www.kj-skrodzki.de

Copyright © 2003–2024 by Karl Jürgen Skrodzki, Lohmar

Dr. Karl Jürgen Skrodzki, Am alten Sägewerk 5a, 53797 Lohmar, Deutschland

Tel.: +49 2241 942981

E-Mail: web (bei) kj-skrodzki.de

Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Zürich, Montag, 5. November 1934

Emil Raas
[1]

[1][2][3][4][5]

5. 11. 34.

Verehrter Mill Raas.

Vor etwa 20 Minuten warf ich an Sie hier vor dem Glockenhof meine letzten Gedichte für Sie in den Kasten liess meine Bildbestellung halb fertig liegen auf dem Tisch. Nun komm ich zurück in den Glockenhof und lese Ihren Brief auf meinen vor Schmerz fast betrunkenen Brief an Sie. Vielleicht können Sie solche Zustände wie ich sie hier durchmachte und noch durchmache von ruhiger Perspektive nicht verstehen, aber Ihr Herz musste es fassen und ich begreife jetzt wie anders wir seelisch stehen auf der Karte der Menschen und Ländergeschichte. Ihr umschriebenes Rügen meiner Wildheit, ich möchte es nicht Erregung nennen, erregte Leute sind meist Spiesser oder erinnern mich an discutierende liter. Weiber. Diese Spezie Frauen waren mir immer ein Widerwillen und noch dazu mit Ueberspanntheit besprenkt und mit Inteligenz. Aber die Spiesser mögen auch keine Wildheit Urwald in ihrer Stube. Ein Tiger könnte kommen sie zerreissen. Aber – – – – wenn man einen Menschen brauchte für eine gefahrvolle Tat, da baten dieselben Spiesser mich. Ich habe keine Zeit gemächlich alles erst zu erwägen in aller Bequemlichkeit erst alles zu überlegen – ich folge meinen inneren Gefühlen – – manchmal wenn ich mich nicht überhebe, den Ruf Gottes. Er ist mir auch oft böse aber früher wie mich die Menschheit im Schutze meiner teuren Mama noch nicht packen konnte mit ihren Klauen, da war ich Sein Schelm. »Als ich noch Gottes Schlingel war« .... Nun bin ich sein Husar weder Mann noch Frau aber eine Tatsache. Und ich bin nicht judisch der Menschen wegen aber Gottes wegen und habe mich nie blenden lassen. Die tiefe Einsamkeit, die ich bis zur Selbstvernichtung durchmachte, und immer wieder! Ist nicht ohne Grund von mir gefordert. Noch kämpfe ich im Gebet, aber ich werde mal frei von aller Erdenpein [2] aufschweben. Ich brauche denn keinen Trost mehr der einem im harten Krug gereicht wird oder im zerbrochenen Glas dass ich mir, überwältigt von Einsamkeit doch trank und mir die Lippen zerschnitt immerwieder immerwieder glaubend mit Vertrauen und mein Herz schenkend. Ich weiss nicht was Raum und Zeit bedeutet, weiss nur dass es Länder giebt, die ohne Lenz des Herzens sind und – – – da kommts drauf an. Die Ratschläge und gewiss weise mich liebende Lehren verlachte ich und schlug einen Purzelbaum. Den muss man verstehen den letzten unbedachten Sprung um sichselbst dem Schelm sollte man mehr Bewegungsfreiheit geben. Aber er stösst sich sehr bald den Kopf ein. Wenn Sie Erregtheit nennen wenn man z. B. anstatt durch die Tür durchs Fenster in die Stube kommt ... oder mir vorsichtig sagen wollen, Kinder sind nie aufgeregt – – so muss ich Ihnen antworten Kinder sind erregt wie junger Wein. Nun werden Sie entgegenen Aufgeregtheit ist etwas anderes als Erregtheit. Das stimmt, aber Aufgeregtheiten sind Wechselzustände vollblütiger Menschen und sind Menschlich aber Erregtheit kommt aus dem Geist der Seele auch aus der Natur zu dem Menschen zu Besuch – um mal eine gelungene Wendung dem allzuernstem Gespräch zu geben. Schön wie Sie mit den gewiss lieben Jungens spielten auch Indianerspiele die mit mir zu spielen Sie verzichteten – um nicht ein – – Nachahmer zu gelten. Bedenken Sie das als Mensch und sachlich als Anwalt. Fürsprecher erfuhr ich durch einen Zufall heute, heisst auf schweizerisch Anwalt. Ich habe nur ein Kind geliebt. Was ich einem anderen täte nehme ich dem einem unvergesslichem Kind. Aber ich suche stets das Kind im Grossgewordenen Menschen. Aber ich möchte es auch nicht betonen. Das können Sie nicht verstehen. Denn ein eigenes Kind bleibt immer zweijährig wächst heran: ein Brüderlein. Aber darüber wollen wir nicht sprechen. Ich bin immer auf dem selben Beet in meinen Gedanken [3] und Empfindungen Ihnen gegenüber geblieben – Niemand ahnte auch nur von unserer Kennen und die Judenjournale forderte ich nicht, aber ich bekam sie wie immer gesandt. Ich rate Ihnen sich nicht zu beschweren, denn die Redakteure meinen es sauber und gut und bürgen für das was sie schreiben. Das sagen Sie auch Ihrer Schwester mit den blauen Augen. Es darf sie nur stolz machen. Ein Lob zu acceptieren kann eine feinere Tat sein als ein Lob zu erteilen. Und ich empfand es stark – – – unkindlich dass Sie mir meine Freude vergellten. Man soll nicht geizen mit Freudeempfinden, ja man soll sich selbst bescheeren immerdar. Warum immer Bitterkraut essen? Mich rührt Ihre Geschichte mit Ihrem Papa und wie Sie Sich opferten. Aber verzeiht da sie mich auch aufklärt wie wenig Sie mein Herz und Leben kennen und wie ich herumträumte. Nicht dass ich auch nur im Geringsten beabsichtige Ihnen etwa einen Vorwurf zu machen, nie käme mir das in den Sinn. Aber wie Sie mich gewiss unbewusst bestraften in Ihrem Brief einen Menschen der Sie so geliebt hat. Ich sage geliebt hat denn ich halte die Liebe für die grösste Kostbarkeit der Welt der Mondstein in der Stirn des Himmels. Den zu opfern, sein Spiegelbild zu verschmähen, da muss man schon eine Kraft besitzen den ein Anlass ungeheuerlich gab. Ich liebe keine Schwüre oder im Indianerlager. Aber ich schwöre hier den feierlichen Eid, dass ich nie im Leben mehr an Sie schreiben werde nie im Leben. Auch Ihnen ausweichen werde. Sollte ich Ihnen aber mal begegnen, so ist es von Ihnen nur Höflichkeit mich NICHT zu begrüssen. Ich bin treu in meiner Indianerart es dauert bis ich einen Entschluss fasse. Ich bin gar nicht erregt oder voreilig. Ich bin wach geworden und nüchtern. Ich hatte vergessen mein Amt. Schwärmerei hat es einfach weggepustet. Nicht dass es mir leid täte. Ich ehre die Liebe und alles was sie veranlasst. Aber ich habe mich wieder gefunden wach hart und wie vorher. Wenn Sie von Ruhe und Harmonie sprechen – die suchte ich [4] in meiner Vertriebenheit. Ich musste fort ich wurde verfolgt in Berlin und öffentlich von G. beschimpft und beleidigt. Ich war von Spitzeln umgeben aber die Dichter haben mich gerettet. Also konnte ich nicht bleiben ja im Concentrationslager. Einmal war ich drüben im Luftschiff meine Freunde dort und Freundinnen fragen ob ich was tun könne und noch andere Dinge wegen denn ich bin nie feige. Ich war verkleidet als Moteurgehilfe fuhr mit zwei Politikern. Das war genau vor meiner Reise. Ich schrieb es Ihnen nicht, nicht aus Misstrauen, aber ich wollte nicht Ihre Meinung darüber hören. Ich habe nicht die Musse einheitlich sein zu können. Und möchte auch kein Ruheort im Leben sein. Was scheerte es Sie ob ich Sie liebte? Ich habe Sie nicht belästigt noch irgend Sie hemmen wollen noch stören. Auch habe ich Sie einmal nur gefragt und nicht da ich nach Jer. reiste für lange aber da ich ein sehr sehr schweres Abenteuer oder besser gesagt, ein gefahrvolles Weg unternahm und für mich bedeuteten DAMALS solche Worte alles. Aber Sie umgingen wenn auch sehr fein und dichterisch meine Frage die Frage des ärmsten Menschen in der Schweiz. Aber ich ehrte Ihre Ehrlichkeit denn in diesem Fall hätte sich eine Abigail hinreissen lassen zu lügen. Als ich lange vorher die Streich mit der Gerichtsverhandlung machte wollte ich nur verzweifelte liebende Worte von Ihnen hören, weil ich Sie liebte. albern nicht? Das wurde mir nun als Verbrechen angerechnet? Wie? Ich komm mir jetzt vor wie Kitsch. Also bin ich doch im Grunde der Malik, aber er erhob sich auch wieder im Buch. Und so habe ich mich nun erhoben ohne Einen Bach im Auge etwa. Ich hatte vergessen dass ich mal .... lachen Sie nur – – Kaiser war in jeder Beziehung und – – – – So wäre meine Beichte zu Ende und mein Beschluss. Nur noch eins das ich nie vergass. Als Sie und Herr Dr, Brunschwieg mich aufsuchten Ich liebte Sie sofort und empfand den taktlosen Zwischenfall des Drs, noch intensiver. Ich kannte Frl. Neustatt erst seit Einigen Tagen. Aber ihre reizende Schwester die Frau von Ludwig Hardt. Ich hatte [5] keine grosse Sympatie für Frl. Neustadt trotzdem sie gewiss ein schönes Mädchen ist für sehr viele Menschen die das ausdrücklich Weibliche lieben. Ich liebe das burschikose und das schlanke auch in der Seele und grosse Offenheit. Nun kam dazu dass ihre Freundin Frl. Garbatzki, uns direkt zu beobachten begann. Sie fürchtete Frl. Neustadt zu verlieren. Denn Frl. N. ist berechnet und voll Schlichen und Mätzchen und ich, meine Freundschaft schien ihr aussichtvoller. Aber da Frl. Garbatzki kränklich ist (nur für Sie) habe ich was mir nicht schwer fiel, stets versucht Frl. N. zu ignorieren. Auch bat ich sie die Vorträge rückgängig zu machen und darum sprach ich mit einer Ausrede in Genf nicht. Ich bin keine Verdienerin und eine Satyre ist es, dass ich gerade so viel verdienen muss momentan. Als mir denn noch Frl. N. sagte, sie suche einen Mann der sich mit ihr trauen lässt damit sie mit einem verheirateten Italiener der Kinder wegen sich nicht scheiden lassen wollend – sich tiefer einlassen könne, ein Kind bekommen könne, und – – – – – – Sie mir wie Frühstück sagte, dass Sie Meinen Freund oder unseren lieben erschütternd guten kindlichen Freund den prachtvollen Dichter Stenzel beinahe für ihren Plan gewonnen hatte in Berlin, allerdings er sicher in seinem Mitleid beistimmte, da fürchtete ich mich vor so viel List in einer Frau. Ich war bewegt als Sie dann beide fortgingen. Also darum hatte man die Dichterin eingeladen. Und ich konnte mich auch nicht äussern, denn ich fühlte der Herr Dr. B. war in Frl. N. verliebt, und wie schon gesagt, ich beuge mich vor der Liebe. Aber man sollte der Dichtungen wegen nicht die Ehre der Dichterin vergessen. Wir sind ja jetzt so leicht und ohne Gefahr zu beleidigen, wie gerne würde ich die Spesen wiedersenden, ich habe das nicht verlangt. Ich kann es jetzt bitte für andere zum Vorteil, Ich bitte und beteure Sie Sich nicht zu überwerfen mit Herrn Dr. Br. der sicher!! Ihr Freund ist. Meine einzige Bitte mir zu Ehren! Was ich schrieb bei der Ehre Thebens ist geschrieben – – nicht in Auffallung aber in aller Ruhe

Abigail

[1] Ich versichere Ihnen ehrenwortlich daß ich total unschuldig an den Ehrungen in den zwei Journalen bin