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Else Lasker-Schüler an Emil Raas
Ascona, Samstag, 23. Mai 1936

Emil Raas
[1]

[1][2][3][4][5][6]

Postfach 49. Ascona

23. Mai 36.

Von Zürich dauert es nur zu denken 2 Stunden nach Bern.

[Hand mit Armband und langem Zeigefinger] Alle Post bitte:

Zum Tag nach Pfingsten bin ich wieder in Zürich: wieder: Fraumünsterpost postlagernd Zürich

Ich wohne – Hôtel Seehof Schifflände 2 Min. oder 1. vom Café Odéon entfernt – vis à vis: Café Terasse ungefähr – ⅙ Min. vom Zürcher See. Ich blick vom Fenster überm See.

Lieber Mill.

Tut mir fast weh [Herz, beschriftet: »Ich hasse dich!«, unter dem Herz: »aus Honigkuchen«] den Mill täglich zu belästigen. Aber ich kann, namentlich für diesen Brief und inl. nicht. [2] Ich habe, will ich noch vorher bemerken, wirklich, (aber ich schicke ihn von Zürich Brief Copie an Mussolini schon eingepackt. Ich soll überhaupt aus der Schweiz fort – hör ich eben von dem Raudi der 2 Polizisten. Aber nicht ihn anklagen, vielleicht hat er Menschen zu ernähren. Ich will nicht daß Kinder hungern. Ich hab nun alles Herrn Nationalrat geschrieben. Bringen Sie den Brief ihm? Lesen Sie vorher! Ist das von mir, Ekel, wieder eine Frechheit? Fritz Loeb schrieb ich löblich, sogar er möchte sehen, daß viele Leute mein Bild [3] betrachten, da es »sein Zimmer, wie er schrieb, »»schmücke««. Das beste, Sie machen, als ob Sie und Ihr Freund davon gehört und sehen Sich auch an? Loben es enorm. Das gehört zu meinem – mystischen Bureau. Jemehr Bilder, jemehr kann ich für Berlin tun, auch für mich [Weinglas] »Wer nicht liebt Wein etc. Sie verstehen mich! Nur ich bin gar nicht besser geworden. Ich bin wohl braun aber die Luft malt uns hier braun. Innen Kalkwände. Ich freue mich fort zu kommen! Ich hab wohl [4] häßlichen Brief [Schwein] geschrieben mit der Löbaffaire?, aber ich bin so. Manchmal steh ich vorm Spiegel und mache lauter Fratzen. Sie schreiben, Sie können nicht zu meinem Vortrag kommen – das würde ich auch nie denken. Ich sprech ja auch öfters in Zürich.

Nach Zürich am Zürcher See,

Ist Ihr Kommen auch nur Idee.

Sie kamen 2 × für paar Sekunden

Unumbunden Urkunden doch um Stunden

Zu wandeln durch Zürichs Allee.

Dann reisten Sie wieder in Ihre Stadt

Durch Zermatt.

Kommt man nicht an Zermatt vorbei? Einmal stieg ich in so einem kleinen [kleiner Davidstern] Dörflein aus um den Abendstern zu begucken. [5] Ich war ganz allein, ach und ich war so voll Frieden, wie ich nie je wieder war. Überall ging ich vorbei und da kam eine Frau, die ging in ihren Garten und schnitt mir eine Akazienblüte, eine Dolde weiß wie Neuschnee vom Zweig und ich nahm sie und legte sie um meinen Hals. So allein kann man sein und einig. Ich fand Ihre Erzählung von dem Heuaufladen so schön. Ich sah Sie direkt. Ich gehe heute noch gegenüber in die Schule zur Freude der Kinder und schreibe Diktat mit 84 Fehlern zum Entzücken der Kinder. letzte Arbeit. Bringe auch Bonbons mit – zu stören! Darf ich noch was sehr ernstes sagen. Hier ein großer Hellseher sagte – [6] die anderen alle kurzsichtig) ich correspondierte mit Jemand, den ich stets in Verlegenheit (so ähnlichen Ausdruck brächte – das wäre nicht gut für denjenigen, ja ich gefährde ihn. Wenn das wahr ist, lieber Mill, so wollen wir nicht schreiben, denn mit Ihnen meine ich es sehr sehr sehr sehr gut, noch mehr wie gut. Ich würde das Opfer bringen – wirklich. Nie soll man aus Verpflichtung sich überwinden oder Emigrantenmitleid. Für Prinz Jussuf, der Malik war über drei Städte – Schmach.

Nun noch dies. Ich möchte sofort sehen nach Jerusalem zu kommen, ich, die dort war, meine liebste geschwisterliche Freundin dort voll Furcht. Ich möchte zunächst bleiben, bis Gefahr erloschen. Von meinem Manuscript noch keine Antwort, aber Anwalt schrieb sehr gut. Der Regisseur muß noch paar Wochen Zeit haben um absolute Antwort zu schreiben. Die beiden anderen forderten erst ein.

Ich grüße Sie innigst, dankerfüllt, lieber Mill, Ihre Tino. (So heiß ich auch!) So nannte mich St. Petron Hille.

[1] Frau Dr. Baumgarten-Tramer und Prof. Frau Dr. Bagotzky habe ich so gern – großartige zwei Frauen.