[70] Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Ascona, wahrscheinlich Anfang Dezember 1935
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[…] Ich glaube auch, daß die alle Sie sehr mögen und es kann nicht schaden für Ihre Praxis. Und wundervolle Menschen!!! Ich bin nie gern hier gewesen, Zürich mir viel lieber. Etwas idyllisch hier; nur wo die Maggia fließt dunkelgrünäugig über Steine, da ist Ursprung und unfrisiert alles. Ich hoffe bald mein Buch nach Palästina zu bringen. Ich sollte über die Grenze kommen, schrieb Schocken. In Deutschland könne er mir das Geld geben; aber ich [2] darf doch nicht. Ja als Installateur wäre ich im Flugschiff bereit. Wie seltsam doch alles, die Welt und ihr Treiben. Ich weiß nicht mehr zu sein und zu denken wie früher. Weiß nur, daß man hinträumen soll, hinsäumen. Vielleicht, nachdem ich kann!!! In Berlin mein Schwager am Sterben. Er ist Christ, er war 1. lyrischer Tenor auch an der Dresdener Hofoper gewesen. Er hat sich, da er meine liebe Schwester so liebte, die Judensache in den Kopf gesetzt, irrsinnig geworden. Ich muß erst die Hälfte meiner Bücher Prozente haben, dort den lieben beiden Mädchen zu helfen und dann flieg ich wieder übers Meer. Ich bin, war immer im Herzen allein für mich hier gewesen.
Ihre Dichterin
Anmerkungen
Der Anfang fehlt.
Quelle: The National Library of Israel, Jerusalem, Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 76).