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[78] Else Lasker-Schüler an Emil Raas

Ascona, Freitag, 10. Januar 1936

Aktualisiert: 8. August 2025

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Emil Raas
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10. I 36

Lieber Mill.

Vielen Dank für Ihre liebe Karte. Eben schrieb mir Emil Bernhard, der liebe Mensch und Dichter. Gottseidank frei! Seine Frau holte ihn, aber sehr erschöpft. Wollen Sie Karte lesen? Und ich habe wieder eine Bitte. Direktor Delsen schrieb eben wieder, ich soll meine beiden Stücke senden. Nun möchte ich, Sie bringen sie ihn. Teleph. vorher, ob er in Biel oder Solothurn ist? [2] Ich schrieb ihm, Sie hätten sie zum Lesen und bringen sie ihm sofort. Also so machen wir es, da ich Ihnen ja versprach Sie sollten Arthur Aronymus lesen. Aber nicht Brunschwig noch andere Menschen. Wenn aber Ihr Papa und Renée sich interessieren, lesen Sie ihnen vor – allein. Er bekam den Kleistpreis zu meinem Erstaunen, wie geregnet zur Erde.

In aller Eile. Ich fragte vor Mon. Dir. Delsen an, – aber ich zögerte dann, da ich nicht wußte. Ich glaube hätte großen [3] Erfolg, da ich glaube, daß auch die Professoren beide und Doktorinnen die Leute mit dem Revolver ins Theater jagten. Auch könnten wir die Welt damit durchreisen. Hier ein Kind, zwar 13 Jahre alt, aber nicht groß, enorm begabt, spielte Hauptrolle Weihnachten – den Teufel große Rolle, nur das Kind könnte es spielen. Die Eltern Dr. Heymann Berlin würden sofort erlauben: Arthur Aronymus und Kinder überall: Tanzschule. Da ist noch ein Kind als: Lenchen – Geht es Ihnen auch gut? [4] Sind Sie wohl? Und Ihr Kopf? Bitte, tief (ruhig) atmen und die Hauptsache: Ausatmen. Und alles Liebe, von der Dichterin. Dr. Steinmarder schrieb, Hauptmensch Querido Verlag: Amsterdam komme erst in diesen Tagen zurück. Rascher schrieb, er wolle drucken, wenn er es sehr künstlerisch findet. Dr. Steinmarder soll auch mit ihm sprechen, bevor ich sende. Nun hat in Tel-Aviv die Vicebürgermeisterin: Verlag. die mich gern hat per Brief. Ich will auch an sie schreiben. Ich [5] bin heute Locarno zu einer Arztfamilie eingeladen. Gehe bald hin; freue mich auch mal anderes zu sehen. Ich konnte heute Nacht nicht schlafen wegen der Mondfinsterniß, hatte Angst es bleibt finster [schraffierter Mond, darin Kopf im Profil, und Stern] Ich war sprachlos. Was sagen Sie? Bei Ihnen auch Mondfinsterniß gewesen so um ½ 7 Uhr? Antwort, bitte.

Nun scheint die Sonne und ich denke an Sie. Ihre Dichterin

Anmerkungen

Quelle: The National Library of Israel, Jerusalem, Emil Raas Collection (Arc. 4* 1821 01 23). Druck: Else Lasker-Schüler, Werke und Briefe. Kritische Ausgabe. Im Auftrag des Franz Rosenzweig-Zentrums der Hebräischen Universität Jerusalem, der Bergischen Universität Wuppertal und des Deutschen Literaturarchivs Marbach am Neckar hg. von Andreas B. Kilcher [ab Bd. 9], Norbert Oellers, Heinz Rölleke und Itta Shedletzky. Bd. 9: Briefe. 1933–1936, bearbeitet von Karl Jürgen Skrodzki, Frankfurt am Main: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, 2008, S. 294.

Gottseidank frei! • Vgl. zu [Brief 76] (»verhaftet worden von der Gestappo«). – Emil Moses Cohn hatte am 7. Januar 1936 (The National Library of Israel, Jerusalem, Else Lasker-Schüler Archive [Arc. Ms. Var. 501 05 91]) an Else Lasker-Schüler geschrieben, dass er »seit 8 Tagen wieder daheim« sei: »meine tapfere und energische Frau holte mich nachhause und wenn ich auch noch nicht ganz gesund bin, hoffe ich doch bald zu genesen.« – meine beiden Stücke • »Die Wupper« und »Arthur Aronymus und seine Väter«. Siehe [Brief 73] und [Brief 84]. – Renée • Schwester von Emil Raas. – Kleistpreis • Else Lasker-Schüler hatte zusammen mit dem österreichischen Schriftsteller Richard Billinger (1890–1965) im November 1932 den Kleistpreis für ihr Lebenswerk erhalten. – die Professoren beide und Doktorinnen • Franziska Baumgarten-Tramer und Moritz Tramer sowie Sergei und Rega Bagotzky. Siehe [Brief 72] und [Brief 73]. – Dr. Heymann • Ein Manuskript von »Der Antisemitismus« ist dem Arzt Willy Heimann gewidmet. Vgl. Else Lasker-Schüler, Werke und Briefe […]. Bd. 4.1: Prosa. 1921–1945. Nachgelassene Schriften, bearbeitet von Karl Jürgen Skrodzki und Itta Shedletzky, Frankfurt am Main: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, S. 495. – Lenchen • Eines der Kinder in »Arthur Aronymus und seine Väter«. – Hauptmensch Querido Verlag • Fritz Landshoff. – wenn er es sehr künstlerisch findet • Zum »Hebräerland« vgl. zu [Brief 48] (»viel dichtete auch über Jerusalem«). – in Tel-Aviv die Vicebürgermeisterin • Die aus der Ukraine gebürtige Zionistin S(c)hos(c)hana Persitz (1892–1969) hatte 1917 in Moskau den Omanut Verlag gegründet und war 1925 nach Palästina eingewandert. Sie gehörte von 1926 bis 1935 der Tel Aviver Stadtverwaltung an. Else Lasker-Schüler erwähnt die »Vicebürgermeisterin« in zwei Entwürfen zum »Hebräerland« [Entwurf 1 (S. 148)] und [Entwurf 2 (S. 98 f.)]. Vgl. Else Lasker-Schüler, Werke und Briefe […]. Bd. 5: Prosa. Das Hebräerland, bearbeitet von Karl Jürgen Skrodzki und Itta Shedletzky, Frankfurt am Main: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, 2002, S. 235 und 298 f.