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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Samstag, 8. September 1934

Emil Raas
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8. IX 34

Lieber Mill Rass.

Ich konnte gar nicht schreiben, mein Arm Oberarm wurde ganz aufgeschnitten. Sie haben unbegreiflicherweise einen Knochensplitter herausgeholt und nun ist er zugenäht wie Zeug. Aber die Fäden wurden gestern herausgezogen und ich vorher ging ich und kaufte das kleine Schiff mit mir drin. Denn ich wollte was Liebes vorher tun, um nicht an Schmerz zu denken. Da kaufte ich das Schiff aus Peru. Wie ich nach Hause kam, stand plötzlich meine Freundin Julia Wassermann vor mir und bleibt nun und will in kurzer Zeit mit mir nach Ascona gehen. Ich bin nun immer sehr in Verlegenheit was ich sprechen soll, da ich gar nicht mehr sprechen kann. [2] Aber ich schlug einen Purzelbaum wie sie plötzlich zu mir ins Zimmer kam. Ich habe von Mussolini für meine Bücher wirklich ein schönes Geschenk bekommen. Der ital. Consul hat mirs selbst gegeben, da konnte ich denn genau den Arm heilen lassen. Ich habe auch vor längerer Zeit vor etwa 5 Wochen viel wieder geschrieben und nun kommen »Vögel« von mir in die Neue Zürcher Zeitung. Liegen schon länger da. Ich bin mir wie ein Paquet geworden, einmal send ich mich da ein ander Mal dort hin. Ich habe keine Achtung mehr vor mir; das scheint mir die letzte Verarmung. Äußerlich steh ich jetzt besser. Ich habe 2 Bilderbestell. jeden Monat für ein Jahr – da kann ich von leben. Alle so traurig, die mir begegnen. Ich konnte auch darum nicht schreiben. Auch ist alles wie Wirrwarr und ich glaube dann, [3] ich habe keine Ehre mehr oder das große thebetanische Haus, das noch in mir spukt, ist empört. Ich kenne die Menschen, auch Sie nicht mehr. und – in dem Denken schrieb ich auch damals den Brief, den ich zurück erbat. Wie vornehm zu denken, zu sprechen und zu handeln ist ohne die Rechenmaschine Gehirn. Es fallen oder reihen sich rote und weiße Perlen ordnungsgemäß. Beinah verachte ich jetzt Nachdenken und Arbeit. Sind Sie krank?

Abigail

[Frauenkopf im Profil]