Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Ascona, Freitag, 28. August 1936
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28. August 36
Lieber Mill.
Ich weiß nicht, was ich Ihnen getan habe? Da wir – mal lachten? – Oder was? Sie wissen doch ich bin im Nachteil – »der Freude« wie Sie so schön mal schrieben. So was Ähnliches wie ein schlecht Gewissen – bin ich vor mir.
[2] Ich hätte längst gefragt – schon darum weil ich endlich am 2. Sept. abreise Mittwoch. Ich kanns kaum erwarten. So entsetzlich fühlte ich mich hier in jeder Beziehung. Aber ich soll braun gebrannt sein – zwischen den »kleinen Fältchen« sickert Tessiner Wein. Ich muß sagen wir sind doch im Grunde sehr fremd. Ich wollte Ihnen vor paar Tagen [3] etwas Wichtiges schreiben, aber ich konnte nicht! Idealisierter Klecks [Blume] Tatsächlich, ich konnte nicht; hab dann Jemand Fremdes gefragt. Hat denn Nat. Dr. Gafner noch nicht telephoniert? Er sagte, er müsse wieder nach Deutschland, dann Rückkehr teleph. er ganz sicher! Ich will Ihnen, wollen Sie? die Briefe, Karten senden, auch eine aus Berlin. Ich habe schon gepackt – morgen geht per Bahn Frachtgut Koffer ab. [4] Ich träumte nämlich heute oder gestern von Ihnen – offen gestanden, Sie hätten Sich verliebt. Es war ein ganz nett Mädchen, aber Sie drehten ihr immer den Rücken, aber das sieht Ihnen ähnlich, dachte ich und setzte mir einen Indianerfederhut auf aus der Prairie. Ich darf ja bis 1. November bleiben, bis dahin mein neues Buch heraus und ich bring es selbst nach Jerusalemme. [5] Ich habe am Montag gelesen im Hôtel Bellaria im Saal. Es war sehr feierlich. Ich las Gedichte und Scheik und Im Rosenholzkästchen und Geheim. Dr. Bumm (Konzert.) Ich bekam so schöne Sachen. Und ganz kleiner Saal, aber ich hatte 92 Frc. Ich kann reisen. Am 10. Sept. schrieb mir Dr. Job werde ich eine halbe Stunde von Dr. Welty gelesen, (sehr nett, nicht – »einfach doll«! bekomme sicher 100 Frc. und dann [6] hundert Frc. für 2 Zeichnungen wie immer und der Contrakt beginnt, auch dort 100 Frc. zusam’:
100
100
100
300 Frc.
Kann alles behalten, da für Berlin gesorgt mit den Bildern. Für die Dame und Verwandte.
Ich wohne nun in Zürich: Hotel Seehof (Bollerei) Schifflände 10 am Quay – 50 Frc. Zimmer mit heißem Wasser. Das hat mein Anwalt Dr. Steinmarder und Frau veranlaßt. [7] 25 Frc. bezahl ich sofort von meinem Abend noch her und hab noch Reise und halber Koffertransport, Passeport, Accord endlich fort!! Und bekomme noch für Gedichte Neue Z. Z. Ich sitze hier in meinem Raum Und glaub es kaum. Der Eric bleibt noch paar Tage. Das müßten Sie miterleben! wie der Ehe-mann betrogen wird. Fast tut er mir leid. Er ist fein aber halb Wandervogel und Aal. [8] Nun wird Eric ein Haus tauschen in Ronco-Ascona mit seinem in München. Ich versteh ihn nicht in dieser Spinatüberwucherung. Ich bin viel zu abenteuerlich und die sind rororomantisch. Ich bin aber voll Traurigkeit immerzu, das können Sie mir glauben. Tropen unangenehme: Hitze hier!
Ach nun weiß ich, mit der Luke im Schiff, war Ihnen peinlich? Ich sprech doch oft so hin – tatsächlich ich bin gar nicht wie die Frauen, ich bin Indianer und schwer enttäuscht.
Jussuf
[1b] Geben Sie mir Ihr Ehrenwort ob Erik etwa geschrieben jetzt oder früher! Ich weiß nichts davon!!! Parole d’honneur (Sonst lügt man.)
Anmerkungen
Quelle: The National Library of Israel, Jerusalem, Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 29).