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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Donnerstag, 23. Februar 1939

Emil Raas
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Lieber Mill.

Ich habe erst geglaubt, es spreche Jemand anders durchs Telephon. Oder war es Jemand anders? Ich fragte ja nicht, ob Sie an mich geschrieben, auch kam es gar nicht zu meiner Frage. Ich war nämlich so froh, daß ich Visum bekomme. Man hat es Scheps angekündet und Frau Scheps teilte es mir am Morgen mit. Dr. Kopler hat es geschrieben? Es tun mir nur die Privatsachen leid. So nett beide sind, so hat »sie« nicht richtigen Takt in den Dingen. Er versteht das nicht. Und [2] und er ist nicht schuld. Dr K. hat den selben Vortrag hier gehalten vorgestern – großartig. Seine Vorträge: Bildhauerarbeit, Dr. Taubes Vorträge: Rembrandtgemälde. Beide sehr sehr lieb zu mir. Ich soll auch so in 8–10 Tagen vortragen. Ich habe das Visum von hier oder vielmehr, es ist noch nicht hier britisch Consulat eingetroffen, dann gehe sofort franz. Consulat: Durchgangsvisum holen dann Schiffskarte von Marseille aus. Nun sind hier herrlicher Dr. med. von Berlin und Frau, die wohnen schon paar Jahre in Jerusalem. Bin morgen eingeladen und immer muß ich ihnen erzählen. Die Wiener erwärmen Zürich momentan. Wir sind nun eine [3] Gesellschaft, wohnen nah zusammen. Aber hier wird es schrecklich. Die Nazi voll Wut und im Seehof unten war Große Schlacht. Sie griffen gerade einen Christen und Freund an von uns. Blutige Schlägerei – 6 Polizisten kamen. Und noch etwas passierte vor meiner Tür um ½ 3 Uhr nachts. Seitdem bin ich so sehr nervös und herunter, zittere immer und bin doch Thebetaner. Aber so herunter gekommen. Auch die Aufregung für alle in Berlin und Wien. Ich habe 2⁄4 für Post gebraucht und könnte erst 2. oder 3. kommen; schon andere Stadt mal zu sehn und den schönen Mosesbrunnen. Aber Sie sind doch so frech zu mir? Wenn ich in Bern bin.

Die Verlobung von Renée hat mich wirklich sehr gefreut. Ich blieb sogar die [4] Depesche schuldig, aber bezahle morgen. Ich freue mich für sie und wünsche der Renée noch alles Glückliche. Sie muß mit Jemand alles teilen – Es geben Menschen, die zu Zweit sein müssen im Leben und Menschen, die ihr Leben nicht teilen können, nur Unglück ziehn und einsam am Wald oder Strandrand wandern müssen. Sie müssen auch Jemand finden, die Sie froh macht. und jede »Vertrocknung« aufhält. Ich bin nicht vertrocknet, aber abgewandt. Und wenn wir alle sitzen und reden und reden, so vollzieht sich ein einsames Leben in meinem Gemüt. Wenn noch eins vorhanden.

Ich komm mir vor wie eine Zielscheibe. Wir hätten so schön immer schreiben können [5] als Indianer, in der Maske oder gerade in meinem Element hätte ich geschrieben immer wie ich dachte und hätte mich erlöst, das kann ich nun nicht mehr. Die Ouvertüre nach der Oper giebt es doch nicht. meine Träume sind vertrocknet, verdurstet, nun vielleicht schon tot. Ich weiß aber, für Sie kommen herrliche Tage. aber genug. Ich bekam einen Londoner Brief eines berühmten Mannes, der mich schützen möchte. Er fürchtet Krieg. Gehen Sie doch (wie Sie wollten) nach Neuseeland, da Jerusalem zu warm. Wenigstens auf Jahre. Kämpfen Sie wie ich für himmlische Dinge, aber nicht für ehrgeizige Tyrannen weltliche. Ich kämpfte lieber für Menschenfresser Kannibalen als für diese armen Reiche ich meine Länder.

Danke für Ihren wirklich lieben Brief.

Jussuf

[6] Ich konnte paar Worte nicht lesen: Die von jungen Poeten etc. die man nicht »versteht« oder nicht »bewertet«?

Indianer werden – dazu würde ich doch nicht raten. Kein Mensch versteht es. Aber kommen Sie doch zu Dritt zu meinem Vortrag. Soll ich Ihnen für einen Tag mein neues Manuscript senden? Haben Sie Zeit 33–35 Seiten zu lesen so rasch?

Jetzt lege ich mich am River nieder unter einem Brotbaum. Ein kleiner Affe und seine Brüder essen gerade zu Abend und ich seh ihnen zu. Ich bin müde von allen Enttäuschungen, kann selbst nicht mehr träumen und säumen. Wirklich wahr.

Was meinten Sie mit Dellusion?

In meinem Manuscript spreche ich von Unbeholfenheit.

Sie behielten Ihr Kinderzimmer die aber verloren es meist, die Kinderstube ästhetische haben: Lackierte Leute.

Heute noch sehr krank.

Ob Bilder verkauft, noch keine Nachricht.

[4] Wie auch. III. Reich wird verlieren, aber viel ruinieren

Abends hab ich immer Angst seit länger.

Prof. Ewald bei Job. Wir hören so lange nichts.