangensein unter einem maßlosen Übergewicht schlackenhafter Wort-Monstren. Ich war nicht imstande, ihm hernach die Hand zu reichen, worauf Else Lasker-Schüler es im Stillen angelegt hatte; denn trotz des äußersten Ernstes und trotz der Macht seines Wesens, empfand ich nur Ratlosigkeit zu ihm und eine fast schmerzhafte Enttäuschung, nach soviel gutgewolltem Versuch, an ihm zu scheitern.« (Rainer Maria Rilke und Katharina Kippenberg: Briefwechsel. Mit acht Abbildungen und zwei Faksimiles. Hg. von Bettina von Bomhard. Wiesbaden: Insel-Verlag, 1954, S. 178 f.)

17. November (Freitag) • »Fünfter Autorenabend der ›Neuen Jugend‹, München, 17. November 1916, im Prinzensaal, Briennerstraße | Es lasen: Theodor Däubler, Johannes R. Becher, Else Lasker-Schüler, George Grosz, Wieland Herzfelde (durch Ado von Bernt), Franz Held (durch Ado von Bernt).« (Der Almanach der Neuen Jugend auf das Jahr 1917. Hg. von Heinz Barger. Berlin: Verlag Neue Jugend [1916], S. [185].) – In der »Neuen Jugend« zudem der Hinweis, dass der Abend »in den Prinzensälen des Café ›Luitpold‹« stattgefunden habe: »Der Kunstsalon Goltz leitete den Abend.« (Neue Jugend. Monatsschrift [Berlin]. Jg. 1, H. 11/12 von Februar/März 1917, S. 245.)

18. November (Samstag) • Rainer Maria Rilke an Katharina Kippenberg: »Gestern war der Feind über München; es ist aber ohne größeren Schaden vorübergegangen. Am gleichen Abend las wieder Däubler, zugleich mit einigen jungen Leuten seines Kreises: Becher, Else Lasker-Schüler, George Groß, Herzfelde – nach dem bedrückenden Eindruck neulich, bracht ichs nicht über mich, wieder hinzugehen.« (Rainer Maria Rilke und Katharina Kippenberg: Briefwechsel. Mit acht Abbildungen und zwei Faksimiles. Hg. von Bettina von Bomhard. Wiesbaden: Insel-Verlag, 1954, S. 181 f.)

7. Dezember (Donnerstag) • »Der sechste Autorenabend der ›Neuen Jugend‹ fand am 7. Dezember in Mannheim in der ›Kunsthalle‹ statt. Es lasen Theodor Däubler, Else Lasker-Schüler und George Grosz; für Wieland Herzfelde las Theodor Däubler. | Wir danken Herrn S. Falk, Mannheim, herzlichst für das Zustandekommen dieses Abends.« (Neue Jugend. Monatsschrift [Berlin]. Jg. 1, H. 11/12 von Februar/März 1917, S. 245.)

1917

10. Februar (Samstag) • Martin Buber schreibt an Ludwig Strauß (1892–1953): »Ich möchte im zweiten Jahrgang des ›Juden‹ einige Aufsätze über deutsch-jüdische Dichter bringen. Wollen Sie den über Else Lasker-Schüler übernehmen? Ich erbitte jetzt nur eine allgemeine Zusage; mit dem Schreiben hat’s Zeit, bis Sie wieder mehr Muße haben.« (Briefwechsel Martin Buber – Ludwig Strauß 1913–1953. Hg. von Tuvia Rübner und Dafna Mach. Mit 2 Faksimiles [Veröffentlichungen der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt. 64. Veröffentlichung]. Frankfurt am Main: Luchterhand Literaturverlag, 1990, S. 48.) Ludwig Strauß antwortet am 13. Februar: »Nun Ihre freundliche Aufforderung, über Else Lasker-Schüler zu schreiben. Diese Dame haßt mich überaus und hat mich vielfach beleidigt. Da ich sie als krank ansehe, war es mir sehr leicht, meine sachliche Stellung zu ihrer Arbeit mir unbeirrt zu halten. Nun würde sie sicher (und ebenso die, welche auf sie hören) das überwiegende Lob, das mein Aufsatz enthalten würde und das für manche so enthusiastisch wie meine Liebe zu einigen ihrer Gedichte wäre, als Annäherungsversuch – oder noch schlimmer, als Rache durch ›Edelmut‹ auffassen, jeden Tadel als persönliche Affektäußerung, so ist sie. Mir ist das ja gleich, aber halten Sie es für richtig, einen Aufsatz für einen Künstler auch zu schreiben, wenn man ihn damit verletzt? Ich fühle mich unsicher und erwarte Ihren freundlichen Rat.« (S. 48 f.)

4. März (Sonntag) • Hans Siemsen (1891–1969) im Brief an die Mutter Anna Siemsen: »Ist es möglich, so wäre ich übrigens gern zwei, drei Tage in Berlin. Fiori, E. Lasker-Schüler – ich möchte sie alle doch sehr gerne sehen.« (Hans Siemsen: Schriften III. Briefe von und an Hans Siemsen. Hg. von Michael Föster. Essen: Torso Verlag, 1988, S. 49.)

20. März (Dienstag) • In der »Berliner Secession« findet eine Gedenkfeier für Hans Ehrenbaum-Degele (1889–1915) statt, veranstaltet auf Einladung Else Lasker-Schülers: »In die Sezession lud Else Lasker-Schüler zu einer Gedenkfeier für den gefallenen Dichter Hans Ehrenbaum-Degele. Sie widmete ihm die Wärme einer liebevollen Rede und las einige ihrer Liebeslieder, die der tote Freund besonders gepriesen hat.« (Berliner Tageblatt. Jg. 46, Nr. 148 [Morgen-Ausgabe] vom 22. März 1917.)

12. April (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler gibt als Wohnadresse die Pension Voss, Rankestraße 7, an. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 224.

18. Mai (Freitag) • Lesung im Berliner Architektenhaus.

Anfang Juli • Paul Lasker-Schüler reist von Berlin nach Kreuzlingen am Bodensee und hält sich vorübergehend im Sanatorium Bellevue des Schweizer Psychiaters Ludwig Binswanger (1881–1966) auf.

10. Juli (Dienstag) • Else Lasker-Schüler gibt als Wohnadresse die Pension Voss, Rankestraße 7, an. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 238.

Ende Juli • »Die gesammelten Gedichte« erscheinen in Leipzig im »Verlag der Weißen Bücher«.

Mitte August – Anfang Oktober • Aufenthalt in Köln.

24. August (Freitag) • Paul Lasker-Schüler wird – am Tag seines achtzehnten Geburtstags – in das von Hans Huber geleitete Sanatorium Kilchberg aufgenommen. Er bleibt dort bis Anfang November und hält sich anschließend zunächst in Zürich, dann in Locarno auf.

22. September (Samstag) • Lesung in Köln »in einem Sälchen des Hotels Großer Kurfürst« ([Anonym:] Else Lasker-Schüler. In: Kölnische Zeitung. Nr. 915 [Abend-Ausgabe] vom 24. September 1917).

Mitte Oktober • Von Köln aus reist Else Lasker-Schüler zu ihrem ersten Aufenthalt in der Schweiz.

17. Oktober (Mittwoch) • Anmeldung bei der Fremdenpolizei in Zürich. Else Lasker-Schüler legt einen am 9. Oktober in Köln ausgestellten Pass vor. Sie wohnt im »Elite Hotel« in der Bahnhofstrasse 41.

November • Hugo Ball an Emmy Hennings: »Was Du von Else Lasker sagst, ist ja hoch interessant. Ich bin sehr neugierig, mit ihr zu sprechen. Und es ist schön von ihr, dass sie so kräftig meine Partei nimmt.« (Briefe 1904–1927. Bd. 1, S. 217.)

22. November (Donnerstag) • Walter Hasenclever schreibt an Albert Ehrenstein: »[…] ich achte Ihren Standpunkt im Falle der Lasker; bitte, lieber A. E, lassen Sie das Geld an mich adr: Weisser Hirsch, Felsenburg zurückgehen, damit ich selber disponieren kann. Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse! Es war gut gemeint. Ich danke Ihnen für die Aufklärung über die Lasker und möchte nun selber über den Betrag entscheiden.« (Walter Hasenclever: Briefe in zwei Bänden. 1907–1940. In Zusammenarbeit mit Dieter Breuer bearbeitet und hg. von Bert Kasties [Die Mainzer Reihe 77/I–II]. Mainz: von Hase & Koehler, 1994. Bd. 1, S. 248.)

6. Dezember (Donnerstag) • Else Lasker-Schülers erste Schwester Martha Theresia Wormser stirbt in Chicago.

19. Dezember (Mittwoch) • Lesung in Zürich: Else Lasker-Schüler »las Mittwoch abend im Schwurgerichtssaal Gedichte, wie es nur eine schöpferische Frau vermag. […] Man war ergriffen, wie diese seltsame Frau die Harfe Davids an sich riß, wie diese Stimme in einer Höhe anhob, die uns zuerst mißfiel, bis sie uns aus der Nüchternheit zu sich emporriß; eine Stimme, die alles sein kann: eine Scherbe, wenn es den Jammer der Stiefmutter Erde zu bestöhnen galt; Posaune von Jericho, wenn sie die Propheten aus den Jahrtausenden heraufbeschwor. […] Wer sie sah, mit den schwarzen Strähnen und dem lodernden Blick aus dem Alten Testament, begriff daß das Judäerblut sie in Wallung brachte, als sie die Herrlichkeit ihrer ›Hebräischen Balladen‹ mit ganzer Hingabe erlebte.« (E[duard] K[orrodi]: Else Lasker-Schüler als Vorleserin. In: Neue Zürcher Zeitung. Jg. 138, Nr. 2399 [Zweites Mittagblatt] vom 21. Dezember 1917.) – In einer Anzeige in der »Neuen Zürcher Zeitung« vom 18. Dezember 1917 (Nr. 2380 [Erstes Abendblatt]) ist vermerkt: »Kartenvorverkauf in der Kunsthandlung Corray, Kirchgasse.«

1918

13. Januar (Sonntag) • Aus Bern schreibt Walter Benjamin an Gershom Scholem (1897–1982): »Das Gedicht ›David und Jonathan‹ von der Else Lasker-Schüler liebe ich sehr. Das entsprechende Gedicht von Rilke, ist – abgesehn von allem andern – schlecht.« (Walter Benjamin: Gesammelte Briefe. [Hg. vom Theodor W. Adorno Archiv.] Bd. 1. 1910–1918. Hg. von Christoph Gödde und Henri Lonitz. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1995, S. 420.)

Erste Februarhälfte • Else Lasker-Schüler hält sich für einige Tage in Davos auf. Sie schreibt am 12. Februar aus Zürich an Max Gubler (1898–1973): »Hirte, ich bin aus Davos wieder zurück.« (KA, Bd. 7, S. 150.)

Ende Februar • Else Lasker-Schüler erhält eine Ehrengabe der Berliner Gesellschaft »Das junge Deutschland«.

15. März (Freitag) • Hugo Ball an Emmy Hennings: »Die Lasker, Frau Moissi und Franz Werfel waren hier. […] Alle sind sehr deprimiert über die deutschen Erfolge und Räuberei in Russland. […] Die Lasker mit ihren melancholischen Augen eines Husarenäffchens knabberte Bonbons.« (Briefe 1904–1927. Bd. 1, S. 226.) – Am 12. März 1918 schreibt Else Lasker-Schüler an Max Gubler: »Ich konnte heute morgen vor Ermüdung nicht fahren, fahre aber um 6 Uhr abends nach Bern«, am 15. März an Salomon David Steinberg (1889–1965) in einem in Zürich aufgegebenen Brief (Kuvert: »Hôtel Suisse Berne«): »Es war gräßlich hier.« (KA, Bd. 7, S. 153.)

• Lesung in Zürich: »Sind Dichter wirklich die schlechtesten Interpreten ihrer eigenen Werke? Else Lasker-Schüler gab für sich Freitag abend zum zweitenmal die energisch verneinende Antwort. Sie öffnete den Mund, und ihre Dichtung begann zu leben. […] Die Welt, die sie im nüchternen Schwurgerichtssaal erstehen ließ, war aus diesem Herzen herausgeholt: bunt und farbig spielend, mit viel Gold und Silber und rotem Blut darin. […] Mit ihrer hohen und hellen Stimme beschwor sie Abraham aus seiner urfernen Zeit; Jonathan und David, Saul, Esther erweckte sie aus dem Moder ihrer Gräber zur dichterisch potenzierten Reinkarnation.« (Btr.: Vorlesung Else Lasker-Schüler. In: Neue Zürcher Zeitung. Jg. 139, Nr. 372 [Erstes Morgenblatt] vom 18. März 1918 [»Kleine Chronik«].)

20. März (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler meldet sich bei der Fremdenpolizei in Zürich ab und reist zu ihrem Sohn Paul nach Locarno. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 265–269.

30. März (Samstag) • Walter Benjamin aus Bern an Gershom Scholem: »[…] auf die drei Briefe vom 23 Februar bis zum 15 März 1918 bin ich Ihnen die Antwort schuldig geblieben und die Ankunft der ›Klagelieder‹ bestätige ich Ihnen auch erst jetzt. Woran liegt das? An dem Versuche in Locarno für ein paar Wochen für alles unterzutauchen: an den schönen Tagen in Sonne, an den schlechten in Zerstreuungen aller Art. […] Wir haben billig und angenehm gelebt und das einzig städtisch-weltliche unsres Aufenthalts war, daß am gleichen Ort eine ganze Anzahl mir bekannter junger Leute unvermutet sich fanden mit denen man im Grunde nicht gut auskommen konnte. Frau Lasker-Schüler war auch da.« (Walter Benjamin: Gesammelte Briefe. [Hg. vom Theodor W. Adorno Archiv.] Bd. 1. 1910–1918. Hg. von Christoph Gödde und Henri Lonitz. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1995, S. 440.)

28. April (Sonntag) • Zusammen mit Paul kehrt Else Lasker-Schüler von Locarno nach Zürich zurück. Sie schreibt am 30. April an Max Gubler: »Wir sind seit Sonntag abend wieder in Zürich.« (KA, Bd. 7, S. 155.)

29. April (Montag) • Anmeldung bei der Fremdenpolizei in Zürich. Else Lasker-Schüler wohnt erneut im »Elite Hotel«.

2. Mai (Donnerstag) • Hugo Ball an Emmy Hennings: »Auch Else Lasker sah ich flüchtig. Sie schien sehr deprimiert und sagte nur, dass sie wieder nach Deutschland fährt.« (Briefe 1904–1927. Bd. 1, S. 292.)

16. Mai (Donnerstag) • Abmeldung bei der Fremdenpolizei in Zürich. Else Lasker-Schüler reist nach Berlin.

12. Juni (Mittwoch) • Anmeldung bei der Fremdenpolizei in Zürich. Else Lasker-Schüler wohnt – zusammen mit ihrem Sohn Paul – im Hotel »Schwert« am Weinplatz 10.

17. Juli (Mittwoch) • Abmeldung bei der Fremdenpolizei in Zürich. Else Lasker-Schüler bleibt noch einige Tage in Zürich und ist am 25. Juli zurück in Berlin.

5. September (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler gibt als Wohnadresse die Pension Voss, Rankestraße 7, an. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 285.

8. September (Sonntag) • Kete Parsenow schreibt aus München an Karl Kraus: »Neulich war Lasker Schüler in Frankf. Kommt auch nächstens auf der Durchreise nach der Schweiz hierher.« (Du bist dunkel vor Gold, S. 122.)

Ende des Jahres • Else Lasker-Schüler zieht in das Hotel »Koschel« im Ortsteil Schöneberg, Motzstraße 78 (heutige Hausnummer: 7). Sie wohnt dort bis zu ihrer Emigration 1933. – An dem Mitte der zwanziger Jahre in »Der Sachsenhof« umbenannten Hotel wurde 1971 eine Gedenktafel angebracht und 2002 erneuert.

30. Dezember (Montag) • Kete Parsenow schreibt aus Frankfurt am Main an Karl Kraus: »Neulich war Else Lasker Schülers Freund bei uns – Baron Maltzahn – ein sympathischer Mensch. Sie geht wieder in die Schweiz.« (Du bist dunkel vor Gold, S. 127.)

1919

10. Januar (Freitag) • Else Lasker-Schüler verfasst ihren »Offenen Brief an Dr. Eduard Korrodi in Zürich«: »Berlin 10. Jan. 19 | Original-Manuscript der lieben Mama von Dr. Eduard Korrodi, der so gut zu mir ist« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 2:11). – Der Text erschien mit dem Titel »Brief an einen Schweizer Freund« am 18. April 1919 in der »Frankfurter Zeitung« (Jg. 63, Nr. 291 [Erstes Morgenblatt], S. 1 f.), mit dem Titel »Brief an Korrodi« 1920 in »Gesichte« (S. 101–108).

17. Januar (Freitag) • Anmeldung bei der Fremdenpolizei in Zürich. Else Lasker-Schüler wohnt wieder im »Elite Hotel«.

3. Februar (Montag) • Kete Parsenow schreibt aus Frankfurt am Main an Karl Kraus: »E. L. S. ist wieder in Zürich.« (Du bist dunkel vor Gold, S. 129.)

23. Februar (Sonntag) • Lesung in Zürich: »Else Lasker-Schüler liest Sonntagabend 8 Uhr im Schwurgerichtssaal aus eigenen Dichtungen vor. Ihren Ruf als eigenartige und eindrucksvolle Interpretin ihrer ganz einsam stehenden, stolzen Dichtungen wird auch diese neue Vorlesung rechtfertigen, die diesmal nicht nur Ernstes, sondern auch Heiteres auf dem Programm verspricht.« (Neue Zürcher Zeitung. Jg. 140, Nr. 275 [II. Sonntagausgabe] vom 23. Februar 1919, Blatt 5 [»Lokales«].)

10. April (Donnerstag) • Abmeldung bei der Fremdenpolizei in Zürich. Else Lasker-Schüler reist nach Berlin, wo ihr Schauspiel »Die Wupper« uraufgeführt wird.

27. April (Sonntag) • Uraufführung von Else Lasker-Schülers Schauspiel »Die Wupper« im von Max Reinhardt geleiteten Deutschen Theater in Berlin: Insgesamt fanden sechs Aufführungen statt, die letzte am 6. September 1919. Das Stück wurde als Teil der Reihe »Das junge Deutschland« gespielt.

11. Mai (Sonntag) • Lesung bei einer Matinee der Gesellschaft »Das junge Deutschland« in den Kammerspielen des Deutschen Theaters: »Else Lasker-Schüler wird am Sonntag, 11. Mai, mittags 12 Uhr, in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Veröffentlichtes und Unveröffentlichtes aus eigenen Werken zur Vorlesung bringen. Die Vorlesung ist als eine Sonderveranstaltung der Gesellschaft Das junge Deutschland gedacht, der Gesamterlös aus dem Verkauf der Eintrittskarten wird ohne jeden Abzug der Dichterin in Form einer Ehrengabe überreicht werden.« (Berliner Tageblatt. Jg. 48, Nr. 200 [Montags-Ausgabe] vom 5. Mai 1919.)

Mitte Juni • Else Lasker-Schüler erhält eine Ehrengabe der Kölner Johannes-Fastenrath-Stiftung.

11. Juli (Freitag) • Anmeldung bei der Fremdenpolizei in Zürich. Else Lasker-Schüler wohnt im »Elite Hotel«.

4. August (Montag) • Eröffnung der Neuen Abteilung der Berliner Nationalgalerie im ehemaligen Kronprinzenpalais: »Von Franz Marc sieht man den Turm der blauen Pferde und eine Reihe sehr schöner kleiner Aquarellpostkarten an Else Lasker-Schüler […].« ([Paul] Fechter: Die neue Nationalgalerie. In: Deutsche Allgemeine Zeitung [Berlin]. Jg. 58, Nr. 371 [Abend-Ausgabe] vom 4. August 1919.) – Else Lasker-Schüler hatte kurz zuvor neunundzwanzig bemalte Briefe und Postkarten von Franz Marc der Berliner Nationalgalerie verkauft. Dabei war ein Bild, wie aus einem späteren Brief Else Lasker-Schülers an Ludwig Justi (1876–1957), den Direktor der Nationalgalerie, hervorgeht (KA, Bd. 7, Nr. 422), verlorengegangen.

12. August (Dienstag) • Abmeldung bei der Fremdenpolizei in Zürich. Else Lasker-Schüler reist nach Locarno. Am 20. August schreibt sie von dort an Karl Kraus (KA, Bd. 7, Nr. 309).

26. September (Freitag) • Zurück in Berlin, schreibt Else Lasker-Schüler an den Bildhauer Georg Koch (geb. 1885): »Ich hatte Riesencorrekturen, die bis eben dauerten 3 Uhr, da 12 Bücher mit Illustr. herauskommen.« (KA, Bd. 7, S. 172.) Else Lasker-Schüler war mit den Vorbereitungen für die »Gesamtausgabe in zehn Bänden« (1919/20), für eine Neuausgabe ihrer »Gesammelten Gedichte« (1920) und für die von ihr betreute Ausgabe der »Briefe Peter Hilles an Else Lasker-Schüler« (1921) beschäftigt.

2. November (Sonntag) • Lesung in Leipzig: »Die Vereinigung für Neue Kunst veranstaltet heute Sonntag 7 ½ Uhr im Saale der Alten Handelsbörse ihren ersten Vortragsabend. Else Lasker-Schüler wird aus eigenen Dichtungen lesen.« (Leipziger Tageblatt und Handels-Zeitung. Jg. 113, Nr. 527 [Sonntags-Ausgabe] vom 2. November 1919, 3. Beilage, S. 13 [»Kunstkalender«].)

14. November (Freitag) • Uraufführung von Max Herrmann-Neißes (1886–1941) Komödie »Albine und Aujust« im Kleinen Schauspielhaus in Berlin: »[…] Im letzten Akt erscheint der Verfasser dieses talentvollen Schmutzes in dem besagten Kaffee, setzt sich an einen Vordertisch und unterhält sich bei einem Glas Bier mit den Figuren seines Stückes und mit dem Publikum. […] Man schämt sich zu sagen, daß es sage und schreibe, einen starken Beifall gab. Else Lasker-Schüler warf dem Dichter einen Blumenstrauß aufs Podium. (-ck-: Entartung. In: Hamburger Fremdenblatt. Jg. 91, Nr. 589 [Abend-Ausgabe] vom 18. November 1919. S. 2 [»Theater, Kunst und Wissenschaft«].)

23. November (Sonntag) • Lesung bei einer Matinee der Leipziger Kammerspiele: »Else Lasker-Schüler teilt mit, daß sie ihrer Vortragsfolge am Sonntag, den 23. d. M., 11 ½ Uhr vorm., eine neue Auswahl aus den ›Hebräischen Balladen‹, den ›Amokläufer‹, unveröffentlichte Gedichte, ferner den ›Fakir‹ u. a. zugrunde legt.« (Leipziger Tageblatt und Handels-Zeitung. Jg. 113, Nr. 562 [Sonntags-Ausgabe] vom 23. November 1919, 2. Beilage [»Kunst und Wissenschaft«].)

25. November (Dienstag) • Lesung in Dresden: »Die Dresdner Sezession, Gruppe 1919, veranstaltet am Dienstag den 25. November einen Vortragsabend, an dem Frau Else Lasker-Schüler aus eigenen Dichtungen spricht.« (Dresdner Neueste Nachrichten. Jg. 27, Nr. 315 vom 19. November 1919, S. 3.)

Dezember • Ausstellung von Zeichnungen Else Lasker-Schülers bei Paul Cassirer (1871–1926) in Berlin. Am 16. Dezember erscheint im »Berliner Tageblatt« (Jg. 48, Nr. 601 [Abend-Ausgabe] [»Aus der Kunstwelt«]) folgende Ankündigung: »Paul Cassirer veranstaltet in seinen Ausstellungsräumen, Viktoriastraße 35, eine Ausstellung der in seinem Verlag erschienenen Bücher und Graphik, insbesondere seiner wesentlichen Neuerscheinungen. Gleichzeitig werden Bilder und Zeichnungen von Else Lasker-Schüler gezeigt.«

21. Dezember (Sonntag) • Lesung im Berliner Theater »Die Tribüne«: »Else Lasker-Schüler liest am nächsten Sonntag, vormittags 11 ½ Uhr, in der ›Tribüne‹ aus eigenen Dichtungen.« (Vorwärts [Berlin]. Jg. 36, Nr. 647 [Morgen-Ausgabe] vom 19. Dezember 1919.)

• Harry Graf Kessler (1868–1937) notiert im Tagebuch: »Eingeladene Versammlung im Kunstsalon Cassirers zur Begründung von Clarté. Schickele hielt einen Vortrag. Breitscheid präsidierte. Belanglose Reden. Nachher hatte die Lasker Schüler die Zudringlichkeit, Däubler auf mich zu hetzen mit dem Auftrage mich ihr vorzustellen. Seit vier Jahren versuche ich diese grässliche Person zu vermeiden. Däubler als Mastodont führte den Auftrag so ungeschickt aus, dass ich die Vorstellung nicht vermeiden konnte. Ich sagte Guten Tag u empfahl mich.« (Harry Graf Kessler: Das Tagebuch. Siebter Band. 1919–1923. Hg. von Angela Reintal unter Mitarbeit von Anna Brechmacher und Christoph Hilse [Veröffentlichungen der Deutschen Schillergesellschaft. Bd. 50.7]. Stuttgart: Klett-Cotta, 2007, S. 285.)

1920

20. – 22. Januar (Dienstag – Donnerstag) • Karl Kraus liest in Berlin. Am 7. Februar berichtet Kete Parsenow im Brief an Karl Kraus: »E. L. S. schrieb rasend begeistert von Deiner Vorlesung in Berlin.« (Du bist dunkel vor Gold, S. 135.)

25. Januar (Sonntag) • Lesung in Berlin im »Brüdervereinshaus«: »Else Lasker-Schüler liest am 25. Januar, 12 Uhr mittags, im ›Brüdervereinshaus‹, Kurfürstenstr. 115, aus eigenen Werken für den Palästina-Aufbaufonds.« (Vorwärts [Berlin]. Jg. 37, Nr. 39 [Morgen-Ausgabe] vom 22. Januar 1920.)

20. Februar (Freitag) • Ludwig von Ficker schreibt an Martina Wied (1882–1957): »Ich glaube – bei uns im Abendland – den Dichter nur dem Nichtjuden, die Dichterin nur der Jüdin. Auch wenn sie vorläufig nur in der Lasker-Schüler restlos existiert. Sie allein wird völlig bewußtlos im Gedicht, ganz aufgelöst in die Gestalt des Geistes, von dem sie empfängt. Nur so existiert die Dichterin – im Gegensatz zum Dichter, der so existierend ein Bild des Jammers und der Schamlosigkeit wäre.« (Ludwig von Ficker: Gesamtbriefwechsel. Kommentierte Online-Edition; Sammlung Briefwechsel Ludwig von Ficker, Signatur: 208-010-005.)

März • Ausstellung von Zeichnungen Else Lasker-Schülers in der Münchner Galerie Thannhauser.

5. März (Freitag) • Auf Einladung des Kurt Wolff Verlags liest Else Lasker-Schüler in München im Saal des Georg-Hirth-Hauses. Anlass dürfte das Erscheinen der Neuausgabe der »Gesammelten Gedichte« gewesen sein, die 1920 bei Kurt Wolff in München herauskam.

14. April (Mittwoch) • In Weimar findet der »I. Bauhaus-Abend« mit einer Lesung Else Lasker-Schülers statt. – Einladung (Grafik von Friedl Dicker): Klassik Stiftung Weimar; Faksimile des Programms: Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 161.

16. April (Freitag) • Else Lasker-Schüler besucht den Erfurter Kunstsammler Alfred Hess (1879–1931). Sie notiert im Gästebuch: »Jussuf Prinz von Theben | wird bald wiederkommen so schön war es« (Dank in Farben. Aus dem Gästebuch Alfred und Thekla Hess. Nachwort von Hans Hess. München: R. Piper & Co. Verlag [1957], S. 18 [als Faksimile]).

Anfang Mai • Die Berliner Nationalgalerie erhält insgesamt 104 Zeichnungen Else Lasker-Schülers, überwiegend Illustrationen zu ihren Prosaschriften, von Freunden der Dichterin geschenkt. Zu den Stiftern gehört unter anderem ihr Berliner Verleger Paul Cassirer.

Gegen Ende Juni • Else Lasker-Schüler reist von Berlin nach München. – Mit dem Datum »Montag, – Samstag, 26.« notiert Bertolt Brecht (1898–1956) im Tagebuch: »Ende der Woche höre ich die Else Lasker-Schüler lesen, gute und schlechte Gedichte, übersteigert und ungesund, aber im einzelnen wunderschön. Die Frau ist alt und abgelebt, schlaff und unsympathisch.« (Bertolt Brecht: Journale 1. 1913–1941. Bearbeitet von Marianne Conrad und Werner Hecht unter Mitarbeit von Herta Ramthun [Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe. Hg. von Werner Hecht, Jan Knopf, Werner Mittenzwei, Klaus-Detlef Müller. Bd. 26]. Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1994, S. 122.) Else Lasker-Schüler hatte »im Steinickesaal aus eigenen Dichtungen« gelesen: »Was man an Lasker-Schüler vor allem begrüßt, ist neben einer seltsamen Verbindung von lyrischer Grundstimmung mit kühl formendem Kunstverstand vor allem eine bei Frauen seltene Freiheit von jeglicher Sentimentalität, von jedem Ressentiment, eine Fähigkeit, die auch ihren Vortrag charakterisiert und schließlich auch mit ihm – aussöhnt.« (sp.: Autorenabend. In: Münchner Neueste Nachrichten. Jg. 73, Nr. 267 [Einzige Ausgabe] vom 3./4. Juli 1920, S. 2.)

8. Juli (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler liest erneut im »Kunstsaal Steinicke«. Ankündigung: Münchner Neueste Nachrichten. Jg. 73, Nr. 269 (Morgen-Ausgabe) vom 6. Juli 1920, S. 2.

31. Juli (Samstag) • Alice Asher, die ältere Tochter von Else Lasker-Schülers Schwester Martha Theresia Wormser, stirbt in Chicago.

Mitte September • Else Lasker-Schüler reist von München für einige Tage nach Konstanz.

10. Oktober (Sonntag) • Lesung im Münchner Schauspielhaus. Ankündigung: Münchner Neueste Nachrichten. Jg. 73, Nr. 412 (Morgen-Ausgabe) vom 5. Oktober 1920, S. 2.

Mitte Oktober • Else Lasker-Schüler kehrt von München nach Berlin zurück.

23. Oktober (Samstag) • Elisabeth Bergner (1897–1986) schreibt aus München an Albert Ehrenstein: »Die Lasker sah und sprach ich einmal ganz flüchtig. Sie war sehr verwirrt und gefiel mir gar nicht. Was ich ihr von dir ausrichtete, hörte sie gar nicht. Von der Krausaffäre scheint sie auch nicht den leisesten Schimmer zu haben. Ich sprach auch nicht davon. Ansonsten ist sie glaube ich nach Magdeburg gereist zu einer Vorlesung. Ob sie hierher zurückkommt, weiß ich gar nicht. Paul soll hier sein, aber ich sah ihn noch nicht. | Es dürfte das beste sein, wenn du dich an Cassirer wendest, wenn du etwas von ihr willst, sie scheint mir unzurechnungsfähiger und verworrener denn je.« (Klaus Völker: Elisabeth Bergner. Das Leben einer Schauspielerin. Ganz und doch immer unvollendet. Berlin: Edition Hentrich, 1990, S. 103.) – Ebenfalls am 23. Oktober schreibt Kete Parsenow aus Frankfurt am Main an Karl Kraus: »Seit 8 Tagen bin ich aus München zurück, es war herrlich. E. L. S. war auch dort u. ich mußte ihr versprechen Anfang Nov. mit ihr nach Prag u. Wien zu fahren, sie hat in beiden Städten Vorträge.« (Du bist dunkel vor Gold, S. 141.)

5. November (Freitag) • Besuch des Staatlichen Schauspielhauses in Berlin: Premiere der Inszenierung von William Shakespeares (1564–1616) Historiendrama »König Richard III.«. Leopold Jessner (1878–1945) führte Regie, Fritz Kortner (1892–1970) spielte die Hauptrolle. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 379 und 380.

Ende November • Eine geplante Reise nach Prag (Lesung am 25. November) und Wien (Lesung am 28. November) muss verschoben werden. Am 27. November meldet das »Neue Wiener Journal« (Jg. 28, Nr. 9720, S. 7 [»Theater und Kunst«]): »In den Kammerspielen kann die für morgen angekündigte Vorlesung der Dichterin Else Lasker-Schüler nicht stattfinden, weil dieser wegen Paßschwierigkeiten die Reise nach Wien unmöglich geworden ist.«

28. November (Sonntag) • Begegnung mit Gottfried Benn (1886–1956) im Café Nürnberg. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 389.

• Besuch des Staatlichen Schauspielhauses: Gespielt wird »Nathan der Weise«, ein »dramatisches Gedicht« von Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781). Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 389.

Ende Dezember • Else Lasker-Schüler hält sich in München auf. Sie wohnt im Hotel Leinfelder am Lenbachplatz. Frühestens am 5. Januar reist sie von dort nach Wien.

1921

11. Januar (Dienstag) • Lesung im Wiener Volkshaus in der Stöbergasse: Else Lasker-Schüler »leitete den Vortrag mit einigen ihrer wunderbar melodischen Gedichte ein und brachte im Laufe des Abends auch jenes über Senna Hoy, den jungen Revolutionär der Vorkriegszeit, dem das zaristische Rußland ein grausames Ende bereitet hat. Else Lasker-Schüler, die Altmeisterin moderner Lyrik, hatte im Volksbildungshause begeisterten Enthusiasmus geweckt, – ein Zeichen, daß auch die Arbeiterjugend imstande ist wahre große Dichtung, auch wenn sie modern ist, mitzufühlen. ›Der Wunderrabbi von Barcelona‹ ein letztes ungedrucktes Manuskript, Prosa von herrlicher kompositorischer Architektonik, beschloß die Vorlesung.« (Karl F. Kocmata: Else Lasker-Schüler. In: Ver! [Wien]. H. 33 vom Februar 1921, S. 24.)

13. Januar (Donnerstag) • Lesung im Prager Mozarteum: »Vorlesung Else Lasker-Schüler. Donnerstag den 13. Jänner liest die berühmte Dichterin und Vorkämpferin des Zionismus über Einladung der Kultursektion des ›Hagibor‹ im Mozarteum aus eigenen Werken, u. a. die ›Hebräischen Balladen‹, mit deren Vortrag sie überall eine ergreifende Wirkung ausübte.« (Prager Tagblatt. Jg. 46, Nr. 6 vom 8. Januar 1921, S. 6 [»Bühne und Kunst«].)

16. Januar (Sonntag) • Eugen Hoeflich (1891–1965) notiert im Tagebuch zur Lesung Else Lasker-Schülers im Wiener Volkshaus: »Dienstag Vorlesung Else Lasker Schüler: Mit einem gewissen Misstrauen ging ich hin. Sah eine knabenhafte Frau, die mit schriller Stimme Gedichte rezitierte. Sie erinnerte etwas an die Knaben, die vom Turm der Dschamîel umawi in Damaskus herunterschrieen. Miteinem erklärte sie, nicht weiter lesen zu wollen, es lachten Leute im Publikum und zwei täten sie mit Spiegeln blenden. Äusserst peinliche Unterhandlungen zwischen ihr und dem Publikum: ein beispielhafter Verfolgungswahnanfall, und wäre es auch nur einfache Sensationshascherei gewesen, wäre es ebenfalls einer Manie entsprungen. Ihre Gedichte sind mitunter von hervorragendem Wert, ihre Prosa mitunter schon zuviel könnerhaft, gewollt, manches nicht mehr rein unmittelbar erlebt, sondern aus gewolltem Erlebnis. Ich fand es darum gut, dass ihr Gefolge aus dekadenten, abstossenden Literatenjüngerln mir den Zutritt zu ihr verlegte.« (Eugen Hoeflich [Moshe Ya’akov Ben-Gavriêl]: Tagebücher 1915 bis 1927. Hg. und kommentiert von Armin A. Wallas. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag, 1999, S. 114.)

Mitte Januar • Nach ihren Lesungen in Wien und Prag hält Else Lasker-Schüler sich wieder in München auf, wo sie erneut im Hotel Leinfelder wohnt. Am 4. Februar kehrt sie nach Berlin zurück.

6. Februar (Sonntag) • Lesung in den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin: »Else Lasker-Schüler liest heute mittag 11 ½ Uhr in den Kammerspielen zum erstenmal den ›Wunderrabbi von Barcelona‹ aus dem Manuskript.« (Berliner Tageblatt. Jg. 50, Nr. 61 [Morgen-Ausgabe] vom 6. Februar 1921 [»Kleine Mitteilungen«].)

6. März (Sonntag) • Erneute Lesung in den Kammerspielen des Deutschen Theaters. Else Lasker-Schüler trägt Gedichte und den »Wunderrabbiner von Barcelona« vor: »Von ungewöhnlicher Wucht und innerer Spannkraft ist ihr letztes Werk ›Der Wunderrabbiner von Barcelona‹. Die Geschichte eines Heiligen, der seinen Gott nicht mehr begreift und im maßlosen Zorn über ihn sich selbst und das Geschick seines Volkes vernichtet. Das mit feinen Sinnen aufgefangene historische Kolorit, das die Novelle zu einem charakteristischen Zeitbild gestaltet, die poesievolle Phantastik, die ihre Begebenheiten umspinnt, bereichern den Stoff um manche wertvolle Einzelheit und der kunstvolle Aufbau, der am Schluß mit jähem Schwung zur letzten Steigerung ausholt, läßt die Erzählung auch technisch als eine Meisterleistung erscheinen.« (Gi.: Vorlesung Else Lasker-Schüler. In: Berliner Börsen-Courier. Jg. 53, Nr. 111 [Morgen-Ausgabe] vom 8. März 1921, 1. Beilage, S. 5.)

10. März (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler liest auf Einladung der Volksbühne in der Aula des Gymnasiums »Zum grauen Kloster«. Ankündigung: Berliner Börsen-Courier. Jg. 53, Nr. 113 (Morgen-Ausgabe) vom 9. März 1921, 1. Beilage, S. 6.

26. April (Dienstag) • Lesung in München: »Heute: […] 7 ½ Uhr in Schmids Musiksaal Vorlesung von Else Lasker-Schüler aus eigenen Werken; Karten in der Ewer-Buchhandlung« (Münchner Neueste Nachrichten. Jg. 74, Nr. 175 [Morgen-Ausgabe] vom 26. April 1921, S. 2 [»Konzerte und Vorträge«]).

Anfang Juli • Else Lasker-Schüler versucht vergeblich, die bemalten Briefe und Postkarten von Franz Marc, die sie 1919 an die Berliner Nationalgalerie verkauft hatte, wieder zu erwerben. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 421 und 422.

Kurz vor dem 15. Juli • Besuch bei Albert Einstein (1879–1955). Else Lasker-Schüler überreicht ein Exemplar des »Wunderrabbiners von Barcelona«. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 424 und 425.

15. Juli (Freitag) • Else Lasker-Schüler reist nach Mannheim, wo ihr Sohn auf der Straße niedergestochen wurde. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 425 und 426.

16. Juli (Samstag) • Walther Rathenau an Else Lasker-Schüler: »Verehrte Frau Lasker-Schüler, | ich möchte Sie nicht gern Ihrer letzten Exemplare berauben und habe deshalb meinem Buchhändler Auftrag gegeben, mir Ihre gesammelten Schriften zu beschaffen. | Ihren Wunsch, einige meiner Schriften zu besitzen, erfülle ich mit Freuden. Ich habe nicht die leichtesten ausgewählt; Sie sollen sich aber nicht quälen, wenn Ihnen das Lesen schwerfällt.« (Walther Rathenau: Briefe. Teilband 2: 1914–1922. Hg. von Alexander Jaser, Clemens Picht und Ernst Schulin [Walther Rathenau Gesamtausgabe V 2; Schriften des Bundesarchivs 63 / V 2]. Düsseldorf: Droste Verlag, 2006, S. 2591.)

Zweite Augusthälfte • Aufenthalt in Kolberg. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 429–431.

30. September (Freitag) • Lesung im Berliner Meistersaal, Köthener Straße 38, in der Nähe des Potsdamer Platzes gelegen: »Heute abend liest im Meistersaal Else Lasker-Schüler den Wunderrabbiner von Barcelona. Karl Hannemann (Deutsches Theater) und Aribert Wäscher (Deutsches Theater) lesen Dichtungen von Georg Trakl und Gottfried Benn.« (Berliner Tageblatt. Jg. 50, Nr. 460 [Morgen-Ausgabe] vom 30. September 1921 [»Kleine Mitteilungen«].)

28. Oktober (Freitag) • Erster erhaltener Brief an Carl Krall (1893–1938): »Liebwerter Herr Krall, ich schrieb Ihnen damals retour. Am 6. Nov. spreche ich in Düsseldorf Immermannbund vorher Hannover. 8. Cöln. Freue mich wenn ich Sie und Ihren lieben Vater Karl Krall und seine Frau Gemahlin sehe.« (KA, Bd. 7, S. 225.)

4. November (Freitag) • Lesung in Hannover (im Saal des »Hansa-Hauses«) beim »Ersten Autorenabend« der Kestner Gesellschaft im Winter 1921/22. Ankündigung: Hannoverscher Kurier. Jg. 73, Nr. 518 (Morgen-Ausgabe) vom 4. November 1921, Beilage.

6. November (Sonntag) • Lesung im Düsseldorfer Schauspielhaus bei einer »Morgenfeier des Immermannbundes«. Ankündigung: Volkszeitung (Düsseldorf). Jg. 32, Nr. 260 vom 5. November 1921, Beilage.

8. November (Dienstag) • Lesung bei der »Gesellschaft der Künste« in Köln: »Am Dienstag, den 8. Nov., abends 8 Uhr, im kleinen Festsaal der Bürgergesellschaft liest Else Lasker-Schüler aus eigenen Dichtungen« (Rheinische Volkswacht [Köln]. Jg. 35, Nr. 442 [Abend-Ausgabe] vom 5. November 1921, S. 2 [»Kunst und Leben«]).

9. oder 10. November (Mittwoch oder Donnerstag) • Im Anschluss an ihre Lesung in Köln fährt Else Lasker-Schüler nach Elberfeld und besucht dort Carl Krall und Klaus Gebhard (1896–1976). Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 441–444.

15./16. November (Dienstag/Mittwoch) • Else Lasker-Schüler reist von Elberfeld zurück nach Berlin. Sie schreibt am 15. November an Carl Krall und Klaus Gebhard: »Heute aber am Abend oder morgen früh reise ich fort nach Berlin.« (KA, Bd. 7, S. 228.)

1922

15. Januar (Sonntag) • Max Stefl (1888–1973) schreibt an Ludwig von Ficker: »Lieber Herr v. Ficker, | Für Ihre Karte herzlichen Dank. Dass ich Ihnen u. Ihrer l. Frau Gemahlin mit der Lasker-Schüler ein kleines Vergnügen gemacht habe, freut mich sehr; ich hatte gerade kurz vor Weihnachten diese 1. Ausgabe in einer Buchhandlung gefunden u. erinnerte mich, dass wir im Sommer davon gesprochen haben.« (Ludwig von Ficker: Gesamtbriefwechsel. Kommentierte Online-Edition; Nachlass Ludwig von Ficker, Signatur: 041-046-053-004.) Gemeint sind »Die gesammelten Gedichte« von Else Lasker-Schüler, die 1917, 1919 und 1920 in drei Auflagen mit einer Widmung für Ludwig und Cäcilie (Cissi) von Ficker (1875–1960) erschienen waren: »Die Gedichte des Styx schenke ich Ludwig von Ficker, dem Landvogt von Tyrol und seiner schönen Schwedin«. Am 4. Januar 1922 hatte Ludwig von Ficker an Max Stefl geschrieben: »Lieber Herr Stefl, nehmen Sie meinen und meiner Frau herzlichsten Dank für das famose Weihnachtsgeschenk, über das wir uns sehr gefreut haben, wenn ich auch froh bin, daß wir im späteren Auflagen des Buches nicht mehr an den Pranger dieser Widmungsmanie gestellt sind.« (Ludwig von Ficker: Gesamtbriefwechsel. Kommentierte Online-Edition; Sammlung Briefwechsel Ludwig von Ficker, Signatur: 208-009-003.) Mit den »späteren Auflagen« sind die beiden Bände »Hebräische Balladen. Der Gedichte erster Teil« und »Die Kuppel. Der Gedichte zweiter Teil« von 1920 gemeint.

22. Januar (Sonntag) • Lesung bei einer Matinee der Hamburger Kammerspiele. – Hamburger Fremdenblatt. Jg. 94, Nr. 36 (Abend-Ausgabe) vom 21. Januar 1922. S. 2 (»Theater, Kunst und Wissenschaft«): »Der Buchladen Commeter stellt in seinen Räumen anläßlich der Matinee von Else Lasker-Schüler in den Kammerspielen eigene Zeichnungen der Dichterin aus.«

24. Januar (Dienstag) • Lesung im Hamburger Logenheim, Hartungstraße 11.

Juli – August • Aufenthalt in Kolberg. Am 6. September schreibt Else Lasker-Schüler an Max Gubler: »Ich war am Meer. Auch den Wald sah ich acht Wochen, Wiesen mit Schafegarben.« (KA, Bd. 7, S. 246.)

14. Oktober (Samstag) • Aufenthalt in Elberfeld. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 482.

Kurz vor dem 22. Oktober • Zur Eröffnung der Wintervorträge liest Else Lasker-Schüler bei der »Gesellschaft der Künste« in Köln. Besprechung: D[etmar] H[einrich] Sarnetzki: Else Lasker-Schüler. In: Kölnische Zeitung. Nr. 739 (Sonntags-Ausgabe) vom 22. Oktober 1922, Erstes Blatt (»Öffentliche Vorträge«).

12. November (Sonntag) • Else Lasker-Schüler trägt in der Berliner Ewer-Buchhandlung ihre »Hebräischen Balladen« und den »Wunderrabbiner von Barcelona« vor.

29. November (Mittwoch) • Lesung in der Prager Produktenbörse: »Else Lasker-Schüler wird, scheint es, immer noch bloß wegen der Sensation aufgesucht, die ihre Erscheinung und ihr äußeres Leben – aufgeputzt durch die Zutaten von Kaffeehausklatsch und übereifriger Jüngerschaft – den literarisch Angekränkelten bereitet. Als sie vorgestern vor halbleerem Saal der Produktenbörse ihre prachtvollen, üppigen Verse las, ihre genial subjektiven Umrißzeichnungen bekannter Dichter und Künstler, wie Werfel, Egon Adler und Leppin hinwarf und ihre zugleich ganz außerirdische und typisch spanisch-jüdische Ghettogeschichte vom ›Rabbi von Barzelona‹ unheimlich und hinreißend vor ihren Hörern gestaltete, da folgte eisiges Schweigen ihren Darbietungen und nur am Schluß gab es übliche, nicht aus echter Begeisterung kommende Dankesklatschen der Konventionellen. Else Lasker-Schüler ist eine zu ungewöhnliche und zu artistische Erscheinung in der Literatur, um in Prag in Mode zu kommen. Diejenigen, die sie schon kannten und bereits liebten, nahmen aber auch diesmal das mit aller Kunst eines Berufsvorlesers Gebotene mit empfänglichen Herzen auf.« (s. st.: Else Lasker-Schüler. In: Deutsche Zeitung Bohemia [Prag]. Jg. 95, Nr. 282 vom 1. Dezember 1922, S. 6 [»Bühne und Kunst«].)

1923

14. Januar (Sonntag) • Else Lasker-Schüler ist in Görlitz Gast des literarischen Zirkels »Die Lebenden«, den Ludwig Kunz (1900–1976) Anfang des Jahres gegründet hatte. Sie trägt ins Gästebuch ein: »Meine Stadt grüßt Ludwig Kunz in dem schönen Görlitz | Jussuf Prinz von Theben | 14. Jan. 23.« (Faksimile des Eintrags in: Die Lebenden. Flugblätter. Hg. von Ludwig Kunz. 1923–1931. [Fotomechanischer Nachdruck.] Hilversum und Zürich 1966, S. 89.)

27. Januar (Samstag) • Lesung in Oldenburg: »Else Lasker-Schüler-Abend der Vereinigung für junge Kunst. Sonnabend, den 27. Januar, liest Else Lasker-Schüler im Zivilkasino eigene Dichtungen. Ein nicht alltägliches Ereignis! […] Wenn Dichter schlechte Vorleser sind, so gilt dies nicht für Frau Lasker-Schüler. Niemand, der sie je gehört hat, wird sich dem eigentümlichen Zauber ihres Vortrags entzogen haben. Wie eine Märchenerzählerin spinnt sie die Zuhörer in ihre Netze.« (Nachrichten für Stadt und Land [Oldenburg]. Jg. 57, Nr. 15 vom 16. Januar 1923.)

15. Februar (Donnerstag) • Lesung im Blüthner-Saal, Lützowstraße 76, bei einem »Jüdischen Kunst- und Autoren-Abend« der »Berliner Zionistischen Vereinigung«: Gedichte und »Der Wunderrabbiner von Barcelona«. Ankündigung: Berliner Tageblatt. Jg. 52, Nr. 71 (Morgen-Ausgabe) vom 11. Februar 1923 (»Vortragsabende«).

Juli – Anfang September • Aufenthalt in Kolberg. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 517–530.

2. Oktober (Dienstag) • Gemeinsam mit Carl Krall Besuch des Staatlichen Schaupielhauses in Berlin. Gespielt wird Leopold Jessners Inszenierung von Hermann Essigs (1878–1918) Tragödie »Überteufel«. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 537 (Datum korrigiert nach den Theateranzeigen in der »Vossischen Zeitung«).

25. November (Sonntag) • Else Lasker-Schüler liest in Berthold Viertels (1885–1953) Theater »Die Tribüne« zum ersten Mal aus dem Manuskript von »Ich räume auf!«

30. November / 1. Dezember (Freitag/Samstag) • Else Lasker-Schüler reist mit dem Nachtzug von Berlin nach Basel. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 553.

2. und 3. Dezember (Sonntag und Montag) • Lesungen in Basel: Else Lasker-Schüler »besucht in den nächsten Tagen auch unsere Stadt, wo sie am 2. und 3. Dezember öffentlich vorliest und außerdem wahrscheinlich noch in privaten literarischen Kreisen vorträgt« (Israelitisches Wochenblatt für die Schweiz [Zürich]. Jg. 23, Nr. 48 vom 30. November 1923, S. 6). Am 2. Dezember, »am ersten Chanuka-Abend«, trug sie bei der Basler Loge vor: Es sei »ein in jeder Hinsicht genußreicher Abend« gewesen, heißt es im »Israelitischen Wochenblatt« vom 14. Dezember 1923 (Jg. 23, Nr. 50, S. 7).

9. Dezember (Sonntag) • Lesung im Saal der Zürcher Augustin-Keller-Loge in der Urania, Uraniastrasse 9: »Der Dichterin, die zu hören ein Erlebnis bedeutet – das Erlebnis des Werkes und des fascinierenden Vortrags – ist zu wünschen, daß nicht nur das literarisch interessierte Zürich sich an diesem Abend einfinden möge.« ([Anonym:] Vortrag Else Lasker-Schüler. In: Züricher Post und Handelszeitung. Jg. 45, Nr. 289 vom 8. Dezember 1923, 2. Blatt.) – Von Zürich aus fährt Else Lasker-Schüler nach Lugano, wo sie in einer privaten Gesellschaft liest. Am 17. Dezember ist sie zurück in Berlin. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 556.

1924

20. Januar (Sonntag) • »Else Lasker-Schüler liest am Sonntag, 11 ½ Uhr vormittags, im Theater ›Die Tribüne‹ ihre Broschüre ›Ich räume auf‹ vor.« (Vossische Zeitung [Berlin]. Nr. 29 [Abend-Ausgabe] vom 17. Januar 1924 [»Vortragsabende«].)

22. Januar (Dienstag) • Else Lasker-Schüler liest zur Eröffnung einer Vortragsreihe in der Berliner »Humboldt-Hochschule«: »Dichterabende veranstaltet die Humboldt-Hochschule Dienstag abends 8 Uhr Dorotheenstraße 12. Aus ihren Werken tragen vor: Else Lasker-Schüler, Dr. Alfred Döblin, M. Hermann (Neiße), K. W. Goldschmidt.« (Berliner Tageblatt. Jg. 53, Nr. 33 [Abend-Ausgabe] vom 19. Januar 1924.)

8. Februar (Freitag) • »Die Dichterin Else Lasker-Schüler wird, vor Antritt ihrer Tournee durch die Schweiz, Holland und England, Freitag den 8. d. M., 7 Uhr abends, im Neuen Saal der Burg aus eigenen Werken lesen.« (Neues Wiener Journal. Jg. 32, Nr. 10852 vom 5. Februar 1924, S. 12 [»Konzertnachrichten«].)

25. Februar (Montag) • Eugen Hoeflich notiert im Tagebuch: »Ein anderes, weniger freudvolles Erlebnis war eine Zusammenkunft mit der Else Lasker-Schüler. So gross sie als Künstlerin ist, so jammervoll, bemitleidenswert als Mensch. Eine Ruine, ein zerbrochener kranker alter Mensch, ein Nervenbündel, das zuckt, weiter nichts.« (Eugen Hoeflich [Moshe Ya’akov Ben-Gavriêl]: Tagebücher 1915 bis 1927. Hg. und kommentiert von Armin A. Wallas. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag, 1999, S. 204.)

28. Februar (Donnerstag) • Eine für diesen Tag geplante Lesung bei der »Deutschen Gesellschaft für Literatur und Kunst« in Aachen fällt aus: »Der Vortrag von Frau Else Lasker-Schüler aus eigenen Dichtungen muß wegen Erkrankung der Dichterin in Wien verschoben werden.« (Aachener Anzeiger. Jg. 46, Nr. 126 [Mittag-Ausgabe] vom 28. Februar 1924 [»Hinweise«].)

31. März (Montag) • Lesung in Duisburg: »Im Verein für Literatur und Kunst (Ortsgruppe der Goethe-Gesellschaft) liest heute abend Else Lasker-Schüler aus eigenen Werken vor. […] In den Anthologien, die der sogenannte Expressionismus für seine Anhänger geschaffen hat, ist Else Lasker-Schüler ein ständig wiederkehrender Name. Es dürfte deshalb besonders interessant sein, die Dichterin aus ihren Werken persönlich vorlesen zu hören. Die Veranstaltung, die in der Aula des Lyzeums an der Landgerichtsstraße stattfindet, beginnt um 8 ¼ Uhr.« (Rhein- und Ruhrzeitung [Duisburg]. Nr. 141 [Mittag-Ausgabe] vom 31. März 1924, S. 4.)

9. Juli (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler reist von Berlin nach Kolberg. Sie schreibt an diesem Tag an den Berliner Buchhändler Reinhold Stahl, einen Jugendfreund ihres Sohnes Paul: »[…] ich grüße Sie herzlich aus dem Coupé.« (KA, Bd. 11, S. 426.) Der Aufenthalt in Kolberg dauert bis Anfang August. Am 31. Juli kündigt sie ebenfalls in einem Brief an Reinhold Stahl an: »Ich bin 5. Berlin.« (KA, Bd. 11, S. 429.)

4. September (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler reist von München aus nach Venedig. In München dürfte sie sich nur kurz – auf der Durchreise von Berlin – aufgehalten haben. Aus Berlin hatte sie zuletzt am 28. August an Reinhold Stahl geschrieben. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. *108–*110.

8. September (Montag) • Else Lasker-Schüler reist von Venedig zunächst nach Locarno. Dort Begegnung mit der Malerin Marianne Werefkin. Am 22. September ist Else Lasker-Schüler zurück in Berlin. Quelle: KA, Bd. 7, Nr. 609–612 und Bd. 11, Nr. *111.

1925

27. Februar (Freitag) • Lesung im Berliner Meistersaal, Köthener Straße 38, in der Nähe des Potsdamer Platzes gelegen.

Kurz vor dem 6. März • Else Lasker-Schüler und Hedwig Wangel (1875–1961) lesen im Berliner Harmonium-Saal, Steglitzer Straße 35: Else Lasker-Schüler eigene Gedichte, Hedwig Wangel aus biblischen Texten. Besprechung: E m o.: Hedwig Wangels Rückkehr. In: Vossische Zeitung (Berlin). Nr. 110 (Morgen-Ausgabe) vom 6. März 1925, [Beilage:] Das Unterhaltungsblatt Nr. 110.

22. März (Sonntag) • »Else Lasker-Schüler trägt 22. März im Harmonium-Saal Gedrucktes und Ungedrucktes aus eigenen Werken vor.« (B. Z. am Mittag [Berliner Zeitung]. Jg. 48, Nr. 77 vom 19. März 1925 [»Kleine Chronik«].)

24. März (Dienstag) • Lesung in Dresden: »Else Lasker-Schüler wird auf Einladung der Neuen Kunst-Fides nächsten Dienstag, 8 Uhr, in der Zinzendorfstraße 2a: eigene Dichtungen sprechen.« (Dresdner Neueste Nachrichten. Jg. 33, Nr. 67 vom 20. März 1925, S. 4 [»Kleines Feuilleton«].)

23. Mai (Samstag) • Eine für den 23. Mai geplante Lesung in Amsterdam wird wegen einer Erkrankung Else Lasker-Schülers zunächst auf den 6. Juni, dann auf unbestimmte Zeit verschoben.

August • Else Lasker-Schüler verbringt den Monat in Locarno und reist anschließend von dort nach Zürich, wo sie zunächst im Glockenhof, Sihlstrasse 31/33, dann im Augustinerhof, Sankt Peterstrasse 8, wohnt.

29. September (Dienstag) • Lesung im Zürcher Schwurgerichtssaal: Else Lasker-Schüler »las ihre Lyrik nicht durchweg mit jener frühern jugendlichen Wärme, aber man hat das Gefühl, daß gerade dadurch der Vortrag dieser Frau die tiefernste, fast sachlich-schmerzliche Färbung gewann, die ganz ihrer ergreifenden Lyrik entspricht. Wundervoll, wie sie die Hebräischen Balladen las, wie unter ihren Fingern die archaische Größe dieser männlich-glutvollen Gedichte zu rauschen begann. […] Hier ist es, wo unverfälschtes Altes Testament fesselndsten Ausdruck findet, wo man vergißt, daß das Gesicht über dem Katheder, ganz eingefaßt in die schwarze Strenge des Pagenhaares, einer Frau gehört.« (at.: Vorlesung Else Lasker-Schülers. In: Neue Zürcher Zeitung. Jg. 146, Nr. 1525 [Morgenausgabe] vom 1. Oktober 1925, Blatt 2 [»Kleine Chronik«].)

7. Oktober (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler kehrt am Abend von Locarno nach Zürich zurück. Sie hatte ihren Aufenthalt in Zürich für zwei Tage unterbrochen und war nach Locarno gereist, wo vom 5. bis zum 16. Oktober 1925 die »Verträge von Locarno« ausgehandelt wurden. Unmittelbar nach ihrer Ankunft in Zürich besucht sie im Bellevue-Kino die Schweizer Uraufführung von Charlie Chaplins (1889–1977) Filmkomödie »The Gold Rush«. Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 73–75.

12. November (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler lässt sich in Zürich wegen einer Sehnenscheidenentzündung am Arm operieren. Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 85.

Ende November • Else Lasker-Schüler reist von Zürich über Karlsruhe nach München. In München besucht sie ihren Sohn Paul, der dort Zeichenunterricht bei dem Grafiker Fritz Helmuth Ehmcke (1878–1965) erhält.

9. Dezember (Mittwoch) • Rückkehr nach Berlin. Am 10. Dezember schreibt Else Lasker-Schüler an Dolf Roels (»Rocks«) (gest. 1966) in Antwerpen: »Bin gestern wieder in Berlin angekommen nach 4 Mon.« (KA, Bd. 8, S. 48.)

1926

11. Februar (Donnerstag) • Vermeintlich 50. Geburtstag von Else Lasker-Schüler, der in der Presse ausführlich gewürdigt wird.

Mitte Februar – Ende April • An Lungentuberkulose erkrankt, liegt Paul Lasker-Schüler im »Großen Schwabinger Krankenhaus«. Um den 20. Februar hält Else Lasker-Schüler sich für einige Tage in München auf. Sie wohnt in der Pension Feldhütter, Elisenstraße 5.

23. Februar (Dienstag) • Kete Parsenow schreibt aus Frankfurt am Main an Karl Kraus: »E. Lasker Schüler hatte kürzlich ihren 50 Geburtstag u. sie ist in Not – ich will versuchen hier u. in Berlin eine Sammlung zu veranstalten d. h. Menschen die sich für sie interessieren zu einer Ehrengab [!] zu veranlassen. Könntest Du in Wien etwas thun? Vielleicht eine Vorlesung zu Ihren Gunsten oder was würdest Du vorschlagen falls es Dich überhaupt interessiert. Es wäre sehr schön wenn Du etwas thätest.« (Du bist dunkel vor Gold, S. 179 f.)

26. Februar (Freitag) • Aus Anlass ihres vermeintlich 50. Geburtstags am 11. Februar findet in Berlin eine Feier zu Ehren Else Lasker-Schülers statt: »Im Kleinen Theater findet am 26. Februar ein Else-Lasker-Schüler-Abend statt, an dem die Dichterin aus ihren Werken lesen wird. Friedrich Hollaender wird Kompositionen zu Dichtungen Else Lasker-Schülers spielen, Aribert Waescher die ›Elberfelder Ballade‹ sprechen und Heinrich Fischer die einleitende Rede halten.« (Berliner Tageblatt. Jg. 55, Nr. 74 [Morgen-Ausgabe] vom 13. Februar 1926.)

Anfang März • Else Lasker-Schüler reist nach München, um ihrem erkrankten Sohn beizustehen. Sie wohnt in der Pension Feldhütter.

7. März (Sonntag) • Lesung in den Münchner Kammerspielen. Ankündigung: Münchner Neueste Nachrichten. Jg. 79, Nr. 65 vom 6. März 1926, S. 2.

Wahrscheinlich 10. März (Mittwoch) • Max Stefl schreibt an Ludwig von Ficker: »Lieber Freund, Ich erhalte heute beiliegende Karte von Else L.-Sch. an Sie. Ich besuchte sie darauf in ihrem Hotel, um ihr Ihre Abreise mitzuteilen, u. war mit ihr einige Stunden mittags zusammen. Es war ein grosser, erschütternder Eindruck für mich. Ihre anfangs recht verweifelte Stimmung wich allmählich im Laufe unseres Gesprächs einer grösseren Gefasstheit. Sie gedachte auch Ihrer, Ihrer Frau u. Kinder mit herzlichen Worten. Schicken Sie Ihr bitte wenn möglich ein paar Zeilen, vielleicht auch das Trakl-Buch, von dem ich ihr erzählte. Sie möchte, wie sie mir sagte, auch noch eine 2. Vorlesung hier halten, u. ich möchte ihr gerne etwas behilflich sein.« (Ludwig von Ficker: Gesamtbriefwechsel. Kommentierte Online-Edition; Nachlass Ludwig von Ficker, Signatur: 041-047-002-003.) Bei der erwähnten »Karte« handelt es sich um Else Lasker-Schülers Postkarte an Ludwig von Ficker vom 9. März 1926 (KA, Bd. 8, Nr. 124), die – nach dem Poststempel – wahrscheinlich am Folgetag befördert wurde.

Ende April • Von München aus reist Paul Lasker-Schüler zur Kur in das Tessin. Er wird Patient der Lungenheilstätte »Deutsches Haus« in der damaligen Gemeinde Agra, unweit von Lugano gelegen. Das »Deutsche Haus« ist eine Zweigstelle der »Deutschen Heilstätte in Davos«. – Else Lasker-Schüler reist über Frankfurt am Main zurück nach Berlin.

7. Mai (Freitag) • Lesung in Frankfurt am Main. Besprechung: -den.: [Else Lasker-Schüler.] In: Frankfurter Zeitung und Handelsblatt. Jg. 70, Nr. 341 (Abendblatt) vom 8. Mai 1926, S. 2. Am 14. Mai schreibt Else Lasker-Schüler an Lazar Felix Pinkus (1881–1947) in Zürich: »Der Rabbiner in Frankfurt lud mich zum Freitag abend ein und wir sprachen wunderschön.« (KA, Bd. 8, S. 69.)

15. Mai (Samstag) • »Else Lasker-Schüler liest heute, 15. Mai, abends 9 Uhr, im Logenhaus, Kleiststraße 10 (Gartensaal) aus eigenen Werken.« (Berliner Tageblatt. Jg. 55, Nr. 226 [Morgen-Ausgabe] vom 15. Mai 1926 [»Berliner Vortragsabende«].)

27. Mai (Donnerstag) • Erster Brief an Marcel Brion (1895–1984): »Je voudrais aimer à dire mes poêmes à Paris. etc. Marseille. Donnez moi einen Rat? Je veut dire mon Scheik. Avez vous tous mes livres – 13. Ich werde sonst senden lassen alle Ici ma [Herz] brochure! Et die Hauptsache: Ist Marseille très beau et les hommes gut? Je suis traurig toujour.« (KA, Bd. 8, S. 72.)

21. Juni (Montag) • Else Lasker-Schüler reist von Berlin zunächst nach Zürich, von dort weiter nach Lugano. Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 147 und Bd. 11, Nr. *135 (im Brief ist die Monatsangabe »Juli« für »Juni« verschrieben).

31. August (Dienstag) • Vertrag mit dem Staatlichen Schauspielhaus in Berlin über eine Inszenierung der »Wupper«. Dabei lässt Else Lasker-Schüler sich durch den Zürcher Rechtsanwalt Georg Steinmarder vertreten.

Oktober – November • Aufenthalt in Berlin.

24. Oktober (Sonntag) • Else Lasker-Schüler besucht ein Bankett zu Ehren der Habima, die im Theater am Nollendorfplatz gastiert. Quelle: Moses Waldmann: Habimah-Fest. In: Jüdische Rundschau (Berlin). Jg. 31, Nr. 84 vom 26. Oktober 1926, S. 598 f.

25. November (Donnerstag) • Hugo Ball an Emmy Ball-Hennings: »Wir sind sehr gespannt auf Deinen morgigen Brief (nach dem Zusammensein mit der Lasker und evtl. der Liesel.)« (Briefe 1904–1927. Bd. 2, S. 378). Mit »Liesel« ist Elisabeth Bergner gemeint.

27. November (Samstag) • Else Lasker-Schüler sagt eine für den Abend geplante Lesung in Breslau ab. Im Bericht über den Festakt zum fünfundzwanzigjährigen Bestehen des Keren Kajemet in Breslau am 27. und 28. November heißt es: »Auf mehrfache Anfragen teilen wir mit, daß zunächst nicht bekannt war, aus welchem Grunde die Dichterin Else Lasker-Schüler ihr Erscheinen am Festball des Keren Kajemeth abgesagt hatte. Nunmehr haben wir durch Freunde erfahren, daß sie durch schwere Erkrankung ihres Sohnes gezwungen war, mit diesem nach der Schweiz zu fahren. Die nachträgliche Rechtfertigung des Fernbleibens der Dichterin erfüllt uns wegen des Grundes mit aufrichtigem Bedauern.« ([Anonym:] Tage des Keren Kajemeth. In: Jüdische Zeitung für Ostdeutschland [Breslau]. Jg. 3, Nr. 49 vom 3. Dezember 1926 [»Aus den Gemeinden«].)

• Else Lasker-Schüler reist von Berlin zunächst nach München, von dort weiter nach Lugano. Sie schreibt am 26. November aus Berlin an Friedrich Andreas Meyer: »Denk Dir, mein Paul ist nicht besser, – er muß sofort nach Davos.« (KA, Bd. 8, S. 88.)

2. Dezember (Donnerstag) • Aus Sorengo schreibt Hugo Ball an Emmy Ball-Hennings: »Ganz zufällig traf ich heut mittag auch die Lasker. Sie zeigte mir eine Karte der Bergner, worin sie sehr lieb ihre Freude über Dein Kommen ausdrückt.« (Briefe 1904–1927. Bd. 2, S. 392.)

4. Dezember (Samstag) • Aus Sorengo schreibt Hugo Ball an Emmy Ball-Hennings: »Um viertel nach 1 holt mich Carla mit dem Wagen zum Essen ab und bringt mich dann wieder hierher. Da will ich Dir nur noch rasch von der Lasker sagen. Also ich hatte verabredet mit ihr für gestern abend um 7 und war eigens auch ihretwegen zu Dr. Müller gegangen. Endlich traf ich sie um 9. Sie hatte mir gesagt, dass Paul oben von Agra wegsoll, und dass sie ihn nach Davos bringen will. Gerade Davos aber kann, wie mir Müller sagt, nach Agra direkt tötlich sein, weil die Höhendifferenz ungefähr 1000 Meter beträgt und eigentlich ein milderes Klima, etwa Gardasee, angebracht wäre. Ich ging also zu ihr, wartete zwei Stunden, nur um ihr dies irgendwie zu sagen, und es war einfach schrecklich. Es war derart schwer und sie war so misstrauisch, dass ich ihr so um 10 Uhr herum ziemlich grob sagte: ›Sie beleidigen mich; ich gehe nachhause‹. Da hielt sie mich nun fest, weinte, klagte, betete; ach Gott, was sind doch die Menschen für Kinder. Sie meinte, ich wolle den Dr. Alexander stürzen und den Dr. Müller zum Direktor von Agra machen, ich habe nur lauter Intrigen im Kopf, und ihr Paul müsse dann drunter leiden. Es ist ihr wahrhaftig schwer zu helfen. Statt mit Dr. Müller, der gleich nebenan ist, vernünftig zu sprechen, sagt sie mir: Frau Moissi hätte ihr Davos empfohlen, und ob sie nach Bielefeld fahren solle. Merkt sie eine Festigkeit bei mir, dann sagt sie: ich beschwöre Sie, Sie wissen etwas. Sie ist ganz durcheinander, die Arme, und sucht sich mit den unsinnigsten Gründen Alexanders Kündigung zurechtzulegen. Es ist ja aber ganz gleichgiltig, warum man Paul dort oben nicht mehr haben will. Nur muss man ihn nicht direkt ins Verderben schicken lassen. Leider kann ich mich um ihre Sache nicht so annehmen, wie es vielleicht nötig wäre. Ich habe selbst ja mehr als genug. Nachts um ½ 1 liess sie mich endlich gehen. Ich war ganz hin; ich kann das nicht.« (Briefe 1904–1927. Bd. 2, S. 399 f.)

29. Dezember (Mittwoch) • In ein koloriertes Exemplar ihres Buches »Theben« (1923) trägt Else Lasker-Schüler folgende Widmung ein: »Dem hochverehrten starken Bison, dem Feldherrn, der mit mir unerschrocken nach Locarno zog und die Stadt einnahm, den Dogen Paolo bezwang! – In ewiger Dankbarkeit! Der thebetanische Malik Prinz Jussuf von Tiba | [Mondsichel mit Stern] | 29. Dez. 26 | Im Jahr der Freude und des tiefsten Leides | Lugano | [Kopf im Linksprofil] Jussuf« (Faksimile: Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 170).

30. Dezember (Donnerstag) • Paul Lasker-Schüler wird von Lugano nach Davos verlegt. Er wird im »Platzsanatorium« in Davos-Platz behandelt. Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 191 und 204.

1927

1. Januar (Samstag) • Else Lasker-Schüler reist von Lugano nach Zürich. Sie bleibt dort bis Ende des Monats. Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 194.

17. Januar (Montag) • Im »Buchladen am Kurfürstendamm« (Axel Juncker Verlag) wird eine »Bilderausstellung von Nicht-Berufsmalern« eröffnet, bei der unter anderem Else Lasker-Schüler, Arno Nadel (1878–1943), Joachim Ringelnatz (1883–1934) und Albert Steinrück (1872–1929) vertreten sind. Die Ausstellung wird bis zum 20. Februar gezeigt. Ankündigung: Vorwärts (Berlin). Jg. 44, Nr. 23 (Abendausgabe) vom 14. Januar 1927.

Februar – März • Aufenthalt in Davos. Else Lasker-Schüler unterbricht ihren Aufenthalt für die Lesung in Zürich am 27. Februar.

4. Februar (Freitag) • Marcel Brion bittet die Preußische Akademie der Künste um eine Beihilfe für Else Lasker-Schüler. Faksimile des Gesuchs und der Antwort Oskar Loerkes (»Wir werden aber diesen Fall für später im Auge behalten.«): Archiv der Akademie der Künste, Berlin (Ehrensold, Akte 852, Blatt 153 f.).

27. Februar (Sonntag) • Lesung im Zürcher Schwurgerichtssaal: »Es sind jetzt zehn Jahre her, seit diese größte Dichterin, die das deutsche Judentum kennt, zum erstenmal in Zürich ihre unter Sibyllen und Propheten heimischen Gedichte psalmodierte und durch den Schwung ihrer großherzigen Phantasie die Zuhörer mitriß. Ein vollgerütteltes Maß an Kümmernis und Schicksalsschlägen hat in diesem letzten Jahrzehnt diese tapfere Frau wohl zu prüfen, aber nicht zu beugen vermocht. Wir wissen nur, daß mit einer unvergleichlichen inneren Würde diese Dichterin in einem entsagenden Leben ihr Traumreich gestaltet und herrlich verschönert und sich im wirklichen Dasein kaum mehr selber als ein wirkliches Wesen verhaftet fühlt. In diesen zehn Jahren hat sich Else Lasker-Schüler in Zürich einen treuen Kreis gebildet, der ihren Vorlesungen immer gern folgte. Hoffen wir, daß am 27. Februar, Sonntagabend 8 Uhr im Schwurgerichtssaal zu der alten Gemeinde neue Literaturfreunde sich gesellen, die wissen, daß sie eine Stunde reiner Dichtung zu erwarten haben, wie sie uns nicht alle Tage erblüht.« (k. [d. i. Eduard Korrodi]: Else Lasker-Schüler. In: Neue Zürcher Zeitung. Jg. 148, Nr. 316 [Morgenausgabe] vom 26. Februar 1927, Blatt 1 [»Lokales«].) – Bei dieser Gelegenheit trägt Elisabeth Rabbow drei von Lily Reiff (1866–1958) vertonte Gedichte vor: »Ein Liebeslied« (»Aus goldenem Odem«), »Frühling« (»Wir wollen wie der Mondenschein«) und »Mein Volk«.

26. März (Samstag) • Else Lasker-Schüler teilt Marcel Brion mit, dass sie wieder in Zürich sei. Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 219.

Mitte Mai • Rückkehr von Zürich nach Berlin. Paul Lasker-Schüler wird in einer Zürcher Privatklinik behandelt.

27. Juni (Montag) • Else Lasker-Schüler hält sich erneut in Zürich auf. Sie schreibt an Paul Goldscheider (1902–1982): »Ich bin wieder in Zürich unbestimmte Zeit.« (KA, Bd. 8, S. 140.)

11. Juli (Montag) • Else Lasker-Schüler reist von Zürich zurück nach Berlin. Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 285.

Anfang August • Paul Lasker-Schüler hält sich wieder in Berlin auf. Am 3. August schreibt Else Lasker-Schüler an Paul Plaut (1894–1960): »Ich sitze am Tage bei meinem Jungen am Bett im Krankenhaus.« (KA, Bd. 11, S. 444.)

25. September (Sonntag) • Else Lasker-Schüler zieht mit ihrem Sohn Paul in das Atelier des Bildhauers Jussuf Abbo (urspr. Jussuff Abbu) (1890–1953), Königin-Augusta-Straße 51. Sie schreibt am 24. September an Paul Goldscheider: »Ich wohne von morgen an einige Monate nicht mehr in meinem Hotel, aber in der Nähe in einem Atelier.« (KA, Bd. 8, S. 155.)

15. Oktober (Samstag) • Premiere der Inszenierung von Else Lasker-Schülers Schauspiel »Die Wupper« im Staatlichen Schauspielhaus in Berlin. Regie führt Jürgen Fehling (1885–1968). – Aus Anlass der Wiederaufführung der »Wupper« bringt Else Lasker-Schüler eine Neuauflage des Stückes im Selbstverlag heraus.

21. November (Montag) • Sitzung des Senats der Preußischen Akademie der Künste, Sektion für Dichtkunst. Im Protokoll ist vermerkt: »Dr. Fulda berichtet […] über einen Antrag Fehlings, (von Heinrich Mann unterstützt) beim Herrn Minister eine Unterstützung für Else Lasker-Schüler zu befürworten. Die Anwesenden beschließen in zustimmendem Sinne.« Quelle: Archiv der Akademie der Künste, Berlin (Protokolle der Sitzungen von Senat und Genossenschaft der Sektion für Dichtkunst, Akte 1250, Blatt 66).

14. Dezember (Mittwoch) • Else Lasker-Schülers Sohn Paul stirbt in Berlin. Auf der Traueranzeige (Faksimile: Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 209) schreibt Else Lasker-Schüler: »Am Mittwoch Abend ½ 9 Uhr starb mein teures Kind, mein geliebter Junge | Paul | im 28. Lebensjahre«.

16. Dezember (Freitag) • Bertolt Brecht an Edith Lotte Jacobsohn (geb. Schiffer) (1891–1935): »Sehr geehrte gnädige Frau, | ich höre heute, daß Sie gewillt sind, mir für den Abdruck einer Prosaarbeit in Ihrem Jugendbuch M 100.- zu bezahlen. Als mir seinerzeit Herr Koch erzählte, Sie wollten ein Jugendbuch zusammenstellen, hatte ich nichts dagegen, dort mit einer Arbeit vertreten zu sein. Hätten Sie sich damals erkundigt, hätte ich Ihnen sofort meinen Preis gesagt, übrigens auch, wenn Sie mir nur mitgeteilt hätten, daß Sie diese bestimmte Arbeit zu drucken wünschten. Dieser Preis beträgt M 250.- nachher wie vorher. Ich habe leider den Eindruck, daß Sie Ihr Buch ziemlich billig zustande zu bringen wußten, wenn Sie mir sagen, daß Sie für eine Arbeit der Lasker-Schüler (einen Erstdruck) auch nicht mehr bezahlt haben. Ich muß Ihnen sagen, daß mich dies weniger im Hinblick auf mich selber beruhigt, als es mich im Hinblick auf die Lasker-Schüler beunruhigt. Ich halte es für völlig unzulässig, ihr derart niedere Honorare zu zahlen.« (Bertolt Brecht: Briefe 1. Briefe 1913–1936. Bearbeitet von Günter Glaeser unter Mitarbeit von Wolfgang Jeske und Paul-Gerhard Wenzlaff [Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe. Hg. von Werner Hecht, Jan Knopf, Werner Mittenzwei, Klaus-Detlef Müller. Bd. 28]. Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1998, S. 296 f.) – Bei dem »Jugendbuch« handelt es sich um die in zwei Bänden erschienene Anthologie »Jugend und Welt«.

18. Dezember (Sonntag) • Mittags um 1 Uhr erfolgt die Beisetzung von Paul Lasker-Schüler auf dem jüdischen Friedhof Weißensee (Feld E IV, Reihe 9; Grabnummer 74581).

1928

8. Januar (Sonntag) • Else Lasker-Schüler besucht im Theater am Nollendorfplatz eine Protestveranstaltung zugunsten Johannes R. Bechers, der wegen Hochverrats angeklagt ist. Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 331.

18. Januar (Mittwoch) • Thomas Mann (1875–1955) antwortet auf einen nicht überlieferten Brief Else Lasker-Schülers: »Dass bei der preussischen Regierung die Absicht bestehen soll, Ihnen ein Ehren-Budget zu bewilligen, höre ich mit grösstem Vergnügen und Beifall, und werde den von Ihnen gewünschten Schritt sofort tun, das heisst, an die preussische Akademie, Sektion für Dichtkunst, schreiben, dass sie den Kultusminister an dies Vorhaben erinnern und ihn darin bestärken möge.« (Thomas Mann: Briefe III. 1924–1932. Ausgewählt und hg. von Thomas Sprecher, Hans R. Vaget und Cornelia Bernini [Große kommentierte Frankfurter Ausgabe. Werke – Briefe – Tagebücher. Hg. von Heinrich Detering, Eckhard Heftrich, Hermann Kurzke, Terence J. Reed, Thomas Sprecher, Hans R. Vaget, Ruprecht Wimmer in Zusammenarbeit mit dem Thomas-Mann-Archiv der ETH, Zürich. Bd. 23.1]. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 2011, S. 335.)

17. Februar (Freitag) • Sitzung des Senats der Preußischen Akademie der Künste, Sektion für Dichtkunst. Im Protokoll ist vermerkt: »Auf eine Eingabe des Jüdischen Frauenbundes, die Dichterin Else Lasker-Schüler zu unterstützen, wird geantwortet, daß die Akademie zurzeit leider über keine geeigneten Mittel verfüge.« Quelle: Archiv der Akademie der Künste, Berlin (Protokolle der Sitzungen von Senat und Genossenschaft der Sektion für Dichtkunst, Akte 1250, Blatt 21).

18. Februar (Samstag) • Ausführlich begründet Theodor Däubler seinen Vorschlag, einen staatlichen Ehrensold an Else Lasker-Schüler zu zahlen: »Es steht ausser Frage, dass die Dichterin Else Lasker-Schüler vor allen anderen, meines Erachtens, würdig ist, unterstützt zu werden! Niemandem ist es so schwer, sich im Leben durchzubringen, wie dem lyrischen Dichter; Else Lasker-Schüler’s Begabung werden alle Kenner hervorragend nennen. Welche Frau hat es vermocht, so eigne Töne, einen so herzhaften Inhalt, gepaart mit süsser Melodik, ihrem Volk zu bescheren? Die Dichterin der ›Wupper‹ konnte nur in Elberfeld, jener Gegend, die sie so packend darstellt, geboren werden. Wir fühlen in diesem Werk durchaus jenes Industrielandes Luft und Boden. Wie verliebt in unsere deutsche Sprache ist doch diese ausserordentliche Frau, der es noch nicht gelungen ist, auf Grund eines sicheren Auskommens weiterzuschaffen! Noch bedeutender ist ihre Lyrik: Nur einer Deutschen, zugleich Jüdin, konnte es vorbehalten sein, uns einen so liebreichen und ungewöhnlichen Orient zu entschleidern.« Neben Däubler sprachen sich Alfred Döblin, Thomas Mann und Wilhelm Schmidtbonn (1876–1952) für Else Lasker-Schüler aus. Quelle: Archiv der Akademie der Künste, Berlin (Ehrensold, Akte 854, Blatt 254 und 260–262).

3. März (Samstag) • Im Staatlichen Schauspielhaus in Berlin findet mittags eine Feier zum 50. Geburtstag Leopold Jessners statt: »Dann huschte eine kleine Gestalt im schwarzen Kleide mit einem Blumenstrauß an das Geburtstagskind heran: Else Lasker-Schüler, die Dichterin der ›Wupper‹.« ([Anonym:] Ehrung Leopold Jeßners. In: Vossische Zeitung [Berlin]. Nr. 108 [Abend-Ausgabe] vom 3. März 1928.)

24. März – 2. April (Samstag – Montag) • Karl Kraus liest in Berlin im Schwechtensaal, Lützowstraße 112. An den zehn Abenden gelangen unter anderem Operetten von Jacques Offenbach (1819–1880) zum Vortrag. Am 31. März schreibt Else Lasker-Schüler an Paul Goldscheider: »Zu Karl Kraus gehen wir jeden Abend, er spricht heute u. morgen noch. Er ehrte mich sehr. Er ist sehr lustig.« (KA, Bd. 8, S. 196.)

3. April (Dienstag) • Vita Sackville-West (1892–1962) schreibt an Virginia Woolf (1882–1941): »Oh, and I’ve got so much to tell you: about Berlin, and Else Lasker-Schüler […].« (The Letters of Vita Sackville-West to Virginia Woolf. Edited by Louise DeSalvo and Mitchell A. Leaska. With an Introduction by Mitchell A. Leaska. New York: William Morrow and Company, Inc., 1985, S. 266.)

Juli – August • Aufenthalt in Kolberg.

3. Oktober (Mittwoch) • Besuch eines Banketts zum 50. Geburtstag von Arno Nadel: »Männer und Frauen bedeutenden Namens (Else Lasker-Schüler, Intendant Jessner, Arthur Holitscher, Magnus Hirschfeld und viele andere) zierten die Tafel und feierten mit Freunden auf eine schlichte und erhabene Weise Arno Nadel und sein Werk.« (E. B. C.: Arno Nadels Ehrentag. In: Jüdische Rundschau [Berlin]. Jg. 33, Nr. 80/81 vom 12. Oktober 1928, S. 568.) Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 380.

Erste Novemberhälfte • Else Lasker-Schüler unternimmt eine – für sie enttäuschende – Reise nach Amsterdam und Paris. Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 390–395.

27. November (Dienstag) • Lesung in Frankfurt am Main im Freien Deutschen Hochstift: »Wenn sie in den Hebräischen Balladen von ihrem Volk spricht, ist sie eins mit ihm, aber eine Summe aller seiner Leiden, die zum Himmel nach Gott schreien. Und leidet nicht nur mit ihm, sondern auch über es, da sie vom morschen Fels spricht, dem sie entsprang; sie hat sich so abgeströmt. Sie ist ihr Volk, ist sein mahnender Prophet und ist die Natur selbst, die klagt.« (Erik Wickenburg: Else Lasker-Schüler. Zur Vorlesung im Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt am 27. November. In: Frankfurter Zeitung und Handelsblatt. Jg. 73, Nr. 891 [Abendblatt] vom 28. November 1928, S. 1.)

1. Dezember (Samstag) • Aufenthalt in Darmstadt. Zu einer geplanten Lesung in der Bücherstube Bodenheimer erscheint Else Lasker-Schüler nicht. Der »Hessische Volksfreund« berichtet: »Mit nachtwandlerischer Sicherheit hatte sie in dem ihr sonst ganz fremden Darmstadt just das Kaffeehaus ausfindig gemacht, wo auch sonst die Literaten und Künstler seßhaft sind, und dort saß sie, und keine Macht der Welt, auch nicht der gramdurchfurchte Gebieter der Bücherstube brachte sie dazu, ihren eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen.« (D. D.: Else Lasker-Schüler liest – nicht! und: Improvisationen im Dezember. In: Hessischer Volksfreund [Darmstadt]. Jg. 22, Nr. 286 vom 5. Dezember 1928.)

12. Dezember (Mittwoch) • Auf Einladung des »Verbands deutscher Erzähler« lesen Else Lasker-Schüler und Max Brod im ehemaligen Preußischen Herrenhaus, Leipziger Straße 3–4. Ankündigung im »Führer durch die Konzertsäle Berlins« (Jg. 9, Nr. 13 [Konzertplan vom 10. Dezember 1928 bis 8. Januar 1929], S. 7).

1929

19. Januar (Samstag) • Die Kunsthistorikerin und Kunsthändlerin Grete Ring (1887–1952) schreibt an Else Lasker-Schüler: »Sie wünschen eine Taxe Ihrer Bilder. Ich würde den richtigen Preis dafür durchschnittlich je 200 bis 250 Mark finden.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:6). Else Lasker-Schüler hatte sich in einem nicht überlieferten Brief an Grete Ring gewandt.

5. Mai (Sonntag) • Enthüllung einer Gedenktafel in Peter Hilles Geburtsort Erwitzen: Else Lasker-Schüler »war persönlich erschienen und sprach vor der lauschenden Menge in der Dorfstraße vor dem Schulhause innige Worte der Verbundenheit mit ihrem toten Freunde und seinem lebenden Werk.« (Johan Luzian: Das Heimatdorf ehrt Peter Hille. Gedenkfeier zu seinem 25. Todestag in Erwitzen bei Bad Driburg. In: Westfälische Zeitung [Bielefeld]. Jg. 119, Nr. 105 vom 7. Mai 1929.)

Anfang Juni • Aufenthalt in Köln. Anschließend unternimmt Else Lasker-Schüler eine kurze Reise nach Paris, wo sie sich mit Marcel Brion trifft. Sie schreibt am 6. Juni, einem Donnerstag, an Brion: »I am in Köln, the Rhein is here. And I am going to Paris a little and I like to see: Marseille.« Einen Tag später: »Sir: Oder kämen Sie nach Paris? Daß wir uns Montag oder Dienstag dort träfen?« Am 20. Juni, erneut am 7. Juli bedankt sie sich bei Brion für das Treffen: »I was so glad to see jou in Paris and nous parlerons très amico ensemble, als wenn wir uns 1000and1 year kannten allready.« Begleitet wird sie auf der Reise möglicherweise von Carl Krall und Klaus Gebhard: »And the both friends are entzückt from jou«, heißt es im Brief vom 20. Juni. Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 418 f. und 420 f.

Juli – August • Aufenthalt in Kolberg.

22. Oktober (Dienstag) • Else Lasker-Schüler liest auf Einladung des »Berthold Auerbach-Vereins« in Stuttgart: »Dienstag, den 22. Oktober, | Kleiner Saal des Oberen Museums (Kanzlei- und Lindenstr.), | abends 8 Uhr | liest | Else Lasker-Schüler, Berlin, | aus eigenen Werken | Programm: | Gedichte – Hebräische Balladen – Aus ›Prinz von Theben‹« (Gemeinde-Zeitung für die israelitischen Gemeinden Württembergs [Stuttgart]. Jg. 6, Nr. 14 vom 16. Oktober 1929, S. 192).

10. November (Sonntag) • 11.00 Uhr: Lesung bei der »Freien Jüdischen Volkshochschule Breslau«. Inserat: Breslauer Jüdisches Gemeindeblatt. Jg. 6, Nr. 10 vom Oktober 1929, S. 180.

• 20.00–20.30 Uhr: Else Lasker-Schüler spricht im Programm der »Schlesischen Funkstunde AG Breslau« (»Der Dichter als Stimme der Zeit. Else Lasker-Schüler liest aus eigenen Werken«).

1930

26. Januar (Sonntag) • Thomas Mann spricht sich dafür aus, »den Dichterpreis der preussischen Akademie« 1930 an Else Lasker-Schüler zu verleihen. Neben Thomas Mann schlugen Bernhard Kellermann (1879–1951) und René Schickele (1883–1940) Else Lasker-Schüler als Preisträgerin vor. Quelle: Archiv der Akademie der Künste, Berlin (Preis der Sektion für Dichtkunst 1930, Akte 828, Blatt 125, 136 und 143).

30. Januar und 1. Februar (Donnerstag und Samstag) • Aus Frankfurt am Main wendet Else Lasker-Schüler sich in zwei Briefen an den Offenbacher Rabbiner Max Dienemann (1875–1939) und bittet ihn um ein Gespräch. Sie hatte im »Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin« dessen Aufsatz »Sonntag und christliche Feste in ihrer Abhängigkeit vom Sabbat und den jüdischen Festen« (Jg. 19, Nr. 12 vom Dezember 1929, S. 629–633) gelesen. Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 439 und 440.

2. Februar (Sonntag) • 11.30–12.00 Uhr: Else Lasker-Schüler spricht im Programm der »Südwestdeutschen Rundfunkdienst AG Frankfurt« (»Vorlesung aus eigenen Dichtungen«).

Mai (?) • Else Lasker-Schüler reist nach Hamburg und trifft dort ihren ältesten Bruder, den Maler Alfred Jacob Schüler (1858–1938). Sie schreibt am 25. November 1930 an Selma von der Heydt (1862–1944): »Auch traf ich ungefähr vor einem halben Jahr meinen ältesten noch einzig lebenden Bruder Alfred in Hamburg – den Maler. Ich hatte ihn seit Kind nicht gesehen. Es ging ihm bitter schlecht. Das Museum in Hamburg hat ihm nun einige große Aquarelle abgekauft, das erhebt ihn wieder.« (KA, Bd. 8, S. 250 f.)

Ende Mai – Ende August • Aufenthalt in Kolberg. Am 26. Mai schreibt Else Lasker-Schüler an Siegfried (1889–1966) und Elisabeth Kracauer (1893–1971): »Also ich bin nun glücklich hier gelandet: Kolberg Hauptpostlagernd alle Post« (KA, Bd. 8, S. 232), am 22. August an Friedrich Andreas Meyer: »Ich habe Deinen Kriegsruf vernommen, bin aber gerade vom Meer gekommen.« (S. 234.)

10. – 12. Oktober (Freitag – Sonntag) • In Duisburg findet die vierte »Rheinische Dichtertagung« statt, zu der Else Lasker-Schüler ursprünglich zugesagt hatte. Sie schreibt am 5. Oktober an Adolf von Hatzfeld (1892–1957): »Es tut mir ja so leid, aber endlich bietet sich eine großartige Sache für mich ein intern. Verlag, (sein Inhaber) der gerade hier in Berlin ist und am 10. oder 11. mit mir sprechen will. Ich kann nicht fort – denn ich will nicht weiter so angeführt werden mit meinen Büchern.« (KA, Bd. 8, S. 240.)

3. November (Montag) • Else Lasker-Schüler reist von Berlin aus zunächst nach Köln, wo sie abends bei der »Westdeutschen Rundfunk AG« spricht: »Lebende Dichter. Else Lasker-Schüler: Die Bäume unter sich – Mein Bruder«.

9. November (Sonntag) • Else Lasker-Schüler fährt von Köln nach Elberfeld, von dort »sofort« (KA, Bd. 8, S. 247) nach Frankfurt am Main.

16. November (Sonntag) • Lesung bei der »Südwestdeutschen Rundfunkdienst AG Frankfurt«: »Stunde der Frankfurter Zeitung: Else Lasker-Schüler liest aus eigenen Werken«. – Anschließend kehrt Else Lasker-Schüler nach Berlin zurück.

22. November (Samstag) • Erster Brief an Robert E. Asher (1910–2008) (KA, Bd. 8, Nr. 472), den Enkel von Else Lasker-Schülers Schwester Martha Theresia Wormser. Robert Asher war zum Herbstsemester 1930/31 als Student nach Berlin gekommen.

4. Dezember (Donnerstag) • Zusammen mit Robert Asher besucht Else Lasker-Schüler im Mozartsaal am Nollendorfplatz die deutsche Erstaufführung des amerikanischen Spielfilms »Im Westen nichts Neues« nach dem gleichnamigen Roman von Erich Maria Remarque (1898–1970). Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 476 und 478.

6. Dezember (Samstag) • Ludwig Thormaehlen (1889–1957), Kustos an der Berliner Nationalgalerie, schreibt an Else Lasker-Schüler: »Ich hatte Gelegenheit, mit Geheimrat Justi zu sprechen. Herr Geheimrat lässt Ihnen anheimstellen, eine Ansichtssendung von Zeichnungen Ihres Sohnes der Galerie zukommen zu lassen, ohne dass er jetzt schon eine Bindung eingeht, ob er sich für eine kleine Auswahl entscheidet oder nicht.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 10:10). Auf dem Brief notierte Else Lasker-Schüler: »Er nahm 4 Bilder«.

1931

Nollendorfplatz
Nollendorfplatz (1931). Auf der linken Seite die amerikanische Kirche und der UFA-Pavillon an der Einmündung der Motzstraße. An der Fassade des Lichtspieltheaters Ankündigung von Charlie Chaplins Film »Lichter der Großstadt«.

8. Januar (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler besucht im Marmorsaal am Kurfürstendamm die deutsche Erstaufführung des Dokumentarfilms »Mit Byrd zum Südpol«.

18. Januar (Sonntag) • Besuch der ›proletarischen Gedenkfeiern‹: »Proletarische Gedenkfeiern | Lenin – Liebknecht – Luxemburg | Spieltruppen, Filme, Musik, Ansprachen | […] | Südwest: 17.30 Uhr im Nationalhof, Bülowstr. 37. […] | 11 Uhr vormittags im Wallnertheater, veranstaltet von den roten Studenten. Genosse Willi Münzenberg spricht. […] | Halensee: Johann-Georg-Festsäle, Johann-Georg-Straße, um 11 Uhr.« (Die Rote Fahne [Berlin]. Jg. 14, Nr. 15 vom 18. Januar 1931.) Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 493.

28. Januar (Mittwoch) • Die Kommission für Werkbeihilfen der Preußischen Akademie der Künste, Sektion für Dichkunst, spricht Else Lasker-Schüler eine Ehrengabe von 1000 Reichsmark zu. Quelle: Archiv der Akademie der Künste, Berlin (Werkbeihilfen der Sektion für Dichtkunst, Akte 829, Blatt 258–260).

11. Februar (Mittwoch) • In einem offenen Brief an Heinrich Mann, den neugewählten Ersten Vorsitzenden der Sektion für Dichtkunst der Akademie der Künste, lehnt Else Lasker-Schüler die Ehrengabe der Akademie ab. Sie ist verärgert, dass man sie nicht in die Akademie gewählt hat: »Hochzuverehrender Herr Heinrich Mann, ich bin nicht imstande, die gerade zu dieser Zeit märchenhafte Summe von tausend Mark zu akzeptieren. Der Schmach gedenkend, die man mir, vor allen Dingen der Dichtung selbst, antat, indem man mich ausschaltete, teilzunehmen im Rat der Dichterakademie.« (Berliner Tageblatt. Jg. 60, Nr. 70 [Morgen-Ausgabe] vom 11. Februar 1931.)

Ende Februar oder Anfang März • Else Lasker-Schüler verkauft drei Zeichnungen ihres Sohnes Paul an die Berliner Nationalgalerie. Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 508.

7. März (Samstag) • Lesung im Theater am Schiffbauerdamm. Ankündigung: Berliner Tageblatt. Jg. 60, Nr. 111 (Abend-Ausgabe) vom 6. März 1931.

13. März (Freitag) • Das »Berliner Tageblatt« (Jg. 60, Nr. 123 [Abend-Ausgabe]) meldet, dass das Theater am Schiffbauerdamm Else Lasker-Schülers Schauspiel »Arthur Aronymus und seine Väter« zur Uraufführung erworben habe.

22. März (Sonntag) • Der »Verband deutscher Erzähler« veranstaltete jedes Jahr am 22. März, Goethes Todestag, den »Tag des Buches«. 1931 lasen aus diesem Anlass im ehemaligen Preußischen Herrenhaus, Leipziger Straße 3–4, Jakob Schaffner (1875–1944), Ina Seidel (1885–1974) und Else Lasker-Schüler.

22. April (Mittwoch) • Erster Brief an Werner Kraft (1896–1991), der Abschriften einiger Gedichte an Else Lasker-Schüler geschickt hatte. Else Lasker-Schüler reagiert ablehnend: »Ich habe nichts belehrendes – an mir, möchte mich auch von jeder Privatkritik enthalten. Bitte verübeln Sie mir das nicht? Auch ist alles zu verantwortlich, da sich jedem das große Thor der Dichtung durch ein Wunder öffnen kann.« (KA, Bd. 8, S. 271.)

5. Juni (Freitag) • Vortrag in Wien: »Volkshochschule, Ludo-Hartmann-Platz, 8 Uhr, Fachgruppe für Literatur, Else Lasker-Schüler (Berlin): Aus eigenen Werken« (Neue Freie Presse [Wien]. Nr. 23967 [Morgenblatt] vom 5. Juni 1931, S. 7 [»Vorträge und Versammlungen«]).

24. Juni (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler reist von Berlin nach Kolberg: »Morgen reise ich Kolberg« (KA, Bd. 8, S. 275), heißt es im Brief an Klaus Gebhard vom 23. Juni. Der Aufenthalt dürfte bis kurz vor dem 23. Juli gedauert haben. An diesem Tag schreibt Else Lasker-Schüler an Klaus Gebhard: »Ich bin wieder in Berlin.« (S. 278.)

12. September (Samstag) • Die »Notgemeinschaft des Deutschen Schrifttums« wendet sich an die Sektion für Dichtkunst der Akademie der Künste: »Der Herr Reichskanzler lässt uns durch das Reichsministerium des Innern ein erneutes Gesuch von Frau Else Lasker-Schüler überweisen. Wie wir aus den Zeitungen erfuhren, hat Frau Lasker-Schüler vor einiger Zeit einen Betrag durch die Akademie erhalten; und es geht die Legende, dass Frau Lasker-Schüler diesen Betrag abends im Kaffee des Westens an andere bedürftige Künstler verteilt hat. Da das Reich und die Länder unseren Notfonds um 50 % kürzten und weitere Kürzungen zu befürchten sind, müssen wir sehr vorsichtig mit den geringen uns noch zur Verfügung stehenden Mitteln wirtschaften. Wir erlauben uns daher die Anfrage, ob Sie Ihrerseits eine neuerliche Unterstützung der Frau Lasker-Schüler befürworten könnten. Unsere Gabe könnte sowieso nur klein sein.« In ihrer Antwort vom 14. September teilt die Akademie mit, dass es ihr aufgrund »der katastrophalen Finanzlage unseres Landes […] unmöglich« sei, »eine neue Zuwendung an Frau Else Lasker-Schüler zu erwägen. Da wir an das Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung über unsere frühere Werkhilfe an Frau Lasker-Schüler zu berichten hatten, ist die Befürwortung einer neuen Zuwendung unter den gegenwärtigen Umständen vollkommen aussichtslos.« Quelle: Archiv der Akademie der Künste, Berlin (Werkbeihilfen der Sektion für Dichtkunst, Akte 829, Blatt 10 f.).

19. November (Donnerstag) • Im Brief an Kurt Zierold (1899–1989) teilt Else Lasker-Schüler mit, dass eine Reinschrift ihres Schauspiels »Arthur Aronymus und seine Väter« vorliege. Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 541.

Ende des Jahres • Die Berliner Nationalgalerie zeigt im Studiensaal des ehemaligen Kronprinzenpalais Zeichnungen von Else Lasker-Schüler. Ausgelegt sind auch drei Zeichnungen ihres Sohnes Paul.

1932

6. Januar (Mittwoch) • »Hannemanns Buchhandlung« (Berlin) teilt in einer Anzeige auf dem hinteren Umschlag des »Börsenblatts für den Deutschen Buchhandel« (Leipzig) (Jg. 99, Nr. 4) mit, dass sie den Vertrieb der bei Paul Cassirer erschienenen Bücher von Else Lasker-Schüler übernommen habe. Als lieferbar sind verzeichnet: »Das Peter Hille-Buch«, »Der Malik«, »Der Prinz von Theben«, »Die Kuppel«, »Die Nächte der Tino von Bagdad«, »Die Wupper«, »Hebräische Balladen« und »Mein Herz« sowie »Der Wunderrabbiner von Barcelona« und »Briefe Peter Hilles an Else Lasker-Schüler«. Von der bei Cassirer 1919/20 erschienenen »Gesamtausgabe in zehn Bänden« waren lediglich die beiden Bände »Essays« und »Gesichte« nicht mehr lieferbar, von der »Wupper« hatte Else Lasker-Schüler 1927 eine Neuausgabe im Selbstverlag herausgebracht.

14. Januar (Donnerstag) • Nach einem Besuch bei Else Lasker-Schüler notiert Werner Kraft im Tagebuch: »Sie wirkt zunächst gealtert, verschattet, unansehnlich. Kommt sie in Feuer, ist sie ganz Geist und Gesicht. Das Literatenhafte gehört zu ihrer Lebens-, nicht ihrer Wesenssphäre. Spricht sie Echtes, so spricht sie nur scheinbar (zu mir) hin sondern aus sich heraus, monologisch. Wie alle bedeutenden Menschen lebt sie in sich wie in einem Kerker ohne wirklichen Zugang zu andern, obwohl sie sich nicht gewaltsam abschließt, obwohl sie gütig ist und obwohl gerade ihr Einwand z. B. gegen Kraus dies zu widerlegen scheint. Dem macht sie zum Vorwurf, daß er über die erlaubte Grenze hinaus scharf sei, z. B. gegen Hardt. […] Sie spielte auf Persönliches an, das sie nur andeutend aussprach und das auch selbst deutlicher ausgesprochen schwer zu beurteilen wäre, ohne daß man den Angegriffenen kennt. Den tiefsten Eindruck machte mir ihr Wort: Am schönsten ist es, wenn man mit ihm allein ist. Dann ist er wie ein kleiner Schuljunge.« (Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 340.)

24. Februar (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler besucht im Capitol am Zoo eine Vorstellung des deutschen Spielfilms »Rasputin. Der Dämon der Frauen«.

28. März (Montag) • Louise Dumont (1862–1932) sagt eine Inszenierung von »Aronymus und seine Väter« am Düsseldorfer Schauspielhaus ab. Diese hatte Else Lasker-Schüler in einem undatierten Brief vorgeschlagen. Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 561.

20. November (Sonntag) • Gedenkfeier für den Berliner Arzt Heinrich Peter Dehmel (1891–1932), den einzigen Sohn Richard Dehmels. Es spricht unter anderem Else Lasker-Schüler. – Nachrufe: [Anonym:] Selbstmord Heinrich Dehmels. Mit Veronal vergiftet. In: Vossische Zeitung (Berlin). Nr. 441 (Morgen-Ausgabe) vom 14. September 1932, 1. Beilage (»gestern in seiner Wohnung, Potsdamer Straße 118c im Westen Berlins, mit Veronal vergiftet, tot aufgefunden«); Victor Noack: Heinrich Dehmel zum Gedächtnis. In: Vossische Zeitung (Berlin). Nr. 444 (Abend-Ausgabe) vom 15. September 1932, [Beilage:] Unterhaltungsblatt Nr. 257; d.: Gedächtnisfeier für Heinrich Dehmel. In: Vossische Zeitung (Berlin). Nr. 558 (Abend-Ausgabe) vom 21. November 1932, [Beilage:] Unterhaltungsblatt Nr. 324.

21. November (Montag) • Verleihung des Kleist-Preises an Else Lasker-Schüler und Richard Billinger (1890–1965). Else Lasker-Schüler wird »für ihr dichterisches Lebenswerk« ausgezeichnet.

30. November (Mittwoch) • »Am Mittwoch, 30. November, abends 9 Uhr (nicht um 8 Uhr, wie angekündigt), liest Else Lasker-Schüler im Schubertsaal, Bülowstraße 104, aus ihren Büchern.« (Vossischen Zeitung [Berlin]. Nr. 570 [Abend-Ausgabe] vom 28. November 1932 [»Kunst, Wissenschaft, Literatur«].)

1933

23. Januar (Montag) • Else Lasker-Schüler besucht im Staatlichen Schauspielhaus in Berlin eine Aufführung von Goethes »Faust II«. Die Premiere von Gustav Lindemanns (1872–1960) Inszenierung des Stückes war am 21. Januar erfolgt. Quelle: KA, Bd. 8, Nr. 634.

7. März (Dienstag) • Else Lasker-Schüler übersendet ihr Buch »Konzert« und ihr Schauspiel »Arthur Aronymus und seine Väter« an Franz von Papen (1879–1969). Am 20. März antwortet das Preußische Staatsministerium: »Herr Vizekanzler von Papen ist zu seinem Bedauern gegenwärtig durch seine außerordentlich starke dienstliche Inanspruchnahme verhindert, Ihnen persönlich für Ihr freundliches Schreiben vom 7. d. M. zu antworten. In seinem Auftrage habe ich die Ehre, Ihnen den verbindlichen Dank des Herrn Vizekanzlers zu übermitteln, insbesondere auch für die liebenswürdige Aufmerksamkeit, die Sie ihm durch die Überreichung Ihrer Werke ›Konzert‹ und ›Arthur Aronymus und seine Väter‹ erwiesen haben. Gern wird der Herr Vizekanzler einige freie Stunden dazu benutzen, um sich mit den Büchern zu beschäftigen.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:125.)

19. April (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler verlässt Berlin und reist über den Badischen Bahnhof in die Schweiz ein. Bis zu ihrer ersten Palästinareise wohnt sie in Zürich im Augustinerhof, einem christlichen Hospiz in der Sankt Peterstrasse 8. Im Juli und August 1933 hält sie sich in Locarno auf.

1. Mai (Montag) • Besuch eines Vortrags von Martin Buber, der auf Einladung der »Vereinigung für soziale und kulturelle Arbeit im Judentum« über das Thema »Der jüdische Glaube und das öffentliche Leben« spricht.

27. Juni (Dienstag) • Auf Einladung der Buchhandlung Oprecht & Helbling liest Else Lasker-Schüler im Studio Fluntern, Gloriastrasse 100: »Dieser Vortragsabend im Studio Fluntern wurde zu einem seltsam eindringlichen Erlebnis. Alle, die gekommen waren, um dieser deutschen Dichterin zu begegnen und das Geschenk ihrer Lyrik von ihr selbst zu empfangen, fühlten, daß hier einer der ganz wenigen Dichter sprach, denen man einmal selbst begegnet sein muß, um den ganzen Zauber ihrer Kunst zu genießen. Diese Frau mit dem seltsam schönen, plastischen Gesicht im düstern Rahmen ihres strähnig-schwarzen Haares sang die Musik ihrer Lyrik mit einer solchen Kraft, daß es war, als lausche man einer der Märchenerzählerinnen des von ihr so geliebten Orients oder beim Vortrag ihrer hebräischen Balladen dem singenden Gebet eines Priesters ihrer Religion. Als sie dann aber aus ihrem neuen Theaterstück ›Artur Aronimus‹ vortrug, wie ein Kind, das anderen wundervolle Geheimnisse verrät, schalkhaft und geheimnisvoll und mit einer fast besessenen Verlorenheit in den Zauber einer längst versunkenen, romantischen Welt, blühte die blaue Blume der Romantiker im mystischen Zwielicht ihrer Stimme auf und verwandelte die Gemeinde dieser Dichterin in eine Schar verzauberter Kinderseelen. Warmer Beifall dankte Else Lasker-Schüler für ihr Kommen und für das Geschenk ihrer zauberischen Kunst.« (selkis.: Vortragsabend Else Lasker-Schüler. In: Tages-Anzeiger [Zürich]. Jg. 41, Nr. 151 vom 30. Juni 1933 [»Kleine Chronik«].)

4. Juli (Dienstag) • Else Lasker-Schüler reist von Zürich nach Locarno. Sie wohnt dort im »Hotel de la Gare et Suisse«. Quelle: KA, Bd. 9, Nr. 42.

6. August (Sonntag) • Lesung in Ascona im »Teatro San Materno«. Im Publikum sitzt der Maler Gert Heinrich Wollheim (1894–1974). Nach der Lesung ist Else Lasker-Schüler mit dem Verleger Ernest Rathenau (1897–1986) im Hotel »Casa Tamaro« von Paul Witzig (1899–1985) zum Essen verabredet. Quelle: KA, Bd. 9, Nr. 54, 56 und 60.

30. August (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler kehrt von Locarno nach Zürich zurück. Quelle: KA, Bd. 9, Nr. 69.

11. September (Montag) • Klaus Mann (1906–1949) notiert im Tagebuch: »Anruf von der Lasker-Schüler, leider.«

12. September (Dienstag) • Klaus Mann notiert im Tagebuch: »Später ins Café Neumann, dort: Else Lasker-Schüler, zerstört und irre, aber mit rührenden und begabten Momenten. Gibt mir ein konfuses, stellenweis schönes Gedicht.«

15. September (Freitag) • Klaus Mann notiert im Tagebuch: »Anrufe von […] der Lasker-Schüler.«

16. September (Samstag) • Klaus Mann notiert im Tagebuch: »[…] die gedankenflüchtige Lasker-Schüler im Café Neumann […].«

18. September (Montag) • Auf Einladung der »Vereinigung für soziale und kulturelle Arbeit im Judentum« liest Else Lasker-Schüler im Zürcher »Kramhofsaal«, Füsslistrasse 4, aus ihren Dichtungen. Ankündigung: Jüdische Presszentrale Zürich. Jg. 16, Nr. 762 vom 15. September 1933, S. 15 (»Das Blatt der jüdischen Frau«), auf S. 21 ein Inserat: »Else Lasker-Schüler. Vorlesung aus eigenen Werken«.

21. September (Donnerstag) • Klaus Mann notiert im Tagebuch: »[…] ins Café Neumann; dort Lasker-Schüler […].«

Anfang November • Auf Einladung von Emil Raas (1910–1993) liest Else Lasker-Schüler in der jüdischen Studentengruppe »Union Bern«.

15. November (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler unterzeichnet eine »Fremdenpolizeiliche Weisung« (Stadtarchiv Zürich; Faksimile: Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 238) der Stadt Zürich, dass ihr »jeder Stellenantritt und jede Erwerbstätigkeit bis auf weiteres verboten« sei.

16. November (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler muss ein Bußgeld von 37.10 Franken zahlen. Sie hatte sich vom 19. April bis zum 15. November 1933 ohne polizeiliche Anmeldung in Zürich aufgehalten.

11. Dezember (Montag) • Klaus Mann notiert im Tagebuch: »Telephon: […] die Lasker-Schüler.«

12. Dezember (Dienstag) • Klaus Mann notiert im Tagebuch: »In dem Augustiner Hof zur Lasker-Schüler. Ihre echte Zerstörtheit; Spuren legitimen dichterischen Wahnsinns.«

28. Dezember (Donnerstag) • Klaus Mann notiert im Tagebuch: »Anruf: Lasker-Schüler.«

1934

26. Januar (Freitag) • Else Lasker-Schüler erhält einen neuen Reisepass (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 1:18), ausgestellt vom deutschen Generalkonsul in Zürich.

27. Januar (Samstag) • Gottfried Benn an Tilly Wedekind (1886–1970): »Laß Dich von E. L. S. nicht erweichen u. sentimental machen. Sie ist sehr seltsam u. sehr genial, aber menschlich ganz fragwürdig u. romantisch. Dazu natürlich fanatisch antideutsch u. lügt wie alle so hysterische Menschen.« (Gottfried Benn: Briefe an Tilly Wedekind. 1930–1955. Nachwort von Marguerite Valerie Schlüter [G. B.: Briefe. Bd. 4. Hg. von M. V. Sch.]. Stuttgart: Klett-Cotta, 1986, S. 34.)

7. Februar (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler liest um 21.30 Uhr im Programm der »Radio-Genossenschaft Zürich« einige Gedichte.

13. Februar (Dienstag) • Else Lasker-Schüler überbringt dem Kunsthaus Zürich »zur Aufbewahrung«: »2 Handkoffer, versiegelt« und »47 Zeichnungen ungerahmt« (Kunsthaus Zürich, Signatur: Archiv 2001/001:083, Blatt 247:243).

17. Februar (Samstag) • Jakob Wilhelm Wartmann (1882–1970), Leiter des Kunsthauses Zürich, schreibt an Else Lasker-Schüler: »Entsprechend Ihrem Wunsch haben wir die durch Sie bezeichneten Arbeiten von Ihnen und Ihrem Sohne besichtigt und unserer Ausstellungskommission zur Entscheidung über deren Einreihung in eine der nächsten Ausstellungen des Zürcher Kunsthauses unterbreitet. Zu unserem Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen, dass sich die Möglichkeit dafür nicht bietet.« (Kunsthaus Zürich, Signatur: Archiv 2001/002:056, Blatt 427:424.)

12. März (Montag) • Das »Consulat Royal d’Égypte à Genève« stellt Else Lasker-Schüler ein zwölf Monate gültiges Visum aus: Dieses berechtigt zu Aufenthalten in Ägypten als Tourist für die Dauer von jeweils drei Monaten. Das Visum ist im neuen Reisepass Else Lasker-Schülers eingetragen.

21. März (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler bricht von Zürich zu ihrer ersten Palästinareise auf.

24. März (Samstag) • Von Genua aus reist Else Lasker-Schüler mit dem Dampfschiff »Esperia« der Schifffahrtsgesellschaft »Lloyd Triestino« nach Alexandria.

25. März (Sonntag) • Klaus Mann hält sich in Amsterdam auf. Er notiert im Tagebuch: »Abends: mit F. [d. i. Fritz Landshoff] bei James Simon. […] Klavierspiel […] (Texte: Lasker-Schüler, Manfred Hausmann, Fontane u. s. w.)«. James Simon (1880–1944) hatte Else Lasker-Schülers Gedicht »Die Liebe« (»Es rauscht durch unseren Schlaf«) vertont. Exemplar im Nachlass Else Lasker-Schülers in der National Library of Israel (Jerusalem), Arc. Ms. Var. 501 (Else Lasker-Schüler Archive), File 15:17: »Frau Lasker-Schüler / dankbar zugeeignet von / James Simon / Amsterdam, Bachstr. 22 (Lindemann).« Datiert 22. – 25. März 1934.

27. März (Dienstag) • Else Lasker-Schüler trifft in Alexandria ein. Dort ist sie Gast von Margret Pilavachi und ihrem Mann George, einem ägyptischen Baumwollhändler.

30. März (Freitag) • Sederabend, mit dem das Pessachfest beginnt. Else Lasker-Schüler verbringt den Abend im Hause David Pratos (1882–1951), von 1927 bis 1936 Rabbiner in Alexandria. Quelle: KA, Bd. 5, S. 60–62.

4. April (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler reist aus Alexandria ab. Nach der Beilage zu »Steimatzky’s Palästina-Führer« (Jerusalem 1935) gab es eine täglich verkehrende Zugverbindung von Alexandria nach Jerusalem. Der Zug verließ Alexandria um 15.00 Uhr und traf um 21.14 Uhr in El-Kantara (Al-Qantarah) am Westufer des Suezkanals ein. Die Abfahrt vom Ostufer erfolgte um 23.35 Uhr, die Ankunft in Jerusalem am folgenden Morgen um 8.45 Uhr. – Else Lasker-Schüler wohnt zunächst einige Tage bei ihrer Freundin Elfriede Caro (gest. 1939) und bezieht dann ein Zimmer in der Pension Nordia in der Jaffastraße, Ecke St. Louis Way (später umbenannt in König-Salomon-Straße [Shlomo Hamelech]), am damaligen Allenby Square. Dort befand sich 1934 auch die Jerusalemer Hauptpost.

6. April (Freitag) • Schmuel Hugo Bergmann (Bergman) notiert im Tagebuch: »Gestern Else Lasker-Schüler angekommen, ganz merkwürdig irr in den ersten Stunden. Furchtbares Schicksal: jetzt kommt sie nach Palästina und kann sich kaum bewegen. Wo ihr Traum erfüllt ist, kann sie ihn nicht genießen. Und ist dabei ganz an Deutschland verhaftet, spricht unaufhörlich von Hitler und so weiter. Sogar von Mordplänen irgendwelcher Emigranten. Wieder plötzlich erzählt sie von König David, der zwanzig Minuten bei ihr saß, und daß sie zu Professor Dessoir ging und er es ihr glaubte. Sie fand Chawas Plastellin Figuren ungemein begabt, meinte nur, man sollte ihr keine Lehrer nehmen, damit sie nicht verdorben wird.« (Schmuel Hugo Bergman: Tagebücher & Briefe. Hg. von Miriam Sambursky. Mit einer Einleitung von Nathan Rotenstreich. Eine Veröffentlichung des Leo Baeck Instituts. Königstein/Ts.: Jüdischer Verlag bei athenäum, 1985. Bd. 1: 1901–1948, S. 356.)

11. April (Mittwoch) • Gershom Scholem schreibt an Walter Benjamin: »Zur Zeit befindet sich hier, soweit ich verstehe, hart an der Grenze des Irrsinns, Else Lasker-Schüler, die in jedes andere Land der Welt wohl besser paßt als in den wirklichen Orient. Immerhin bleibt sie eine wirklich verblüffende Erscheinung. Sie hat eine halbstündige Unterredung mit dem König David gehabt, über die sie nun von mir kabbalistischen Aufschluß verlangt. Und ich bin leider nicht einmal überzeugt, daß sie ihn wirklich gesehen hat.« (Walter Benjamin / Gershom Scholem: Briefwechsel 1933–1940. Hg. von Gershom Scholem. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1980, S. 133.)

19. April (Donnerstag) • Gershom Scholem an Walter Benjamin: »Als letzter Gast ist zur Zeit in Palästina, wie ich Dir vielleicht schon schrieb, Else Lasker-Schüler. Eine Ruine, in der der Wahnsinn weniger haust als gespenstert.« (Walter Benjamin / Gershom Scholem: Briefwechsel 1933–1940. Hg. von Gershom Scholem. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1980, S. 136.)

25. April (Mittwoch) • Aus Jerusalem sendet Else Lasker-Schüler an Helene Kann (1877–1949) in Wien eine Reinschrift des Gedichts »Der Tibetteppich« und die kolorierte Zeichnung »Jussuf reitet durch die Wüste«. Beides ist für Karl Kraus zum 60. Geburtstag am 28. April 1934 bestimmt. – Faksimile der Zeichnung: Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 249. Das Gedicht ist als Faksimile gedruckt in: Stimmen über Karl Kraus zum 60. Geburtstag. Hg. von einem Kreis dankbarer Freunde. Wien: Richard Lanyi, 1934 (vor S. 7).

26. April (Donnerstag) • Hugo Bergmann notiert im Tagebuch: »Else Lasker-Schüler war bei uns, und ich sang mit sehr lauter Stimme, um die Stimme zu beruhigen, die sehr unruhvoll aus meinem Inneren kam.« (Schmuel Hugo Bergman: Tagebücher & Briefe. Hg. von Miriam Sambursky. Mit einer Einleitung von Nathan Rotenstreich. Eine Veröffentlichung des Leo Baeck Instituts. Königstein/Ts.: Jüdischer Verlag bei athenäum, 1985. Bd. 1: 1901–1948, S. 358.)

29. April (Sonntag) • Lesung in Jerusalem in der Galerie Steimatzky: »Reading – by Mrs. Else Lasker-Schueller. Steimatzky Gallery, 9 p. m. (German). Admission charge.« (The Palestine Post [Jerusalem]. Jg. 10, Nr. 5704 vom 29. April 1934, S. 8 [»Events«].)

3. Mai (Donnerstag) • Lag ba-Omer. Else Lasker-Schüler fährt nach Meron in der Nähe von Safed, wo jedes Jahr an Lag ba-Omer der Todestag des Rabbi Simon bar Jochai gefeiert wird. Quelle: KA, Bd. 5, S. 23.

6. Mai (Sonntag) • Lesung in Tel Aviv: »Habimah Circle – Mrs. Lasker-Schiller’s Readings: Poems and Dramas. 80, Rothschild Blvd., 9 p. m.« (The Palestine Post [Jerusalem]. Jg. 10, Nr. 2709 [5709] vom 6. Mai 1934, S. 8 [»Today’s Events«].)

27. Mai (Sonntag) • Lesung in Jerusalem im Arbeiterseminar (Ben-Jehuda-Straße). Ankündigung: דבר (Davar) (Tel Aviv). Nr. 2744 vom 27. Mai 1934, S. 7 (״ירושלים״).

30. Mai (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler reist von Haifa mit dem Dampfschiff »Gerusalemme« der Schifffahrtsgesellschaft »Lloyd Triestino« nach Triest.

4. Juni (Montag) • Else Lasker-Schüler trifft in Triest ein und reist von dort zunächst nach Wien, wo sie Julie Wassermann (geb. Speyer) (1876–1963), die erste Frau des Schriftstellers Jakob Wassermann (1873–1934), besucht.

14. Juni (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler kehrt von ihrer Palästinareise nach Zürich zurück und bezieht ein Zimmer im Glockenhof, einem christlichen Hospiz in der Sihlstrasse 31/33. Sie wohnt dort bis zum 1. Juli 1935.

4. Juli (Mittwoch) • Im Brief an Arthur Ruppin (1876–1943) erster Hinweis auf das Buch »Das Hebräerland«. Else Lasker-Schüler schreibt: »Ich bin am Dichten über unsere fromme Stadt« (KA, Bd. 9, S. 129).

17. Juli (Dienstag) • Gotthard Jedlicka (1899–1965) rät Else Lasker-Schüler davon ab, während der Sommermonate in der Galerie Aktuaryus in Zürich auszustellen: »Die Galerie hat jetzt kaum Publikum, und es wäre schade, wenn Ihre schönen Zeichnungen (ich denke, sie sind in der Art Ihrer früheren Illustrationen, die mir einen starken Eindruck gemacht haben) nicht so beachtet würden, wie sie es verdienen.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:166.)

3. August (Freitag) • Klaus Mann notiert im Tagebuch: »Die Lasker-Schüler getroffen. Ihr zerstörtes Affengesichtchen mit den starken Augen.«

5. August (Sonntag) • Klaus Mann notiert im Tagebuch: »Nachmittags mit der Lasker-Schüler im ›Terrasse‹. Schwatzt gespenstisch, doch dazwischen immer genial über Palästina, den Rabbi von Alexandria, die arme Julie Wassermann und Geistererscheinungen (ein blutiger Arm mit Hand im Zimmer – –)«.

13. August (Montag) • Annette Kolb (1870–1967) schreibt aus Zürich an René Schickele: »Die Stühle, zwischen welchen ich sitze, sind nicht mehr zu zählen. Vielleicht lerne ich Zitherspielen u. ziehe mit der Lasker Schüler nach’s Jerusalem. Judennasen kann man gewiss kaufen, und polnische Locken unterm Hut werden mir auch gut stehen. Die L. S. ist complett wirr, und dann sagte sie zwischen drin güldene Dinge im Dichterton: O Frl. Kolb, man wird des Schnorrens so müde. Ich bin es so müde. Aber ein Verkehr mit ihr ist unmöglich. Vielleicht in Jerusalem.« (Annette Kolb und René Schickele: Briefe im Exil. 1933–1940. In Zusammenarbeit mit Heidemarie Gruppe hg. von Hans Bender [Die Mainzer Reihe 65]. Mainz: von Hase & Koehler, 1987, S. 146.)

3. Oktober (Mittwoch) • Verspätet meldet Else Lasker-Schüler sich nach ihrer Rückkehr aus Palästina bei der Fremdenpolizei der Stadt Zürich an. Sie muss ein Bußgeld von 7 Franken zahlen. – Erfolgreich setzt sie sich gegen eine Verfügung zum Verlassen des Kantons Zürich zur Wehr: Sie erhält eine bis zum 30. Juni 1935 befristete Aufenthaltserlaubnis.

19. November (Montag) • Klaus Mann notiert im Tagebuch: »Lasker-Schülerin, spukhafte Begegnung.«

1. Dezember (Samstag) • Hugo May (1887–1958) und Kurt Ittmann (1896–1974) zahlen gemeinsam Else Lasker-Schüler ein Jahr lang monatlich 100 Franken für den Lebensunterhalt.

23. Dezember (Sonntag) • Klaus Mann notiert im Tagebuch: »Klagend närrischer Anruf der Lasker-Schüler.«

30. Dezember (Sonntag) • Klaus Mann notiert im Tagebuch: »Abends mit Theres [d. i. Therese Giehse] – E [d. i. Erika Mann] bei Katzensteins. Bakys dabei. Unterhaltung, z. B., lang über die Julie Wassermann, die Lasker-Schüler, Döblin u. s. w.«

1935

12. Februar (Dienstag) • Der ehemalige Berliner Rechtsanwalt Victor Fraenkl (1869–1951) spricht auf Einladung der »Vereinigung für soziale und kulturelle Arbeit im Judentum« im Saal der Augustin-Keller-Loge, Uraniastrasse 9, über das Thema »Gott und die Tiere«: »Unter den Zuhörern erblickte man u. a. zwei Prominente der literarischen Welt, Else Lasker-Schüler und Arthur Holitscher.« (h.: Tierschutz im Judentum. Ein Vortrag von Justizrat Dr. Viktor Fraenkl. In: Jüdische Presszentrale Zürich. Jg. 18, Nr. 832 vom 22. Februar 1935, S. 13 [»Das Blatt der jüdischen Frau«].) Der Vortrag war am 8. Februar in der »Jüdischen Presszentrale« (Nr. 830, S. 13) angekündigt worden.

26. Februar (Dienstag) • Else Lasker-Schüler widmet Hugo May ein handschriftliches »Gedichtbuch« (Zentralbibliothek Zürich [Ms. Z VI 709]): »Dem lieben verehrten | Hugo May, einige | Gedichte von der | Else Lasker-Schüler || 26. II 35« (Faksimile: Gedichtbuch für Hugo May, Bd. 1, Blatt 1) – Im Februar 1935 war die Handschrift allerdings noch unvollständig, vermutlich waren erst einige wenige der insgesamt sechsunddreißig Gedichte eingetragen. Am 9. April 1935 (vgl. Gedichtbuch für Hugo May, S. 123) bittet sie Hugo May, ihr die Handschrift im Warenhaus Brann zu hinterlegen, und nimmt sie Ende Juni 1935 mit nach Ascona. In den folgenden Monaten berichtet sie immer wieder von der Weiterarbeit. Der Abschluss verzögert sich vor allem deshalb, weil Else Lasker-Schüler in dieser Zeit intensiv am Manuskript des »Hebräerlands« arbeitet. Ende April 1936 scheint die Niederschrift abgeschlossen zu sein: Aus Ascona fragt Else Lasker-Schüler am 2. und erneut am 10. Mai 1936 (vgl. Gedichtbuch für Hugo May, S. 166 f.) bei Hugo May an, ob das »Gedichtbuch« bei ihm eingetroffen sei..

23. März (Samstag) • Else Lasker-Schüler liest auf Einladung der »Zionistischen Ortsgruppe Zürich« im Saal der Augustin-Keller-Loge, Uraniastrasse 9, aus ihren Dichtungen. Ankündigung: Jüdische Presszentrale Zürich. Jg. 18, Nr. 836 vom 22. März 1935, S. 15 (»Das Blatt der jüdischen Frau«), auf S. 23 ein Inserat: »Frau Else Lasker-Schüler [liest] aus eigener Dichtung vor.«

5. April (Freitag) • Else Lasker-Schüler reicht beim Kunsthaus Zürich »141 Zeichnungen« ihres Sohnes Paul »zur Vorlage an die Ausstellungskommission« ein (Kunsthaus Zürich, Signatur: Archiv 2001/002:059, Blatt 192:189).

14. Mai (Dienstag) • Jakob Wilhelm Wartmann, Leiter des Kunsthauses Zürich, schreibt an Else Lasker-Schüler: »Wie Ihnen bereits mündlich mitgeteilt worden ist, hat unsere Ausstellungskommission in der letzten Sitzung sich mit den durch Sie uns vorgelegten Zeichnungen Ihres verstorbenen Sohnes Paul Lasker beschäftigt. Das Ergebnis ist leider nicht positiv; die Kommission ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Einreihung einer Auswahl dieser Zeichnungen in eine unserer künftigen Ausstellungen sich nicht gut bewerkstelligen lassen würde.« (Kunsthaus Zürich, Signatur: Archiv 2001/002:059, Blatt 266:263.)

21. – 25. Juni (Freitag – Dienstag) • In Paris findet der »Internationale Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur« statt. Unter den »weiteren Teilnehmern« wird auch Else Lasker-Schüler erwähnt, die allerdings abgesagt hatte. Quelle: Der Internationale Schriftstellerkongress. Das Programm der Veranstaltungen. In: Pariser Tageblatt. Jg. 3, Nr. 554 vom 19. Juni 1935, S. 3.

28. Juni (Freitag) • Else Lasker-Schüler reist von Zürich zunächst nach Bern, wo sie am Abend eintrifft. Sie besucht dort Emil Raas. Quelle: KA, Bd. 9, Nr. 400.

1. Juli (Montag) • Else Lasker-Schüler fährt von Bern weiter nach Ascona. Sie nimmt sich ein Zimmer über der Konditorei Berger-Signorelli. Diese lag in der Via Borgo gegenüber dem Café Verbano, dem Treffpunkt von Künstlern und Intellektuellen in Ascona. Am 2. September 1936 kehrt Else Lasker-Schüler nach Zürich zurück.

8. Juli (Montag) • Mitteilung des Kurt Wolff Verlags, Berlin, über den Bestand von Else Lasker-Schülers »Gesammelten Gedichten«: »Wir haben nunmehr festgestellt, dass von Umschlägen der von Ihnen gewünschten Art noch 750 Stück vorhanden sind, sodass wir also imstande wären, von den ca. 3000 Rohexemplaren 750 mit dem von Ihnen gewünschten Umschlag kartonnieren zu lassen.« (Gedichtbuch für Hugo May, Bd. 2, S. 135.) Von Else Lasker-Schülers »Gesammelten Gedichten« hatte Kurt Wolff 1920 die 3. Auflage als »sechstes bis zehntes Tausend« herausgebracht. Lediglich 2000 Exemplare dieser Auflage konnten verkauft werden: 1935 besaß der Verlag noch 3000 ungebundene Exemplare und 750 Umschläge. Else Lasker-Schüler hoffte, die verbliebenen Exemplare in die Schweiz schaffen und dort vertreiben zu können. Der geplante Ankauf der Bücher scheiterte, weil der Verlag die Umschläge letztlich nicht liefern konnte.

11. Juli (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler meldet sich bei der Fremdenpolizei in Ascona an und erhält eine Aufenthaltsgenehmigung bis zum 31. August 1935. Bei einer erneuten Vorsprache am 9. Oktober 1935 befristet die Fremdenpolizei Else Lasker-Schülers Aufenthalt im Tessin bis zum 30. November 1935, am 9. Januar 1936 wird dann eine Aufenthaltsgenehmigung bis zum 31. März 1936 im Reisepass eingetragen (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 1:18).

10. September (Dienstag) • Else Lasker-Schüler liest im »Teatro San Materno« unter anderem aus dem Manuskript des »Hebräerlands«. Quelle: KA, Bd. 9, Nr. 418 und 421.

17. September (Dienstag) • Else Lasker-Schüler übersendet den Anfang des Typoskripts von »Das Hebräerland« an den Schocken Verlag in Berlin. Sie schreibt am 18. September an Hugo May und Kurt Ittmann: »Gestern (zur Probe, ob Ankunft: Eingeschrieben: ¼ Manuscript nach Schocken abgegangen.« (Gedichtbuch für Hugo May, Bd. 2, S. 146.) – Der Plan, »Das Hebräerland« in Berlin zu veröffentlichen, zerschlug sich, weil der Schocken Verlag aufgrund der im Deutschen Reich seit 1931 geltenden Devisenbeschränkungen keine Honorare an Else Lasker-Schüler in die Schweiz übersenden konnte.

5. November (Dienstag) • Hugo May und Kurt Ittmann verpflichten sich, Else Lasker-Schüler ein weiteres Jahr – bis zum 31. Oktober 1936 – mit einer monatlichen Zahlung von 100 Franken zu unterstützen.

1936

7. Februar (Freitag) • Else Lasker-Schüler übersendet das Typoskript des »Hebräerlands« an den Querido Verlag in Amsterdam, der sich bereiterklärt, das Buch im Herbst desselben Jahres zu veröffentlichen. Quelle: KA, Bd. 9, Nr. 493, 507, 512 und 536. – Der Plan zerschlug sich, als Else Lasker-Schüler mit Emil Oprecht (1895–1952) einen Schweizer Verleger gewinnen konnte.

11. Februar (Dienstag) • Vermeintlich 60. Geburtstag von Else Lasker-Schüler. Aus diesem Anlass erscheinen im Februar 1936 zahlreiche Beiträge vor allem in der jüdischen Presse Berlins.

22. Februar (Samstag) • Else Lasker-Schüler liest in Ascona im Hotel »Casa Tamaro«. Bei dieser Gelegenheit werden auch einige Bilder von ihr gezeigt. Quelle: KA, Bd. 9. Nr. 462, 466, 472 und 494.

Anfang März • Aus Paris schreibt Walter Benjamin an Werner Kraft: »[…] ich bestätige Ihnen mit herzlichem Dank Ihre besonders schöne Arbeit über Else Lasker-Schüler. Unter ihrer Lektüre gewann mich mehr und mehr das Gefühl, daß von dieser Dichterin nie vorher mit soviel Liebe und Einsicht gesprochen worden ist. Sie haben gleich zu Beginn den glücklichen (dialektischen) Griff ins Unzulängliche dieser Erscheinung hinein: das will aber hier besagen in ihr Tiefstes und ihr Lebendigstes. So bekommt in Ihrer Darstellung das dichterische Gelingen der Frau etwas von der Seligkeit, das an dem Fliegenden ist, der der Schwerkraft seinen Flug abgewinnt. | Bei Gelegenheit will ich mir ›Das Konzert‹ verschaffen, indessen glauben, daß Weniges sich darinnen schöner darstellt denn die Zitate im Zusammenhang Ihres Textes. | Es tut mir besonders leid, nichts zu seiner Publikation tun zu können.« (Walter Benjamin: Gesammelte Briefe. [Hg. vom Theodor W. Adorno Archiv.] Bd. 5. 1935–1937. Hg. von Christoph Gödde und Henri Lonitz. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1999, S. 257.) – Typoskript des unveröffentlichten Aufsatzes von Werner Kraft: Literatur- und Kunstinstitut Hombroich. Einleitend schreibt Werner Kraft: »Die Epoche ist als ganze, als kulturelle und als ökonomische, eine des Verfalls. Im einzelnen bietet sie reiche Möglichkeiten, Intentionen, Realisierungen, die zum geringsten Teile abgeschätzt und dargestellt sind. Auch fehlt noch völlig jeder Umriss eines Nachbilds, das die ›klassischen‹ Epochen so augenfällig und so bequem macht. Die Bilder aber, die es von Werk und Gestalt gewisser Lebender oder jüngst Verstorbener gibt, werden sich sehr bald als untauglich für jede ernsthafte Betrachtung erweisen. | So verstanden, ist es nützlich für das strenge Verständnis eines Sachzusammenhangs, dass Else Lasker-Schüler im ganzen unlesbar ist und dass die Aufgabe gerechter Kritik hier nur darin bestehen kann, den Diamantenstaub vom Schutt zu sondern und sorgfältig zu sammeln, um den kommenden Generationen anhand eines extremen Beispiels eine Ahnung des Kohinor in seinem vollen Glanze zu überliefern.« (Zitiert nach dem Textauszug in: KA, Bd. 10, S. 537.)

9. März (Montag) • In Zürich findet die Generalversammlung des »Schweizer Verbands zur Förderung der Universität Jerusalem« statt. Zu den Teilnehmern gehört vermutlich Salman Schocken (1877–1959). Am 18. März schreibt Kurt Ittmann an Else Lasker-Schüler: »Ich hatte zufällig letzte Woche Gelegenheit Herrn Schocken zu sprechen, und habe ihn auch darüber interpelliert, warum er seiner Zeit Ihr Manuskript zurückgeschickt hat. Herr Schocken konnte mir keinen Bescheid geben und beauftragte seinen Sohn, mir zu berichten. Ich erhielt nun heute beiliegenden Brief, der Ihnen allerdings nicht viel Neues sagen wird.« (Gedichtbuch für Hugo May, Bd. 2, S. 162.) Die erwähnte Beilage ist nicht bekannt.

13. April (Montag) • Emil Oprecht besucht Else Lasker-Schüler in Ascona, die ihm aus dem Manuskript des »Hebräerlands« vorliest. Quelle: KA, Bd. 9, Nr. 539.

14. April (Dienstag) • Jakob Wilhelm Wartmann, Leiter des Kunsthauses Zürich, schreibt an Else Lasker-Schüler: »Im Besitz Ihres Briefes vom 8. April, mit welchem Sie die Anfrage wegen Ausstellung von Zeichnungen Ihres verstorbenen Sohnes Paul Lasker wiederholen, können wir einstweilen nur auf unsere Mitteilung vom 14. Mai 1935 verweisen. Die Ausstellungskommission hat damals die Blätter angesehen und ist zur Überzeugung gelangt, dass sie zu einer Vorweisung im Rahmen der Ausstellungen des Kunsthauses sich nicht eignen, zum Teil gewiss auch deswegen, weil sie im Rahmen einer öffentlichen Darbietung von Werken nach der technischen Ausbildung und der Formgebung ›fertiger‹ Maler von einem grossen Teil des Publikums missverstanden werden müssten. Ich glaube kaum, dass die Überzeugung unserer Kommissionsmitglieder sich seit dem letzten Jahr geändert hat, will die Herren aber, wenn Sie grossen Wert darauf legen, in der nächsten Sitzung nocheinmal fragen.« (Kunsthaus Zürich, Signatur: Archiv 2001/002:062, Blatt 426:422.)

26. April (Sonntag) • H. Birnbaum, Augenarzt in Antwerpen, schreibt an Else Lasker-Schüler: »Hier Näheres über eine eventuelle Vortragsreise in Belgien und Holland: | In Belgien käme nur Antwerpen in Betracht, da in Bruxelles nur wenig Leute deutsch verstehen. Da aber Antwerpen wenig zahlt (20–30 schw Franken) würde sich diese Reise nur dann lohnen, wenn Sie zu gleicher Zeit in Holland einige Vorträge halten könnten. Die Holländer zahlen unter Umständen die Reisespesen und 20–25 holl Gulden (40–50 schw Fr) | Das liesse sich ganz gut machen, da Sie in Holland sehr gut bekannt sind. Im günstigen Falle kämen fünf Städte in Betracht. | Die einzige Schwierigkeit scheint mir, nachdem was mir meine zwei Schwestern, die darin Bescheid wissen, sagten, wäre der Inhalt Ihres Vortrages. Es dürfte nicht ausschliesslich ein Recital-abend werden. Sie müssten auch etwas sprechen. Das scheint mir doch in Ihrem Falle gar nicht schwer. Sie könnten doch über Palestina etwas sagen, was übrigens eine gute Reclame für Ihr Buch wäre (Ihre Bücher bringen Sie natürlich mit), Sie könnten auch etwas über Ihr Leben erzählen, auch wie Sie Göbbels aus Deutschland vertrieben hat und zum Schluss auch etwas lesen. Die besten Vorträge dauern doch nicht mehr wie eine Stunde. | Zeitpunkt der Vorträge, Spätherbst oder anfang Winter. Sind Sie inzwischen in Palestina bitte ich Sie sich an meine Schwester Frau Ehrenfeld in Jerusalem zu wenden. Van Friesland wird Ihnen ihre Adresse geben. Sie wird von dort aus die Sache in Holland besorgen und ich in Belgien. | Wenn sich Ihr Vortrag etwas eingehender mit Palestina beschäftigen sollte, so scheint es mir durchaus möglich dass Ihnen eines der zyonistischen bureaus in Jerusalem eine Vortragsreise durch Europa arrangieren würde? was dann sowohl für Ihre Bücher als auch für Ihre Tasche von Nutzen sein könnte. Näheres darüber bei meiner Schwester in Jerusalem.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:84.)

6. Mai (Mittwoch) • 80. Geburtstag Sigmund Freuds. Else Lasker-Schüler gehört zu den Unterzeichnern einer »Glückwunschadresse«. Vgl. Pariser Tageblatt. Jg. 4, Nr. 880 vom 10. Mai 1936, S. 4 (»Eine Glückwunschadresse an Sigmund Freud«).

12. Mai (Dienstag) • Else Lasker-Schüler übersendet ein koloriertes Exemplar ihres Buches »Theben« (1923) an Mussolini. Quelle: KA, Bd. 9, Nr. 557 und 560. – Sie schreibt am 14. Juli an Jacob Zucker (1883–1960): »Der Duce hat mich wieder auszeichnen lassen. Ich mußte ans Consulat Locarno kommen. Dort Freude. Er liebt meine Gedichte. Ich hatte lange Unterhaltung ¾ Stunde etwa mit dem Viceconsul, der mir den Brief vom Duce vorlas.« (KA, Bd. 9, S. 378 f.)

24. Mai (Sonntag) • Begegnung mit dem Nationalrat Max Gafner (1892–1957) im Café Verbano. Else Lasker-Schüler schreibt an Emil Raas: »Grade kommt der Nationalrat Graffner (mit einem f.) ins Verbano – | (also Pause) | Er geht nun wieder fort. Er wird Sie in Bern einladen. Ich bitte Sie gehen Sie hin.« (KA, Bd. 9, S. 352.)

27. Mai (Mittwoch) • Max Gafner besucht Else Lasker-Schüler, die Emil Raas unmittelbar berichtet: »Heute um 12 Uhr kam Nationalrat Gafner und wirklich er verstand meine Bilder schön und – denken Sie, er verstand, daß ich meine Bilder oft zurückraubte aus Boudoiren den Barbaren.« (KA, Bd. 9, S. 354.) – Else Lasker-Schüler schenkte Max Gafner ein Exemplar des »Hebräerlands« mit der handschriftlichen Widmung: »Dem lieben verehrten Herrn Nationalrat Dr. Max Gafner / von der Dichterin Else Lasker-Schüler / 25. Mai 36 Ascona / [zwei Köpfe im Profil] / Der Prinz von Theben und sein Somali Ossman« (Faksimile: Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 260).

30. Mai (Samstag) • Lesung in Ascona im »Teatro San Materno«. Quelle: KA, Bd. 9, Nr. 573.

12. Juni (Freitag) • Karl Kraus stirbt in Wien. Am 13. Juni schreibt Else Lasker-Schüler an Helene Kann: »Eben erfahren – erschütternd geradezu. In aller Eile die Karte: Bitte leget paar Blumen für mich auf Karl Kraus Hügel. Ich Einsende paar Kronen (leider nur) wenn noch Post offen, heute noch an Sie, meine liebe verehrte Frau Kann.« (KA, Bd. 9, S. 366.)

15. Juni (Montag) • Emmy Hennings schreibt an Else Lasker-Schüler: »Nicht leicht zu sagen, wie tief es mich berührt hat Sie nach so langer Zeit einmal wiederzusehen, Ihre schönen, tausendjährigen Augen, diese unvergesslich weiche Nacht aus Sammet und Glanz. Und Ihre Stimme einmal wiederzuhören, die nicht ihresgleichen hat auf dieser Welt.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:154.)

3. Juli (Freitag) • Emil Oprecht besucht Else Lasker-Schüler erneut in Ascona und spricht mit ihr über die Drucklegung des »Hebräerlands«. Am 4. Juli schreibt Else Lasker-Schüler an Hugo May und Kurt Ittmann: »Nun ist der Verleger vorgestern hier angelangt; gestern große Besprechung. Die Buchkrise sei schlimm. Ich bin aber sehr froh, da er mein Buch 170 Seiten (sage und schreibe) sehr schön findet und druckt September« (Gedichtbuch für Hugo May, Bd. 2, S. 168).

29. Juli (Mittwoch) • Im Brief an Hugo May erwähnt Else Lasker-Schüler eine Ausstellung von Zeichnungen ihres Sohnes Paul in Ascona im Hotel »Casa Tamaro«: »Zeichnungen herrliche meines Pauls stehen aus im Tamaro Salon hier« (Gedichtbuch für Hugo May, Bd. 2, S. 173).

14. August (Freitag) • Über die Veröffentlichung des »Hebräerlands« schreibt Else Lasker-Schüler an Sylvain Guggenheim (1882–1948): »Im Vertrauen – Dr. Oprecht Zürich giebt mein Buch Sept. heraus – Druck beginnt u. Contrakt. Er giebt mir monatl. 100 Frc. u. Halbj. Abrechnung.« (KA, Bd. 9, S. 386.)

24. August (Montag) • Lesung im Hotel »Casa Bellaria«, Ascona. Am 28. August schreibt Else Lasker-Schüler an Emil Raas: »Ich habe am Montag gelesen im Hôtel Bellaria im Saal. Es war sehr feierlich. Ich las Gedichte und Scheik und Im Rosenholzkästchen und Geheim. Dr. Bumm (Konzert.) Ich bekam so schöne Sachen. Und ganz kleiner Saal, aber ich hatte 92 Frc.« (KA, Bd. 9, S. 388.)

2. September (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler kehrt aus dem Tessin nach Zürich zurück und bezieht ein Zimmer im Hotel Seehof-Bollerei, Schifflände 28. Sie wohnt dort bis zu ihrer Übersiedelung nach Palästina im Frühjahr 1939.

13. Oktober (Dienstag) • Besuch des Zürcher Schauspielhauses. Gespielt wird Shakespeares »Hamlet« mit Ernst Ginsberg (1904–1964) in der Hauptrolle. Quelle: KA, Bd. 9, Nr. 647 und 649.

26. Oktober (Montag) • Einladung bei Marianne (1899–1965) und Ferdinand Rieser (1886–1947), dem Inhaber des Zürcher Schauspielhauses: Gespräch über »Arthur Aronymus und seine Väter«, erste Begegnung mit Leopold Lindtberg (1902–1984). Am 27. Oktober schreibt Else Lasker-Schüler an Emil Raas: »Gestern Abend war ich eingeladen von Frau Generaldirektor Marianne Rieser zur Forelle im Kleinen Saal des Schauspielhaus: Ich soll im Theater in einer Matinée sprechen und wahrscheinlich kommt (unter uns zweien) mein Stück zur Aufführung. Sie sagte alle wären –stert! Wir waren bis 2 Uhr nachts zusammen; es kam nur Leopold Lindtberg eine Sekunde dazu: Nachher fuhr mich Direktor und Direktorin nach Hause.« (KA, Bd. 9, S. 411.)

29. Oktober (Donnerstag) • Besuch des Zürcher Schauspielhauses. Gespielt wird »Peer Gynt« von Henrik Ibsen (1828–1906). Quelle: KA, Bd. 9, Nr. 655.

2. November (Montag) • Else Lasker-Schüler dankt Leopold Lindtberg für seine Bereitschaft, ihr Theaterstück »Arthur Aronymus und seine Väter« zu inszenieren: »Zuerst meinen tiefinnigsten Dank, da Sie die Regie meines Arthur Aronymus übernehmen wollen.« (KA, Bd. 9. S. 416.)

4. November (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler reist früh morgens mit dem Zug nach Mailand und kehrt bereits am folgenden Morgen wieder nach Zürich zurück. – Emil Oprecht hatte Else Lasker-Schüler, deren Aufenthalt in der Schweiz bis zum 31. Oktober befristet war, geraten, das Land für einige Tage zu verlassen und nach der Wiedereinreise eine Aufenthaltsgenehmigung bei der Fremdenpolizei neu zu beantragen. Einzelheiten erläutert sie in ihrem Brief an Emil Raas vom 31. Oktober: »Ich hätte Monate fort gemußt, aber Schelm Doktor Oprecht nahms in die Hand – da war er und Frau Dr. Farbstein zuerst mit mir meinen Pass holen Polizei, der dort immer behalten wird bis Abreise. Er hat es doch, bitte Niemandem sagen, auch nur nicht Dr. Gafner, fertig gebracht durch eine List – und wirklich ich brauch nur 8 Tage mit Reise fort. Ich werde nach Mailand reisen so lange; damit hier neu wieder mein Aufenthalt gezählt wird. Darum ists den Leuten ja.« (KA, Bd. 9, S. 414.) Ausführlich berichtet Else Lasker-Schüler über ihren Aufenthalt in Mailand im Brief an Emil Raas vom 9. November: »Ich war kaum in Mailand stieg schon ein Mensch mit mir aus, der gar nicht so gefährlich aussah, manchmal, stand die Coupétüre auf, zu uns eintrat. Ich hörte, er sprach wie ein Rheinländer, doch auch italienisch ab und zu. Dann sah ich ihn gar nicht mehr! […] Ich hatte großen Hunger und ging in eine Bar. Dann fand ich gar nicht mehr, da immer Stadt Bild anders und ich irrte müde so herum. Auf einmal oder stets wenn ich mich umdrehte, kam mirs so vor, der Mensch war hinter mir (mit noch zwei Menschen,) den ich in der Eisenbahn sah und sprach. Vor einer engeren Quergasse (alle Straßen enorm breit) blieb ich stehen und auch die drei Menschen so 40jährige Herren nicht einfache Menschen, und fragte den einen, der mir so bekannt vorkam, wo Via Giuriati (die Straße nicht mehr genau im Sinn momentan, das kleine Büchelchen verloren) aber ich sagte richtig: Sie lockten mich in die Quergasse, die fast unbevölkert, denn alles strömte dem Dom zu. Und dann schlug einer der Kerle so auf meinen Körper, daß ich genau fühlte wie in den Kriegsjahren so oft, meine Rippen brachen. Damals brachen die Rippen unverschuldet, aber so lebhaft war es überall und man fiel so oft. Ich habe in der Nazizeit, da ich in Berlin war, gelernt, man soll sofort hinfallen. Ich fiel hin, aber von der Wucht des Schlags und die Scheusäler bekamen Angst, entflohen bevor man sie einholen konnte. Nun holte Jemand eine Ärztin, sehr lieber Mensch. Die nahm mich mit in ihr Haus und ich mußte mich vom Schreck erholen. Sie konnte was Deutsch, war in Heidelberg gewesen und sie saß stundenlang bei mir am Rand des Betts. Sie hat dann meine Rippen 2 verbunden, habe noch Verband und ich weiß nicht wie ich ihr je danken soll. Am Abend, fand sie sehr diplomatisch, daß ich nicht am anderen Morgen abreise – wenn ich nicht bei ihr bleiben will eine Zeitlang? Denken Sie! Ihr kleiner Diener mußte mit mir zur Bahn gehen – sie ging 10 Schritte etwa, hinter uns. Ich stieg dann 10,50 ein und war früh morgens 6 Uhr? hier und ich konnte mich nicht mehr halten, hielt mein Versprechen und legte mich ins Bett.« (KA, Bd. 9, S. 423 f.)

9. November (Montag) • Aus Genua schreibt Karl Wolfskehl an Else Lasker-Schüler: »Wirklich verehrte, wirklich unvergessne, wirklich fabelhafte Else Lasker Schüler! Das war ein schöner labtrunkhafter Gruss aus langem Verstummen heraus. Ich erwidre ihn vollsten Masses (nicht selbstschriftlich, denn ich bin fast blind) und viel vergangne Stunden Begegnisse Begebnisse steigen auf, prinzliche Thebanereien, samarkantisches, siamisches und in all dem Bunten das unveränderlich kristallische, Stimme und Ruf und das Ewige Herz! Wie gut ists, voneinander zu wissen ein Leben lang, gehen Pfade auch niemals zusammen, ist auch Drang und Absicht, Wunsch und Sprung gesonderten eignen Fugs. Wo kann ich etwas von Ihren neuen Zionsgedichten kennen lernen?. – Ich glaube, das Kind, darauf Sie mein Auge richten, ist wohlgeborgen in der Schule, die nach Leitung Aufbau und innerer Luft rein ist und richtig. | Ich grüsse Sie herzlich und gedenkend! | Ihr KarlWolfskehl« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:139).

18. November (Mittwoch) • »Zur Vorlage an die Ausstellungskommission« überlässt Else Lasker-Schüler dem Kunsthaus Zürich »171 ungerahmte Zeichnungen« ihres Sohnes Paul (Kunsthaus Zürich, Signatur: Archiv 2001/002:063, Blatt 440:437).

19. November (Donnerstag) • Nach ihrer Rückkehr aus Mailand meldet Else Lasker-Schüler sich in Zürich beim Kreisbüro 1 an und erhält einen Schweizer Ausländerausweis.

3. Dezember (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler besucht im Zürcher Schauspielhaus die Premiere von Maxim Gorkis (1868–1936) Schauspiel »Nachtasyl«. Quelle: KA, Bd. 9, Nr. 688–690.

10. Dezember (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler schließt mit Emil Oprecht einen Vertrag über die Drucklegung des »Hebräerlands« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:7). Vereinbart wird ein Honorar in Höhe von zehn Prozent des Verkaufspreises der broschierten Ausgabe, der fünf Franken beträgt. Zudem wird festgelegt, »dass das Honorar an Frau Lasker-Schüler in monatlichen Raten von Fr. 100.– ausbezahlt« werde, »erstmals bei Unterzeichnung des Vertrages, nachher je Mitte eines Monats. Diese Zahlungen erfolgen solange, als der Verleger die Möglichkeit sieht, dass eine Honorarforderung von Frau Lasker-Schüler besteht, mindestens aber während 4 Monaten.«

19. Dezember (Samstag) • Uraufführung von Else Lasker-Schülers Schauspiel »Arthur Aronymus und seine Väter« im Zürcher Schauspielhaus.

21. Dezember (Montag) • Jakob Rudolf Welti (»wti«) (1893–1964) bespricht in der »Neuen Zürcher Zeitung« (Jg. 157, Nr. 2234 [Morgenausgabe], Blatt 3) die Uraufführung von »Arthur Aronymus und seine Väter«. Welti kritisiert Else Lasker-Schülers Aufruf zur religiösen Toleranz als Maßregelung des Schweizer Publikums.

23. Dezember (Mittwoch) • Einzige Wiederaufführung von »Arthur Aronymus und seine Väter«.

1937

13. Januar (Mittwoch) • Jakob Wilhelm Wartmann, Leiter des Kunsthauses Zürich, schreibt an Else Lasker-Schüler: »In der gestrigen Sitzung haben wir unserer Ausstellungskommission noch einmal die Zeichnungen von Paul Lasker-Schüler vorgelegt, die Sie uns am 18. November überbracht hatten, zur Erwägung, ob eine Auswahl der Blätter in eine unserer künftigen Ausstellungen noch eingereiht werden könnte. Zu unserem Bedauern hat sich eine solche Möglichkeit nicht gezeigt.« (Kunsthaus Zürich, Signatur: Archiv 2001/002:064, Blatt 55:52.)

28. Januar (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler schreibt einen offenen Brief (KA, Bd. 4.1, S. 365–368), in dem sie zu Jakob Rudolf Weltis Besprechung von »Arthur Aronymus und seine Väter« Stellung nimmt. Der Artikel wird nicht veröffentlicht.

5. Februar (Freitag) • Elisabeth Bergner schreibt aus London an Else Lasker-Schüler: »Frau Rieser soll mir doch ihr Stueck schicken. Ich reise ungefaehr in einer Woche fuer laengere Zeit fort, und sie soll es entweder sofort schicken, sodass ich es noch vor meiner Abreise bekomme und mitnehmen kann oder aber es wird mir nachgeschickt werden.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:13.) Marianne Riesers Schauspiel »Turandot dankt ab« wurde am 18. März 1937 im Zürcher Schauspielhaus uraufgeführt.

7. Februar (Sonntag) • In der »Neuen Zürcher Zeitung« erscheint der Erstdruck von Else Lasker-Schülers Gedicht »Mein blaues Klavier« (Jg. 158, Nr. 222 [Zweite Sonntagausgabe], Blatt 5).

10. Februar (Mittwoch) • Erste Fahnenkorrektur des »Hebräerlands«. Korrekturexemplar im Nachlass Else Lasker-Schülers: The National Library of Israel (Jerusalem), Arc. Ms. Var. 501 (Else Lasker-Schüler Archive), File 17:13, gestempelt 10., 16., 19. und 23. Februar 1937.

2. März (Dienstag) • Von der Eidgenössischen Fremdenpolizei erhält Else Lasker-Schüler eine »Zustimmungsverfügung mit Frist zur Ausreise aus der Schweiz« vorgelegt: »Bis zum 31. März 1937 | darf nur Aufenthalts-Bewilligung zwecks Besuch | erteilt werden. Alsdann hat die Ausreise aus der Schweiz zu erfolgen. Die Wiedereinreise zu Besuch, Übersiedelung, oder Erwerbstätigkeit vor dem 31. März 1939 ohne ausdrückliche Bewilligung der eidg. Fremdenpolizei Bern ist untersagt […].« (Stadtarchiv Zürich; Faksimile: Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 286.)

7. März (Sonntag) • Nach einem Besuch in Zürich schreibt Heinrich Münch, Besitzer des Hotels »Der Sachsenhof« in Berlin, aus Genua an Else Lasker-Schüler: »Nachdem wir uns gesehen u gesprochen haben, teile ich Ihnen hierdurch mit, dass ich Ihr Konto im Hotel Der Sachsenhof gestrichen habe u Sie mir also nichts mehr schuldig sind« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:212).

8. März (Montag) • Zweite Fahnenkorrektur des »Hebräerlands«. Korrekturexemplar im Nachlass Else Lasker-Schülers: The National Library of Israel (Jerusalem), Arc. Ms. Var. 501 (Else Lasker-Schüler Archive), File 17:14.

13. März (Samstag) • Klaus Mann notiert im Tagebuch: »Abends: mit Eltern – Medi [d. i. Elisabeth Mann] in die Stadt: Vortrag von Z., [Zauberer; d. i. Thomas Mann] im Konservatorium, für einen jüdischen Verein; beginnend mit ad hoc verfasster Rede. (Über den Antisemitismus; zivilisatorische Rolle des Judentums. Über den ›Joseph.‹) Anschliessend: Vorlesung des ›Damentees‹ (aus dem III. Band.) – Gut besucht. Bekannte: Kahler, Beidlers, Tennenbaum, Frau Katzenstein, Hündchen [d. i. Constance Hallgarten] (ihre ziemlich würdelose Freundlichkeit mir gegenüber .... bei allem, was gewesen ist …); die Lasker-Schüler (hell-lodernd wahnsinnig; aber ihre kohlschwarzen Augen .... haben Gesichte ....); Rechtsanwalt Löwenfeld (oder .. stein?) aus München u. s. w.«

19. März (Freitag) • Lesung im Zürcher »Kramhofsaal«, Füsslistrasse 4. Klaus Mann notiert im Tagebuch: »Den Dr Stössinger im ›Hinteren Stern‹ getroffen. (Dort auch Emmy Oprecht, Schauspieler Gretler, Erna Hirsch.) Mit ihm, zum Vortragsabend der Else Lasker-Schüler. Gedichte, aus dem Palästina-Buch, drei kleine Geschichten. Wunderliche Frau! Diese unentwirrbare Mischung aus echtem dichterischen Wahnsinn und Koketterie … Giehse, den Bühnenmaler Otto u. s. w. gesprochen.« – Bei dieser Gelegenheit werden auch einige Zeichnungen von Else Lasker-Schüler ausgestellt.

22. März (Montag) • Emil Oprecht antwortet auf einen nicht überlieferten Brief Else Lasker-Schülers: »Ich danke Ihnen für Ihren Brief von heute und bin traurig darüber, dass ich nun schuld sein soll, dass Ihr Vorlesungsabend so wenig Erfolg brachte. Wir haben mit den Fr. 10.–, die uns Herr Ginsberg brachte, genau Fr. 49.– eingenommen. Für den Saal mussten wir Fr. 30.– bezahlen, die Billetsteuer kostet etwa Fr. 5.–, sodass im Ganzen Fr. 14.– für Sie übrig blieben. Dabei haben wir keinen Rappen für die Billets selbst, für die 200 Zirkulare und das Porto, das diese kosteten, verlangt. Wir haben dafür über Fr. 25.– ausgegeben, sodass ich es nicht recht finde, wenn Sie sich über mich beklagen, was ich leider aus Ihrem Brief merken muss.« Über »Das Hebräerland« schreibt Oprecht: »Wir haben bis jetzt für das Buch über Fr. 1000.– ausgegeben, das uns in der Herstellung auf annähernd Fr. 5000.– zu stehen kommt. Sie dürfen sicher sein, dass ich mir immer Mühe geben werde, allen Ihren Bedürfnissen nach Möglichkeit zu entsprechen, dass ich aber nicht mehr tun kann, als in unseren Kräften liegt, müssen Sie begreifen. | Mit dem Buchbinder habe ich vereinbart, dass wir bis spätestens Mittwoch alle Subskriptionsexemplare kolorieren lassen, damit sie bis Samstag, spätestens Anfang der nächsten Woche, fertig gestellt werden.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:7.)

25. März (Donnerstag) • Klaus Mann notiert im Tagebuch: »Die Lasker-Schüler im ›Select‹ getroffen. 1 ½ Stunden mit ihr. Ein pudelnärrisch Ding; dazwischen aber immer wieder die Blitze …«

Anfang April • Bei Emil Oprecht in Zürich erscheint die Buchausgabe von Else Lasker-Schülers »Hebräerland«.

8. April (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler übersendet je ein Exemplar des »Hebräerlands« an Emil Raas und an den Bundesrat Albert Meyer (1870–1953). Sie schreibt an Raas: »Mit der Karte geht mein Buch für Sie ab. Und an Herrn Bundesrat.« (KA, Bd. 10, S. 40.) Albert Meyer dankt am 10. April: »Sie hatten die grosse Freundlichkeit, mir Ihr Werk: ›Das Hebräerland‹ zu überreichen. Ich möchte Ihnen dafür meinen besten Dank aussprechen.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:203.)

22. April (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler überbringt dem Kunsthaus Zürich »zur Aufbewahrung«: »1 Handkoffer, verschlossen« (Kunsthaus Zürich, Signatur: Archiv 2001/001:083, Blatt 247:243).

19. Mai (Mittwoch) • Vor ihrer Abreise nach Palästina meldet Else Lasker-Schüler sich beim Zentralkontrollbüro der Stadt Zürich ab.

7. oder 8. Juni (Montag oder Dienstag) • Else Lasker-Schüler bricht von Zürich zu ihrer zweiten Palästinareise auf.

9. Juni (Mittwoch) • Von Triest aus reist Else Lasker-Schüler mit dem Dampfschiff »Galilea« der Schifffahrtsgesellschaft »Lloyd Triestino« nach Haifa.

14. Juni (Montag) • Else Lasker-Schüler reist über Haifa nach Palästina ein. – In Jerusalem bezieht sie ein Zimmer im Hotel Vienna, an einer kleinen Straße hinter dem Zionplatz gelegen, die von der Jaffastraße zur Ben-Jehuda-Straße führt.

16. Juni (Mittwoch) • Erste Begegnung mit Schalom Ben-Chorin (1913–1999).

17. Juni (Donnerstag) • Betty Scholem (1866–1946) an Gershom Scholem: »Des weiteren waren noch sehr vergnügliche Sächelchen in Eurem Brief enthalten. Zunächst die Lasker-Schüler, deren Kritik an dem Adon Scholem uns sehr begeistert hat, schon ihr Deutsch ist ein köstlicher Spaß, wir haben uns ordentlich delektiert. Ich fand dieses Frauenzimmer immer greulich u. ich verstehe nicht, wie man aus ihrem Gewäsch ohne jeden Sinn Dichtkunst herauslesen konnte.« (Betty Scholem – Gershom Scholem: Mutter und Sohn im Briefwechsel. 1917–1946. Hg. von Itta Shedletzky in Verbindung mit Thomas Sparr. München: C. H. Beck, 1989, S. 428.)

27. Juni (Sonntag) • Besuch bei Schalom Ben-Chorin.

17. August (Dienstag) • Auf Einladung der Buchhandlung Universitas liest Else Lasker-Schüler in Jerusalem aus ihren Dichtungen. Für ihre Lesung schrieb sie folgenden Einladungstext: »Else Lasker-Schüler liest aus ihren Büchern und neuem Hebräerland – etc. neuste Gedichte. | Am 17. Aug. Dienstag | Hygienic Dairy (Dr. Kahn) | Keren Kajemeth Str. | Rechavia | Bilets Vorverkauf zu 5. Piaster (ermäßigt Abendkasse) Universitas Buchhdl. Princess Mary Street« (The National Library of Israel [Jerusalem], Schwadron Collection).

25. August (Mittwoch) • Abreise aus Jerusalem. Am Abend verlässt Else Lasker-Schüler mit dem Schiff Haifa.

30. August (Montag) • Else Lasker-Schüler trifft in Triest ein.

1. September (Mittwoch) • Aus Zürich schreibt Else Lasker-Schüler an Hermann Struck und bedankt sich, dass er sie in Haifa aufs Schiff begleitet habe. Quelle: KA, Bd. 10, Nr. 133. – Im Anschluss an ihre Rückkehr aus Palästina wohnt Else Lasker-Schüler erneut im Hotel Seehof-Bollerei.

4. September (Samstag) • Anmeldung in Zürich beim Kreisbüro 1. – Nach den Eintragungen im Reisepass Else Lasker-Schülers (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 1:18) wurde die zunächst bis zum 30. April 1938 befristete Aufenthaltsgenehmigung zweimal verlängert: bis zum 31. Dezember 1938, dann bis zum 15. Februar 1939.

1. Oktober (Freitag) • Aus dem »Hebräerland« notiert Klaus Mann im Tagebuch: »Else Lasker-Schüler: | ›Die Liebe zu dir ist das Bildnis, / Das man sich von Gott machen darf.‹«

3. Oktober (Sonntag) • Über »Arthur Aronymus und seine Väter« schreibt Arnold Schönberg (1874–1951) aus Los Angeles an Else Lasker-Schüler: »Sehr verehrte Frau Lasker Schüler, | ich danke Ihnen sehr für Ihre ehrende Aufforderung, Musik zu einem Stück von Ihnen, respektive dessen Verfilmung zu schreiben. Und sicherlich, wenn ich aufgefordert werden sollte und das Darzustellende einigermaßen innerhalb der Grenzen meines Ausdrucksvermögens liegen sollte, wird es mir eine [!] Vergnügen sein und ich werde mich auf die Komposition stürzen. | Ich weiss nicht, ob Sie bereits in Unterhandlungen mit hiesigen ›Firmen‹ (Studios genannt) sind. Jedenfalls möchte ich Sie warnen, Ihre Erwartungen zu hoch zu spannen. Der geistige Standard ist hier unvorstellbar niedrig. Ich selbst habe kaum nennenswerte Beziehungen zu ›Producern‹ oder Regisseuren, ausgenommen zu Dieterle (›Zola‹ etc), obwohl man ja einigemale versucht hat, meinen Namen zur Deckung grausiger Schändlichkeiten zu kaufen. | Aber ich will Sie auch nicht entmutigen. Es ist sehr leicht möglich, dass man ein Buch von Ihnen erwirbt, um etwas ›Hollywoodrisches‹ daraus zu machen. Was Ihnen ja keinesfalls schaden kann, da den Namen des Autors der Idee ohnedies hier niemand beachtet. | Jedenfalls wünsche ich Ihnen besten Erfolg und füge die Adresse Wilhelm Dieterle’s bei: 3351 N. KNOLL DRIVE, HOLLYWOOD, CALIFORNIA. | Ich würde mich sehr freuen, Ihnen dienlich sein zu können und habe mich sehr gefreut, von Ihnen zu hören, wenn ich auch hoffe, es wird nächstens Erfreuliches sein. | Mit ergebensten Grüßen | Ihr | ArnoldSchoenberg | Wenn Sie mir ein Exemplar des Stückes senden können, würde ich gerne versuchen, es Dieterle oder einem anderen zu zeigen.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:142.) Auf der Rückseite des Briefes notierte Else Lasker-Schüler: »Bitte sofort zurück. Nur unter uns auf Ehrenwort!«

28. Oktober (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler besucht im Schauspielhaus die Premiere der Zürcher Inszenierung von Franz Werfels Schauspiel »In einer Nacht«. Quelle: KA, Bd. 10, Nr. 155.

15. November (Montag) • Werner Kraft notiert im Tagebuch zu Else Lasker-Schülers Lesung am 17. August: »Sie liest meisterhaft vor. Die Nüchternheit eines so ekstatischen Menschen ist einfach erstaunlich. Den ›Tibetteppich‹ z. B. liest sie zu nüchtern vor. Für mich wenigstens. Ich dachte an Karl Kraus, dem man sicherlich die Verzückung dieses Sprachwunders angehört hätte, aber ich habe es leider nicht von ihm gehört!« (Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 342.)

17. November (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler lernt im Café »Select« Nahum (Nachum) Goldmann (1895–1982) kennen. Quelle: KA, Bd. 10, Nr. 163 und 165.

5. Dezember (Sonntag) • Im »Savoy Hotel Baur en Ville« am Paradeplatz, Ecke Bahnhof- und Poststrasse, liest Else Lasker-Schüler bei der »Makkabäer-Feier« der »Zionistischen Ortsgruppe Zürich« aus ihren Dichtungen. Sie schreibt am 1. Dezember an Emil Raas: »Am 5. Dez. hab ich zugesagt dem Zionistischen Verein zur Makkabaerfeier aus meinem Hebräerland zu lesen. Hôtel Savoy – Bahnhofstr. 25. Frc.« (KA, Bd. 10, S. 100.)

11. Dezember (Samstag) • Besuch einer Benefizveranstaltung im Zürcher Schauspielhaus: »Ernste und heitere Darbietungen«. Der Erlös geht an das »Schweizer Hilfswerk für Emigrantenkinder«. Quelle: KA, Bd. 10, Nr. 174.

20. Dezember (Montag) • Else Lasker-Schüler übersendet ein handkoloriertes Exemplar des »Hebräerlands« an Jakob Job (1891–1973): »Es machte mir große Freude, mich ein wenig für all Ihre Güte revanchieren zu dürfen. Buntes Blut fließt nun durch die Adern und Gewebe der Menschen meines Buches.« (KA, Bd. 10, S. 104.) Die eigenhändige Widmung lautet: »Dem hochverehrten und lieben Jakob Job, dem Radioerzähler der Stadt Zürich. Von der Dichterin Else Lasker-Schüler (dem Prinzen Jussuf von Theben) | 17. Dez. 37 Zürich«. Vgl. Else Lasker-Schüler. Die Bilder. Hg. von Ricarda Dick im Auftrag des Jüdischen Museums Frankfurt am Main. Mit Essays von Ricarda Dick und Astrid Schmetterling. Berlin: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, 2010, S. 287.

1938

20. März (Sonntag) • Else Lasker-Schüler liest bei einer Matinee im »Studio Nord-Süd« am Schiffländeplatz aus ihren Dichtungen. Ankündigung: Jüdische Presszentrale Zürich. Jg. 21, Nr. 981 vom 4. März 1938, S. 12 (»Das Blatt der jüdischen Frau«).

1. Mai (Sonntag) • Klaus Mann notiert im Tagebuch: »Else Lasker-Schüler getroffen. Ihre Geldnöte.«

12. August (Freitag) • Jakob Wilhelm Wartmann, Leiter des Kunsthauses Zürich, schreibt an Else Lasker-Schüler: »Das Kunsthaus kann an sich seine Rahmen nicht ohne Vergütung ausleihen. Wahrscheinlich werde ich aber jemanden finden, der die Entschädigung an das Kunsthaus gern für Sie entrichtet. In Ihrem Brief vom 11. August schreiben Sie aber nicht, wann und wie viele Rahmen für die Ausstellung Ihres Sohnes im Künstlerhaus am Hirschengraben notwendig sind.« (Kunsthaus Zürich, Signatur: Archiv 2001/001:086, Blatt 419:415.)

1. September (Donnerstag) • Eröffnung einer Ausstellung von Zeichnungen Paul Lasker-Schülers im »Künstlerhaus am Hirschengraben« (Hirschengraben 78), das von Rose Schindler betrieben wird. Die Ausstellung wird bis zum 30. September gezeigt. Inserat: Jüdische Presszentrale Zürich. Jg. 21, Nr. 1005 vom 16. September 1938, S. III.

26. September (Montag) • Im »Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger« (Berlin) (Nr. 224, S. 1) wird die Ausbürgerung Else Lasker-Schülers angezeigt.

Anfang Oktober • Else Lasker-Schüler schenkt dem Bundesrat Albert Meyer ein Leporello mit elf hand-schriftlichen Gedichten (Zentralbibliothek Zürich [Ms. Z VI 687]): »Dem feinen Herrn Bundesrat meine letzten Gedichte«. Meyer bedankt sich in einem Brief vom 19. Oktober und drückt sein »Bedauern« darüber aus, dass Else Lasker-Schülers »Schicksal eine so unfreundliche Wendung genommen« habe: »Ich wünsche Ihnen für Ihre fernere Zukunft alles Gute.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:203.) Faksimile des Leporellos: Elf Gedichte für Bundesrat Albert Meyer. Hg. von Martin Bircher (63. Kranich-Druck). Zürich: Kranich-Verlag, 1996.

26. Oktober (Mittwoch) • Die Spedition Danzas quittiert die Einlagerung eines Koffers und eines Handkoffers von Else Lasker-Schüler (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:41):

Danzas

30. November (Mittwoch) • »Abrechnung über Hebräerland« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:7): Von den 1000 Exemplaren der Erstausgabe liegen noch 581 auf Lager. Abzüglich der Vorauszahlungen beträgt das Guthaben des Verlags »Fr. 74.75«.

1939

31. Januar (Dienstag) • Eröffnung einer Verkaufsausstellung mit Zeichnungen Else Lasker-Schülers in der Londoner Matthiesen Gallery. Die Ausstellung wird bis zum 14. Februar gezeigt. – Inhaber der Galerie war Francis Matthiesen (urspr. Franz Catzenstein), der aus Hannover stammte und in den zwanziger Jahren in Berlin die Galerie Matthiesen – benannt nach dem Mädchennamen seiner Frau – betrieben hatte.

11. März (Samstag) • Letzter Besuch bei Emil Raas in Bern.

13. März (Montag) • Else Lasker-Schüler erhält vom Polizeiamt der Stadt Zürich ein »Leumunds-Zeugnis« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 1:6). Ihr wird bescheinigt, »dass sie laut deren Registern in bürgerlichen Rechten und Ehren« stehe: »Vorstrafen: sind hier keine vorgemerkt.«

15. März (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler hält auf Einladung der »Vereinigung für soziale und kulturelle Arbeit im Judentum« eine »Abschiedsvorlesung« im »Zunfthaus zur Meise«, Münsterhof 20. Ankündigung: Israelitisches Wochenblatt für die Schweiz (Zürich). Jg. 39, Nr. 10 vom 10. März 1939, S. 24, auf S. 22 ein Inserat, in dem das Programm genannt wird, darunter »Ungedrucktes: Tagebuchzeilen (Abschied von Zürich)«. – Organisiert wurde der Abend von Walter Maximilian Moos (1894–1962), dem Präsidenten der »Vereinigung«.

21. März (Dienstag) • Abmeldung in Zürich.

Anfang April • Else Lasker-Schüler trifft in Jerusalem ein und bezieht ein Zimmer im Hotel Vienna. Sie war von Zürich zunächst nach Marseille und von dort mit dem Schiff nach Jaffa gereist.

9. Mai (Dienstag) • Besuch eines Konzerts in der »Edison Hall«. Das »Palestine Orchestra« spielt Werke von Johann Sebastian Bach, Anton Bruckner und Ferruccio Busoni. Quelle: KA, Bd. 10, Nr. 367.

27. Juni (Dienstag) • Auf Einladung von Luise Mendelsohn (1894–1980) liest Else Lasker-Schüler in der Schocken-Bibliothek aus ihren Dichtungen: »Mrs. Else Lasker-Schuler: Reading of her Works; 8.30 p. m.; Schocken Library Talbieh.« (The Palestine Post [Jerusalem]. Jg. 15, Nr. 3988 vom 27. Juni 1939, S. 6 [»Conferences and Lectures Today«].) – Luise Mendelsohn schreibt an ihren Mann Erich (1887–1953), der sich in London aufhält: »[…] dann kamen die Vorbereitungen für den heute Abend stattfindenden Lasker-Schüler Abend – der nach viel Mühe einen 10 £ Billet Verkauf einbrachte – und bei Schocken stattfinden wird. Das Hin u. Hergelaufe seit gestern zwischen Schocken u. Windmill ist grotesk!! Er hat eine Todesangst vor dem Abend – er vor der Lasker-Schüler – die Lasker-Schüler vor ihm – und ich bin der Vermittler und amüsiere mich – und habe die Arbeit.« (Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek: Erich Mendelsohn Archiv.)

29. Juni (Donnerstag) • Lesung im Bezalel-Museum: »Mrs. Else Lasker-Schuler: Reading of her Works; 8.30 p. m.; Bezalel Museum; Auspices: Emet W’Emouna.« (The Palestine Post [Jerusalem]. Jg. 15, Nr. 3990 vom 29. Juni 1939, S. 6 [»Conferences and Lectures Today«].)

5. Juli (Mittwoch) • Werner Kraft notiert im Tagebuch zu einer der Lesungen am 27. und 29. Juni: »Am Ende eines Prosastücks zitiert sie die Verse: ›Stell auf den Tisch die duftenden Reseden, / Die letzten roten Astern trag herbei / Und laß uns wieder von der Liebe reden / Wie einst im Mai‹ und sagt sie mit halb gebrochener Stimme so eindringlich, daß ich erschüttert war und bin, will sagen, daß sie meine Erschütterung vollends bestätigen.« (Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 343.) – Den Vers »Wie einst im Mai« trug Else Lasker-Schüler in ihr Vortragsexemplar von »Konzert« am Schluss der Erzählung »Im Rosenholzkästchen« ein.

28. Juli (Freitag) • Salman Schocken schreibt an Else Lasker-Schüler: »Wie ich höre, planen Sie, nach der Schweiz zurückzukehren, was ja wohl wegen Ihres Touristen-Visums in jedem Fall notwendig ist. | Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen heute für Ihre Ausgaben hier bis zu Ihrer Abreise einen Scheck über LP 10.– überreiche, und um Sie der Sorge um die Reisespesen selbst zu entheben, möchte ich Ihnen schon heute mitteilen, dass Ihnen in meinem Bureau für diesen Zweck ein weiterer Betrag von LP 10.– zur Verfügung steht.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:265.)

25. September (Montag) • Hugo Bergmann notiert im Tagebuch: »Else Lasker-Schüler war da und regte mich ziemlich durch die Feststellung auf, daß Escha sie nicht ausstehen kann. Sie schimpfte sehr auf die palästinensischen Juden und tat ihnen sehr viel unrecht.« (Schmuel Hugo Bergman: Tagebücher & Briefe. Hg. von Miriam Sambursky. Mit einer Einleitung von Nathan Rotenstreich. Eine Veröffentlichung des Leo Baeck Instituts. Königstein/Ts.: Jüdischer Verlag bei athenäum, 1985. Bd. 1: 1901–1948, S. 503.) Mit Escha (Elsa) Burchhardt (1896–1978) war Hugo Bergmann ab 1936 in zweiter Ehe verheiratet.

1. November (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler erhält erstmalig eine Rentenzahlung, die von der Deutschen Abteilung der Jewish Agency und von Salman Schocken je zur Hälfte finanziert wird. Die Höhe beträgt anfangs 10, dann 12, später 15, ab April 1944 schließlich 18 Pfund monatlich, wobei Else Lasker-Schüler zwischen 4 und 6 Pfund für die Zimmermiete aufbringen muss. Quelle: KA, Bd. 10, Nr. 431 und Bd. 11, Nr. 558.

13. November (Montag) • »Abrechnung über das Werk Hebräerland« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:7): Von den 1000 Exemplaren der Erstausgabe liegen noch 449 auf Lager. Der Saldo zugunsten Else Lasker-Schülers beträgt »Fr. 12.75«.

7. Dezember (Donnerstag) • Die Spedition Danzas teilt Else Lasker-Schüler mit: »Wir haben Ihre Karte vom 26. pto. erhalten. Es ist gut, dass wir internationale Spediteure sind, sonst hätten wir Ihren Stil kaum entziffern können. Wir haben bereits am 17. pto. Ihre Beauftragten, die HH. Oprecht & Helbling Zürich darüber benachrichtigt, dass Ihre 2 Koffer, gezeichnet L 1/2 (1 Handkoffer, 1 grosser Koffer) kg. 76.300 sich bei uns auf Lager befinden.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:41).

8. Dezember (Freitag) • Salman Schocken schreibt an Else Lasker-Schüler: »Ich kann mir Ihre schwierigen Umstände hier vorstellen. Ich kann mir vorstellen, dass Sie nach einer Periode optimistischer Wertung der Bedingungen dieses Landes jetzt eine gewisse Reaktion spüren, was ja jedem Besucher hier geschieht. | Wenn Sie, wie ich den Eindruck habe, erhoffen, durch eine kleine Reise durchs Land vielleicht das Land wieder von Neuem zu sehen, stelle ich Ihnen für diesen Zweck gern einen Sonderbetrag von LP 10.– zur Verfügung, den Sie in meinem Bureau beheben können.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:265.)

1940

11. Januar (Donnerstag) • Werner Kraft notiert im Tagebuch: »Außer Karl Kraus hat sie niemand ernst genommen wie ich in meinem Aufsatz.« (Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 343.) Zu Werner Krafts Aufsatz hatte Walter Benjamin ausführlich in seinem Brief an Kraft von Anfang März 1936 (s. d.) Stellung genommen.

23. Januar (Dienstag) • Eröffnung einer Ausstellung mit Zeichnungen Else Lasker-Schülers in der Buchhandlung Heatid: »An exhibition of drawings by Mrs. Else Lasker-Schueler will be opened today at the new premises of the Heatid Bookshop in Jerusalem at 2, Hassolel Street, above the shop. The originals of the illustrations to Mrs. Lasker-Schueler’s last book, ›Hebraerland‹, will be among the drawings shown.« (The Palestine Post [Jerusalem]. Jg. 16, Nr. 4164 vom 23. Januar 1940, S. 2 [»Social and Personal«].)

21. Februar (Mittwoch) • Emil Oprecht schreibt an Else Lasker-Schüler: »Ihren Wunsch, weitere Freiexemplare Ihres Buches an bestimmte Adressen zu versenden, können wir leider nicht erfüllen. Von keinem Buch unseres Verlags haben wir so viel Bücher verschenkt wie von Ihrem, und bei keinem ist das Verhältnis zwischen verkauften und gratis abgegebenen Büchern so ungünstig.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:7.)

17. April (Mittwoch) • Lesung in der Buchhandlung Heatid: »Mrs. Else Lasker-Schuler will give readings from her new book, ›Tiberias‹, next Wednesday evening, at 8.30 in the second-hand book department of ›Heatid‹, Messrs. Salingre and Co., 2 Hassolel Street, Jerusalem (1st floor).« (The Palestine Post [Jerusalem]. Jg. 16, Nr. 4230 vom 11. April 1940, S. 2 [»Social and Personal«].)

8. Mai (Mittwoch) • »Abrechnung über das Werk Hebräerland« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:7): Von den 1000 Exemplaren der Erstausgabe liegen noch 400 auf Lager. Der Saldo zugunsten Else Lasker-Schülers beträgt »Fr. 14.--«.

Mitte Mai • Else Lasker-Schüler zieht vom Hotel Vienna in das Hotel Atlantic in der Ben-Jehuda-Straße.

Hotel Atlantic
Hotel Atlantic (26. Juli 1943). Die Aufnahme entstand bei einer Parade von Veteranen der »Jewish Legion«. Fotograf: Zvi Oron Oroshkess (1888–1980). Quelle: Wikimedia.

25. Juli (Donnerstag) • Besuch des zur Villa Salman Schockens in der Smolenskinstraße 7 gehörenden Gartens. Einen Tag später schreibt Else Lasker-Schüler an Schocken: »Ich freute mich gestern so in Ihrem Garten tausendschön und ich hätte es Ihnen gerne mündlich gesagt, aber ich wollte Sie nicht wieder stören. Liess aber bestellen Ihnen, Adon, Dank. Ihr äusserst freundlicher Gärtner Adon Spiro zeigte mir alle Bäume und Blumen und wurde nicht ungeduldig mir zu antworten, mir zu erklären. Ich sah auch die ehemaligen Riesen – die Philister und den aller höchsten den Goliath der Bäume.« (KA, Bd. 10, S. 294.) – Am 15. Juli hatte Else Lasker-Schüler an Schocken geschrieben: »Ich bin jetzt bald im Manuscript: Tiberias bei den Gärten angelangt. Drei Gärten außer Gethsemane sah ich, die mir so gefielen. Dr. Tichos indischer Garten, die Dschungeln von Ollendorfs, Mendelsohns Blumenfelder und der große Feigenbaum und Ihr Garten und liebevollen Geweretts Garten sah ich noch nicht. Gewerett Athena Louisa Mendelsohn sagte, ihr Adon habe ihn angelegt. Nun sollt ich Ihren Garten doch sehen, (ich kann ja nicht nur phantasieren) und da frag ich morgen im Telephon, kann mir vielleicht eine Hausangestellte ihn zeigen.« (KA, Bd. 10, S. 293.) Schocken hatte am 18. Juli geantwortet: »Hochgeehrte Dichterin, | ich habe unser Gespräch wegen des Gartens nicht vergessen. Die letzten Tage haben aus verschiedenen Gründen nicht recht gepasst. | Ich fahre nun heute für mehrere Tage nach den Norden und bin wahrscheinlich erst gegen Mitte der nächsten Woche zurück. | Wenn Sie mit dem Besuche warten wollen, bis ich zurückgekehrt bin, wäre mir das lieb. Selbstverständlich aber steht Ihnen der Garten auch jetzt offen, und ich habe im Wohnhause die Anweisung hinterlassen, Ihnen den Garten zu zeigen.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:265.)

7. November (Donnerstag) • Besuch einer hebräischen Theateraufführung in der »Edison Hall«. Das Habima-Theater spielt »Man and the Devil« (»Got, mentsh un tayvl«) des jiddischen Dramatikers Jacob Gordin (1853–1909). Quelle: KA, Bd. 10, Nr. 538.

12. November • (Dienstag) • »Abrechnung über das Werk Hebräerland« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:7): Von den 1000 Exemplaren der Erstausgabe liegen noch 388 auf Lager. Der Saldo zugunsten Else Lasker-Schülers beträgt »Fr. 32.–«: »Das Geld behalten wir hier, damit [wir] auch weiterhin für Ihre eingestellten Sachen bei Danzas zahlen können«.

16. Dezember (Montag) • Ernst Simon (1899–1988) schreibt an Else Lasker-Schüler: »Ihr dichterisches Werk ist mir nicht fremd. Ich kenne viele der Gedichte, einige Prosa, auch den großartigen Essai unseres gemeinsamen Freundes Werner Kraft.« (KA, Bd. 10, S. 535.) Zu Werner Krafts Aufsatz hatte Walter Benjamin ausführlich in seinem Brief an Kraft von Anfang März 1936 (s. d.) Stellung genommen.

1941

12. Januar (Sonntag) • Besuch bei Werner Kraft, der im Tagebuch notiert: »Dreistündiger Besuch. Ich habe stillgehalten. Obwohl sie zwischendurch sagt, sie habe den württembergischen Adel und Mussolini sei einer ihrer größten Bewunderer, fand selbst Shaul, der aus einer instinktiven Opposition eher geneigt wäre, solche Menschen für völlig verrückt zu erklären – selbst er fand, sie habe einen bedeutenden Eindruck gemacht, selbst ihm fiel das Bilderreiche ihrer Sprache auf.« (Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 344.) – Shaul (Paul Caspar) (1923–2004), Werner Krafts Sohn, später Shaul Kariv.

13. Januar (Montag) • Besuch eines Vortrags von Ernst Simon im Saal der HOGOA (Hitachduth Olej Germania we Olej Austria / Vereinigung der Einwanderer aus Deutschland und Österreich), Mamillastraße (später umbenannt in Gershon-Agron-Straße), Ecke King-George-Straße. Ernst Simon spricht über das Thema »Die Erziehung unserer Jugend in dieser Zeit«. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 4.

23. April (Mittwoch) • Eröffnung einer Ausstellung von Zeichnungen Else Lasker-Schülers im »Alfred Berger Club« im Haus der HOGOA (Hitachduth Olej Germania we Olej Austria / Vereinigung der Einwanderer aus Deutschland und Österreich), Mamilla-Straße (später umbenannt in Gershon-Agron-Straße), Ecke King-George-Straße: »Exhibition – Colour drawings by Else Lasker-Schueler opening at 5 p. m. Alfred Berger Club, Mamillah Rd. Entrance Free.« (The Palestine Post [Jerusalem]. Jg. 17, Nr. 4547 vom 23. April 1941, S. 2 [»Today«].)

Mitte Juni • Else Lasker-Schüler zieht aus dem Hotel Atlantic aus und wohnt vorübergehend bei Olga Alexander im Jerusalemer Stadtteil Kerem Abraham, Yona(h)straße 24.

20. Juli (Sonntag) • Else Lasker-Schüler liest ihr Schauspiel »IchundIch« im »Alfred Berger Club«.

24. Juli (Donnerstag) • Werner Kraft notiert zur Lesung von »IchundIch« im Tagebuch: »Ich und Ich. Da sitzt nun diese 65 Jahre alte Frau, arm, gebrochen, sie wird bald sterben, und sagt, ihr Vers sei die einzige Illusion, die sie nicht getäuscht habe, spricht von Wolfgang Ephraim Goethe, zerteilt sich in Faust und Mephisto, läßt diesen sagen, er habe jenen aus der ›Bourgeoisie‹ gerettet. Sie läßt den Teufel angesichts dieser Welt der Hitler, die in die Hölle einbricht, kapitulieren, sie läßt Göbbels sich mit Frau Marthe Schwertlein kopulieren, sie beschwört alle Zauber des alten, edlen Deutschland.« (Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 345.)

5. August (Dienstag) • Gespräch mit Werner Kraft, der im Tagebuch notiert: »Es ist darum so schwer, mit ihr zu sprechen, weil sie ständig zwischen den Zeiten springt. Sie spricht von Dingen, die zwanzig Jahre zurückliegen, als seien sie gestern geschehen, aber dazwischen springt sie wirklich auf die Dinge, die heute geschehen.« (Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 346.)

2. September (Dienstag) • Else Lasker-Schüler bezieht ein Zimmer bei Leokardia Weidenfeld in der Hama’alotstraße. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 90. – Sie wohnt dort bis zu ihrer Einlieferung in das Hadassa-Hospital am 16. Januar 1945.

1. Oktober (Mittwoch) • Besuch des Jom-Kippur-Gottesdienstes in der Synagoge »Emet we’Emuna« (»Wahrheit und Glaube«), Narkiss-Straße 5. Ernst Simon und Kurt Wilhelm (1900–1965) halten gemeinsam die Predigt. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 102.

2. Oktober (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler liest im Saal der HOGOA aus ihren Dichtungen. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 101.

6. Oktober (Montag) • Else Lasker-Schüler trifft sich mit Jerusalemer Freunden zur Gründung der Vortragsvereinigung »Der Kraal«. Am Tag darauf berichtet sie Ernst Simon: »Gestern Abend haben wir uns schön und friedlich in meinem Zimmer unterhalten: Werner Kraft, Andreas Meyer, Mortimer Wassermann Leopold Krakauer. Gerson Stern (aus meiner Heimat) ist krank und konnte nicht kommen. Ich glaube wir haben so etwas wie einen Kraal [über dem r ein Stern] gegründet, – er kann so einer werden. Wir müssen ein ganzes Indianerdorf ausmachen schließlich.« (KA, Bd. 11, S. 65.)

19. Oktober (Sonntag) • Else Lasker-Schüler trifft sich im Restaurant Farberov in der Jaffastraße ein zweites Mal mit Freunden, um über die Gründung einer Vortragsvereinigung zu beraten. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 105 und 106.

23. Oktober (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler liest in Tel Aviv vor Mitgliedern des Habima-Ensembles ihr »Theaterstück«: Wahrscheinlich ist das Schauspiel »Arthur Aronymus und seine Väter« gemeint (eventuell »IchundIch«). Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 107 und 108.

11. November (Dienstag) • Else Lasker-Schüler liest in der Synagoge »Emet we’Emuna« ihr Schauspiel »Arthur Aronymus und seine Väter«: »Mrs. E Lasker-Schueler will read her play, ›Arthur Aronymus and his Ancestors‹ (›Arthur Aronymus und seine Vaeter‹) at the Emuna Synagogue, (Gan Rehavia Entrance 5) Jerusalem, at 8.30 on Tuesday evening. The play won a prize in 1932.« (The Palestine Post [Jerusalem]. Jg. 17, Nr. 4713 vom 10. November 1941, S. 2 [»Social & Personal«].)

23. November (Sonntag) • Else Lasker-Schüler lädt Martin Buber ein, den Eröffnungsvortrag in der Vereinigung »Der Kraal« zu halten: »Ich möchte so gerne und der [Kreis] (den ich gezogen von vier lieben Menschen, Werner Kraft, Andreas Meyer, Sam Wassermann und ich daß Sie, Adon Professor, [Zweig] ihn für einige wertvolle Menschen eröffnen? Indem Sie uns etwa – wie Sie wollen, vom Balchem erzählen oder von Lurja oder von Simeon Ben Jochay oder von Sich Selbst, Adon. In meinem weiten Zimmerraum wollen wir wertvolle liebe Dichter und Dichterdoktoren und Malerdichter einladen, vielleicht auch, um noch mal in die – Schule zu gehen. (Ich hätts nötig.) Nun können wir dem Erzähler nichts für sein Erzählen spenden denn wir haben nur das Nötige. Wann und ob Sie uns dennoch die Freude machen wollen?« (KA, Bd. 11, S. 75.)

24. November (Montag) • Martin Buber antwortet: »Ich bin gern bereit Ihren Wunsch zu erfüllen – schon weil mir damit die Gelegenheit gegeben ist Ihnen einen Wunsch zu erfüllen, was ich mir schon lange gewünscht habe. Aber: 1) Ich rede in einem kleinen geschlossenen Kreis nicht gern ununterbrochen allein, ich empfinde das als unnatürlich (etwas ganz anderes ist natürlich Vorlesen eines Werkes), es wäre mir daher lieber ein Gespräch über ein von Ihnen und Ihren Freunden vorzuschlagenden Gegenstand zu führen oder meinetwegen zu ›leiten‹, d. h. auf Fragen zu antworten, aber auch selber Fragen zu stellen usw. | 2) Eine Zeit zu bestimmen ist schwierig, weil ich mir nur selten am Abend freimachen kann. Vielleicht geht es aber am 6. 12. Da habe ich zwar bis gegen 8 einen Kurs zu geben, aber so etwa um 9 könnte ich mir dann wohl etwas so wenig Anstrengendes zumuten.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:85.)

24. Dezember (Mittwoch) • Martin Buber informiert Else Lasker-Schüler: »Im Augenblick kann ich auch noch gar nicht sagen, ob ich am 10. den Abend frei habe – es scheint mir, dass ich gerade dann eine andere Verpflichtung habe, aber das werde ich bis Sonntag klarstellen. Ich habe übrigens, wie ich Ihnen schon einigemal geschrieben habe, nicht vor, vom Baalschem zu erzählen. Ich werde lesen: | Geschichten vom Berdyczewer Rabbi | (Unveröffentlichtes).« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:85.)

1942

3. Januar (Samstag) • Else Lasker-Schüler liest in Tel Aviv bei Grete (1881–1969) und Leo Kestenberg (1882–1962) ihr Schauspiel »Arthur Aronymus und seine Väter«. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 160.

10. Januar (Samstag) • Kraal-Abend im Centre de Culture Française, Ben-Jehuda-Straße 3. Martin Buber liest »Geschichten vom Berditschewer Rabbi«.

24. Januar (Samstag) • Kraal-Abend im Centre de Culture Française. Gershon Swet (1893–1968) spricht über das Thema »Die Juden in Sowjetrußland«.

7. Februar (Samstag) • Kraal-Abend im Saal der »Dritten Mädchenschule« (»Beit-sefer le-banot gimmel«), Seitengasse der Ben-Jehuda-Straße. Werner Kraft liest aus seinen »Dichtungen«.

24. Februar (Dienstag) • Nehemia Cymbalist (1902–1991) fertigt eine Beschreibung von Else Lasker-Schülers Zimmer in der Hama’alotstraße an. Er notiert unter anderem: »Im Zimmer zwei Fenster, die auf die Stadt blicken, sie sind geschlossen und mit einem Wachstuch verhängt. In einer Ecke ein Tisch mit Eßgerät, verschiedenen Lebensmitteln, Zahnputzgerät und Waschzeug, neben dem Tisch ein Nachttopf, ein Korb in einem Körbchen, eine Kiste mit einer Decke darüber, und darauf ein Stapel von Hüten. Daneben zwei Koffer, ein brauner und ein schwarzer, einer über dem anderen, und darauf verschiedene Kleider. Daneben, in der Ecke, ein Schrank, mit Mänteln behängt, und auf dem Schrank ein Kamel aus Stroh und Fäden, zwischen dem Schrank und den Koffern ein Paar Stiefel, ein Paar schwarze Schuhe. Und neben dem Schrank ein Klappstuhl, auf seiner Lehne ein schwarzer Mantel. […] Zwischen dem Tisch und dem östlichen Fenster steht schräg ihr Bett: eine Art Militärklappbett oder ein Bett zusammenklappbar wie eine Handharmonika. Das Bett ist ohne jede Decke, daher sieht man die Faltstellen. Auf dem östlichen Fenster feuchte Waschtücher und -lappen und eine Schnur an die Fensterachse und an den Tisch in der südöstlichen Ecke gebunden.« (Nehemia Cymbalist [Zori]: Else Lasker-Schülers Zimmer. In: Jüdischer Almanach 2001/5761 des Leo Baeck Instituts. Hg. von Anne Birkenhauer. Frankfurt am Main: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, 2000, S. 151 f. – Hebräisches Manuskript, übersetzt von Itta Shedletzky. Zuerst veröffentlicht in: Else Lasker-Schülers Jerusalem. Eine Chronik aus ihrem Nachlaß. Ausstellung. Anläßlich des 50. Todestages der Dichterin. [Bearbeitet von] Itta Shedletzky. Jerusalem: Hebräische Universität Jerusalem, 1995, S. 121 f. [auf S. 76 Faksimile der Vorderseite des Blattes].)

26. Februar (Donnerstag) • Hermann Struck schreibt an Else Lasker-Schüler: »Verehrte Frau Lasker-Schüler, ich bestätige dankend den Empfang Ihrer zweiten Postkarte. Aber ich habe leider meiner vorigen Antwort nichts hinzuzufügen. Ich muss alle die freundlichen Wünsche nach Vorträgen ablehnen. Ich lebe möglichst ruhig und versuche, in meinem Berufe Fortschritte zu machen.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:278.) Else Lasker-Schüler hatte Hermann Struck am 22. und zuvor am 11. Februar eingeladen, einen Vortrag in der Vereinigung »Der Kraal« zu halten. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 192 und 199.

1. März (Sonntag) • Kraal-Abend in der Synagoge »Emet we’Emuna« (»Wahrheit und Glaube«), Narkiss-Straße 5. Nehemia Cymbalist spricht über das Thema »Der Kibbuz Tel-Josef«. – Am 1. März schreibt Walter Jablonski (1892–1967) an Karl Wolfskehl: »Gleich nach Empfang Ihres Briefes besuchte ich Annie Fraenkel; sie freute sich sehr, daß ich von Ihnen Nachricht hatte. Heute abend, an einem von der Lasker-Schüler veranstalteten Vortragsabend, soll ich die Dame aus Tel-Joseph kennen lernen.« (Karl Wolfskehls Briefwechsel aus Neuseeland 1938–1948. Mit einem Vorwort von Paul Hoffmann hg. von Cornelia Blasberg. Bd. 1–2 [Veröffentlichungen der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt. 61. Veröffentlichung]. Darmstadt: Luchterhand Literaturverlag, 1988. Bd. 1, S. 359.)

8. März (Sonntag) • Kraal-Abend in der Pension Brieger, Beit Hakerem. Klavier- und Gesangsvortrag: Emil Stein trägt aus »Madame l’Archiduc« von Jacques Offenbach vor.

15. März (Sonntag) • Kraal-Abend in der Synagoge »Emet we’Emuna«. Julius Simon (1869–1944) spricht über das Thema »Der Jude als Patient«.

28. März (Samstag) • Kraal-Abend in der Synagoge »Emet we’Emuna«. Walter Turnowsky (1897–1959) spricht über das Thema »Wanderung durch den Nahen Osten im Krieg«.

11. April (Samstag) • Kraal-Abend in der Synagoge »Emet we’Emuna«. Ernst Simon spricht über das Thema »Der Prophet Jeremias«.

18. April (Samstag) • Kraal-Abend in der Synagoge »Emet we’Emuna«. Awraham Werber spricht über die beiden Themen »Das Inkareich und das Nazireich« und »Die Tragödie eines großen Ingenieurs«.

6. Mai (Mittwoch) • Kraal-Abend im Saal der »Dritten Mädchenschule« (»Beit-sefer le-banot gimmel«). Gespräch zwischen Friedrich Ollendorff (1889–1951) und Kurt Wilhelm über das Thema »Organisation und Menschlichkeit in der Wohlfahrtspflege«.

30. Mai (Samstag) • Kraal-Abend in der Synagoge »Emet we’Emuna«. Vortrag von Ismar Freund (1876–1956), das genaue Thema ist nicht bekannt.

2. Juni (Dienstag) • Besuch eines Vortrags in der Volkshochschule der HOGOA (Hitachduth Olej Germania we Olej Austria / Vereinigung der Einwanderer aus Deutschland und Österreich). Ernst Simon spricht über das Thema »Die Propheten Israels«. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 238.

5. Juli (Sonntag) • Besuch eines Vortrags in der Synagoge »Emet we’Emuna«. Ernst Simon spricht auf Einladung der HOGOA über »Tolstoi als Künstler und Erzieher«. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 246.

2. August (Sonntag) • Kraal-Abend in der Synagoge »Emet we’Emuna«. Else Lasker-Schüler liest aus ihren »Dichtungen«.

6. September (Sonntag) • Kraal-Abend in der Synagoge »Emet we’Emuna«. Alex Bein (1903–1988) spricht über »Theodor Herzl«.

13. September (Sonntag) • Besuch der Synagoge »Emet we’Emuna«. Der liberale Rabbiner Robert Raphael Geis (1906–1972) hält die Predigt im Gottesdienst des 2. Neujahrstags. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 279.

20. September (Sonntag) • Besuch der Synagoge »Emet we’Emuna«. Am Vorabend des Versöhnungstags (Jom Kippur) hält Ernst Simon die Predigt im Kol-Nidre-Gottesdienst. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 278 und 282.

5. Oktober (Montag) • Kraal-Abend im »Alfred Berger Club« im Haus der HOGOA (Hitachduth Olej Germania we Olej Austria / Vereinigung der Einwanderer aus Deutschland und Österreich), Mamillastraße (später umbenannt in Gershon-Agron-Straße), Ecke King-George-Straße. Georg Landauer (1895–1954) spricht über das Thema »Deutsche Juden in Palästina«.

19. Oktober (Montag) • Kraal-Abend im Luftschutzraum Ben-Jehuda-Straße 7. Ulrich Salingré spricht über das Thema »Du und der Luftschutz«.

7. November (Samstag) • Besuch einer Feier zum 50. Geburtstag von Ludwig Strauß in der Synagoge »Emet we’Emuna«. David Werner Senator (1896–1953) spricht über Ludwig Strauß, der aus seinen Werken liest. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 298.

14. November (Samstag) • Lesung im »Alfred Berger Club«. Else Lasker-Schüler schreibt am 12. November an Samuel Wassermann (1912–1989): »Adon, kommen Sie Schabbatt (Sonnabend) zum Vortrag von mir.? | Ohle Germania | (Berger Club?)« (KA, Bd. 11, S. 183). «

15. November (Sonntag) • Zur Lesung am 14. November notiert Werner Kraft im Tagebuch: »Ein reserviertes, gutwilliges aber kaum verstehendes Publikum. Sie merkt sofort die Kälte. Plötzlich unterbricht sie sich in einem Gedicht, sie könne nicht weiterlesen, sie wisse nicht, warum. Sie weiß es natürlich ganz genau. Sie liest Liebesgedichte, an S. [Ernst Simon], eines davon liest sie besonders ergreifend. Nach Schluß will sie nicht fortgehen, ärgert sich, schluckt Grobheiten in sich hinein, sie wolle gar nicht, daß alle in sie hineinsehen. Ich sage, das sei die Paradoxie des Dichters, und denke, daß sie sich das hätte früher überlegen müssen. Aber sie meint es ja nicht so. Sie leidet darunter, daß die Hörer verstehen könnten, was sie nicht wissen sollen und was sie doch am liebsten in alle Rinden prägen möchte. Sie leidet schrecklich darunter, daß sie alt ist, sie leidet, und immer kommt es an der verkehrten Stelle und mit den verkehrten Worten heraus. – Sie fühle sich hier nicht heimisch und fahre mit dem ersten Schiff nach dem Frieden wieder ab. Wie entsetzlich traurig ist es, sich diese alte Frau vorzustellen, immer neuen Illusionen nachjagend, ohne Freude an dem Geschaffenen und ohne Ruhe in dieser Freude, und schließlich doch in gerader Richtung auf ihr Grab zusteuernd. – Und doch sind die Liebesgedichte, die sie in der letzten Zeit gemacht hat, von hoher Schönheit, unabhängig davon, daß ich den Gegenstand dieser Liebe persönlich kenne. Ich höre dieses wiederholte ›Ich liebe dich‹, das sie das zweite Mal nur flüstert. – Ein Satz aus einem Prosastück, das sie vorlas, lautet etwa so, daß dem an Liebe verarmten Menschen das Herz über dem Kopf zusammenschlage –« (Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 354 f.). – Mit dem »Prosastück« ist die Erzählung »Freundschaft und Liebe« gemeint.

19. November (Donnerstag) • Besuch eines Vortrags in der Synagoge »Emet we’Emuna«. Ernst Simon spricht auf hebräisch über Chajim Nachman Bialik (1873–1934). Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 306.

22. November (Sonntag) • Kraal-Abend im Saal der HOGOA, Mamillastraße (später umbenannt in Gershon-Agron-Straße), Ecke King-George-Straße. Gespräch zwischen Heinz Kappes (1893–1988) und Gerson Stern (1874–1956) über Sterns Roman »Weg ohne Ende«.

6. Dezember (Sonntag) • Kraal-Abend im Saal der HOGOA. »Spoken Paper« mit Franz Goldstein (»Frango«) (1898–1982), Erich Gottgetreu (1903–1981) und Kurt Wilhelm.

20. Dezember (Sonntag) • Kraal-Abend im Saal der HOGOA. Friedrich Ollendorff spricht über das Thema »Drei Frauen«.

1943

11. Januar (Montag) • Kraal-Abend im Saal der HOGOA (Hitachduth Olej Germania we Olej Austria / Vereinigung der Einwanderer aus Deutschland und Österreich). Ernst Simon spricht über das Thema »Martin Buber, der Mann und sein Werk«.

9. Februar (Dienstag) • Kraal-Abend im Saal der HOGOA. Kurt Wilhelm liest »Aus heiligen Büchern«.

21. Februar (Sonntag) • Kraal-Abend im Bezalel-Museum, Shmuel-Hanagid-Straße, Ecke Bezalelstraße. Hugo Nothmann (1882–1965) spricht über das Thema »Traum im Talmud«.

28. Februar (Sonntag) • Besuch eines Vortrags von Ernst Simon in der Volkshochschule der HOGOA. Das genaue Thema ist nicht bekannt. Am 1. März schreibt Else Lasker-Schüler an Ernst Simon: »Ihr Vortrag war gestern entzückend schön. […] Nun sprachen Sie so viele Dinge, die ich schnell auffing, ich meine, die ich mir raubte! Die beiden ersten Baumeister Palästinas, gefallen mir so sehr. Beide! Und beide doch verschieden. Borris (Berl) und ? Gordon.« (KA, Bd. 11, S. 207 f.) Gemeint sind Berl Katznelson (1887–1944) und Aharon David Gordon (1856–1922). Ernst Simon hielt eine Vortragsreihe mit dem Titel »Baumeister des Zionismus«, zuerst angezeigt im »Mitteilungsblatt der Hidachduth Olej Germania we Olej Austria« (Tel Aviv) vom 12. Februar 1943 (Jg. 7, Nr. 7, S. 7).

7. März (Sonntag) • Besuch eines Vortrags in der Volkshochschule der HOGOA. Ernst Simon spricht über das Thema »Ussischkin und Arthur Ruppin«. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 352.

8. März (Montag) • Kraal-Abend im Bezalel-Museum. Werner Kraft liest »Gedichte und Prosa«.

15. März (Montag) • Besuch eines Vortrags in der Volkshochschule der HOGOA. Ernst Simon spricht über das Thema »Ch. Weizmann und J. L. Magnes. Zwei Wege der Politik«. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 358.

20. März (Samstag) • Else Lasker-Schüler liest in Haifa auf Einladung von Friedrich Sally Grosshut (1906–1969) aus ihren Dichtungen. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 358–360.

22. März (Montag) • Besuch eines Vortrags in der Volkshochschule der HOGOA. Ernst Simon spricht über das Thema »Baumeister des Zionismus (Elieser ben Jehuda und Ch. N. Bialik)«. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 359.

30. März (Dienstag) • Kraal-Abend im Bezalel-Museum. Else Lasker-Schüler liest Gedichte und die Erzählung »Der Wunderrabbiner von Barcelona«. – Am Tag danach notiert Werner Kraft im Tagebuch: »Aus einem kaum zulänglichen Grunde reicht sie im Publikum ihre Photographie als zehnjähriges Mädchen herum. Allerdings sieht sie wunderbar aus, ganz knabenhaft. […] Sie sagt ihre Gedichte meisterhaft aber mit technischer Berechnung. Den ›Tibetteppich‹ würde ich so nicht sagen, und auch Karl Kraus hat ihn so nicht gesagt: der Vortrag ist so ausgetrocknet, daß die Glut der Liebe kühl wird.« (Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 357 f.)

31. März (Mittwoch) • Besuch eines Konzerts in der »Edison Hall«. Das »Palestine Orchestra« spielt unter anderem die Sinfonie in h-Moll (»Die Unvollendete«) von Franz Schubert. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 367 und 371.

2. April (Freitag) • Else Lasker-Schüler informiert Friedrich Sally (1906–1969) und Sina Grosshut (1904–1998), dass am »13. April […] der feine Dichter: Heinz Politzer« (KA, Bd. 11, S. 221) im »Kraal« lesen werde. Kurz darauf, am 6. April, sagt Else Lasker-Schüler die Lesung Heinz Politzers (1910–1978) ab: »Ich kann Heinz Politzer nicht im Kraal sprechen lassen. Das ist mein eigener Entschluss! […] Ich kann es nicht! Ich lade im Kraal die Menschen ein, die ›ich‹ ›zunächst‹ hören möchte. So bin ich einig. Ich habe ja keine literarische Wirtschaft.« (KA, Bd. 11, S. 223.)

9. April (Freitag) • Aus Jerusalem schreibt Louis Fürnberg (1909–1957) an Carl Stern (1918–1985) in Haifa: »Ich bin auch Großhut noch einen langen Brief schuldig. Wie war denn der Lasker-Schüler-Abend? Wunderbar, wie? Waren Sie mit Frau Lasker-Schüler selbst in Kontakt?« (Louis Fürnberg: Briefe 1932–1957. Auswahl in zwei Bänden. Bd. I: 1932–1954; Bd. II: 1954–1957. Hg. im Auftrag der Akademie der Künste der Deutschen Demokratischen Republik von Lotte Fürnberg und Rosemarie Poschmann. Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag, 1986. Bd. 1, S. 193.)

17. April (Samstag) • Mittags: Besuch eines Vortrags im »Alfred Berger Club« im Haus der HOGOA (Hitachduth Olej Germania we Olej Austria / Vereinigung der Einwanderer aus Deutschland und Österreich), Mamilla-Straße (später umbenannt in Gershon-Agron-Straße), Ecke King-George-Straße. Kurt Wilhelm spricht über das Thema »Das amerikanische Judentum und die Palästinafrage«. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 373.

• Abends: Besuch eines Vortrags von Martin Buber in der Volkshochschule der HOGOA. Der Vortrag ist Teil von Bubers Reihe »Judentum und Christentum«. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 373.

11. Mai (Dienstag) • Kraal-Abend im Bezalel-Museum. Friedrich Sally Grosshut liest seine Erzählung »Napoleon in Potsdam«.

25. Mai (Dienstag) • Kraal-Abend im Bezalel-Museum. Walter Jablonski (1892–1967) liest seine Übersetzung »Gedichte des Kavaphis«, Hans Zeuger (1901–1983) sein Schauspiel »Judas, der Mann aus Kariot«.

22. Juni (Dienstag) • Kraal-Abend im Bezalel-Museum. Schalom Ben-Chorin liest sein Schauspiel »Söhne«.

26. Juni (Samstag) • Besuch eines Vortrags von Martin Buber in der Volkshochschule der HOGOA. Buber beginnt an diesem Abend mit einem »Neuen Zyklus« seiner Reihe »Judentum und Christentum«: Das Thema lautet »Sünde und Erlösung«. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 427 und 445.

9. Juli (Freitag) • Else Lasker-Schüler schreibt ihre »Anfang« betitelte Vorrede zu dem Schauspiel »IchundIch«.

11. Juli (Sonntag) • Else Lasker-Schüler liest ihr Schauspiel »IchundIch« in Haifa im Antiquariat von Friedrich Sally und Sina Grosshut. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 443 und 444.

12. Juli (Montag) • Zweite Lesung von »IchundIch« in Haifa im Hause des Fabrikanten Hans Moller (1896–1962). Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 442 und 444.

7. August (Samstag) • Besuch eines Vortrags in der Volkshochschule der HOGOA. Martin Buber spricht über das Thema »Sünde und Erlösung«. Der Vortrag ist Teil von Bubers Reihe »Judentum und Christentum«. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 461.

10. August (Dienstag) • Besuch eines Vortragsabends im »Club of the Friends of Austria«. Friedrich Sally Grosshut liest aus einem ungedruckten Manuskript. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 463 und 464.

31. August (Dienstag) • Besuch eines Konzerts in der »Edison Hall«. Das »Palestine Orchestra« spielt unter anderem Stücke von Debussy, Smetana und Tschaikowski. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 478.

15. September (Mittwoch) • Heinz Politzer schreibt an Else Lasker-Schüler: »Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Karte. Ich bitte Sie: verlieren Sie kein Wort mehr über die Kritik im ›Forum‹. Es ist schliesslich selbstverständlich, dass man den schönsten Gedichten dieser Jahre seine Ehrfurcht bezeugt, wenn man noch ein Ohr zu hören und einen Mund zu reden hat. | Wenn es Ihnen recht ist, werden meine Frau, Kaspar und ich Sie am Samstag, dem 25. September, gegen 5 Uhr besuchen, um Ihnen den Weg in unser unwegsames Viertel zu ersparen. Wir können leider nur an einem Samstag kommen, sonst arbeiten wir.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:233.) Else Lasker-Schüler hatte sich am 15. September (KA, Bd. 11, Nr. 483) bei Heinz Politzer für dessen Besprechung von »Mein blaues Klavier« in der Zeitschrift »Forum« (Jerusalem) vom 10. September 1943 bedankt.

15. November (Montag) • Werner Kraft notiert nach einem Besuch bei Else Lasker-Schüler im Tagebuch: »Ich komme zu ihr, morgens um ½ 11 Uhr. Schmutz in ihrem Zimmer. Sie muß alles allein machen. Sie schimpft schrecklich auf ihre Wirtin, auf die Juden, auf alles. Kocht sich ein Ei. Will es im Stehen essen. Ich sage, sie soll einen Stuhl nehmen, ich könne nicht sitzen, wenn sie steht. Wird ärgerlich auf mich, tut es aber. Sie hat Kakao gekocht, nimmt den Topf und läßt ihn auf die Erde fallen. Schimpft auf mich, weil sie immer denken müsse, daß ich ihr etwas sage. Ich will gehen. Sie läuft mir nach. ›Sie sehen mich nicht wieder, wenn Sie jetzt gehen!‹ Ich bleibe. Später gehe ich doch. Sie ist einverstanden.« (Else Lasker-Schüler 1869–1945, S. 359.)

1944

23. Januar (Sonntag) • Besuch eines Vortrags von Arnold Zweig im »Jerusalem Book Club«. Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 554. – Franz Goldstein (»Frango«) berichtet: »Mr. Arnold Zweig reviewed what he called his ›Casualty List.‹ He enumerated the host of distinguished writers in the German language who had been his comrades-in-arms in an unrelenting spiritual fight against the forces of reaction and who in one way or an other became the victims of Nazi persecution. […] | At a reception given in Mr. Zweig’s honour, Prof. Buber, Mrs. Else Lasker-Schueler and Mr. L. Fuernberg welcomed his new novel, ›The Axe of Wandsbeck‹, the Hebrew edition of which appeared recently.« (Frango: »My Casualty List«. Mr. Arnold Zweig’s Comrades-in-Arms. In: The Palestine Post [Jerusalem]. Jg. 19, Nr. 5393 vom 25. Januar 1944, S. 2.)

2. Februar (Mittwoch) • Aus Jerusalem schreibt Louis Fürnberg an Gertrud (1903–1967) und Karl Kneschke (1898–1959) in London: »Dieser Tage gab es im Jerusalemer Book-Club eine Rezeption für Arnold Zweig anläßlich der Vollendung des ›Beil von Wandsbek‹, wo ich zugleich mit Martin Buber und Else Lasker-Schüler sprach.« (Louis Fürnberg: Briefe 1932–1957. Auswahl in zwei Bänden. Bd. I: 1932–1954; Bd. II: 1954–1957. Hg. im Auftrag der Akademie der Künste der Deutschen Demokratischen Republik von Lotte Fürnberg und Rosemarie Poschmann. Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag, 1986. Bd. 1, S. 234.)

7. Februar (Montag) • Lesung im Bezalel-Museum: »Else Lasker-Schueler, the German-Jewish poetess, will read from her works at the New Bezalel Museum in Jerusalem on Monday, February 7, at 8.30 p. m. Her Hebrew ballads will form a feature of the programme.« (The Palestine Post [Jerusalem]. Jg. 19, Nr. 5402 vom 4. Februar 1944, S. 2 [»Social & Personal«].)

20. Februar (Sonntag) • Im Café Sichel hört Else Lasker-Schüler einen Radiovortrag Ernst Simons, der in einer Reihe des britischen Senders »Palestine Broadcasting Service« (»P. B. S.«) spricht: »Adult Education. Series of broadcasts under the guidance of the staff of the Hebrew University. ›Nations in the Making‹. Historical talks on the Modern Nations on the threshold of the 20th Century, pres. by Dr. Ernst Simon« (The Palestine Post [Jerusalem]. Jg. 19, Nr. 5415 vom 20. Februar 1944, S. 2 [»Wireless Programmes«]). Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 557.

5. März (Sonntag) • Else Lasker-Schüler hört erneut einen Vortrag Ernst Simons im britischen Sender »Palestine Broadcasting Service«. Vgl. The Palestine Post (Jerusalem). Jg. 19, Nr. 5427 vom 5. März 1944, S. 2 (»Wireless Programmes«). Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 561.

26. April (Mittwoch) • Kraal-Abend im »Alfred Berger Club« im Haus der HOGOA (Hitachduth Olej Germania we Olej Austria / Vereinigung der Einwanderer aus Deutschland und Österreich), Mamilla-Straße (später umbenannt in Gershon-Agron-Straße), Ecke King-George-Straße. Gedenkfeier für Max Reinhardt: Es sprechen Else Lasker-Schüler, Gershon Swet und Hermann Vallentin (1872–1945).

15. August (Dienstag) • Else Lasker-Schüler hört im Radio die Übertragung einer Aufführung von Igor Strawinskis Bühnenwerk »Histoire du Soldat«. Vgl. The Palestine Post (Jerusalem). Jg. 19, Nr. 5565 vom 15. August 1944, S. 2 (»Wireless Programmes«). Quelle: KA, Bd. 11, Nr. 601.

3. Oktober (Dienstag) • Max Brod schreibt an Else Lasker-Schüler: »Bitte senden Sie mir Ihr Drama (eingeschrieben) und ich will es gern für die ›Habimah‹ lesen, obwohl wir für die kommende Saison unser Repertoire bereits fixiert haben. | Zugleich danke ich für Ihren freundlichen Glückwunsch zu meinem 60. Geburtstag.« (The National Library of Israel [Jerusalem], Arc. Ms. Var. 501 [Else Lasker-Schüler Archive], File 5:92.) Else Lasker-Schüler hatte kurz zuvor an Max Brod geschrieben: »Haben Sie Interesse mein Schauspiel: Arthur Aronymus zu lesen, (event., daß es gespielt wird?« (KA, Bd. 11, S. 345.)

26. Oktober (Donnerstag) • Aus Jerusalem schreibt Louis Fürnberg an Ernst Sommer (1888–1955) in London: »Die Lasker-Schüler hat ein neues Gedichtbüchlein, ›Mein blaues Klavier‹, in einer Ausgabe von 300 Exemplaren veröffentlicht, ganz wundervoll, ganz groß. 30 Exemplare wurden verkauft. Sie erhielt 2 ½ £. Sie ist verrückt (ein bißchen bewußt verrückt!), bösartig, gutherzig, komisch und göttlich. Mich haßt sie, aber sie ist ein Menschenwunder.« (Louis Fürnberg: Briefe 1932–1957. Auswahl in zwei Bänden. Bd. I: 1932–1954; Bd. II: 1954–1957. Hg. im Auftrag der Akademie der Künste der Deutschen Demokratischen Republik von Lotte Fürnberg und Rosemarie Poschmann. Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag, 1986. Bd. 1, S. 281.)

• Lesung im Bezalel-Museum: »8.30 p. m.: Reading of her poems by Mrs. Else Lasker-Schueler; New Bezalel School.« (The Palestine Post [Jerusalem]. Jg. 19, Nr. 5622 vom 26. Oktober 1944, S. 2 [»Where to Go«].)

1945

9. Januar (Dienstag) • Letztes Gespräch mit Werner Kraft, der im Tagebuch notiert: »Sie ist in einem Zustand unbeschreiblicher Zerrüttung, aus Wut auf die Menschen, die sie überleben werden, aus Angst vor dem Tode. Sie sagt immer wieder, sie habe einen Gedanken, den sie nicht loswerden könne. Ich frage nicht, welcher Gedanke dies sei. Es ist aber ein erotischer Gedanke und zugleich der an den Tod. Sie ist unflätig. Es gelingt mir, sie auf Literarisches zu bringen. Ich frage sie, ob sie Gedichte gemacht habe. Sie sagt, warum. Ich sage ihr, sie habe keine Ehrfurcht vor sich selbst. Sie will den ›Kraal‹ fortsetzen. Sie fragt mich, ob wir nicht einen Club gründen wollen. Ich schlage einen Club der Unsterblichen vor, mit Goethe, Schiller, Karl Kraus als Mitgliedern, in dem Goethe ihre Gedichte vortrage. Sie sagt: ›Was sind wir doch für arme Kinder!‹ Ich rühme ihre Gedichte. Sie trinkt das Lob wie der Säugling die Milch. Ich definiere ihr die Liebe als die Verwirklichung des Unmöglichen. Sie ist begeistert. Sie ist getröstet. Sie steht auf. Sie bedankt sich. Ich gehe.« (Lasker-Schüler 1869–1945, S. 361.)

16. Januar (Dienstag) • Nach einem Herzanfall Einlieferung in das Hadassa-Hospital auf dem Mount Scopus.

22. Januar (Montag) • Else Lasker-Schüler stirbt im Hadassa-Hospital.

23. Januar (Dienstag) • Beisetzung auf dem Ölberg. – Ernst Ginsberg druckt am Schluss von »Dichtungen und Dokumente« (Gedichte, Prosa, Schauspiele, Briefe, Zeugnis und Erinnerung. Ausgewählt und hg. von E. G. München: Kösel-Verlag, 1951, S. 599 f.) folgenden mit »W.«, Wolfgang Yourgrau (1908–1979), gezeichneten »Brief aus Jerusalem vom 23. Januar 1945« ab: »… heute frühe um 10 haben wir unsere Tino begraben. Ich hatte keine Möglichkeit, Sie noch rechtzeitig zu verständigen. Auch Ihren wunderschönen Brief konnte ich ihr nicht mehr geben, da sie seit Tagen ohne Bewußtsein war. | Man hatte sie am 16. abends um 11 in die Hadassa eingeliefert, nachdem sie einen sehr schweren Herzanfall erlitten hatte. Ich erfuhr erst am 17. spät nachmittags, daß sie so plötzlich erkrankte. Vom 18. ab war ich täglich Vor- und Nachmittag mehrere Stunden bei ihr. Die letzten beiden Nächte und Tage habe ich sie dann nur noch vier Stunden allein gelassen; ich brachte es nicht mehr übers Herz, von ihr wegzugehen. | Sie hat entsetzlich gelitten. Das Herz wollte nicht nachgeben. Trotz starker Morphiumdosen erfolgten die Anfälle in Abständen von zehn Minuten. Erst am Montag gegen 5 Uhr morgens wurde die Atmung ruhiger. Die letzte M-Spritze brachte ihr dann die ersehnte Erleichterung. Um 7 Uhr 25 morgens hauchte sie buchstäblich ihr Leben aus, sehr leise, ohne Kampf und in großer Ruhe. Die beiden letzten Nächte waren nur ihr Freund Andreas Meyer und ich bei ihr. Als sie starb, war ich als einziger bei ihr. K. [d. i. Kat(h)inka Küster] hatte vorher die ganzen Tage bei ihr zugebracht und ihr, soweit es möglich war, geholfen. Tino litt an einer Angina Pectoris, die zu einem Infract geführt hatte. Eine Thrombose, der noch eine Urämie vorangegangen war, hatte dann zum Tode geführt. | Ich habe ihr, wenn sie für Sekunden ihr Bewußtsein wiedererhielt, gesagt, daß Sie sie grüßen lassen und zu ihr kommen werden. Auch K. hat ihr etwas Ähnliches gesagt, um ihr zu zeigen, daß sie nicht allein ist. | Die Beerdigung war so würdig, wie es zu erwarten war. Ungefähr sechzig Leute erwiesen ihr das, was man so die letzte Ehre nennt. Der Rabbiner Wilhelm sprach ihr Gedicht ›Ich weiß‹ aus dem blauen Klavier. Gerson Stern sagte das Kaddisch. | K. legte als einzige auf ihr Grab wenige schöne Blumen. Und dann gingen alle zur Tagesordnung über … | Es ist eine Maske vom Gesicht und von den Händen abgenommen worden. Eine Zeichnerin hat einige Porträts versucht. Hoffentlich ist die Maske gelungen. | Ich bin todmüde und wie zerschlagen … Für heute nur diesen traurigen Gruß | Euer W.«

Literatur

KA Texte von Else Lasker-Schüler werden nach der »Kritischen Ausgabe« (KA) der »Werke und Briefe« zitiert: Im Auftrag des Franz Rosenzweig-Zentrums der Hebräischen Universität Jerusalem, der Bergischen Universität Wuppertal und des Deutschen Literaturarchivs Marbach am Neckar hg. von Andreas B. Kilcher [ab Bd. 9], Norbert Oellers, Heinz Rölleke und Itta Shedletzky. Bd. 1–10. Frankfurt am Main; Bd. 11. Berlin: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, 1996–2010. – Die Bände 1–5 enthalten die Werke, die Bände 6–11 die Briefe Else Lasker-Schülers. In den Bänden 6–8 sind Else Lasker-Schülers Briefe von 1893 bis zu ihrer Flucht aus Berlin am 19. April 1933 (insgesamt 1910 Briefe), in den Bänden 9–11 die Briefe aus der Exilzeit (zusammen 1958 Briefe) abgedruckt. Band 11 enthält zudem einen Anhang mit 201 Nachträgen aus den Jahren 1897–1939.

Else Lasker-Schüler – Franz Marc Else Lasker-Schüler – Franz Marc: Eine Freundschaft in Briefen und Bildern. Mit sämtlichen privaten und literarischen Briefen. Hg. von Ricarda Dick. München, London, New York: Prestel, 2012.

Gedichtbuch für Hugo MayGedichtbuch für Hugo May. Faksimile-Edition. Im Auftrag der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung hg. von Andreas Kilcher und Karl Jürgen Skrodzki. Bd. 1: Faksimile; Bd. 2: Text und Kommentar. Mit Briefen von Else Lasker-Schüler an Hugo May und Kurt Ittmann aus den Schweizer Exiljahren. Göttingen: Wallstein Verlag, 2019 (2. Aufl. 2019).

Else Lasker-Schüler 1869–1945 Else Lasker-Schüler 1869–1945. Bearbeitet von Erika Klüsener und Friedrich Pfäfflin. Else Lasker-Schüler in den Tagebüchern von Werner Kraft 1923–1945. Ausgewählt von Volker Kahmen (Marbacher Magazin 71/1995). Marbach am Neckar: Deutsche Schillergesellschaft, 1995.

August Macke und Franz Marc August Macke und Franz Marc: Briefwechsel. August Macke – Franz Marc, Lisbeth Macke – Maria Marc 1910 bis 1914. Franz Marc – Lisbeth Macke 3. 8. 1914 bis 5. 2. 1916. Lisbeth Macke – Maria Marc 6. 8. 1914 bis 14. 3. 1916. Hg. von Wolfgang Macke. Köln: M. DuMont Schauberg, 1964.

Briefe 1904–1927 Hugo Ball: Briefe 1904–1927. Bd. 1: 1904–1923; Bd. 2: 1924–1927; Bd. 3: Kommentar. Hg. und kommentiert von Gerhard Schaub und Ernst Teubner (Sämtliche Werke und Briefe. Bd. 10.1–3. Veröffentlichungen der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt. 81. Veröffentlichung). Göttingen: Wallstein Verlag, 2003.

Briefe aus dem Feld Franz Marc: Briefe aus dem Feld. 1914–1916. Mit 36 Zeichnungen von Franz Marc. Einführung von Cathrin Klingsöhr-Leroy (edition monacensia). München: Allitera Verlag, 2014.

Du bist dunkel vor Gold »Du bist dunkel vor Gold«. Kete Parsenow und Karl Kraus. Briefe und Dokumente. Hg. von Friedrich Pfäfflin (Bibliothek Janowitz. Hg. von Friedrich Pfäfflin [Bd. 19]). Göttingen: Wallstein Verlag, 2011.

Feinde in Scharen »Feinde in Scharen. Ein wahres Vergnügen dazusein«. Karl Kraus – Herwarth Walden. Briefwechsel 1909–1912. Hg. von George C. Avery (Veröffentlichungen der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. 79. Veröffentlichung). Göttingen: Wallstein Verlag, 2002.

Wassily Kandinsky – Franz Marc Wassily Kandinsky – Franz Marc: Briefwechsel. Mit Briefen von und an Gabriele Münter und Maria Marc. Hg., eingeleitet und kommentiert von Klaus Lankheit. Mit 8 Farbtafeln und 15 Abbildungen. München und Zürich: R. Piper & Co. Verlag, 1983.