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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Mittwoch oder Donnerstag, 20. oder 21. Februar 1935

Emil Raas
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20 oder 21. II 35

[Blume] aus dem Urwald

Mill.

Wochenlang brannte der Urwald im Osten und die Sonne fürchtete sich aus dem Himmel oben herauszukommen. Nun aber freuen wir uns, da die Feuer sich beruhigt haben und wir rauchen wieder im Kraal unsere Pfeifen. Die Cocosnüsse hängen schon ganz klein an den Aesten und wir und die Affenstämme können die erwachsene Frucht kaum erwarten. Aber durch alle Erwartungen mischt sich die Besorgtheit um Pampa unserer zum Indianer geheiligten Indianerin: Pampa. Ihr hattet ihn wohl ganz vergessen? Wir aber suchten nach ihm und ich sandte eine Anzahl der stärksten Inkas nach ihm aus. Den wilden Feuersalamander, den lichten Goldbeerenbaum, den erwachten Siebenschläfer frisch aus dem Morgen. Am Missisippi soll unser Pampa und in Verginia, auch im Feuerland gesehen worden sein von Asteken. Später redeten ihn einige Cow-boys in St, Francisco an – mitten auf dem Markt, wo er in einer Truppe Kunstreiter und Magiere, Feuer und Glas, zur Unterhaltung der Zuschauer, frass. Ein Edelindianer! Bedenket! Zuletzt aber sah ihn, ein Mir gewogenes Weissgesicht in Chicago, wie er dabei war, sich eine Zelt nach unseren Zelten im Urwald zu bauen. Dort Unterricht im Pfeilwurf zu erteilen. Das Werfen der Pfeile war stets seine eifrige Beschäftigung gewesen und es erfüllt uns Indianern, die wir Pampa inbrünstig und unverbrüchlich lieben mit grosser Freude, denn er scheint sich wiedergefunden zu haben? Auch fand er seinen 85jährigen Oheim, einen schon bemoosten Häuptling in New-Yersey; der gewann [2] Pampa lieb. Aus dem gelobten Lande kam der, – aus dem Judenland. Und er soll seinem Neffen Pampa, also seiner Nichte, so vieles von den hebräischen Stämmen erzählt haben, dass unser Pampa ein ganzes Buch geschrieben über das Indianerreich der Juden; zehn Bilder habe er dazu gezeichnet. So liess er mir bestellen, so kam die Kunde, dearest gentleman. Und ich vermute, dass Euer dearest Brief unseren Indianer den blauen Jaguar sehr betrüben würde, denn er klang voll Wehmut und Schwermut; wehe Strahlen zogen sich durch viele Worte. Wir wünschten Sie alle, dear Milliam, wir Indianer, Sie vom Joch zu erlösen, schon unseres Pampas willen, der noch kurz vor dem Verlassen der Zelte und des Urwalds zu seinen Vertrauten von Euch liebevoll sprach. Ja er weinte sogar Euretwegen bittere Tränen. Euch aus aller Sklaverei zu befreien, befreien zu dürfen, erachtete Ich und der Stamm für – ein Entgegenkommen Ihrerseits. Aber wir wollen uns nicht in Euere Angelegenheiten ungefragt mischen, hoffen aber wir hoffen auf Euer Vertrauen. Seitdem an meiner Hand ein Amethist im Geschimmer leuchtet, hat sich das Geschick meines Indianerstamms zum Guten gewandt. Als Medizinmann möchte ich Euch bewegen, Mill, die Tage des Fastnachts, von denen Sie uns mal berichteten, zu feiern. Die Komik der Strasse zu geniessen. Ach wir Indianer kennen nur die eine Farbe der Welt; hüllt sie auch alle die anderen Schattierungen ein. Ich halte zwei – sehr lehrreiche – Abende im Anfang März hier am River, über die Heilungen der verschiedentlichen Kräuter und Rinden. Am Samstag unternehme ich eine Reise nach New-Basel wegen verschiedender Dinge, die uns hoffe ich zu Gute kommen werden. Verzeiht mein, gewiss sehr trockenes Schreiben; [3] Pampa hatte die Zaubermacht seine Adlerfeder, an von ihm geliebte Menschen in flüssige Küsse zu tauchen. Er war der einzige Indianer der das vermochte und schade dass er so fern von uns weilt. Gedenket an uns, Mill, und lasst Euch Zeit zum Aufstieg zumal es nur einen Aufstieg giebt einen wahren – den der Himmelfahrt. Im Leben schon. Das wissen wir Indianer noch besser wie alle Weissgesichter. Manchmal im Morgenwind sind wir im Kreise schon beseligt. Als Pampa noch zwischen uns sass, sagte er oft, dass man sich, wenn man wollte, den ganzen Urwald um die Schulter legen könnte – einen grünschanschierten Mantel. Man sich aber in der Gefangenschaft – jedes Blatt und jeden Ast erst erwerben müsse. Da hatte er recht. Die leise starke Welle des Flusses möge Sie auf den wahren Weg führen, auch da Pampa fern.

Ich habe gesprochen!

Der Medizinmann